Scholomance – Die Goldenen Enklaven (eBook)
Nahezu im Alleingang - wenn auch unterstützt von einer wachsenden Zahl echter Freunde - hat El die Scholomance für immer verändert. Nun ist sie zurück in der realen Welt und muss sehen, wie sie mit dem zurechtkommt, was sie in der Schule gelernt hat. Noch immer hängt die düstere Prophezeiung ihrer Großmutter wie ein Damoklesschwert über ihr. Wird El tatsächlich alle Enklaven für immer zerstören?
Bei dem Versuch, ihre einzig wahre Liebe zu retten, muss El die wichtigste Lektion lernen: Die grausame Wahrheit darüber, worauf die Enklaven und die Stabilität der magischen Welt gegründet sind. Doch sie wäre nicht El, wenn sie nicht daran rühren wollte ...
Unzählige Fans lieben die geistreichen, genial erzählten Geschichten der Bestsellerautorin Naomi Novik. Ihre starken Heldinnen widersetzen sich Konventionen und kämpfen für Gerechtigkeit. Das fulminante Finale der New-York-Times-Bestseller-Trilogie »Scholomance« bietet dunkle und rasante Abenteuer voller unerwarteter Wendungen.
Alle Bände der »Scholomance«-Trilogie:
Scholomance - Tödliche Lektion
Scholomance - Der letzte Absolvent
Scholomance - Die goldenen Enklaven
New-York-Times-Bestsellerautorin Naomi Novik ist in New York geboren und mit polnischen Märchen und den Büchern von J.R.R. Tolkien aufgewachsen. Mit ihrem Debüt, der Fantasyreihe »Die Feuerreiter seiner Majestät«, wurde sie weltbekannt. Inzwischen hat sie zahlreiche Preise erhalten, darunter 2016 den Nebula Award für »Das dunkle Herz des Waldes« und 2019 den Locus Award für »Das kalte Reich des Silbers«. Naomi Novik lebt mit ihrer Familie und sechs Computern in New York.
Kapitel 1
Die Jurte
Das Letzte, was Orion, dieser absolute Mistkerl, zu mir sagte, war:
El, ich liebe dich so sehr.
Und dann stieß er mich rückwärts durch die Tore der Scholomance, und ich landete mit einem Schlag auf dem Rücken im Paradies: auf der mit weichem Gras bewachsenen Lichtung in Wales, die ich vor vier Jahren zum letzten Mal gesehen hatte, mit Eschen voll saftig grüner Blätter, gesprenkelt vom herabfallenden Sonnenlicht, und mit Mum. Mum wartete dort auf mich, in ihren Armen ein Meer von Blumen: Mohn für Erholung, Anemonen für Bewältigung, Mondraute für Vergessen, Ackerwinden für den Anbruch eines neuen Tages. Ein Willkommensstrauß für ein Traumaopfer, der die Schrecken aus meinem Geist vertreiben und Platz für Heilung und Entspannung schaffen sollte. Doch als sie die Arme ausstreckte, stemmte ich mich hoch und stieß dabei ein heulendes »Orion!« aus, das die Blütenpracht in alle Winde davonstieben ließ.
Vor ein paar Monaten – Äonen, wie mir schien –, als wir noch mitten in unserem wahnsinnigen Hindernisparcours steckten, hatte mir eine Enklavlerin aus Mailand einen Ortswechselzauber auf Latein gegeben, einen von der seltenen Art, die man auch bei sich selbst anwenden kann, ohne sich damit in tausend Stücke zu sprengen. Die Idee war, ich sollte damit im Festsaal von A nach B hüpfen, um andere Leute – zum Beispiel Enklavlerinnen aus Mailand – besser retten zu können, weshalb sie mir einen Zauber, der fünf Jahre Mana wert war, einfach so überlassen hatte. Normalerweise konnte man ihn nicht über weite Distanzen hinweg anwenden, aber Zeit war schließlich mehr oder weniger das Gleiche wie Raum, und immerhin war ich zehn Sekunden zuvor noch in der Scholomance gewesen. Ich hatte den Festsaal noch so klar und deutlich vor Augen wie eine Konstruktionszeichnung, einschließlich dieser grauenvollen Masse namens Patience und der Horde Maleficaria dahinter, die sich auf uns zubewegten. Entschlossen platzierte ich mich wieder vor den Toren, genau dorthin zurück, wo ich gestanden hatte, als Orion mir den finalen Stoß versetzt hatte.
Aber der Zauber wollte ganz offensichtlich nicht gehext werden und leistete energisch Widerstand, als würde er mich mit einem ganzen Schilderwald warnen: Vorsicht, Sackgasse! Straße unterspült! Ich zwang ihn trotzdem durch das Tor, bombardierte ihn förmlich mit Mana, aber der Zauber wurde mir ins Gesicht zurückgeschleudert und warf mich zu Boden, als wäre ich aus vollem Lauf gegen eine Betonwand gerannt. Also rappelte ich mich wieder auf und versuchte es mit exakt demselben Spruch erneut, nur um ein zweites Mal niedergemäht zu werden.
Mir dröhnte und klingelte der Schädel. Mühevoll hievte ich mich erneut auf die Beine. Mum half mir auf, aber sie hielt mich auch zurück, sagte irgendetwas zu mir, wollte, dass ich aufhörte, aber ich fauchte sie nur an: »Patience kam direkt auf ihn zu!«, und ihre Hände wurden ganz schlaff und rutschten hilflos an meinem Körper hinunter, während sie in ihren eigenen schrecklichen Erinnerungen versank.
Ich war bereits vor zwei Minuten hier gelandet. Zwei Minuten waren im Festsaal eine Ewigkeit, auch schon, bevor ich sämtliche Monster der Welt darin zusammengepfercht hatte. Aber Mums Unterbrechung hielt mich wenigstens davon ab, endlos mit dem Kopf gegen die Wand zu donnern. Ich nahm mir einen Moment Zeit, um nachzudenken, und versuchte dann Orion stattdessen mit einer Heraufbeschwörung rauszuholen.
Die meisten Leute sind nicht in der Lage, irgendetwas heraufzubeschwören, das größer ist oder mehr Willenskraft hat als ein Haargummi. Die unzähligen Heraufbeschwörungszauber, die ich im Laufe der Jahre unfreiwillig gesammelt hatte, waren jedoch alle dazu gedacht, mir ein mehr oder weniger unglückseliges, schreiendes Opfer zu beschaffen, vermutlich um es in meine Opfergrube zu schleudern, die ich allerdings – unverständlicherweise – noch nicht angelegt hatte. Jedenfalls verfügte ich über ein Dutzend verschiedene, darunter auch einen, mit dem man jemanden auf hellseherische Weise durch eine spiegelnde Fläche erspähen und durch sie zu sich ziehen konnte.
Der Zauber war besonders wirkungsvoll, wenn man einen riesigen verfluchten Spiegel des Todes besaß und ihn genau dafür benutzte. Leider hatte ich meinen an der Wand meines Zimmers in der Scholomance hängen lassen. Also rannte ich über die Lichtung, bis ich eine kleine Wasserpfütze zwischen zwei Baumwurzeln fand. Normalerweise hätte sie nie und nimmer ausgereicht, aber da die Leitung des Kraftteilers nach der Abschlussprüfung immer noch aktiv war, strömte weiter endlos Mana durch meinen Körper. Ich legte all meine Kraft in den Zauber, ließ die trübe Pfütze so glatt wie Glas schimmern, starrte darauf und schrie: »Orion! Orion Lake! Ich rufe dich in …« Ich blickte kurz zu dem ersten Sonnenlicht und dem ersten Stückchen Himmel hinauf, wonach ich mich die letzten vier Jahre gesehnt hatte, spürte jedoch nur verzweifelte Frustration darüber, dass es nicht dämmerte oder Mittag oder Mitternacht oder irgendetwas anderes Hilfreiches war. »… in den Stunden des zunehmenden Lichts. Komm zu mir aus den düsteren Hallen und gehorche allein meinen Worten.« Höchstwahrscheinlich würde er wohl unter einem Gehorsamkeitszauber stehen, wenn er hier auftauchte, aber darüber würde ich mir Sorgen machen, wenn er erst mal hier war.
Diesmal ging der Zauber durch, und das Wasser bauschte sich zu einer silberschwarzen Wolke, die langsam und widerwillig ein geisterhaftes Bild freigab, bei dem es sich möglicherweise um Orion von hinten handelte, kaum mehr als ein Schatten vor dem Hintergrund tiefster Dunkelheit. Ich stieß meinen Arm trotzdem ins Dunkel und streckte mich nach ihm. Und einen Augenblick lang dachte ich – war ich mir sicher –, dass ich ihn hatte. Eine Woge wahnsinniger Erleichterung schwappte über mich hinweg: Ich hatte es geschafft, hatte ihn erwischt – doch im nächsten Moment schrie ich, weil meine Finger durch die Außenhülle eines Schlundmauls glitten, das mich mit saugender Gier zu verschlingen versuchte.
Jede Faser meines Körpers wollte sofort wieder loslassen. Und dann wurde es noch schlimmer – als könnte es überhaupt noch schlimmer werden –, denn es war nicht nur ein Schlundmaul, es waren zwei, und sie grapschten von beiden Seiten nach mir, als hätte Patience Fortitude noch nicht vollkommen verdaut. Ein ganzes Jahrhundert an Schülern war nun mal eine so gigantische Mahlzeit, dass es seine Zeit dauerte, sie komplett zu verspeisen, vor allem, da auch Fortitude weiterhin blind um sich tastete und versuchte, seinen eigenen Hunger zu stillen, während das Monstrum selbst verschlungen wurde.
Im Festsaal war für mich völlig offensichtlich gewesen, dass wir dieses Monstrum, diesen geballten Schrecken, unmöglich töten konnten – noch nicht mal, wenn mir das vereinte Mana von viertausend lebendigen Schülern zur Verfügung stand. Das Einzige, was wir mit Patience tun konnten, war genau das, was wir auch mit der Scholomance tun würden: sie beide in die Leere stoßen und hoffen, dass sie für immer verschwanden. Doch allem Anschein nach war Orion in diesem Punkt anderer Meinung gewesen. Schließlich hatte er sich wieder umgewandt, um weiterzukämpfen, obwohl die Schule hinter ihm gefährlich nah am Rand der Welt schwankte.
Als würde er glauben, Patience könnte sich doch irgendwie retten, wobei ein Teil seines dämlichen primitiven Gehirns zu dem Schluss gekommen war, er könne es davon abhalten zu fliehen, weshalb er zurückbleiben und noch ein letztes Mal den Helden spielen musste – ein Junge allein gegen eine gigantische Flutwelle. Das war der einzige mögliche Grund, der mir einfiel, und der war schon dämlich genug gewesen, bevor Orion mich durch das Tor stieß, obwohl ich diejenige war, die tatsächlich schon mal gegen ein Schlundmaul gekämpft hatte. Seine ganze Aktion war so unaussprechlich bescheuert, dass ich ihn da rausholen musste, hierher zu mir, damit ich ihn in aller Ausführlichkeit anschreien konnte, um ihm klarzumachen, wie bescheuert er war.
Ich klammerte mich an diese Wut. Durch diese Wut gelang es mir durchzuhalten, trotz der widerwärtigen Fäulnis des Schlundmauls, das versuchte, meine Finger zu umhüllen, und das an meiner Haut und meinem Schild saugte wie ein Kind, das an einem Lutscher schleckt und versucht, möglichst schnell an das süßere Innere heranzukommen – an mich heranzukommen, an jeden letzten süßen Millimeter von mir, um mich komplett zu verschlingen, bis auf die starren Augen und den schreienden Mund.
Entsetzen gesellte sich zu meiner Wut, weil dieses Ding Orion genau das antat. Orion, der immer noch dort im Festsaal war. Deshalb ließ ich auch nicht los. Ich starrte in die Hellsehpfütze und schleuderte den Tod an Orions verschwommener, nur halb zu erkennender Schulter vorbei, hexte wieder und wieder meinen besten und schnellsten Mordzauber, wobei jedes Mal ein ganzer See der Verwesung von meinen Händen zu tropfen schien, ich bei jedem Atemzug meine Übelkeit hinunterschluckte und bei jedem Ausatmen ein »À la mort!« über meine Zunge rollte, bis beide miteinander verschmolzen und das Geräusch meiner Atmung Tod bedeutete. Und die ganze Zeit ließ ich Orion nicht los, hielt ihn fest und versuchte ihn rauszuziehen. Selbst wenn das bedeutete, dass ich mit ihm auch Patience in die Welt herausriss und dieser gierige Schrecken direkt vor Mums Füßen in die kühlen grünen Wälder von Wales stürzen würde,...
Erscheint lt. Verlag | 9.11.2022 |
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Reihe/Serie | Die Scholomance-Reihe | Die Scholomance-Reihe |
Übersetzer | Doris Attwood |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Scholomance #3 |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | 2022 • ab 14 • ab 14 Jahre • All Age • Booktok • Bücher • Bücher Neuerscheinungen 2022 • Buecher • dark academia • Dark Fantasy • Das dunkle Herz des Waldes • Das kalte Reich des Silbers • Das neunte Haus • Der letzte Absolvent • Die Feuerreiter seiner Majestät • eBooks • Fantasy • Fantasy Epos • Fantasy junge Erwachsene • Fantasy Neuerscheinung 2022 • Geschenk • Geschenke • Hogwarts • Jugendbuch • Jugendbücher • Jugendbücher ab 14 • Jugendbücher Bestseller • Junge Erwachsene Romane • Kinderkrimi • Leigh Bardugo • Mädchen • Mädchen Geschenke • Magic Academy • Monster • Neuerscheinung • New-York-Times-Bestseller • Pubertät • Spiegelbestseller • Spiegel Bestseller aktuell • starke Heldin • Teenager Mädchen Bücher • Tödliche Lektion • Uprooted • Urban Fantasy • Weihnachtsgeschenke • Weihnachtsgeschenke für Kinder • weinachtsgeschenke • Young Adult • Zauberschule |
ISBN-10 | 3-641-27029-4 / 3641270294 |
ISBN-13 | 978-3-641-27029-2 / 9783641270292 |
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