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Patina (eBook)

Was ich liebe und was ich hasse
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
208 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43446-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Patina -  Jason Reynolds
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PATINA rennt wie ein Blitz. Sie rennt fu?r ihre Ma, die aufgrund ihrer Diabetes beide Beine verloren hat, sie rennt fu?r ihre kleine Schwester Maddy, und sie rennt, um endlich all die Verantwortung, die auf ihr lastet, abschu?tteln zu können. In der Schule gehört sie zu den Besten, fu?r Albernheiten und Kindsein bleibt wenig Spielraum. Nur manchmal kommt PATINA u?berhaupt zum Träumen. Dann denkt sie an ihr Idol Florence Griffith Joyner mit den bunten langen Fingernägeln. So wie sie möchte sie später auch rennen und gefeiert werden. Beim Rennen vergisst sie alles. Dann ist sie nur noch Rhythmus und Geschwindigkeit. Und verdammt cool, wie GHOST findet, und jeder andere aus der Mannschaft auch.

Jason Reynolds studierte Literaturwissenschaften an der University of Maryland. Seine Bücher sind in den USA nicht nur Bestseller, sondern auch vielfach ausgezeichnet. Sein Buch >Long Way Down< wurde nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis. Für den Kinderroman >Ghost< erhielt er den LUCHS des Jahres. Jason Reynolds ist in den USA ein Literaturstar. Er lebt in Washington, D.C.

Jason Reynolds studierte Literaturwissenschaften an der University of Maryland. Seine Bücher sind in den USA nicht nur Bestseller, sondern auch vielfach ausgezeichnet. Sein Buch ›Long Way Down‹ wurde nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis. Für den Kinderroman ›Ghost‹ erhielt er den LUCHS des Jahres. Jason Reynolds ist in den USA ein Literaturstar. Er lebt in Washington, D.C.

1 DRINGEND NOCH ERLEDIGEN:
Alles (unter anderem das Rennen vergessen und meiner Schwester die Haare flechten)


Einen Fehlstart gibt es beim Laufen eigentlich nicht. Weil, irgendwie klingt das so, als hätte man den Start verschlafen, dabei ist doch genau das Gegenteil der Fall. Man hat den Start nicht verpennt, man ist zum falschen Zeitpunkt gestartet. Zu früh nämlich. Deshalb sollte es eigentlich Frühstart heißen, finde ich. Das wäre viel logischer. Weil es bedeutet, dass man gestartet ist, aber im falschen Moment. Also, man springt auf und rennt los, ohne dass die anderen mit einem mitrennen. Keine Konkurrenz außer dem eigenen Gehirn, das steif und fest behauptet, da würden andere Leute hinter einem laufen. Dabei ist da niemand. Nicht in echt. Keine Verfolger weit und breit. Das meinen die Leute damit, wenn sie von einem Fehlstart sprechen. Ein richtiger Start zum falschen Zeitpunkt. Und bei diesem ersten Wettkampf der Saison wusste das keiner besser als Ghost.

Vor dem Rennen stand ich mit den anderen an der Seitenlinie, und wir klatschten und feuerten Ghost und Lu an, die sich an der Startlinie aufstellten. Natürlich erst, nachdem sie sich gegenseitig heißgemacht und miteinander getuschelt hatten, als wäre außer ihnen niemand sonst auf der Laufbahn. Schon lustig, wie sie seit ihrer ersten Begegnung, wo sie sich nur fies angestarrt haben, mittlerweile zu besten Kumpels geworden sind, eine eigene kleine Zwei-Personen-Gang. Richtige Blutsbrüder. Ghost und Lu, alias Yin und Yang. Oder Pech und Schwefel. Pech. Ha! Es gab da einen Moment beim Wettkampf, wo ich diesen Namen besonders passend fand. Nämlich bei Ghosts Hundert-Meter-Lauf.

Wisst ihr, erst dachte ich, er hätte alles perfekt getimt. Ich dachte, er hätte sich in exakt dem Moment von der Startlinie abgestoßen, als der Pistolenschuss erklang, als hätte er gewusst, dass er kommt. Als hätte er ihn in sich drin spüren können oder so. Aber den zweiten Schuss hörte er nicht. Na ja, das stimmt so nicht ganz. Natürlich hat er ihn gehört. Es war ja ein irre lauter Knall. Unmöglich, den nicht zu hören. Aber er wusste eben nicht, dass dieser Schuss bedeutete, dass er zu früh aufgesprungen war und einen Fehlstart hingelegt hatte. Ich meine, es war sein erstes Rennen, deshalb hatte er keine Ahnung, dass der zweite Schuss das Zeichen für ihn war, stehen zu bleiben und zurückzugehen. Also … tat er es nicht.

Er rannte die gesamten hundert Meter. Und merkte nicht, dass die Leute ihn nicht anfeuerten, sondern ihm zuriefen, endlich anzuhalten und zurück zur Startlinie zu gehen. An der Ziellinie riss er dann die Arme siegessicher hoch und drehte sich mit einem riesenbreiten Grinsen zu uns um, bis er merkte, dass sämtliche anderen Läufer – seine Konkurrenten – immer noch oben auf ihren Bahnen standen. Er schaute zu den Zuschauern hinüber. Alle lachten. Zeigten mit dem Finger auf ihn. Schüttelten die Köpfe, während Ghost seinen hängen ließ. Er starrte auf den schwarzen Teer, seine Brust hob sich, als würde jemand einen Ballon in seinem Innern aufblasen und dann die Luft wieder rauslassen. Und noch mal aufblasen und wieder die Luft rauslassen. Ich fürchtete schon, der Ballon könnte platzen. Dass Ghost ausrasten würde wie damals, als er neu in unser Laufteam gekommen war. Und daran, wie er an seiner Backe kaute, konnte ich erkennen, dass er das auch am liebsten getan hätte. Oder einfach vom Sportplatz wegrennen, aus dem Park und bis nach Hause.

Der Trainer kam zu ihm und flüsterte ihm was ins Ohr. Ich weiß nicht, was er sagte. Aber vermutlich etwas wie: »Schon gut, macht doch nichts, reg dich ab, noch ist nichts verloren. Aber wenn du das noch mal machst, wirst du disqualifiziert.« Ach was, wie ich unseren Trainer kannte, war es etwas viel Tiefsinnigeres, zum Beispiel … keine Ahnung. Mir fällt da im Moment echt nichts ein, aber der Trainer hatte immer irgendwelche tiefsinnigen Sprüche auf Lager. Was es auch war, Ghost hob jedenfalls den Kopf und trottete zurück zur Linie, wo Lu schon mit ausgestreckter Hand auf ihn wartete, um ihn abzuklatschen. Ghost war ganz außer Atem, aber ihm blieb keine Zeit, um sich auszuruhen. Er musste zurück an seinen Startplatz. Sich bereit machen, die ganze Strecke noch mal zu rennen.

Wieder hielt der Startmann die Pistole in die Luft. Wieder schlug mein Magen einen Purzelbaum. Wieder drückte der Mann den Abzug. Wieder der Knall. Bumm! Und Ghost rannte los. Wieder. Es war fast, als wären seine Beine Dynamitstangen und der erste Lauf lediglich die Zündschnur, mit der die Bombe gezündet wurde. Und ich kann euch sagen, Ghost … explodierte förmlich. Er ging hoch im besten Sinne des Wortes. Ich meine, der Typ jagte los und raste wie ein verschwommener Strich die Linie entlang, noch schneller diesmal, seine silbernen Schuhe wie Funken, die von der Laufbahn aufstoben.

Erstes Rennen. Erster Platz.

Und das nach einem Fehlstart.

Und wenn ein Fehlstart ein richtiger Start zur falschen Zeit bedeutet – falsch im Sinne von zu früh –, dann hatte ich wohl einen falschen Zieleinlauf erwischt, das heißt, ich kam schon richtig ins Ziel, nur eben … zu spät. Kapiert?

Wenn nicht, erkläre ich es euch.

Mein Rennen war als Nächstes dran. Und die Sache ist die: Ich renne die achthundert Meter jetzt schon seit drei Jahren. Es ist mein Rennen. Ich habe ein System, eine Methode, wie ich es renne. Ich komme schnell und geduckt aus dem Startblock, und bis ich mich aufgerichtet habe, sind meine Schritte ganz gleichmäßig. Trotzdem erlaube ich mir, mich ein bisschen zurückfallen zu lassen. Ihr wisst schon, die erste Runde ein bisschen ruhiger anzugehen. Tempo. Damit versauen sich die meisten Achthundert-Meter-Läufer nämlich ihr Rennen. Sie rasen zu schnell los und sind dann bei der zweiten Runde total fertig. Ich habe schon viele Mädchen gesehen, die da auf der Aschenbahn völlig untergegangen sind, weil sie auf den ersten vierhundert zu sehr angegeben haben. Aber ich wusste es besser. Ich wusste, dass die zweiten vierhundert die entscheidenden waren. Was ich nicht wusste, war, wie schnell die Mädchen in dieser neuen Leistungsklasse waren. Wie gut in Form. Und als der Pistolenschuss ertönte und wir losrannten, merkte ich sofort, dass ich deutlich schneller laufen musste, als ich es gewohnt war, um mit den anderen mitzuhalten. Aber natürlich dachte ich da noch, die sind alle doof und werden in zwanzig Sekunden komplett erledigt sein.

In dreißig Sekunden.

In vierzig.

Nichts tat sich, stattdessen war ich es, die zu sich sagte: Oh Gott, bin ich fertig. Wieso bin ich nur so erschöpft? Und als wir für die letzten zweihundert Meter um die Kurve bogen, musste ich alle meine Reserven mobilisieren und das Tempo endlich erhöhen. Also schaltete ich den Turbo an.

Und so lief die Sache dann:

Flechtfrisur, rasierter Nacken, Pferdeschwanz und Stummelschwänzchen sind vor mir. Schnapp sie dir, Patty. Zieh, zieh, zieh und atmen! Flechtfrisur ist jetzt neben mir. Die Menge brüllt den üblichen Anfeuerungsruf, wenn jemand überholt wird – Woooop! Woooop! Woooop! Zieh, zieh. Flechtfrisur ist erledigt. Noch hundert Meter. Mund weit offen. Augen weit offen. Lange Schritte. Schnapp sie dir, Patty. Meine Arme schwingen und schaufeln die Luft wie Wasser aus meinem Weg. Rasierter Nacken wird langsamer. Ihr kleiner Erbsenkopf hüpft, als würde er gleich abbrechen. Sie ist müde. Endlich. Woooop! Woooop! Überholt. Noch zwei vor mir. Pferdeschwanz spürt mich kommen. Vermutlich kann sie durch das Geschrei der Menge meine Schritte hören. Sie weiß, ich bin dicht hinter ihr, und dann macht sie den größten Fehler ihres Lebens – das, was man, wie einem jeder Trainer einbläut, niemals tun darf – sie schaut nach hinten. Weil, wenn man sich umdreht, kommt man automatisch aus dem Tritt, und außerdem bringt es dich auch gedanklich völlig aus dem Konzept. Sobald Pferdeschwanz sich umdrehte, gingen die Woooops wieder los wie eine Sirene. Woooop, Woooop, Woooop! Fünfzig Meter. Genau, ich komme. Schnapp sie dir, Patty. Ich komme. Direkt vor ihr konnte ich Stummelschwänzchen sehen, der kleine Haarwedel an ihrem Hinterkopf wackelte wie eine Schlangenzunge. Sie war am Ende. Das erkannte ich daran, wie ihr Tempo eingebrochen war. Pferdeschwanz auch. Wir alle waren am Ende. Und noch schlimmer für mich – die Bahn war es auch.

Pferdeschwanz überholte ich gerade noch um eine Nasenlänge – zweiter Platz –, dann brach ich zusammen. Tränen stiegen mir in die Augen und verwandelten die Leute, die um mich herum jubelten und an den Zuschauerplätzen auf und ab sprangen, in verschwommene Farbkleckse. Zweite? Ein beschissener zweiter Platz? Pfui. Aber ich würde nicht weinen. Glaubt mir, ich hätte gern geheult, das Wasser kribbelte mir schon unter den Augenlidern, aber das kam nicht infrage. Am liebsten hätte ich nach irgendwas getreten, so wütend war ich! Trainerin Whit kam zu mir und half mir auf, und sobald ich stand, riss ich mich von ihr los und humpelte zur Bank. Meine Beine brannten und verkrampften sich, aber ich wollte trotzdem nur nach irgendwas treten. Die Bank umhauen oder so. Die blöden Orangenschnitze zertrampeln, die Lus Mutter uns gebracht hatte. Irgendwas. Stattdessen setzte ich mich einfach hin und sagte den restlichen Wettkampf über kein Wort mehr. Ja, ich bin eine schlechte Verliererin, wenn ihr das so nennen wollt. Ich sehe es eher so, dass ich eben gern gewinne. Ich will einfach jedes Mal die Erste sein. Alles andere ist … falsch. Nicht richtig.

Aber leider Tatsache.

Und wegen dieser Tatsache wollte ich auch am nächsten Tag auf der Fahrt zur Kirche nicht darüber...

Erscheint lt. Verlag 30.11.2018
Reihe/Serie Lauf-Reihe
Lauf-Reihe
Reihe Hanser
Übersetzer Anja Hansen-Schmidt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Band 2 • Defenders • Ehrgeiz • Freundschaft • große Schwester • Jugendbuch • Jugendbuch ab 12 • Kampfgeist • Laufteam • Mannschaftsgeist • Neue Schule • Patchworkfamilie • Schulprobleme • schwerkranke Mutter • Sport • Sportroman • Staffellauf • Starke Mädchen • Teamgeist • Tetralogie • Track-Serie • Verlust des Vaters
ISBN-10 3-423-43446-5 / 3423434465
ISBN-13 978-3-423-43446-1 / 9783423434461
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