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RAVNA – Die Tote in den Nachtbergen (eBook)

Nordic All-Age-Thriller von der SPIEGEL-Bestelsellerautorin. Ausgezeichnet mit dem Glauser Preis 2023
eBook Download: EPUB
2022
464 Seiten
cbj (Verlag)
978-3-641-23167-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

RAVNA – Die Tote in den Nachtbergen - Elisabeth Herrmann
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Abgründig. Mystisch. Geheimnisvoll. Die großartige Fortsetzung des All Age-Romans von SPIEGEL-Bestsellerautorin Elisabeth Herrmann
Der Treck der Rentiere zu den Sommerweiden ist ein alljährliches Ritual, zu dem alle Samen der Renzüchterfamilien zusammenkommen. Auch für Ravna Persen, Studentin der Polizeihochschule in Oslo, sind die Wochen hoch im Norden über dem Polarkreis weit ab von der Zivilisation ein Pflichttermin. Doch unter den Clans herrschen große Spannungen und einige sind wenig begeistert davon, dass Ravna zur Polizei gegangen ist.

Als Ravna sich bei der Suche nach verirrten Rentieren verletzt, sitzt sie in der Bärenschlucht fest. Nur mit allerletzter Kraft kann sie sich ins Freie kämpfen. Doch unterwegs macht sie eine schlimme Entdeckung: Eine Mädchenleiche liegt halb verschüttet im Geröll. Und Ravna ist sich sicher, dass sie das Mädchen wiedererkennt. Linnea Berger wird seit zehn Jahren vermisst. Ravna wittert ein Geheimnis und beginnt, zu ermitteln. Doch der Mörder ist mitten unter ihnen und er macht auch vor weiteren Opfern keinen Halt ...

Elisabeth Herrmann fesselt mit ihren mitreißenden und atmosphärischen Thrillern ein großes Publikum. Leser*innen erwarten starke Heldinnen, dunkle und mystische Fälle und intelligente Hochspannung.
Alle Bände der RAVNA-Reihe:
Tod in der Arktis (Band 1)
Die Tote in den Nachtbergen (Band 2)
Arktische Rache (Band 3)

Elisabeth Herrmann wurde 1959 in Marburg/Lahn geboren. Nach ihrem Studium als Fernsehjournalistin arbeitete sie beim RBB, bevor sie mit ihrem Roman »Das Kindermädchen« ihren Durchbruch erlebte. Fast alle ihre Bücher wurden oder werden derzeit verfilmt: Die Reihe um den Berliner Anwalt Joachim Vernau sehr erfolgreich vom ZDF mit Jan Josef Liefers. Elisabeth Herrmann erhielt den Radio-Bremen-Krimipreis, den Deutschen Krimipreis und den Glauser für den besten Jugendkrimi 2022. Sie lebt mit ihrer Tochter in Berlin und im Spreewald.

Sommersiedlung am Fuß der Nachtberge, Falkfjellet, Finnmark

Mittsommer. Freitag, 24. Juni 2011

Tageslänge: 24 Stunden

Es gibt viele Arten, sich zu verabschieden. Ich hab’s immer auf meine Art gemacht.

»Linnéa? Willst du nicht aussteigen?«

Mein Vater steht vor der offenen Tür des Hubschraubers, die Arzttasche in der Hand.

»Linnéa?«

Ich schaue auf der anderen Seite zum Fenster hinaus auf eine Mondlandschaft. Er hat mich ins Nichts verschleppt. In eine Steinwüste, ein apokalyptisches Endzeitszenario, die große arktische Leere. Keine Ahnung, was ich mir unter samischen Sommerweiden vorgestellt habe – auf keinen Fall das. Gegen meinen Willen musste ich in diesen Hubschrauber und hinauf ins Gebirge der Varangerhalbinsel.

»Jusse fliegt gleich wieder zurück. Er hat seine Zeit nicht gestohlen.«

Jusse, der Pilot, checkt irgendwas mit den Schaltern. Am liebsten würde ich im Heli bleiben, dann wäre ich in einer Stunde wieder in Kirkenes in meinem Zimmer und könnte heute Nacht Mittsommer feiern. Aber ich musste ja hoch und heilig versprechen, keinen Blödsinn mehr zu machen.

»Die Leute warten auf uns. Wir hatten eine Abmachung.«

Wenn mein Vater »wir« und »uns« sagt, meint er: Ich habe was entschieden und Widerrede ist zwecklos. Er ist Tierarzt. Er hofft, dass ich mich auch eines Tages dafür interessiere, Kühen bis zum Ellenbogen Gott weiß wohin zu greifen oder niesende Kätzchen zu kurieren. Keine Ahnung, ob ich das will. Über die Zukunft mache ich mir keine Gedanken, sie kommt oder sie kommt nicht.

Etwas entfernt steht ein Quad. Auf ihm sitzt jemand in abgewetzten Trekkingklamotten, der jetzt den Helm abnimmt und abwartend den Unterarm aufs Knie legt. Er muss in meinem Alter sein, ein kräftiger Typ, der genau beobachtet, wer sich ihm da nähert.

»Hei Magnus!«

Mein Vater kennt ihn, beide begrüßen sich mit Handschlag.

»Alles in Ordnung bei euch? Das ist meine Tochter Linnéa. Sie wird mich heute begleiten.«

»Linnéa.«

Magnus ist kräftig, aber nicht vom Fitnessstudio, sondern vom Leben hier draußen. Sein Händedruck zerquetscht mir fast die Finger. Er hat ein breites, braun gebranntes Gesicht und grinst mich derart selbstvergessen an, dass ich ihn am liebsten mit einem Schnippen vor den Augen wieder aufgeweckt hätte.

»Kriege ich auch einen Helm?«, frage ich und lächle.

Wenn ich mich nicht täusche, wird er unter der Bräune rot.

»Ja. Klar. Moment.«

Er springt ab und holt den Helm vom Rücksitz. Als er ihn mir reicht, scannt er mich von oben bis unten, von meiner pelzbesetzten Kapuze bis zu meinen pinken Trekkingstiefeln.

»Danke.«

Ich setze mir das Ding auf und nehme hinter den beiden Platz. Die Fahrt dauert nicht lange, aber sie reicht, um mich ein Mal komplett durchzurütteln. Es geht runter in ein weites Tal, in der Ferne schimmert ein Fluss. Überall auf der Welt würden zur Sommersonnenwende Blumen blühen und Bäume grünen, aber nicht hier. Wir sind im Falkfjellet, dem riesigen, grauen Gebirge der Varangerhalbinsel, eintönig, staubig, kalt.

Dann erreichen wir so etwas wie ein Dorf mitten in dieser Felswüste. Holzhütten und Zelte, die ein wenig an Tipis erinnern. Es ist ziemlich viel los. Es herrscht offenbar Aufbruchstimmung – wahrscheinlich wollen alle so schnell wie möglich wieder zurück in die Zivilisation. Magnus zeigt, wie echte Samen bremsen: so abrupt, dass sich das Quad halb um die eigene Achse dreht und kleine Steine wie Geschosse durch die Luft fliegen.

»Unsere Sommersiedlung. Wir haben extra eine Hütte für euch hergerichtet.«

Er geht voran und präsentiert mir die Unterkunft. Vier Holzwände, ein Dach. Immerhin zwei Betten und ein Campingkocher. Auf dem Boden liegen Rentierfelle. Keine Ahnung, ob sie immer so leben oder ob das eine Art Glamping auf Samisch ist.

Mein Vater will es sich gar nicht erst gemütlich machen. Sobald er sein Gepäck abgelegt hat, ist er auch schon wieder draußen. »Wo sind denn die Sorgenkinder?«, fragt er.

Ein paar Leute tauchen auf und begrüßen uns. Alle kennen ihn und ich als seine Tochter werde wohlwollend taxiert. Und anschließend vergessen. Er macht sich sofort auf den Weg zu einem kleinen Gehege abseits, wo ein paar Rentiere auf ihn warten. Ich bleibe in der Hütte und frage mich, wie ich es hier bis zum nächsten Morgen aushalten soll. Man hat ja schon viel gehört. Eine samische Sommersiedlung ist wie ein Zeltlager in den Fünfzigerjahren. Nun sehe ich mich um und stelle fest: Es ist wie ein Zeltlager im 19. Jahrhundert.

»Wer bist du?«

In der Tür steht ein Mädchen, vielleicht acht oder neun Jahre alt. Es hat ein rundes Gesicht mit Apfelbäckchen und dunklen, schmalen Augen. Ihre Haare sind zu zwei Zöpfen geflochten, die ihr fast bis zu den Hüften reichen. Sie hat Hosen aus Rentierleder an und einen bunt verzierten Überwurf. Es könnte fast wie Folklore aussehen, wenn die Sachen nicht so abgetragen wären.

»Ich bin Linnéa. Die Tochter vom Tierarzt. Und du?«

»Ich bin Ravna. Die Tochter von Hedda.«

Sie starrt auf meine Haare. Zugegeben, ich bin ein bisschen stolz auf meine Mähne und tue auch eine Menge dafür, damit sie auf Hochglanz gestriegelt über meine Schultern fällt. Aber dieses Kind sieht mich an, als hätte es noch nie eine Blondine gesehen.

»Was machst du hier?«, fragt es.

»Ehrlich gesagt: keine Ahnung. Gibt es irgendwo was zu trinken?«

Das Mädchen nickt eifrig. »Am Fluss. Da holen wir unser Wasser.«

»Ah. Klar. Ich dachte eher an Cocktails.«

Die Kleine wagt sich einen Schritt über die Schwelle. Ich nehme eine der Decken auf den Betten hoch und schüttele sie aus.

»Was ist das?«

»Cocktails? Das sind gemixte Drinks. Habt ihr noch nie von gehört, oder?«

Vinnan wollte heute Abend eigentlich mit mir in eine Bar gehen. Vor Kurzem hat in der Kirkegata ein neuer Laden aufgemacht, den wir uns ansehen wollten. Viel Auswahl gibt es nicht in Kirkenes, weder an Bars noch an männlicher Begleitung. Er ist etwas nervig und bildet sich ein, wir wären zusammen. Aber ich bin achtzehn und habe keine Lust, der Welt die Tür vor der Nase zuzuschlagen, die sie gerade geöffnet hat. Wenigstens hat er Geld. Die Stiefel sind von ihm und neulich stand er lange mit mir zusammen vor dem Schaufenster des kleinen Schmuckgeschäftes und stierte sehnsüchtig in die Auslage mit den Eheringen.

»Brauchst du Wasser?«

Ich habe eine Thermosflasche dabei. Warme Klamotten, denn es wird selbst im Hochsommer hier oben ziemlich kalt.

»Ja.« Auf einem roh gezimmerten Holzbrett liegen Kerzen und Streichhölzer. Außerdem steht da ein ziemlich verbeulter Teekessel. Ich hole ihn herunter – und habe kohlrabenschwarze Finger. Das Teil ist komplett verrußt. »Ja, Wasser wäre toll.«

»Ich bring dir welches.«

Das Mädchen saust davon. Ich suche nach irgendetwas, womit ich mir die Finger abwischen kann. Die Decken sind aus grob gewebter Wolle in Beige und Braun, das würde man sofort sehen.

Noch nicht mal Gras gibt es hier. Ein bisschen Moos und ein paar Flechten, das ist alles. Dafür Steine im Überfluss. Als ich vor die Tür trete, kommt Magnus vorbei, ein Lasso über die Schulter geworfen. Kaum sieht er mich, verändert er seinen Gang.

»Alles okay?«, fragt er.

Ich hebe die dreckigen Hände und er lacht. »Passiert. Nimm das.«

Er zieht ein Tuch aus der Hosentasche und reicht es mir.

»Danke. Gibt es hier irgendwo was zu trinken?«

»Wasser?«

»Vielleicht gemixt mit irgendwas Stärkerem?«

Ich wische mir die Hände ab, während Magnus überlegt.

»Wenn wir mit der Arbeit fertig sind, sitzen wir alle noch zusammen und trinken Kaffee.«

»Kaffee«, sage ich und reiche ihm das Tuch zurück. »Nichts anderes?«

Klar gibt es da noch was. Ich kann es ihm ansehen.

»Was hast du denn vor?«

»Heute ist Mittsommer.«

»Das feiern wir nicht.«

»Schade.«

Ich will wieder in die Hütte zurück, aber meine Frage scheint bei Magnus etwas in Gang gesetzt zu haben. Denken, beispielsweise.

»Ich könnte was organisieren. Eine Party, mit ein paar anderen.«

An ihm vorbei spähe ich aus der Tür auf die Auswahl: lauter Männer und Frauen in einem Alter, in dem man unter Feiern vermutlich ein Schälchen Cognacbohnen zum Nachmittagskaffee versteht.

»Ach ja?«, frage ich, nicht sehr überzeugt.

Aber Magnus möchte offenbar beweisen, dass mehr in der hiesigen Jugend steckt als Rentiere züchten und Fischen.

»Mein Bruder hat immer was. Und ich kann auch noch ein paar andere fragen.«

Ich denke an die beiden Tabletten in meiner Tasche – die einzigen, die mein Vater nicht entdeckt hat. Warum eigentlich nicht? Eine Party mit Lagerfeuer, Tipis, Musik … ich denke kurz an Vinnan, aber ich bin mir sicher, dass er nichts dagegen hätte. Schließlich bin ich auf einer Strafexpedition in der Wildnis gelandet und nicht er. Und man sollte die Feste feiern, wie sie fallen.

»Um Mitternacht?«

Er verzieht den Mund. Es sieht aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen.

»Da sind wir alle in der Gerde, zur Kälbermarkierung. Dein Vater auch.«

»Schade. Ich bin nur heute hier, morgen geht es wieder zurück. Das wäre deine Chance gewesen!«

Ich grinse ihn an und erkenne, dass ich einen Schritt zu weit gegangen bin. Chancen hat...

Erscheint lt. Verlag 23.5.2022
Reihe/Serie Die RAVNA-Reihe
Die RAVNA-Reihe
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte 2022 • ab 14 • All Age • Die Mühle • Diversity • eBooks • glauser preis 2023 • Jugendbuch • Jugendbücher • Kinderkrimi • Krimineuerscheinung 2022 • Mittsommer • Neuerscheinung • Noir Thriller • nominierung glauser preis 2023 • Norwegen • Norwegen-Krimi • Samen • Skandinavien • Spiegel Bestseller Autorin • Thriller für Jugendliche • Vardo • Young Adult • Zartbittertod
ISBN-10 3-641-23167-1 / 3641231671
ISBN-13 978-3-641-23167-5 / 9783641231675
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