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Die Rabenringe - Gabe (3) -  Siri Pettersen

Die Rabenringe - Gabe (3) (eBook)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
524 Seiten
Arctis Verlag
978-3-03880-115-3 (ISBN)
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Von der Außenseiterin zur bestimmenden Kraft des Schicksals mehrerer Welten und Völker. Hirka ist durch die Rabenringe in die Welt der Blinden gelangt. Wie sie feststellen muss ist diese streng hierarchisch aufgebaut und regiert von der Verachtung für Schwäche. Hier gilt sie als minderwertiges Halbblut, hat als die unerwartete Nachfahrin von Graal jedoch eine Sonderstellung. Sie steht vor der schwersten Wahl ihres Lebens: Soll sie sich im Kampf auf die Seite ihrer neu entdeckten Blutsbande schlagen oder auf die Seite von Ymsland, ihrem früheren Zuhause aus dem sie verjagt wurde? Der Durst der Totgeborenen nach der Gabe, der Lebensenergie, die nur in Ym zu finden ist, ist so groß, dass ein Krieg unausweichlich scheint.

Siri Pettersen, geboren 1971, wurde 2013 mit dem Erscheinen des ersten Bands der RABENRINGE-Trilogie schlagartig bekannt. Sie eroberte auch mit den beiden Folgebänden die Bestsellerlisten und wurde mehrfach ausgezeichnet. Die gelernte Designerin lebt heute in Oslo.

Siri Pettersen, geboren 1971, wurde 2013 mit dem Erscheinen des ersten Bands der RABENRINGE-Trilogie schlagartig bekannt. Sie eroberte auch mit den beiden Folgebänden die Bestsellerlisten und wurde mehrfach ausgezeichnet. Die gelernte Designerin lebt heute in Oslo.

Zurück aus Draumheim


Rime lief den Hang hinauf, in der Gewissheit, dass ihn im Dunkeln niemand sehen konnte. Er erreichte die Hügelkuppe, presste sich an einen Felsvorsprung und blickte hinunter auf die Ebene. Was eine verlassene Gegend hätte sein sollen, war ein ausgedehntes Zeltlager. Die Zelte standen in schnurgeraden Reihen, ein Muster, das man nur dort fand, wo Ordnung die treibende Kraft war. Wo jemand den Befehl hatte.

Ein Heer.

Es war zu dunkel, um seine Größe zu erkennen. Ein paar Tausend Mann vielleicht, den Fackeln nach zu urteilen. Er bemerkte Spuren im Schnee. Ein Netz von schwarzen Adern zwischen den Zelten. Männer versammelten sich um ein Lagerfeuer direkt unter ihm. Sie gingen mit federnden Schritten und lachten laut. Rime kannte diese Stimmung. Der erste oder zweite Abend, vermutete er. Früh genug würden sie stumm mit gebeugten Rücken dasitzen. Alle, die nicht erfroren waren oder krank in den Zelten lagen.

Die Wimpel hingen schlaff herab, aber er wusste, dass sie das Zeichen des Sehers trugen. Es war das Heer von Mannfalla, das draußen vor der Stadt lagerte. Warum? Worauf warteten sie? Welchen Befehl hatten sie erhalten und von wem?

Sie hatte recht.

Damayanti hatte gesagt, dass er sie hier finden würde. Sie hatte auch gesagt, dass es um ihn ging. Um Ravnhov. Aber ihre Verbindung zum Rat war mit Urd gestorben. Die Vermutungen der Tänzerin waren nicht fundierter als seine eigenen.

Es konnte eine Übung sein, natürlich. Standortwechsel. Oder Truppenbewegungen im Kielwasser des Krieges …

Die Erklärungen kamen ihm sehr dünn vor. Unruhe nagte in seiner Brust. Das beklemmende Gefühl, dass nichts so war, wie es sein sollte.

Lag es vielleicht an den Rabenringen? War es überhaupt möglich, sich zwischen den Welten zu bewegen, ohne das Gefühl zu haben, den Boden unter den Füßen zu verlieren? Verunsicherung war wohl zu erwarten?

Nein. Das hier war mehr als ein Gefühl. Es war eine Gewissheit, die ihn daran hinderte, geradewegs nach Hause zu gehen. Er war kaum zwanzig Tage weg gewesen und in dieser Zeit hatte jemand die Krieger aus ihren Betten gescheucht. Die Wachen an der Stadtmauer waren verstärkt und mehrere der Gardisten durch Männer ersetzt worden, die er noch nie gesehen hatte.

Da stimmte etwas nicht.

Er musste mit Jarladin sprechen.

Rime lief wieder hinunter zur Stadt. Der feuchte Schnee knirschte unter seinen Füßen. Er näherte sich der Stadtmauer und bewegte sich vorsichtiger, geduckt hinter Wacholderbüschen. Vier Gardisten patrouillierten über dem Tor. Ansonsten war die Steinmauer über lange Strecken leer, eine grau gefleckte Schlange in der Dunkelheit. Er schlich zurück zu der Stelle, über die er gekommen war, ein Mauervorsprung, der ihn vor den Torwächtern verbarg.

Rime zog die Handschuhe aus, klopfte den Schnee ab und steckte sie in die Tasche am Rucksack. Dann umarmte er die Gabe und begann zu klettern. Die Unebenheiten der Steine gaben ihm gerade genug Halt, um vorwärtszukommen. Er zog sich über die Kante, überwand die Mauer und ließ sich auf der anderen Seite auf ein Hausdach fallen. Ein Dachziegel löste sich und rutschte abwärts. Rime warf sich hinterher und erwischte ihn gerade noch, bevor er über die Dachrinne fallen konnte.

Mit dem Ziegel in der Hand saß er da und lauschte. Ein Stück entfernt fiel eine Tür zu. In der Gasse unter ihm raschelte etwas. Eine Ratte. Sie schlug ihre Zähne in eine tote Taube und versuchte, sie über gefrorenes Laub mit sich zu ziehen.

Rime legte den Dachziegel zurück an seinen Platz und lief über die Dächer weiter, hinauf nach Eisvaldr. Den ganzen Weg über standen die Häuser dicht nebeneinander. Erst kurz vor der Mauer musste er wieder hinunter auf die Straße.

Die Mauer selbst war kein Hindernis. Schon immer waren die Leute ungehindert zwischen Mannfalla und Eisvaldr hin- und hergewechselt. Trotzdem waren auch hier die Wachen verstärkt. Gardesoldaten säumten alle Bogengänge. Ein Zeichen, das deutlicher war als ein Wegweiser. Hier regierte die Angst.

Rime verzog sich in die Gasse hinter einem Wirtshaus. Durch ein leicht geöffnetes Fenster drang Gesang heraus. Halb ertrunkene Strophen, aber sogar die Töne waren auf dieser Seite der Stadt sauberer. Er nahm den Rucksack ab und verschob die Schwerter zum Mittelgurt, sodass sie verborgen entlang des Rückgrats lagen und nicht wie eine Kriegserklärung hinter seinen Schultern aufragten. Dann zog er sich die Kapuze tief ins Gesicht und überquerte den Marktplatz. Die Gardisten beobachteten ihn mit trägen Blicken, ließen ihn aber ungehindert nach Eisvaldr hinein.

Heimatstadt. Stadt des Rats. Stadt des Sehers.

Des Sehers, den er getötet hatte.

Mit dem Gedanken kam die Erinnerung. Naiell, fauchend wie eine in die Ecke getriebene Katze. Der Körper, der dem Schwert Widerstand geboten hatte. Das Blut auf Hirkas nackten Füßen. Ihr Blick. So voller Trauer. So abgrundtief enttäuscht.

Ich bin so, wie ich bin.

Rime warf einen Blick hinauf zum Steinkreis. Der stand dort in falscher Unschuld, wie die Spitze eines Eisbergs. Die Steine reichten so tief hinab, dass sie in einer Höhle unter Mannfalla von der Decke hingen. Von dort war er gerade gekommen, vor allen Blicken verborgen.

Hier an der Oberfläche waren sie nur bleiche Monolithen vor dunklem Himmel, ganz oben an der Treppe, wo einmal der Ritualsaal gewesen war. In dem er selbst gestanden hatte, mitten im Kreis, umringt von allen lebenden Seelen der Stadt, während Schwarzfeuer zu seinen Füßen verblutete. Wofür?

Rime beugte den Nacken und ging weiter. Er hatte genug Zeit mit Trauer und Wut verschwendet, mehr, als er sich vorzustellen ertrug. Jetzt musste er herausfinden, was während seiner Abwesenheit passiert war.

Jarladins Haus lag ganz oben am Hang, eines von vielen gepflegten Häusern der Ratsfamilien. Rime schlich zwischen winterkahlen Obstbäumen bergauf. Hielt sich auf den Wegen, um keine Spuren im Schnee zu hinterlassen. Er musste unentdeckt bleiben, wenigstens bis er mit Sicherheit wusste, was vor sich ging. Er sprang über die kleine Steinmauer auf der Rückseite des Hauses. Es war spät, aber hinter einem Fenster im oberen Stock sah er flackernden Kerzenschein.

Das Haus war ein Prachtbau im andrakarischen Stil mit Säulenreihen und Schnitzereien in dunklem Holz. Kinderleicht zu erklettern.

Rime zog sich auf ein Schrägdach hinauf und schlich am Rand entlang zum Fenster. Er legte die Hand ans Glas und ließ die dünne Reifschicht schmelzen, sodass er hineinsehen konnte.

Jarladin war allein im Zimmer. Er saß auf einem gepolsterten Schemel und starrte in eine Feuerstelle, als wartete er darauf, dass die Flammen zur Nacht erloschen. Er drehte ein leeres Glas in den Händen. Sein breiter Rücken war gebeugt. Rime war sich schmerzlich bewusst, dass er selbst ein Teil dessen war, was den Ratsherrn bedrückte. Er war verschwunden. Ohne Ankündigung oder Erklärung.

Er kämpfte gegen den Impuls, wieder hinunterzuklettern. Verschwunden zu bleiben. Ein schwarzer Schatten in der Winternacht. Wann hatte er eigentlich seinen Platz drinnen im Warmen gehabt?

Tu, was notwendig ist.

Rime warf einen Blick über die Schulter, versicherte sich, dass er allein war. Dann klopfte er drei Mal an die Scheibe. Jarladin fuhr zusammen. Ließ das Glas zu Boden fallen, ohne dass es zerbrach. Er starrte zum Fenster, ging darauf zu, blinzelnd und mit hochgezogenen Schultern. Dann erkannte er ihn. Er riss ungläubig die Augen auf und machte sich an den Fensterhaken zu schaffen.

Rime bewegte sich ein wenig zur Seite, um Platz zu machen. Jarladin schlug das Fenster weit auf und packte Rime, als wollte er ihn vor einem Absturz retten. Er half ihm ins Zimmer und zog ihn an sich. Rime wurde von bärenstarken Armen umschlossen und ertrank in Wärme.

Der Ratsherr schob ihn wieder von sich. Hielt ihn eine Armlänge auf Abstand, während er ihn von Kopf bis Fuß betrachtete. Er legte seine Pranke an Rimes Kopf, griff ihm ins Haar, als wollte er ihn zausen, tat es aber nicht. Seine Augen wurden feucht. Rime wappnete sich innerlich, wohl wissend, dass der warme Empfang nur von kurzer Dauer sein würde. Der Wechsel zeichnete sich bereits auf Jarladins Gesicht ab. Schmerzliche Freude verwandelte sich in Verwirrung.

»Wo bist du gewesen?«, murmelte er.

Rime wich zurück und schloss das Fenster, ohne zu antworten.

»Wo bist du gewesen?!« Jarladins Stimme brach, als ahnte er Schlimmes.

Rime blickte zu einem Sessel am Feuer. Wünschte, er könnte sich hineinsinken lassen. Ausruhen. Schlafen. Ohne zu träumen. Stattdessen musste er Rede und Antwort stehen, musste versuchen, das Unerklärliche zu erklären.

»Du würdest mir nicht glauben, wenn ich es dir erzählte«, sagte er.

»Wo bist du gewesen, Rime An-Elderin?« Schwelender Zorn jetzt. Die Drohung hing stumm zwischen ihnen. Er brauchte eine Erklärung und sie musste gut sein. Jarladin hatte vielleicht geglaubt, er sei tot, aber seine Reaktion verriet eine tiefere Verzweiflung.

Rime zwang sich zu fragen. »Was ist passiert?«

»Was passiert ist?« Jarladin wiederholte die Worte, als läge alle Dummheit der Welt darin. »Was passiert ist?! Du hast deinen eigenen Mester im Kampf getötet und bist verschwunden! Das ist passiert! Ganz Mannfalla war dort, aber seitdem hat dich niemand mehr gesehen. Ich dachte, du würdest im Draumheim schlafen, Rime! Dass Darkdaggar dich am Ende doch noch getötet hätte. Ich dachte …«

Rime sah weg. Wollte Jarladins Blick ausweichen. Es nützte nicht viel, denn der Ratsherr blickte auch von einem Porträt an der Wand auf ihn. Ebenso wie der Rest der Familie, gerahmt in Gold. Ganz gleich, wohin Rime sich auch drehte, er wurde gesehen....

Erscheint lt. Verlag 17.7.2019
Reihe/Serie Die Rabenringe
Übersetzer Dagmar Lendt
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Außenseiter • Fantasy • Liebe • Mythologie • Norden • Welten
ISBN-10 3-03880-115-1 / 3038801151
ISBN-13 978-3-03880-115-3 / 9783038801153
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