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Nordstern – Der Ruf der freien Pferde (eBook)

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
224 Seiten
SchneiderBuch (Verlag)
978-3-505-14357-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Nordstern – Der Ruf der freien Pferde - Karin Müller
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Die14jährige Erla wandert im Sommer 1949 mit ihrer Mutter nach Island aus. Sie hat es schon in Deutschland nie leicht gehabt, weil sie Dinge sieht, die andere nicht wahrnehmen. Doch in dem fremden, neuen Land wird alles nur noch schwerer. Erla ist fassungslos über den dünnen Grat aus Respekt und abergläubischer Angst der Isländer vor dem Unsichtbaren Volk. Die Bauernfamilie, auf deren Hof sie arbeiten soll, treibt ein undurchsichtiges Spiel und schikaniert sie. Durch ein Missverständnis wird ihre Mutter weit entfernt untergebracht und selbst die Natur scheint sich gegen sie verschworen zu haben. Einzig die Pferde sind Erla Trost und Zuflucht. Mit ihnen erlebt sie ihre schönsten Momente, allen voran mit der Schimmelstute Drifa. Und da ist Flóki, der zu den Verborgenen gehört, und sie mit einer alten Kräuterfrau bekannt machen möchte. Erla gerät zusehends zwischen die Fronten - und dann überschlagen sich die Ereignisse.

»Neues Lesefutter für alle Pferdefans ab zwölf Jahre.«Neue Presse Hannover, 01.02.2021



Karin Müller ist mit 'Nordlicht' bei Schneiderbuch ein großer Bestseller gelungen. Darüber hinaus schreibt sie Tierratgeber, Kinder- und Jugendbücher. Sie wurde in Kitzingen am Main geboren, studierte an der Leuphana Universität Lüneburg und arbeitete viele Jahre als Radio- und Zeitungsredakteurin im Kulturressort. Heute lebt sie auf dem Land bei Hannover. Die besten Ideen hat sie am Gartenteich, auf Reisen oder wenn sie einem Pferd beim Grasen zuhört.

Karin Müller ist mit "Nordlicht" bei Schneiderbuch ein großer Bestseller gelungen. Darüber hinaus schreibt sie erfolgreiche Tier-Ratgeber, Kinder- und Jugendbücher. Sie wurde in Kitzingen am Main geboren, studierte an der Leuphana Universität Lüneburg und arbeitete viele Jahre als Radio- und Zeitungsredakteurin im Kulturressort. Heute lebt sie auf dem Land bei Hannover. Die besten Ideen hat sie am Gartenteich, auf Reisen oder wenn sie einem Pferd beim Grasen zuhört.

1. Island ahoi!

»Erla! Komm von der Reling weg! Das ist viel zu gefährlich. Du holst dir den Tod, Kind.« Um nicht umgeweht zu werden, klammert meine Mutter sich mit beiden Händen an der braun lackierten Holztür fest, die ins Innere des Schiffes führt. Sie ist ein bisschen bleich um die Nase, aber ihre Wangen glänzen rosig. Das macht die Kälte. Wir sind viel zu dünn angezogen für dieses Wetter, dabei tragen wir schon die wärmsten Sachen, die wir mitgenommen haben – übereinander.

»Nur noch einen Augenblick, Mutsch! Ich kann das Land schon sehen! Guck doch mal!« Ich kann meine Finger kaum noch spüren, aber das ist mir völlig egal. Schaumkronen tanzen über die Wellen. Und da vorn, in der Ferne, da sieht es so aus, als ob schroffe Felsen mit Schneehauben aus dem Meer wachsen. Ich kneife die Augen zusammen, um schärfer sehen zu können. Das muss es sein. Island! Und gleich dahinter kommt der Nordpol, glaube ich.

Der Wind treibt mir Tränen ins Gesicht und wischt sie mit meinen eigenen rotblonden Haarsträhnen, die er mir aus der Wollmütze gestohlen hat, wieder fort. Die Fähre hebt und senkt sich, als ob wir auf dem Rücken eines Meeresungeheuers reiten würden. Jedes Mal, wenn wir in ein Tal fallen, plumpst mein Magen ein Stück mit, und wenn wir auf die nächste Woge hinaufgetragen werden, habe ich das Gefühl, ich könnte spielerisch die Möwen erreichen, die über uns kreischen. Ich fühle mich frei, so frei und leicht! Wenn ich den dicken, glatten Holm der Reling loslasse, könnte ich abheben und mit ihnen fliegen!

Neben mir übergibt sich jemand in die See. Ich habe keine Zeit für Übelkeit. Ich bin viel zu aufgeregt. Wir sind unterwegs in ein neues Leben. Mutsch hat versprochen, dass wir nie wieder Hunger haben werden. Keine zerbombten Kellerwohnungen mehr. Keine Kohlen klauen oder heimlich Rüben aus den Äckern ziehen müssen, damit wir etwas zu essen haben. Nie mehr vor den Hunden der Bauern wegrennen, draußen auf dem Land vor Lübeck, wo ich geboren wurde, vier Jahre bevor Hitler diesen wahnsinnigen Krieg begonnen hat.

Vier Jahre ist der Zweite Weltkrieg nun vorbei.

Ich bin vierzehn Jahre alt, und ich kann anpacken und hart arbeiten. Das ist der Grund, weswegen Herr Hrafn meiner Mutsch erlaubt hat, mich mitzubringen. Nicht, dass sie ohne mich gefahren wäre, aber andere Mütter mussten das.

Neben Mutsch in der Schlange vor dem isländischen Konsulat stand eine Frau, die ganz verzweifelt war, weil sie selbst auf Island keine unnützen Esser haben wollen in ihren Bauernhöfen. Sie musste ihren kleinen Sohn bei den Großeltern zurücklassen, sonst hätte sie die Stelle nicht bekommen. In einem Jahr will sie ihn nachholen, hat sie Mutsch erzählt. Oder wieder zurück nach Deutschland gehen, wenn sie bis dahin genug Geld gespart hat. Denn die Isländer zahlen gut. Sie müssen wirklich dringend Arbeitskräfte auf dem Land brauchen, wenn sie sie sogar mit dem Dampfschiff aus Deutschland holen.

Mutsch und ich wollen bleiben. Das wissen wir jetzt schon. Wohin sollen wir auch zurück? Wir haben keine Großeltern mehr. Das war keine Option für uns. Ich bin Halbwaise. Mein Vater ist tot, er ist bei einem Bombenangriff gestorben. Schon 1939. Zehn Jahre ist das her, ich kann mich kaum an sein Gesicht erinnern. Ich war noch so klein, sagt Mutsch, das sei normal, wir müssten nach vorne schauen.

»Auf Island gibt es Pferde«, sagte sie, als sie mir fünf Wochen zuvor von ihrem tollkühnen Plan erzählte. Sie hielt einen Zeitungsartikel aus den Lübecker Nachrichten in der Hand, und ihre Augen glänzten, trotz der dunklen Ringe darunter, zum ersten Mal seit vielen Monaten. »Der isländische Bauernverband sucht Arbeitskräfte, Erlakindchen, stell dir vor. Ledig, stark und gesund – als Landhelferinnen. Das kriegen wir schon hin, du und ich. Das schaffen wir auch noch.«

»Island?«, habe ich gefragt. »Wo liegt das? In der Sowjetischen Besatzungszone?«

»Dummchen«, hat Mutsch gelacht und mich herumgewirbelt. »Es ist weit weg von der Bundesrepublik und den Russen. Es ist ein Land auf einer Insel aus Eis, ganz oben im Norden. Vielleicht sehen wir Eskimos. Oder Pinguine?! Sie zahlen unglaublich gut, die isländischen Bauern, sogar die Überfahrt! Und wenn da so viel Schnee liegt, wie sie erzählt haben, dann kann das mit der Landwirtschaft auch nicht so schwer sein, oder? Ich habe oft beim Melken zugesehen, damals, zu Hause. Das sah ganz leicht aus. Wir geben einfach an, dass wir das können und Erfahrung haben. Ich laufe gleich morgen aufs Amt und beantrage unser Visum, und polizeiliche Führungszeugnisse brauchen wir auch und …«

Ich hörte gar nicht mehr richtig zu, ich suchte gleich nach meinem Koffer. Mutsch ist in Ostpreußen aufgewachsen, auf einem Gut. Da gab es nicht nur viele Kühe, sondern auch Trakehner, große, stolze Pferde. »Solche werden die Wikinger wohl auch haben«, sagte Mutsch. »Nur die Großen und Starken können in solch einem Land überleben.«

Aber wir hoffentlich auch.

Und jetzt stehen wir an Bord dieses Schiffes, der »Esja«, zusammen mit über zweihundert anderen jungen Frauen und Mädchen, die sich auf die Zeitungsannonce beworben haben und genommen wurden.

Ich habe mit Pferden noch nicht viel zu tun gehabt. Als ich klein war, gab es in unserer Straße ein Gespann mit zwei Kaltblütern, die haben die Malzsäcke in die Brauerei gezogen. Sie kamen fast jeden Tag an unserer Wohnung vorbei. Aber eines Morgens waren sie weg, zum Kriegsdienst eingezogen. Genau wie Papa. Und genau wie er kamen sie nie mehr zurück.

Die Frau neben mir stöhnt. Sie ist ganz grün im Gesicht. Sie sagt irgendwas zu mir, aber wegen des Sturms kann ich sie nicht verstehen. Also hangele ich mich näher zu ihr heran. Die Reling darf ich keinen Augenblick loslassen, sonst bläst der Wind mich um. Aber das ist nicht so einfach, mit den steif gefrorenen Fingern. Und es geht immer noch auf und ab über die Wellenkämme.

»Hast du ein Taschentuch?«, brüllt die Frau gegen das Tosen an.

Ich nicke und schlinge meinen Arm um ein dickes Schiffstau, damit ich eine Hand frei habe, um in meiner Jackentasche danach zu wühlen. Ich habe es ganz tief hineingestopft, damit ich es bloß nicht verliere, weil ich nur noch das eine habe. Mutsch hat es an den Ecken bunt gesäumt, und da, wo der Stoff inzwischen so dünn war, dass er gerissen ist, hat sie es gestopft und hübsch mit Blüten bestickt. Der Wind reißt mir das Baumwolltüchlein fast aus der Hand, aber die seekranke Frau nimmt es mir geschickt ab. Sie wischt sich damit über den Mund, doch dann muss sie schon wieder spucken und beugt sich tief über die Bande, als ob sie sich vor der schäumenden See verneigt.

Ich drehe mich rücksichtsvoll weg und erspähe Mutsch.

»Erla! Komm jetzt endlich!«, ruft sie erschöpft. Meine Mutter fällt fast um, als sie die Holztür mit dem runden Bullauge mit einer Hand loslässt, um mir den Arm entgegenzustrecken. Hat sie etwa die ganze Zeit hier draußen gestanden? Ihre Lippen sind blau gefroren, ihre nackten Beine unterm Rock krebsrot. Dabei ist Sommer! Wir haben den 9. Juni 1949, und in Hamburg war es warm und sonnig, als wir vor vier Tagen an Bord gingen.

Ich will mein Taschentuch wiederhaben, deshalb zögere ich einen Augenblick. Aber die Frau sieht sehr elend aus, also lasse ich es ihr, und Mutsch zieht mich an meinem Ärmel zurück in den Windschatten und ins Innere des Schiffs.

Drin werden wir herumgeworfen wie die Murmeln in einem Karton. Es riecht hier noch viel unangenehmer nach Erbrochenem, nach Kohle und nach Öl. Ich wäre lieber wieder an Deck, weil außer uns fast alle seekrank sind. Aber Mutsch will, dass ich mich aufwärme. Meine Finger stechen und brennen, als das Blut wieder auftaut. Ich möchte an Deck gehen und als Erste das Land erblicken.

»Wie lange dauert es noch, bis wir im Hafen sind?«, will ich wissen.

»Heute Abend werden wir da sein, haben sie gesagt. Also gedulde dich, junge Dame.«

Ich kichere, weil Mutsch mich junge Dame nennt. Dann schüttele ich den Kopf. »Nein, das kann nicht sein. Es ist ja noch so hell, und ich habe doch schon einen Streifen Land gesehen. Es kann nicht mehr lang bis zum Dunkelwerden dauern.«

Neben mir lacht ein hünenhafter junger Mann. So wie ihn stelle ich mir den Riesen Goliath vor. Mit einem dichten Bart und Händen wie Bratpfannen. »Es ist Sommer«, sagt er und grinst Mutsch und mich frech von der Seite an. »Da geht die Sonne bei uns nicht unter. Höchstens ein bisschen. Damit man gut sieht, wen man küsst.« Er schenkt mir ein Stückchen Brot. Mutschs Hand zuckt. Beinahe hätte sie ihm eine Ohrfeige gegeben. Das sehe ich genau. Aber das kann sie schlecht tun: Der Mann ist Isländer, und das gehört sich sicher noch weniger, wenn man fremd ist, dem Gastgeber gleich eine zu scheuern. »Wir müssen uns an die Sitten hier noch gewöhnen«, schärft sie mir leise ein und zieht mich am Kragen ein Stück fort von Goliath. Das Brot darf ich behalten.

Plötzlich kommt Bewegung in die Menschenmenge. Die Mischung aus Schweröl, Schweiß und anderen schlechten Gerüchen wird noch einmal intensiver. Irgendwo weint ein kleines Kind. Das Schiff schaukelt jetzt quer zu den Wellen. Das lässt auch Mutsch und mich ein bisschen gegen ein flaues Gefühl im Magen ankämpfen.

»Frische Luft?«, schlage ich vor. Diesmal hat sie nichts dagegen, aber sie zieht mich noch einmal zurück. »Wir nehmen unsere Sachen gleich mit.« Das ist keine Feststellung, sondern eine Aufforderung.

Viel besitzen wir nicht. Jede von uns hat ein Köfferchen und einen Leinensack. »Ist das wirklich schlau?«, frage ich trotzdem. »Bei dem...

Erscheint lt. Verlag 26.1.2021
Reihe/Serie Nordstern
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Abenteuer • Drifa • Elfen • Elfin • Elin • erla • Erste Liebe • Fohlen • Freiheit • Freundschaft • Freyja • Geschenkidee • Huldú • Insel • Island • Islandpferd • Jorúnn • Kári • Karin Müller • Liebe • Ljósadis • Mädchenroman • Magie • Natur • Nordlicht • Pferd • Pferde • Pferdebuch • Pferdemädchen • Pferderoman • Reiten • Roman • Romantik • Schneiderbuch • Troll • verliebt • verliebtsein • Wendy • Wildpferd • Wildpferde
ISBN-10 3-505-14357-X / 350514357X
ISBN-13 978-3-505-14357-1 / 9783505143571
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