Disney Villains 3: Die Einsame im Meer (eBook)
208 Seiten
Carlsen Verlag Gmbh
978-3-646-93631-5 (ISBN)
Walt Disney (1901-1966) war einer der einflussreichsten und meistgeehrten Filmproduzenten und Trickfilmzeichner des 20. Jahrhunderts. Dafür sorgten Figuren wie Micky Maus oder Donald Duck. 1937 erschien mit »Schneewittchen und die sieben Zwerge« ein Meilenstein der Filmgeschichte: der erste abendfüllende Zeichentrickfilm. Viele weitere folgten und begeistern noch heute ein Milliardenpublikum jeder Altersklasse. Disneys Name entwickelte sich zu einer internationalen Marke, die für ein umfassendes Spektrum an Produkten der Unterhaltungsindustrie steht.
Walt Disney (1901-1966) war einer der einflussreichsten und meistgeehrten Filmproduzenten und Trickfilmzeichner des 20. Jahrhunderts. Dafür sorgten Figuren wie Micky Maus oder Donald Duck. 1937 erschien mit »Schneewittchen und die sieben Zwerge« ein Meilenstein der Filmgeschichte: der erste abendfüllende Zeichentrickfilm. Viele weitere folgten und begeistern noch heute ein Milliardenpublikum jeder Altersklasse. Disneys Name entwickelte sich zu einer internationalen Marke, die für ein umfassendes Spektrum an Produkten der Unterhaltungsindustrie steht. Serena Valentino, geboren 1970, ist eine amerikanische Autorin. Sie schuf die Disney-Bestsellerreihe »Villains«, in der sie berühmte Märchen aus Sicht der Bösewichte erzählt. Außerdem veröffentlichte sie die beiden Comicreihen »GloomCookie« und »Nightmares & Fairy Tales«. In der Graphic Novel »Cruella de Vil« (Originaltitel »Evil thing«), der Adaption des 7. Bandes der »Villains«-Reihe, verbindet sie beide Genres miteinander. Valentino lebt in Kalifornien. Ellen Kurtz wurde 1994 in Hamburg geboren. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr studierte sie Anglistik und Spanische Philologie, um sich ganz ihrer Begeisterung für Sprache und Literatur zu widmen. Seit 2018 ist Ellen Kurtz als freiberufliche Übersetzerin und Lektorin tätig.
KAPITEL IV
Der kleine Schatz aus dem Meer
Zurück in dem dunkelgrünen Häuschen machten Pflanze und ihre Hexen es sich bequem, um Ursulas Geschichte zu lauschen. Die Schwestern hatten Ursula ihren Lieblingsplatz neben dem Kamin überlassen. Dort thronte die Seehexe nun in einem üppig gepolsterten Sessel, überzogen mit immergrünem Samt, und ruhte ihre geschundenen Füße auf einem kleinen Berg roter Kissen aus. Ursula war es nicht gewohnt, auf zwei Beinen über Land zu laufen, und die Anstrengungen des Tages forderten ihren Tribut.
Auf dem kleinen runden Tisch neben ihrem Sessel stand eine Teetasse mit Rosenmuster. Dampfschwaden stiegen daraus empor und kringelten sich in dem leichten Luftzug wie winzige Tentakel. Wären die Umstände nicht so unerfreulich gewesen, hätte sich dieses Treffen nicht von Ursulas zahllosen freundschaftlichen Besuchen bei den Schwestern unterschieden, bei denen sie gewöhnlich über die Geschehnisse in den verschiedenen Königreichen lästerten und mit ihren jüngsten Missetaten prahlten. Es gab nichts Schöneres, als eine gute Geschichte mit einer anderen Hexe zu teilen, vor allem mit einer Hexe wie Ursula.
Sie war eine wahre Hexe, entstammte einer königlichen Blutlinie und besaß unvorstellbare Macht. Doch es war ihr Sinn für Humor, der sie von anderen Hexen unterschied. Ursula konnte allem und jedem eine humorvolle Seite abgewinnen, sogar sich selbst. Sie war die schlagfertigste Hexe, die die Schwestern je getroffen hatten, und wahrscheinlich war es auch genau das, was Circe so an Ursula mochte.
Ihre geliebte kleine Schwester. Ob sie sie jemals wiedersehen würden? Hatten sie sie vielleicht für immer verloren?
„Und wenn ihr nun etwas Furchtbares zugestoßen ist?“, rief Ruby verstört.
„Also bitte, Ruby, du musst diese zwanghafte Sorge um Circe wirklich ablegen!“
„Ja, beruhige dich. Ursula soll jetzt ihre Geschichte erzählen.“
Ursulas Stimme war ruhig, beinahe tonlos. Von ihrem sonst so theatralischen Gebaren fehlte jede Spur. Es lag keine Schärfe in ihren Worten. Eine Ernsthaftigkeit, wie die ^ sie noch nie an ihrer Freundin erlebt hatten, war über Ursula gekommen. Mit belegter Stimme begann sie zu erzählen.
„Als mein Vater mich fand, trieb ich an ein Stück Holz geklammert auf den Wellen. Er nahm an, dass es sich um die zerstörten Überreste eines Schiffswracks handelte. Er fischte mich aus dem Wasser und brachte mich nach Ipswich, wo ich fortan lebte.
Mit meinem Vater.
Er nannte mich seinen kleinen Schatz aus dem Meer und zog mich als seine Tochter groß – und genau das war ich: seine Tochter. Jeden Morgen, wenn er in seinem kleinen Fischerboot aufs Meer hinausfuhr, winkte ich ihm zum Abschied und betete, dass die Götter des Meeres ihn heil zu mir zurückbringen würden – was sie stets taten. Er war der einzige Mensch auf der Welt, der mich wahrhaftig geliebt hat. Jeden Tag dankte er den Göttern, die mich in sein einsames Leben gesandt hatten, so wie auch ich ihnen dafür dankte, dass sie mir diesen Vater geschenkt hatten. Keiner von uns beiden ahnte etwas von dem, was allmählich in meinem Inneren heranwuchs, von meiner Macht oder der Gestalt, die ich am Ende annehmen sollte. Wenn ich doch nur an seine Liebe geglaubt und mich ihm anvertraut hätte, als ich dieses Ding zu fürchten begann, in das ich mich langsam, aber sicher verwandelte.“
Wie gebannt hingen die Schwestern an Ursulas Lippen. Sie warteten. Warteten auf den Wahnsinn, auf den Zorn. Aber Ursula war verstummt, scheinbar tief in Gedanken versunken. Gedanken an ihren Vater, zweifellos.
Schließlich hielt Martha es nicht mehr aus und durchbrach die Stille. „Hat er dich verraten? Das ist es schließlich, was Männer immer tun, nicht wahr? Väter lieben ihre Töchter nie so, wie sie es sollten!“
Ursula bedachte Martha mit einem eisigen Blick, sagte aber nichts.
„War er von deiner Meeresgestalt angewidert? Verängstigt von deiner Macht?“ – „Oh, ich wette, er hat versucht, dich zu töten! Väter sind so eine Enttäuschung!“ – „Ja, mit hasserfüllten Vätern kennen wir uns aus!“ – „Wir können die alte Königin herbeirufen, wenn du uns nicht glaubst!“ – „Wenn nur Schneewittchen den Spiegel nicht hätte!“ – „Oh, wir wissen das eine oder andere über bösartige Väter!“
Mit plötzlichen Tränen in den Augen sagte Ursula schlicht „Nein“. Da erst begriffen die Schwestern, was für einem schrecklichen Irrtum sie erlegen waren, und bereuten ihre voreiligen Worte.
Die drei Schwestern verstummten und warteten darauf, dass Ursula mit ihrer Geschichte fortfuhr, obwohl sie bereits ahnten, wie sie enden würde. Es ging bei Ursulas Rache nicht um ihren Vater.
„Sie waren es, nicht wahr?“, murmelte Ruby mit einem beißenden Unterton. „Diese elenden Fischer!“
Pflanzes Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, und sie fuhr die Krallen aus. Für die meisten Menschen hatte sie nicht viel übrig. Menschen waren voller dummer Vorurteile und verdienten nichts als Misstrauen.
„Als sich die Anzeichen häuften, dass ich etwas anderes als menschlich war, war ich vor Angst wie gelähmt. Ich konnte mir nicht erklären, was da mit mir geschah. Ich befürchtete, dass ich die Götter des Meeres ungewollt beleidigt hatte und sie mich nun dafür bestraften.“
„Aber du bist doch selbst eine Seegöttin von höchstem Rang!“, fielen die Schwestern Ursula ins Wort.
„Das wusste ich damals aber noch nicht. Ich war doch nur ein Mädchen. Doch der Ruf der See wurde mit jedem Tag stärker, und der Drang, die Küste meines Vaters zu verlassen, wurde schier unerträglich. Das Städtchen war voller einfältiger Narren, die den Grund für jedes noch so kleine Missgeschick bereitwillig bei den Göttern suchten. Immer auf der Suche nach jemandem, der den Zorn der Götter heraufbeschworen haben musste – abgesehen von meinem Vater, der stets für sich geblieben war, bis ich in sein Leben trat.“
Pflanze dachte, dass Ursulas Tränen und die Erkenntnis, was aus ihrem Vater geworden sein musste, vielleicht sogar die drei Schwestern zum Weinen bringen würden. Was für eine grausame Art zu erkennen, dass sie nicht von dieser Welt war.
Unausweichlich, aber schrecklich.
„Jeden Morgen, nachdem mein Vater in seinem Boot hinausgefahren war, stieg ich auf die Klippen. Von dort aus blickte ich auf die See und suchte nach Antworten. Warum ich mich so fühlte, so anders als die Menschen um mich herum. Und vor allem, warum ich den starken Drang verspürte, mich von diesen Klippen zu stürzen. Ich befürchtete, dass etwas mit mir nicht stimmte, dass ich dabei war, den Verstand zu verlieren – schließlich würde mich der Sprung von den Klippen mit größter Sicherheit töten! Die Tatsache, dass ich mich offensichtlich danach sehnte, meinem Leben auf eine so schreckliche Art ein Ende zu bereiten, entsetzte mich zutiefst. Und dennoch spürte ich tief in meinem Herzen, dass es nicht der Tod war, der mich in diesen dunklen kalten Gewässern erwartete. Es war etwas anderes, seltsam vertraut und doch viel zu beängstigend, um es zu befreien. Ich verspürte die merkwürdige Gewissheit, dass die See mich auf eine andere Weise für sich beanspruchen würde, sollte ich diesem Drang jemals nachgeben. Für mich wäre das gleichbedeutend mit dem Tod gewesen, denn es hätte mich für immer von meinem Vater getrennt, der mich von ganzem Herzen liebte. Und so stand ich jeden einzelnen Tag dort oben und zwang mich, nicht zu springen. Ich betete zu den Göttern des Meeres um die Kraft, an Land zu bleiben, bis ich eines nebligen Morgens einfach nicht mehr in der Lage war, dem Drang zu widerstehen. Ich ließ mich fallen. Was ich dann entdeckte, lag fernab jeglicher Vorstellungskraft.“
„Und dann haben sie dich gefunden?“, flüsterte Lucinda mit brüchiger Stimme. Ihr Make-up hatte ihren Tränen nicht standgehalten.
„Ja, sie haben an der Küste auf mich gewartet. Sie schleppten mich auf den großen Platz in der Mitte der Stadt, um mich zu verbrennen. Diese Leute kannten mich mein ganzes Leben lang, und nun strömten sie aus ihren Häusern und türmten alles Brennbare, dessen sie habhaft werden konnten, auf meinen Scheiterhaufen.“
„Wie bist du ihnen entkommen?“, fragte Ruby atemlos.
„Meinem Vater gelang es, die meisten von ihnen mit seiner Harpune zu verscheuchen. Er drohte damit, sie alle umzubringen, wenn sie mich nicht gehen ließen. Aber schon bald waren es einfach zu viele …“
Ursula verschlug es die Sprache, während sie diesen Albtraum aus ihrer Vergangenheit erneut durchlebte.
„Sie rissen meinen Vater in Stücke, um zu mir zu gelangen und mich wieder auf den Scheiterhaufen zu binden. Er stellte sich zwischen mich und den Mob und verschaffte mir so die Möglichkeit zur Flucht. Und so floh ich in Tritons Reich.“
Ihr letzter Satz weckte Lucindas Widerspruch. „Du sprichst von Tritons Reich? Dem Gesetz nach gehört es ebenso dir! Du bist seine Schwester!“
Ursula seufzte. „Damals wusste ich noch nicht, wer ich wirklich war. Triton hat sich mir erst gezeigt, nachdem ich Ipswich zerstört hatte. Er hat das Recht verwirkt, sich mein Bruder zu nennen. Es hat ihn nicht interessiert, was diese bestialischen Menschen meinem Vater angetan haben! Was sie mir antun wollten! Oh, ja, er hat mich in sein Reich gebracht und mich als seine geliebte Schwester präsentiert. Aber nicht einmal er hat mir gestattet, in meiner wahren Gestalt vor sein Volk zu treten!“
Ursula hatte sich aus ihrem Sessel erhoben und stand nun mit vor...
Erscheint lt. Verlag | 26.8.2021 |
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Reihe/Serie | Disney – Villains |
Disney Villains | |
Disney Villains | Disney. Villains |
Übersetzer | Ellen Kurtz |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Arielle Meerjungfrau • Coming of Age • Disney • Disney Bösewichte Buch • Disney Buch Arielle • Disney Bücher Erwachsene • düstere Märchen • Eiskönigin • Fantasy-Abenteuer • Frozen Buch • König der Löwen • Märchen • Märchenadaption • Märchen für Ältere • Psychologischer Roman • Traurigkeit |
ISBN-10 | 3-646-93631-2 / 3646936312 |
ISBN-13 | 978-3-646-93631-5 / 9783646936315 |
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