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Die bronzenen Bestien -  Roshani Chokshi

Die bronzenen Bestien (eBook)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
448 Seiten
Arctis Verlag
978-3-03880-128-3 (ISBN)
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Band 3 des ?New York Times?-Bestsellers voller Magie, Action, Diversität und Romantik. Nach Séverins scheinbarem Verrat ist sein Team enttäuscht und gespalten. Mit nur einer Handvoll Hinweisen gelangen Enrique, Laila, Hypnos und Zofia auf unterschiedlichen Wegen nach Venedig, um ihren Anführer zwischen Prachtbauten und Kanälen zu suchen. In einem nahe gelegenen Tempel sieht sich das vereinte Team mit überirdischen Liedern, bronzenen Bestien und magischen Stufen konfrontiert, deren Kräfte Göttlichkeit selbst offenbaren könnten. Aber zu einem Preis, den sie vermutlich nicht zu zahlen bereit sind ...

Roshani Chokshi, geboren 1991, stand mit der Kinderbuchreihe Aru Sha und ihren Fantasy-Romanen The Star Touched Queen und A Crown Of Wishes auf der New York Times-Bestsellerliste. Auf ihren sozialen Kanälen erreicht sie seither eine große Fangemeinde. Chokshi hat indische und philippinische Wurzeln, ist verheiratet und lebt in Georgia.

Roshani Chokshi, geboren 1991, stand mit der Kinderbuchreihe Aru Sha und ihren Fantasy-Romanen The Star Touched Queen und A Crown Of Wishes auf der New York Times-Bestsellerliste. Auf ihren sozialen Kanälen erreicht sie seither eine große Fangemeinde. Chokshi hat indische und philippinische Wurzeln, ist verheiratet und lebt in Georgia.

Prolog


Kahina sang dem schlafenden Jungen etwas vor.

Sie saß auf der Bettkante und strich die Albträume fort, die seine Stirn kräuselten. Séverin seufzte, schmiegte sich an ihre Hand, und Kahina wurde das Herz schwer. Nur hier, in diesen verstohlenen Momenten, wenn die Nacht allmählich in den Tag überging und die Welt noch in tiefem Schlummer lag, konnte sie ihn ihren Sohn nennen.

»Ya omri«, murmelte sie.

Mein Leben.

»Habib albi«, ein wenig lauter diesmal.

Liebe meines Herzens.

Séverin blinzelte und sah zu ihr hoch. Schlaftrunken lächelte er und streckte die Ärmchen aus. »Ummi.«

Kahina drückte ihn an sich, während er wieder eindämmerte.

Sie berührte sein Haar, dunkel wie Krähenschwingen und leicht gelockt. Seine Haut duftete schwach nach Eukalyptus, wegen der Zweige, die sie ihm abends ins Badewasser legte. Manchmal ärgerte es sie, dass sie so wenig von sich selbst in seinen Zügen wiedererkannte. Mit geschlossenen Augen war er eine Miniaturausgabe seines Vaters, und Kahina ahnte schon jetzt, wie das seine Zukunft prägen würde. Der Mund ihres Sohnes würde lernen, sich zu einem spöttischen Lächeln zu verziehen, und die rosigen Pausbäckchen würden sich klingengleich schärfen. Sogar sein Benehmen würde sich wandeln. Noch war er schüchtern, ein stiller Beobachter, doch sie hatte ihn schon gelegentlich die elegante Grausamkeit seines Vaters nachahmen sehen. Bisweilen erschreckte sie das, aber möglicherweise zeugte es lediglich von Séverins Überlebenswillen. Es verhieß Macht, nicht nur zu wissen, in welchen Kreisen man sich auf dieser Erde bewegen musste, sondern auch, wie man erreichte, dass die Erde um einen selbst kreiste.

Sanft fuhr Kahina über Séverins Wimpern. Sie überlegte, ob sie ihn wecken sollte. Das war selbstsüchtig, so viel war ihr klar, doch in den Augen ihres Sohnes fand sie den einzigen Teil ihrer selbst, den man nicht hatte auslöschen können. Séverins Augen hatten die Farbe von Geheimnissen. Von silberdurchwirkter Abenddämmerung. Genau wie ihre eigenen und die ihrer Großeltern vor ihr.

Es waren die Augen aller Auserwählten, derjenigen, denen die Gnade der Unverehrten Schwestern zuteilgeworden war: al-Lāt, al-’Uzzā und Manāt. Archaische Göttinnen mit Tempeln, deren Steine inzwischen Industrie- und Handelsstraßen pflasterten. Ihre Mythen waren getilgt worden, ihre Gesichter in Vergessenheit geraten. Nur ein Gebot hatte unbeschadet die Zeit überdauert, streng befolgt von den Nachfahren derer, die die Göttinnen gesegnet hatten.

Das Tor zum Göttlichen liegt in deinen Händen – lass niemanden ein.

Als Kahina klein war, hatte ihre Mutter ihr eingebläut, es sei auch ihre heilige Pflicht, dieses Gebot in Ehren zu halten. Kahina hatte ihr nicht geglaubt. Sie hatte gelacht, das Ganze als Produkt ihrer blühenden Fantasie abgetan. Doch an ihrem dreizehnten Geburtstag nahm ihre Mutter sie mit in die Wüste, zu Ruinen, die außer Ziegen und Vagabunden niemand mehr aufsuchte. In der Mitte eines von baufälligen Säulen umgebenen Hofs befanden sich die Überreste eines ausgedienten Brunnens. Allerdings enthielt er kein Wasser. Stattdessen sammelten sich darin Sand und staubbedeckte Palmwedel.

»Gib ihm etwas von deinem Blut«, forderte ihre Mutter sie auf.

Kahina weigerte sich. Dieser Unfug ging entschieden zu weit. Aber ihre Mutter ließ sich nicht beirren. Sie packte Kahinas Arm und zog einen scharfkantigen Stein über ihre Ellenbeuge. Ein heiß aufflammender Schmerz. Kahina schrie auf. Ihr Blut tropfte auf die alte Brunnenmauer.

Die Welt erzitterte. Ein blauer Lichtstrahl schoss empor, als hätte man den Himmel zu einem Seil geflochten. Er fächerte sich auf, bis ein leuchtender Käfig die Ruinen umschloss.

»Sieh in den Brunnen«, befahl ihre Mutter und klang dabei wie eine Fremde.

Erschüttert beugte Kahina sich über den Rand. Verschwunden waren Sand und Palmwedel. Stattdessen fluteten die Bilder einer Geschichte auf sie ein. Ihre Lider schlossen sich. Ihr Mund füllte sich mit tausend Sprachen, die Zunge zuckte, die Zähne schmerzten. Für den Bruchteil einer Sekunde – nicht länger als ein Wimpernschlag – breitete sich ein fremdes Bewusstsein in ihr aus. Ein Bewusstsein, das flüsternd Wurzeln treiben und Vögel flügge werden ließ, so scharf, dass es aus Chaos Kalkül und aus Willkür Vernunft schneiden konnte und Sterne in den Himmel schnitzte.

Kahina fiel auf die Knie.

Sie hatte das Gefühl, sich in die Luft zu erheben und auf die Welt unter sich hinabzublicken, die ihr nun so klein erschien, als würde sie in ihre Hand passen. Kahina beobachtete, wie ein Fragment des beunruhigenden Bewusstseins hell aufglühte und sich über diese noch junge Welt verteilte. Sie sah es Kerben ins Land schlagen, sah Menschenmengen, die sich, wie von einem Feuerwerk neuer Farben geblendet, die Augen abschirmten, sah, wie die Splitter der Macht sich in den Boden gruben und dort Schnörkel aus Licht erblühen ließen, als hätte man den Erdball mit Schriftzeichen voller Poesie überzogen, die nur Engel aussprechen konnten. Über diesem leuchtenden Netz gedieh das Leben. Pflanzen sprossen, Tiere weideten. Siedlungen entstanden – zunächst klein, dann immer größer –, und die Bewohner begannen, Dinge zu erschaffen. Mit einem Schlenker seines Handgelenks ließ ein Mann aus Grashalmen eine Flöte entstehen. Eine mit Perlen behängte Frau legte Kindern den Finger an die Schläfe, und die Menschen um sie herum sanken vor Ehrfurcht auf die Knie. Später sollte Kahina lernen, dass man diese Kunst in der westlichen Welt als die Schmiedegaben des Geistes und der Materie bezeichnete, sie jedoch viele Namen hatte.

Dann eröffnete das unheimliche Bewusstsein Kahina einen neuen Anblick.

In einem Tempel mit hohen Decken schwebten kurze Fäden des seltsamen Lichts in der Luft, greifbaren Sonnenstrahlen gleich. Eine Gruppe von Frauen sammelte sie ein. Ihre Augen hatten das Licht aufgesogen und glänzten silbrig. Einen nach dem anderen zogen die Frauen die schimmernden Fäden auf den Rahmen eines Instruments auf, das kaum größer war als der Kopf eines Kindes. Neugierig schlug eine von ihnen eine Saite an. Die Zeit schien stillzustehen, und einen schrecklichen Moment lang ächzten die Splitter der Macht in der Erde, die leuchtenden Schriftzeichen blinkten warnend. Sofort presste die Frau die Finger auf die Saite und brachte sie zum Verstummen.

Doch der Schaden ließ sich nicht mehr abwenden.

Überall auf der Welt flammten Brände auf, stürzten neu erbaute Städte in sich zusammen und begruben Menschen unter den Trümmern. Kahina konnte ihren Körper nicht sehen, aber ihre Seele erzitterte vor Angst. Dieses Instrument durfte nicht gespielt werden.

Auf einmal jagte eine Vision die andere.

Kahina beobachtete, wie die Nachkommen der Frauen die Erde bevölkerten. Zu erkennen waren sie am übernatürlichen Glanz ihrer Augen, gerade so außergewöhnlich, dass sie Aufmerksamkeit, aber keinen Verdacht erregten. Das seltsame Instrument wurde unter ihnen weitergereicht und durch Portale geschleust, die Zeit und Raum bezwangen. Es überdauerte Epochen. Königreiche fochten Kriege aus, gierige Gottheiten verlangten nach Blut und noch gierigere Priester nach Opfergaben. Sonne und Mond gingen im Wechsel auf und unter, und während all dieser Zeit blieb das Instrument wundersam still.

Jäh entließen die Visionen Kahina aus ihrem Griff.

Sie fiel erneut, und es schien ein Sturz durch ganze Zeitalter zu sein. Sie spürte die rauen Steine alter Zikkurats an ihren Wangen, schmeckte kühle Münzen auf der Zunge, streifte die Felle ausgestorbener Tiere mit den Füßen. Plötzlich fand sie sich auf dem Boden wieder und starrte hinauf in die Augen ihrer Mutter. Die unermessliche Präsenz, die eben noch ihre Seele ausgedehnt hatte, war fort. Nie zuvor war ihr so kalt gewesen, hatte sie sich so klein gefühlt.

»Ich weiß«, flüsterte ihre Mutter sanft.

Kaum hatte Kahina ihre Stimme wiedergefunden – was länger dauerte als erwartet, denn das Arabische schien ihr nicht über die Lippen zu wollen –, krächzte sie: »Was war das?«

»Eine Vision, die den Auserwählten zuteilwird, damit wir unsere heilige Pflicht besser begreifen«, antwortete ihre Mutter. »Wir haben noch andere Namen, zumindest erzählt man sich das. Unsere Familie hat sich vor ewigen Zeiten in alle Winde zerstreut. Wir sind die Verlorenen Musen, die Nornen, Töchter des Bathala, die Stillen Apsaras. Auch das Instrument hat viele Namen in unzähligen Sprachen, aber seine Wirkung bleibt bis heute gleich: Wird es gespielt, so bringt es das Göttliche aus dem Takt.«

»Das Göttliche …«, wiederholte Kahina.

Ein Wort, das nicht ausreichte, um zu beschreiben, was sie gesehen hatte.

»Deine Großmutter hat mir damals von einem Ort erzählt, einem Heiligtum, erbaut aus den Ruinen eines Landes, dessen heilige Elite ihre Macht missbraucht hatte. Spielt man das Instrument außerhalb dieses besudelten Tempels, entfesselt man eine Zerstörungskraft, die die Welt in ihren Grundfesten erschüttert«, fuhr Kahinas Mutter fort. »Innerhalb des Tempels jedoch vermag es, Gerüchten zufolge, alle Fragmente des Göttlichen zusammenzufügen. Manche sagen, sie würden einen Turm formen, den man erklimmen könne, um göttliche Macht für sich zu beanspruchen. Doch die Wahrheit herauszufinden, ist uns nicht bestimmt. Unser Auftrag besteht allein in der Erfüllung unserer Pflicht …«

Sie half Kahina auf die Füße.

Das Tor zum Göttlichen liegt in deinen Händen – lass niemanden ein.

 

KAHINA BEUGTE SICH über ihren Sohn....

Erscheint lt. Verlag 16.3.2022
Reihe/Serie Die goldenen Wölfe
Die goldenen Wölfe
Übersetzer Jennifer Michalski, Hanna Christine Fliedner
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte 19. Jahrhundert • Abenteuer • Die Goldenen Wölfe • Diversität • Fantasy • Freundschaft • Geheimbund • Italien • Magie • Schmiedekunst • Steam Punk • Team • Venedig • Zusammenhalt
ISBN-10 3-03880-128-3 / 3038801283
ISBN-13 978-3-03880-128-3 / 9783038801283
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