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Ey hör mal! -  Gulraiz Sharif

Ey hör mal! (eBook)

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2022 | 1. Auflage
208 Seiten
Arctis Verlag
978-3-03880-154-2 (ISBN)
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Die Jugendbuch-Sensation aus Norwegen - ausgezeichnet mit dem LUCHS des Jahres 2022 (DIE ZEIT/Radio Bremen) Es sind Sommerferien und der fünfzehnjährige Mahmoud stellt sich auf lange Tage außerhalb seines Plattenbau-Viertels am Rand von Oslo ein. Norwegische Norweger verreisen in den Sommerferien, aber was machen mittellose Ausländer? Doch dieser Sommer wird anders. Denn die Familie erhält Besuch von Onkel Ji aus Pakistan und Mahmoud soll ihm die Stadt zeigen. Onkel Ji ist fasziniert von dem fremden Land, doch dann beginnt auch er sich zu fragen, ob mit Ali, Mahmouds kleinem Bruder, etwas nicht stimmt. Denn Ali spielt mit Puppen und benimmt sich nicht so, wie ein Pakistani-Junge sich benehmen sollte ...

Gulraiz Sharif, geboren 1984, stammt aus Oslo und arbeitet dort als Lehrer. Für seinen Debütroman »Ey hör mal!« erhielt Sharif glänzende Kritiken und Auszeichnungen - zuletzt den renommierten »LUCHS des Jahres«. Das Buch wurde mit dem »Debütantenpreis für Kinder- und Jugendliteratur« des Kultusministeriums ausgezeichnet und für weitere Preise nominiert. Die Medien bezeichnen Gulraiz Sharifs Roman als den »frischesten Wind« im Buchmarkt und assistierten dem Autor eine »originelle und vollkommen unverwechselbare Stimme«.

Gulraiz Sharif, geboren 1984, stammt aus Oslo und arbeitet dort als Lehrer. Für seinen Debütroman »Ey hör mal!« erhielt Sharif glänzende Kritiken und Auszeichnungen - zuletzt den renommierten »LUCHS des Jahres«. Das Buch wurde mit dem »Debütantenpreis für Kinder- und Jugendliteratur« des Kultusministeriums ausgezeichnet und für weitere Preise nominiert. Die Medien bezeichnen Gulraiz Sharifs Roman als den »frischesten Wind« im Buchmarkt und assistierten dem Autor eine »originelle und vollkommen unverwechselbare Stimme«.

 

 

 

So, Sommerferien. Super für norwegische Norweger, aber glaub mir, Alter, für uns Ausländer ohne Asche gar nicht super! Was solln wir denn schon machen? Die so: Hütte am See, Hütte in’n Bergen, Hütte am Meer, Hütte auf’m Land, Hütte an ’ner Küste, so was lernen wir in der Schule, ja sogar ’ne Hütte in den Schären, Mann! Plus eine in Schweden und, du glaubst es nicht, in Nesodden. Die haben echt ’ne Hütte gleich bei Oslo! Nicht dass alle norwegischen Norweger in Oslo wohnen, schon klar, aber als ich das gehört hab, wär ich fast umgekippt. Halt so: Haste Bock auf Plumpsklo? Fährste kurz raus aus Oslo zum Plumpsklo. Und da bleiben sie dann wochenlang. Platzieren ihre weißen und rosa Ärsche auf so creepy schwarzen Löchern und so unter ihnen ’ne Fuhre Scheiße. Ich krieg ’nen Herzinfarkt von diesen Klos, voll die Paranoia halt.

Bruder, ich denk mir einfach Folgendes, wie’s in gutem Norwegisch heißt: Bro, mein Vater ist doch nicht mit Zug und Container durch Deutschland und Dänemark nach Norwegen getrampt, um draußen zu scheißen. In so ’nem Plumpsklo mit schiefen Holzwänden. In ’nem Haus, das fast umkippt! Er ist ins schöne, lang gestreckte Norwegen gekommen, um drinnen zu scheißen. Wenn er unbedingt draußen scheißen wollte, hätten wir mehr als genug, und ich meine, MEHR als genug, Landschaft in Pakistan. Das Problem ist nur, in Pakistan gibt’s übelst giftige Schlangen, Mann. Und in Norwegen halt bloß so süße, kleine kreuzige Ottern mit so Fangzähnen. Dass ich nicht lache, Alter!

Die hab ich schon hundertmal gesehn, wenn ich mal wieder um den Grorud-See latsche, um mich selber zu finden oder innere Ruhe vor meinem kleinen Bruder und meinen Eltern. Die sind echt so was von ungefährlich. Jetzt nicht meine Familie, die Kreuzottern, mein ich. Die schleichen über die Wege, voll gechillt, denen geht’s gut, weil die leben in Norwegen. In Pakistan bekomm ich bei jeder Schlange, die ich seh, Eierklappern. In Pakistan wär ich gar nicht erst um den See gelatscht, um mich selber zu finden! Die Norweger haben uns beigebracht, uns selber zu finden. Pakistanische Eltern nehmen ’nen Schlappen und scheuern dir eine, dass du nicht mal mehr die Wohnungstür findest, wie zur Hölle sollst du da dich selber finden?

 

Einmal hat Papa mir nach ’nem Spaziergang um den Grorud-See halb zum Spaß ’nen Klaps auf den Hinterkopf gegeben und gefragt: »Oie, Mahmoud, hast du dich selbst gefunden?«

Ich hab Nein gesagt, also aus Versehn, weil ich nicht richtig zugehört hab. Echt jetzt, Bro, Papa hat Mama den Besen holen lassen und gerufen: »Ich bin nicht nach Norwegen gekommen, damit du durch den Wald spazierst und dich selbst suchst.«

Ich schwör, seitdem sag ich nicht mehr, ich geh spazieren, um mich selber zu finden, ich sag, ich treff ’nen Kumpel, auch wenn ich gar nicht so viele Kumpels hab.

 

Die Sache ist die: Nach ’nem Urlaub in Pakistan fühlste dich wie ’n verdammter Marvel-Held. Da haste alles überlebt, kein Scheiß! Eidechsen, Frösche, Schlangen, Echsen, Kakerlaken, riesige Monsterspinnen, alles! Plus alle möglichen Krankheiten, Typhus, Herpes, das ganze Alphabet! Du überlebst tödlichen Dünnschiss, wo du vierzig Mal am Tag auf Klo rennst und kein Wasser mehr im Körper hast. Und Straßenköter! In Norwegen fressen die Hunde so Pedigree und kauen auf Spielzeug, die sitzen rum und schaun Polit-Talkshows mit ihren Herrchen und Frauchen, die kriegen mit, was auf der Welt abgeht. Glückliche Köter, die mit hübscher rosa Zunge und ordentlichen Zähnen lächeln, amüsieren sich wie die Kreuzotterchen. Weißte, was ich mein? In Pakistan fressen die Köter Mist und Dreck, tote Tierleichen, kein Plan, was die in sich reinschaufeln! Die trotten den ganzen Tag so entspannt durch die Gegend wie die Ausländer in Oslo-Grønland oder die Kurden in der City, die ’ne Freundin suchen. Und wenn sie was sehn, schlagen sie zu. Nicht die Kurden, mein ich, die Köter. Wie zum Beispiel, als mich im Urlaub mal so ’n kläffender Bastard verfolgt hat. An dem Tag hatte ich Megadünnschiss, weil ich hatte massig Chilicurry gegessen. Der Scheißköter hat meinen Hintern abgeleckt, der war irre hungrig, für den war alles Essen. Die andern Jungs aus dem Dorf haben mich ausgelacht.

Danach hab ich extra viel Naan gegessen, um Verstopfung zu kriegen. Die letzten drei Wochen in Pakistan musste ich bloß zweimal auf Klo, zum Glück beide Male in so ’nem feinen Restaurant mit westlicher Toilette.

Aber ischwör, Alter, sobald wir auf dem Flughafen Gardermoen gelandet sind, hab ich das Örtchen da gesprengt wie im Dritten Weltkrieg. Der Typ, der nach mir dran war, bekam ’n Erlebnis und ’nen Duft serviert, das vergisst der so schnell nicht, dieser arme norwegische Norweger. Mann, die Scheiße von drei Wochen konzentriert im Magen. Der Norweger wollte sich entspannen, vielleicht den Pondus-Comic in der Zeitung lesen oder seine Wetter-App checken. Der hat sicher heute noch Albträume. Armer Robert, der nach mir kacken wollte.

Ich seh ihn vor mir, er rollt das R, weil er kommt aus Südnorwegen. Nach dem Klobesuch hat er bestimmt die Rechten gewählt. Der so: »Solches Drecksvolk will ich nicht in meinem Land haben!« Jetzt hat Robert ’ne Facebook-Gruppe: »Asylanten überrennen unser Land! Erstes Zeichen: Brrrutaler Gestank nach Exkrrrementen!« Er sitzt in seiner Kellerwohnung vor dem hell erleuchteten Bildschirm und schreibt Bullshit über uns Einwanderer, während er tausend Likes von andren Norwegern kriegt, die auch in Kellerwohnungen im Dunkeln vor leuchtenden Screens hocken.

Bruder, unsre Mägen sind so voller Chili, Kebab und Limo, wie solln wir das Land erobern? Mit Furzen und Rülpsen?

Norwegen erobern ist nicht ohne, so viel Wald hier, Alter! Wie erobert man das Nordkap? Welcher Paki geht schon dahin und sagt: ›So, meine Brüder, ich hab das Nordkap eingenommen‹? Wer traut sich, bis nach Svalbard zu reisen? Und dann so: ›Hier steh ich, Toofiq, und nehm Svalbard ein, Brüder!‹ Die haben da doch weiße Eisbären!

Die Somalis kauen den ganzen Tag lang Khat, dürre Teufel, wie solln die was erobern? Abdi mit Khat im Rucksack zieht los und nimmt die Stadt Bergen ein? Die Somalis blödeln mit ihren Kumpels rum und tragen richtig nice Blazer, ihre Frauen solln möglichst viele Kinder kriegen, die haben keine Zeit, Norwegen zu erobern. Die Irakis nuckeln in ihrem Lieblingscafé stundenlang am selben Kaffee. Die Marokkaner müssen qualmen, die haben keine Zeit, das Land zu erobern. Die Türken kümmern sich um ihre Gemüseläden und gucken Galatasaray gegen Fenerbahçe im Türkencafé, die haben keine Zeit. Die Pakistanis müssen Taxi fahren, ihre Kinder solln Ärzte, Anwälte oder Ingenieure werden, die haben auch keine Zeit.

Norwegische Frauen müssen also mehr Kartoffelkinder kriegen. Solche Emils, Theos, Lukasse und Sindres, weißte, was ich mein? Emmas, Noras und Saras. Sogar die Mutter der Nation, Erna, hat in so ’ner Neujahrsansprache appelliert: »Liebe Frauen, ihr müsst mehr Kinder kriegen.«

Wahrscheinlich hat Siv Jensen von den Rechten zu ihr gesagt: »Erna, sag den Norwegern, sie müssen mehr ashko sein, also so leidenschaftlich oder wie das heißt, nicht nur Brunost und Goji-Beeren und Quinoazeug essen. Ihr müsst weniger auf dem Laufband rennen, mehr Kinder bekommen. Sonst haben wir irgendwann einen somalischen oder nordafrikanischen Ministerpräsidenten.«

Wallah, Erna hat bestimmt geantwortet: »Siv, du alte Psycho-Bitch! Ich bin aus Bergen, ich regiere das Land mit ruhiger Hand. Wenn was ist, kannst du es mir aber ins Ohr flüstern, oder wir machen eine WhatsApp-Gruppe, in der du mir sagst, was ich sagen soll.«

Stell dir vor, Asker heißt plötzlich Askerbaidschan, Bro. Bærum wird zu Bærut. Bææærut. Kapierste, Bro?

Aber norwegische Kinder werden mit Skiern an den Füßen geboren, die stehn weit auseinander, diese Skier, deshalb trauen sich Linda, Mari und Kari nicht, zu gebären. Abdi wird nicht mit Skiern an den Füßen geboren, deshalb kriegt Khalida Kinder über Kinder.

Ich weiß noch, wie wir mal ’ne Tante besucht haben, also, weil alle pakistanischen Frauen, die so alt sind wie deine Mutter oder älter, sind Tanten, sonst bist du respektlos. Wir also los, die Tante besuchen, sie hatte grade ’ne Tochter bekommen. Sie teilte ihr Zimmer im Krankenhaus mit so ’ner Ausländermutti, die selber grad ’n Kind bekommen hatte, und alle andren sieben zu Besuch, Alter! Die waren alle grad mal ’n Jahr auseinander, so ungefähr zumindest. Die Brut hat das Krankenhaus in Schutt und Asche gelegt. Echt mal, die armen norwegischen Krankenschwestern waren voll geschockt. Weil in Norwegen ist ja immer alles nett und gemütlich. Deshalb will Siv Jensen nicht zu viele von uns, denn dann ist es nicht mehr so gemütlich. Und wenn’s ungemütlich wird, werfen einem die norwegischen Norweger so ’nen strengen Blick zu, irgendwie so pikiert oder wie das heißt. Sie zeigen einem mit den Augen: »Das ist jetzt ungemütlich. Gunnar und Karin gefällt die Situation nicht.«

 

Oft sitz ich auf der Bank unten vor unserm Wohnblock und träum einfach nur davon, dorthin zu ziehen, wo was los ist. Rein in die Stadt, weg von den hässlichen U-Bahn-Stationen hier, die keiner mal richtig in Schuss bringt. Ich hab so voll das Oslo-Feeling und will die Hauptstadt erobern. Aber um die Hauptstadt zu erobern, braucht man Kohle, Cash, Zaster, Geld in der Tasche, Mann! Nicht super für uns Ausländer ohne Asche, die hier die Bänke platt sitzen. Ich sag’s dir, nicht mal die Bänke wolln uns hier. Die nur so: »Hey, Jungs, habt ihr in den Sommerferien...

Erscheint lt. Verlag 16.2.2022
Übersetzer Sarah Onkels, Meike Blatzheim
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Authenzität • Buch-Sensation • Clash of Cultures • Familie • Freundschaft • Geschwister • Ghetto • Hood • Integration • Jugendsprache • Migration • Multikulturalität • Norwegen • Oslo • Pakistan • Schullektüre • Transsexualität • Türkendeutsch • Unterrichtsmaterial • Viertel • Vorurteile • Zusammenhalt
ISBN-10 3-03880-154-2 / 3038801542
ISBN-13 978-3-03880-154-2 / 9783038801542
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