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Ein Fluch so ewig und kalt (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
560 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-24576-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein Fluch so ewig und kalt - Brigid Kemmerer
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Einst war Emberfall ein mächtiges Königreich. Dann lud der junge Prinz Rhen einen schrecklichen Fluch auf sich. Seither muss er innerhalb eines Jahres ein Mädchen finden, das ihn auf ewig liebt. Gelingt es ihm nicht, verwandelt er sich in eine Bestie, und das Mädchen muss sterben. Jahr für Jahr. Bis er Harper auserwählt, ein Mädchen aus dem heutigen Washington D.C., das schon mit ganz anderen Kerlen fertiggeworden ist. Zornig und mutig bekämpft sie ihn - bis sie den wahren Rhen erkennt. Aber wird ihre Liebe reichen, um sie beide vor dem Tod zu bewahren?

Brigid Kemmerer ist eine New-York-Times-Bestsellerautorin. Sie hat bereits mehrere Jugendbücher veröffentlicht. »Ein Fluch so ewig und kalt« ist der Auftakt zu ihrer neuen Bestseller-Trilogie aus der magischen Welt von Emberfall. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihren vier Jungen in der Nähe von Baltimore.


Harper


Ich renne einen langen Flur hinunter, mein Atem brüllt mir in den Ohren. Das hier muss ein Museum oder sonst ein historisches Gebäude sein. Meine Socken finden keinen echten Halt auf dem samtigen Teppich, der über dem Marmorboden liegt. Die Wände sind holzvertäfelt, reichen gemauert aber zu einem hohen Deckengewölbe hinauf. Schwere Holztüren mit schmiedeeisernen Klinken reihen sich in unregelmäßigen Abständen auf dem Flur aneinander, doch keine davon steht offen.

Aber ich halte nicht an, um es bei einer zu versuchen. Ich muss jemand finden, der mir hilft, oder hier alleine rauskommen.

Als ich um eine Kurve biege, stoße ich auf eine weit ausladende Freitreppe, die in eine prachtvolle Eingangshalle führt. Der Raum ist so groß wie die Turnhalle meiner Highschool, aber mit dunklem Schieferboden, massiven Buntglasfenstern und einer eisernen doppelflügeligen Tür. An den Wänden hängen Tapisserien, in denen violettes, grünes und rotes Garn verwebt sind, die aber auch von schimmernden Gold- und Silberfäden durchwirkt sind. An einer Seite stehen Tische beladen mit Torten und Gebäck und Dutzenden Champagnergläsern. Ein halbes Dutzend weißer Stühle mit Vergoldungen steht in einer Ecke, davor liegen Musikinstrumente bereit.

Alles sieht aus wie für eine Hochzeit. Oder für ein anderes Fest. Nichts deutet auf eine Entführung hin.

Ich bin total verwirrt – aber immerhin habe ich eine Tür nach draußen gefunden.

Plötzlich durchdringt ein schrilles Piepen die Stille.

Jakes Timer.

Ich wühle das Handy aus meiner Tasche und starre auf die blinkenden Nullen. Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Ich weiß nicht, ob er es rechtzeitig geschafft hat.

Aber ich muss mich zusammenreißen. Ich stehe hier wie eine Zielscheibe, und Tränen werden mir nur das Gesicht nass machen. Sobald ich irgendwo in Sicherheit bin, kann ich den Notruf 911 verständigen.

Ich umklammere das Geländer und laufe die Stufen hinunter. Mein linkes Bein ist plump und gibt beinahe unter mir nach, aber ich drohe ihm im Geiste, es abzuschneiden, wenn es mich nicht hier rausbringt. Es hört auf mich.

Als ich an der Ecke vorbeikomme, heben sich die Instrumente gleichzeitig von den Stühlen.

Erschrocken ducke ich mich, weil ich fürchte, dass eines auf mich zu fliegen wird. Doch dann beginnen sie ohne Vorwarnung zu spielen. Klassische Musik erfüllt die Halle. Ein schöner, voller Klang, mit Flöten, Trompeten und Geigen.

Das muss ein Trick sein. Eine optische Täuschung. Wie in einem Vergnügungspark. Das alles muss irgendwie durch meine Bewegung ausgelöst worden sein.

Ich strecke die Hand aus und schnappe mir eine Flöte. Eigentlich rechne ich damit, dass sie mit dünnen Drähten oder durchsichtigem Plastik irgendwo befestigt ist.

Aber das ist sie nicht. Meine Hände schließen sich um das Metall, als würde ich sie aus einem Regal nehmen. Das Silber vibriert, als würde jemand darauf spielen. Sie wiegt auch nicht viel – es stecken also keine Batterien drin. Kein Lautsprecher. Nichts.

Als ich sie an mein Ohr halte, kommen die Töne aus dem Inneren.

Ich trete einen Schritt zurück und werfe sie von mir.

Da bewegt sich die Flöte sofort wieder an ihren alten Platz über dem Stuhl, als würde dort ein unsichtbarer Musiker stehen und auf ihr spielen. Die Klappen schließen und öffnen sich.

Ich schlucke schwer. Das ist ein Traum. Ich stehe unter Drogen. Irgend so etwas.

Aber ich vergeude meine Zeit. Ich muss hier raus.

Als ich zur Tür hetze, rechne ich damit, sie verschlossen vorzufinden – doch das ist sie nicht. Ich stolpere nach draußen auf einen Vorplatz aus Marmor, von dem Stufen zu einem kopfsteingepflasterten Weg führen. Gestutzte Rasenflächen so weit mein Auge reicht. Dazwischen vereinzelte Bäume und Blumenbeete. Aus einem wuchtigen Springbrunnen spritzt Wasser in die Luft. In der Ferne steht ein dichter Wald mit kräftig grünem Laub.

Nirgends kann ich eine asphaltierte Straße sehen.

Hinter mir schließt sich die Tür, und statt der Musik herrscht nun Stille. Hier gibt es kein Treppengeländer, deshalb bewege ich mich vorsichtig die Stufen hinunter und auf das Kopfsteinpflaster. Das Gebäude ragt turmhoch hinter mir auf. Große cremefarbene Ziegel wechseln sich mit Marmor und Kalkstein ab.

Das ist kein Museum. Es ist ein Schloss. Und zwar ein großes.

Und immer noch ist kein Mensch zu sehen. Niemand, nirgends, obwohl ich kilometerweit schauen kann. Die Stille ist überwältigend. Keine Autos, keine summenden Stromleitungen. Keine Flugzeuge.

Ich zerre das Handy aus meiner Tasche und wähle die 911.

Das Telefon protestiert piepend. Kein Netz.

Ich schüttle es, als würde das irgendwas nützen. Dabei ist oben im Display alles grau.

Kein Mobilfunkmast, kein W-LAN, kein Bluetooth.

Ein Wimmern kommt aus meiner Brust.

Diese Instrumente haben von allein gespielt.

Ich kann mir das nicht erklären. Mein Verstand ist schon mit den sehr realen Sorgen um meinen Bruder ausgelastet.

Da kommt mir ein neuer Gedanke und belastet mich mit einer noch schwereren Sorge. Wenn Jake etwas passiert ist, dann ist niemand da, um Mom zu helfen. Ich male mir aus, wie sie im Bett liegt und wegen des Krebses, der ihre Lunge befallen hat, schrecklich hustet. Wie sie Essen braucht. Und Medizin. Jemand, der sie zur Toilette führt.

Auf einmal verschwimmt alles vor meinen Augen. Ich wische mir über die Wangen und zwinge meine Beine loszulaufen. Schweiß sammelt sich in meinem Sweatshirt.

Moment mal. Schwitzen. Es ist warm.

In D. C. war es eiskalt.

Plötzlich fühlt sich der Schweiß kalt an.

Heb dir die Panik für später auf. Ich muss weiter.

Ein großes Nebengebäude steht direkt hinter dem Schloss, gleich jenseits eines geräumigen Hofs, der mit Kopfsteinen gepflastert ist. Überall blühen Blumen. An Holzspalieren, in großen Trögen, entlang von Hecken und in Beeten. Immer noch keine Menschenseele.

Meine Muskeln sind verspannt und erschöpft, Schweiß rinnt mir die Schläfen hinunter. Ich bete, dass das hier so eine Art Garage ist, denn ich werde bald eine andere Art der Fortbewegung nutzen müssen. Ewig kann ich nicht laufen. Mit dem Rücken lehne ich mich an die Schlossmauer, schwer atmend warte und lausche ich.

Als ich nichts höre, steuere ich direkt auf das Gebäude jenseits des Schlosshofs zu, wobei mein linker Fuß hinkt und um eine Pause fleht. Ich stolpere durch die Tür und rutsche in meinen feuchten Socken ein bisschen.

Wow. Keine Garage, sondern ein Stall.

Das ist fast noch besser. Ich weiß nämlich nicht, wie man ein Auto kurzschließt, aber ich kann reiten.

Damals, bevor es mit unserem Leben bergab ging, als Dad noch einen Job und einen guten Ruf hatte, war ich oft reiten. Nach all den Operationen wegen der Zerebralparese hatte ich damit als therapeutische Aktivität begonnen, doch dann wurde eine Leidenschaft daraus. Es bedeutete Freiheit für mich, weil Pferdebeine mir Kraft verliehen. Jahrelang jobbte ich in den Ställen, um mir Zeit zum Reiten zu verdienen, bis wir in die Stadt umziehen mussten.

Von allem, was ich aufgeben musste, vermisse ich die Pferde am meisten.

Dreißig Boxen befinden sich jeweils links und rechts von einem Mittelgang, alle aus nachgedunkeltem Holz bis auf halbe Raumhöhe und oben mit Eisengittern versehen. Gut gepflegte Pferde stehen mit schimmerndem Fell im Sonnenlicht, das durch die Dachluken hereinfällt. Zaumzeug hängt in gleichmäßigen Abständen an der Wand, die Gebisse und Schnallen strahlen, das Leder wirkt gut gefettet und poliert. Kein Büschel Heu liegt auf dem Gang, und kein Fliegenschwarm ist zu sehen. Jeder Quadratzentimeter dieses Stalls ist perfekt.

Ein Falbe streckt seine Nase heraus und schnaubt in meine Hand. Er ist in seiner Box an einen Ring gebunden und bereits gesattelt. Als ich in den Mittelgang geschlittert kam, ist er nicht einmal zusammengezuckt und betrachtet mich auch jetzt gelassen. Er ist groß und kräftig, mit hellbrauner Decke, schwarzer Mähne und schwarzem Schweif. Auf einem gehämmerten, goldfarbenen Schild an seiner Box steht Ironwill.

Ich streichle mit einer Hand seinen hellen Kopf. »Ich werde dich einfach Will nennen.«

In einer kleinen Kammer neben der Tür seiner Box befinden sich Stiefel, Umhänge – und ein Dolch, der an einem Gürtel befestigt ist.

Eine richtige Waffe. Ja.

Ich lege mir den Gürtel um die Taille und zurre ihn fest. Die Stiefel sind zu groß, aber sie reichen mir fast bis zu den Knien, was meinen Knöcheln etwas mehr Halt gibt.

Ich schlüpfe in die Box und verriegle die Tür hinter mir. Will akzeptiert die Trense bereitwillig, obwohl meine zitternden Hände ein bisschen an seinem Maul zerren, als ich die Schnallen schließen muss.

»Sorry«, flüstere ich und streichle seine Wange. »Bin aus der Übung.«

Dann höre ich Schritte, das Geräusch von Stiefeln auf Stein.

Erst erstarre ich, dann ducke ich mich hinter dem Pferd und ziehe es in die dunkelste Ecke der Box. Die Zügel sind in meiner Handfläche glitschig und feucht, aber ich umklammere sie fest, damit Will mich verdeckt.

Jemand schnalzt auf seinem Weg durch den Stall bei jedem Pferd. Ein freundliches Wort hier, ein Klaps da. Einen Moment lang folgt Stille, dann höre ich wieder Schritte.

Wer auch immer das ist, er kontrolliert den Stall.

Ein hölzernes Regal ist an dieser Seite der Box entlang angebracht. Wahrscheinlich für Heu oder anderes Futter. Ich klettere hinauf und kauere mich dann auf Hände und Knie. Es ist eine seltsame Position, um aufzusteigen, aber vom Boden aus schaffe ich es nie. Ich muss mich sehr...

Erscheint lt. Verlag 19.4.2021
Reihe/Serie Emberfall-Reihe
Emberfall-Reihe
Übersetzer Henriette Zeltner-Shane
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel A curse so dark and lonely
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte ab 14 • Abenteuer • eBooks • Fantasy • Fantasy Romance • Liebesroman • Magie • New York Times Bestseller • Romantasy • Romantik • starke Heldin • Young Adult
ISBN-10 3-641-24576-1 / 3641245761
ISBN-13 978-3-641-24576-4 / 9783641245764
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