Evie glaubt nicht mehr an die Liebe. Erst recht nicht, als etwas Unfassbares geschieht - sie kann plötzlich die Zukunft von Liebespaaren voraussehen: Alle Liebesgeschichten enden tragisch. Evie versucht noch, mit ihrer seltsamen Gabe zurechtzukommen, als sie bei einem Tanzkurs auf X trifft, der alles verkörpert, was Evie ablehnt: Abenteuerlust, Risikobereitschaft, Leidenschaft. X lebt nach dem Motto, zu allem Ja zu sagen - auch zu dem Tanzwettbewerb, den er und Evie gemeinsam antreten. Evie will sich auf keinen Fall in X verlieben. Doch je länger sie mit X tanzt, desto öfter stellt sie infrage, was sie über das Leben und die Liebe zu wissen glaubt. Ist die Liebe das Risiko vielleicht doch wert?
Romantisch, berührend, hochemotional - der neue umwerfende Liebesroman von der »Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt«-Nr.-1-New-York-Times-Bestsellerautorin!
Nicola Yoons Jugendromane »Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt« und »The Sun is also a Star - Ein einziger Tag für die Liebe« sind Nr.-1-New-York-Times-Bestseller und wurden erfolgreiche Kinofilme. Nicola Yoon ist auf Jamaika und in Brooklyn aufgewachsen und lebt mittlerweile mit ihrem Mann, dem Schriftsteller David Yoon, und der gemeinsamen Tochter in Los Angeles. Außerdem ist sie hoffnungslos romantisch und glaubt fest daran, dass man sich innerhalb von Sekunden unsterblich verlieben kann.
KAPITEL 3
Gib ein Buch, nimm ein Buch
ALS ICH AM NÄCHSTEN MORGEN nach unten gehe, ist Mom schon zu ihrer Schicht in der Klinik unterwegs. Danica sitzt am Esstisch und macht Bilder von den Brownies, die sie und Mom gebacken haben. Sie sind auf einer von Moms stylishen neuen Kuchen-Etageren zu einer Pyramide aufgeschichtet. Danica gehört zu jenen Vertreterinnen der Fotografie, die es lustig und schräg mögen. Sie hält ihr Smartphone schief und lässt es um die Brownie-Pyramide kreisen, während sie ein schräg-lustiges Foto nach dem anderen schießt.
Ich mache mir mein Müsli und setze mich zu ihr an den Tisch. Wir wohnen seit sechs Monaten in dieser Wohnung, aber mir kommt sie immer noch wie ein Provisorium vor, so als wäre ich nur zu Besuch. Ich warte darauf, wieder in mein richtiges Leben zurückzukehren.
Verglichen mit unserem früheren Haus ist es hier klein und beengt. Ich vermisse unseren eigenen Garten. Jetzt teilen wir uns einen begrünten Innenhof mit zwölf anderen Mietparteien. Unser altes Haus hatte zwei Bäder, jetzt haben wir nur noch eins. Am meisten fehlt mir aber, dass dort jeder Raum unsere Erinnerungen barg.
Danica entscheidet sich für ein Foto und schiebt mir ihr Handy zu, damit ich mir anschauen kann, was sie gepostet hat. »Man kann nicht mal erkennen, dass sie angebrannt sind«, verkündet sie stolz.
Es stimmt. Sie sehen wirklich perfekt aus. Ich scrolle durch ihre Posts. Da ist ein Selfie von ihr und Mom, beide mehlbestäubt, wie sie einen großen Block Schokolade ins Bild halten und lachen, was mich wünschen lässt, ich wäre geblieben und hätte mitgeholfen. Ich überfliege die Hashtags – #muttertochterbackabend, #schwarzesbackwunder, #perfektebrowniesperfektgelungen –, bevor ich ihr das Handy wieder zuschiebe.
»Wieso bist du nicht beim Brunch?«, fragt sie.
Normalerweise verbringe ich den Sonntagmorgen mit meinen besten Freunden im Surf City Waffle, dort gibt es die besten Waffeln in ganz Los Angeles. Aber heute Morgen hat keiner von ihnen Zeit.
»Die anderen haben alle schon was vor«, sage ich.
»Dann bleibst du also heute hier und hängst bloß ab?«, hakt sie nach, und für mich klingt es nicht so, als lege sie besonderen Wert darauf, dass ich heute hierbleibe und bloß abhänge.
Ich lasse den Löffel in die Müslischale zurücksinken und betrachte meine Schwester. An den meisten Tagen sieht sie aus wie ein Supermodel aus den Siebzigerjahren mit ihrem riesigen Afro, dem schimmernden Glitzer-Make-up und dem Vintage-Outfit.
Und gerade im Moment sieht sie sogar noch schöner aus als sonst. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, sie hat ein Date. Aber ich muss nicht raten, denn keine Sekunde später klingelt es. Ein strahlendes Lächeln lässt ihr Gesicht aufleuchten und sie sprintet mit einem glücklichen Aufschrei zur Tür.
Im letzten Jahr hatte Danica acht verschiedene Freunde, das macht im Durchschnitt 0,667 Freunde pro Monat oder 0,154 Freunde pro Woche. Mein Problem dabei ist nicht die Anzahl oder gar das Niveau ihrer Freunde (um es ganz klar zu sagen, das Niveau könnte besser sein. Ich weiß nicht, warum sie sich immer Typen aussucht, die so viel weniger klug und interessant sind als sie), sondern die Tatsache, dass sie überhaupt Dates hat. Warum bin ich die Einzige hier, die ihre Lektion aus Moms und Dads Scheidung gelernt hat?
Ich lasse meine Müslischale auf dem Tisch stehen und will mich durchs Wohnzimmer davonschleichen, um einer Begrüßung aus dem Weg zu gehen. Fehlanzeige.
»Hey Evie.« Der Typ sagt »Hey«, als hätte das Wort mehr als nur eine Silbe.
»Hi«, erwidere ich und versuche vergeblich, mich an seinen Namen zu erinnern. Er trägt Board-Shorts und ein ärmelloses T-Shirt, als wollte er zum Strand gehen oder käme gerade von dort. Er ist weiß, groß und muskulös und hat lange, zerzauste blonde Haare. Wäre er ein Einrichtungsgegenstand, wäre er ein wirklich hübscher Flokati.
Wir stehen ein paar Sekunden stumm und verlegen herum, bis uns Danica aus unserem Elend befreit. »Ben und ich überlegen, ob wir ins Kino gehen«, erklärt sie. »Du kannst mitkommen, wenn du willst.«
Aber ihre Mienen verraten mir zwei Dinge.
Erstens: Sie überlegen nicht, ins Kino zu gehen. Sie überlegen, hierzubleiben. Allein. In der Wohnung. Um rumzumachen.
Und zweitens: Wenn sie tatsächlich ins Kino gehen wollten, wollen sie mich nicht dabeihaben.
Warum fragt sie mich überhaupt? Tue ich ihr etwa leid?
»Ich kann nicht. Aber danke für das Angebot. Viel Spaß euch beiden«, erwidere ich. Das Einzige, was ich heute vorhabe, ist zur Bibliothek zu gehen und meine Bücher loszuwerden, aber wenn ich ihnen das erzähle, werde ich mich erst recht lausig fühlen. Ich gehe nach oben und ziehe mich an.
Zum Abschied sage ich »Bye«, als hätte das Wort mehr als nur eine Silbe.
Ich bin auf dem Fahrrad unterwegs und schon auf halbem Weg zur Bibliothek, als mir einfällt, dass ja heute Sonntag ist. Die Bibliothek hat sonntags geschlossen.
Jetzt wieder nach Hause zurückzukehren und Danica und Ben beim »Chillen« zu stören, ist nicht wirklich eine Option. Es ist ein wunderschöner Frühlingsmorgen, noch hängt ein Hauch von Nebel in der Luft, und es duftet feucht und frisch. Ich beschließe, zu den La Brea Tar Pits zu fahren und vorher eine kleine Runde durch Hancock Park zu drehen.
Das Stadtviertel Hancock Park liegt nur zehn Minuten von unserer Wohnanlage entfernt, könnte sich aber ebenso gut auf einem anderen Planeten befinden. Die Villen in dieser Gegend sind groß wie Paläste, nur ohne die dazugehörigen Palastgräben, Fallgitter, Drachen und holden Fräuleins in Nöten. Jedes Mal, wenn wir durch Hancock Park fahren, sagt Mom, es sei ein Verbrechen, dass es in einer Stadt mit so viel Obdachlosigkeit Häuser wie diese gibt. In der Notaufnahme behandelt sie viele obdachlose Menschen.
Ich fahre langsam, radle gemächlich eine Straße nach der anderen entlang und bestaune die enormen, perfekt gepflegten Rasenflächen und die enorm teuren, blitzenden Nobelkarossen.
Irgendwann finde ich mich auf einer Straße wieder, die zu beiden Seiten von Jasminbüschen und hohen Jacarandabäumen gesäumt ist. Letztere lassen ihre Äste weit über die Fahrbahn ragen und bilden einen Baldachin aus lilafarbenen Blüten. Ich fühle mich, als würde ich durch einen Tunnel mitten in ein Märchen hineinfahren.
Die Sonne verschwindet hinter einer Wolke und es wird auf einmal kühl. Ich fahre rechts ran und hole meine Jacke aus dem Rucksack. Als ich wieder aufs Rad steigen und weiterfahren will, fällt mir einer dieser öffentlichen Holzbücherschränke ins Auge, die in manchen Stadtvierteln stehen. Er ist hellblau und sieht aus wie ein Miniatur-Haus, mit einem Giebeldach und verwitterten weißen Türen, die durch Riegel verschlossen sind. Kleine Freie Bibliothek verkündet ein kleines Schild.
»Du hast gewiss viele Bücher für uns dabei, Liebes«, sagt eine Frauenstimme, als ich den Seitenständer noch einmal herunterklappe und mein Rad wieder abstelle.
Ich schreie auf und wirble herum. Eine alte Dame steht hinter mir, keinen halben Meter entfernt.
»Verfickte Glocken!«, entfährt es mir, und ich halte mir sofort die Hand vor den Mund. »Entschuldigung, ich wollte nicht fluchen. Ich bin nur so erschrocken.«
Sie schmunzelt und kommt näher. Ihre dünne hellbraune Haut erinnert an zerknittertes Pergamentpapier.
»Schon gut. Mach dir wegen des Fluchens keine Gedanken. Mich würde allerdings interessieren, was verfickte Glocken sind.«
Ich lächle, schaue aber an ihr vorbei. Wo ist sie überhaupt hergekommen?
»Ist das Ihr Bücherschrank?«, frage ich.
»Nun ja, ich habe ihn aufgestellt, aber er ist natürlich für alle da. Kennst du solche Bücherschränke? Die Idee dahinter ist, die Leute zum Lesen zu bewegen und womöglich sogar dazu, sich mit ihren Nachbarn zu unterhalten, anstatt lediglich Tür an Tür mit ihnen zu wohnen.« Sie reibt die Handflächen aneinander. »Was hast du uns denn Schönes mitgebracht?«
Ich schwinge meinen Rucksack auf den Boden und hole einen Armvoll Bücher heraus.
Sie nimmt mir ein paar davon ab und drückt sie an sich. »Die sind sehr beliebt«, stellt sie fest, als sie auf die Titel schaut. Sie gehört zu den Menschen, die beim Lesen die Worte mit den Lippen nachformen. Das lässt es so aussehen, als spräche sie einen bizarren Zauberspruch. Barely There – Cupcakes and Kisses – Destiny’s Duke – Love, Set, Match – Tiger’s Heart.
»Sie sind alle großartig.« Meine Stimme ist ein heiseres Krächzen. Ich räuspere mich. »Sie sollten sie lesen.«
»Warum gibst du sie weg?«
Sie steht jetzt noch näher bei mir, nach wie vor die Bücher umklammernd, die sie mir abgenommen hat.
Ich hole noch weitere aus meinem Rucksack und erwäge, ihr die Wahrheit zu sagen. Dass es sich nicht mehr so anfühlt, als wären es meine Bücher. Dass es sich mit Liebesgeschichten verhält wie mit Märchen: Man sollte nicht ewig an sie glauben.
Ich jedenfalls habe an dem Tag, als Dad ausgezogen ist, aufgehört, an sie zu glauben.
Schon komisch, dass ein Tag anfangen kann wie jeder andere und dann so vollkommen anders endet. Manchmal wünschte ich, es gäbe eine Wettervorhersage für das Leben. Laut Prognose eignet sich der morgige Vormittag hervorragend für den üblichen Highschool-Unfug, am späten Nachmittag hingegen ist mit einem schweren elterlichen Treuebruch zu rechnen, dessen Tiefausläufer sich...
Erscheint lt. Verlag | 1.2.2022 |
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Übersetzer | Dagmar Schmitz |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Instructions for Dancing |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | 2022 • ab 14 • Coming of Age • Diversity • Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt • eBooks • Erste Liebe • Everything, everything • jandy nelson • Jenny Han • Jugendbuch • Jugendbücher • Liebesromane Jugendliche • Liebesroman Neuerscheinungen 2022 • Love Letters to the Dead • Neuerscheinung • New York Times Besteller • New York Times Bestseller • own voices • poc • Pubertät • Rachael Lippincott • Rainbow Rowell • Romance • romancebooks • slowburn • slowburnromance • The sun is also a star • Trauer • Trennung • Young Adult |
ISBN-10 | 3-641-28266-7 / 3641282667 |
ISBN-13 | 978-3-641-28266-0 / 9783641282660 |
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