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Scheiße bauen: sehr gut (eBook)

Roman für junge Fans von 'Fack ju Göhte'
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
240 Seiten
Thienemann Verlag GmbH
978-3-522-62159-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Scheiße bauen: sehr gut -  Tobias Steinfeld
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Hinreißend komischer und warmherziger Coming-of-Age-Roman ab 12 Jahren. Paul ist faul. Und stolz darauf, dass er trotzdem irgendwie durchs Gymnasium kommt. Aber jetzt steht das Schnupperpraktikum in der Förderschule an. Den ganzen Tag Sabberlätzchen wechseln und Hintern abwischen? Nicht mit Paul! Als er für den neuen Schüler Per gehalten wird, beschließt er spontan, diese Rolle anzunehmen. Schließlich stehen Chillen im Whirlpool und Videospiele auf dem Stundenplan. Sogar mit seinen neuen 'Mitschülern' kommt Paul gut klar. Doch was, wenn er auffliegt? Auch auf der Förderschule gibt es keine Eins fürs Scheißebauen, oder?  

Tobias Steinfeld wurde 1983 in Osnabrück geboren. Er lernte einen handfesten Beruf, studierte und jobbte als Inklusionshelfer an einer Förderschule. Heute leitet er Schreibwerkstätten und schreibt Jugendromane. Sein Debüt 'Scheiße bauen: sehr gut' wurde unter anderem mit dem Mannheimer Feuergriffel-Stipendium ausgezeichnet. Er lebt in Düsseldorf.

1. Hochexplosives Gasgemisch

Letzte Woche war ich noch ein ganz normaler Achtklässler am Gymnasium St. Ignatius im Stadtteil Oberbach. »Paul kommt unentschuldigt zu spät zum Unterricht«, hat Frau Kesselmann immer ins Klassenbuch geschrieben. Ich an ihrer Stelle hätte mir wenigstens einen Stempel mit diesem Satz machen lassen. Den hätte sie dann jeden Tag ins Klassenbuch drücken können. Ich denke oft darüber nach, wie man sich Arbeit sparen kann. Ich bin eher faul. Letzte Nacht habe ich geträumt, dass mir Frau Kesselmann eine Raketenstation geschenkt hat. Zwar bloß eine Styroporrakete und eigentlich ein Wecker, aber immerhin. Zur Weckzeit schießt die Rakete mit ordentlich Getöse quer durch den Raum und landet irgendwo auf dem Boden zwischen stinkenden Socken und zerfledderten Unterwasserzeitschriften. Der Lärm stoppt erst, wenn man aufsteht und sie wieder auf die Station stellt. Zum Glück war es nur ein Traum. In Wirklichkeit hätte ich die Rakete niemals benutzt. Das wäre Selbstfolter. Außerdem würde Frau Kesselmann mir nie im Leben ein Geschenk machen.

Heute ist der erste Tag vom Schnupperpraktikum. Blöderweise habe ich es verrafft, mich um einen Platz zu kümmern, also bekam ich einen zugewiesen. Während meine Mitschüler Kanzlei-, Praxis-, Agentur- oder Sparkassenluft schnuppern, muss ich in die Förderschule nach Röhrbach. Das ist am anderen Ende der Stadt. Da, wo die Brautläden sind, und die Shishabars und die Waffenshops und die Läden, in denen die Glatzköpfe diese Lonsdale-Pullover kaufen.

An meinem ersten Tag komme ich wie üblich eine Viertelstunde zu spät. Das Schulgebäude ist ein gelb-grauer Kasten. Ich wette, dass auf dem Dach Kieselsteine liegen. Auf solchen Dächern liegen immer Kieselsteine: wie auf unserer Garage oder der alten Turnhalle von Ignatius.

Der Hausmeister schleicht vor dem Eingang herum und sammelt mit der Greifzange Monster-Dosen und YumYum-Packungen auf. Ich denke zumindest, dass es der Hausmeister ist, weil er so einen Kittel anhat. Jetzt hat er mich entdeckt. Er kommt auf mich zu und bleibt vor mir stehen. Der Hausmeister kneift seine Augen zusammen. Er glotzt mich an, als ob ich ein Außerirdischer wäre. »Wer bist du denn?«, fragt er.

»Paul«, sage ich.

»Soso. Paul.«

Ich nicke.

Seine Augen sind immer noch zusammengekniffen. »Und was willst du hier?«

Gute Frage, denke ich. Eigentlich will ich gar nichts hier. Außer weg. Das ist schwer möglich, weil das Schnupperpraktikum Pflicht ist. Also will ich, wenn ich schon hier sein muss, am liebsten meine Ruhe haben. Aber das kann ich diesem Hausmeistertypen ja schlecht am Montagmorgen in sein spitzes Gesicht sagen.

Wir stehen direkt neben den Müllcontainern. Der Hausmeister bückt sich und zieht eine Leuchtröhre aus einem langen Pappkarton, der auf dem Boden liegt. Er drückt sie mir in die Hand. »Dann mach dich wenigstens nützlich!«

Er verschwindet hinter den Müllcontainern.

Ich stehe also da, habe eine Leuchtröhre in der Hand und warte darauf, dass der Hausmeister zurückkommt und sie mir wieder abnimmt, aber er kommt nicht. Ist wahrscheinlich durch irgendeinen Hintereingang ins Gebäude und hat vergessen, dass ich hier noch rumstehe. Am besten, ich gehe auch rein.

Drinnen weiß ich nicht, ob nach rechts oder links. Also gehe ich geradeaus durch den Flur und nehme dann die Treppe nach oben. Hier ist auch niemand. Es riecht nach Spüllappen und ein bisschen nach Omasalbe. Nivea oder Penaten. Irgendwann werde ich sowieso irgendwo reinmüssen. Außerdem habe ich keinen Bock, ewig mit diesem bescheuerten Ding rumzulaufen. Also beschließe ich, durch die nächstbeste Tür in irgendeinen Raum zu gehen. Ich drücke die Klinke runter und öffne die Tür. Ich glaube, ich bin in einer Klasse. Mittendrin steht ein Mann mit schneeweißem, fast schulterlangem Haar und einem Bierbauch, wie ihn die meisten Männer bei uns in Oberbach auch haben. Bei den Frauen ist dafür der Hintern größer. Die ziehen dann schwarze Hosen an oder binden ein Tuch drum, um das zu vertuschen.

Ich stehe jedenfalls mit der Leuchtröhre da und sage erst mal nichts und der Mann sagt: »Dann musst du Per sein.« Die ganzen schiefen Gestalten, die im Stuhlkreis sitzen, jubeln wie Wahnsinnige und klatschen und schreien meinen falschen Namen: »Peeeeer!«

Ein dicker Junge mit Schweißperlen auf Stirn und Oberlippe springt plötzlich auf und rennt auf mich zu wie ein wilder Stier. Er küsst mich voll auf den Mund. Eigentlich muss ich kotzen, aber ich kann ja schlecht am ersten Tag vom Schnupperpraktikum in die Schule göbeln. Der Junge reißt mir die Leuchtröhre aus der Hand, grinst mich an und pfeffert das Teil auf den Boden. Das knallt wie ein fetter D-Böller.

Als er wieder auf seinen Platz stolpert, kann man seine Arschritze sehen. Alle kreischen.

Der mit dem Bierbauch heißt Dieter und redet, als ob mich ein schweres Schicksal getroffen hätte. »Der Name Per kommt aus dem Dänischen. Ein ganz alter Kriegername, der seinem Ursprung nach ›Speerspitze‹ bedeutet.«

Sein warmer Atem kriecht unter meinen Pullover wie ein Fluch. Ich bin nicht Per, aber eins ist klar: Was Dieter sagt, stimmt. Jedenfalls tun alle so, als ob. Also mache ich das auch.

Dieter bringt mich dann in eine andere Klasse. Die Wände im Flur sind voll mit Jacken und Rucksäcken. Wie im Kindergarten. Fehlt nur noch, dass jeder sein eigenes Garderobenbildchen hat.

In der nächsten Klasse werde ich wieder gefeiert wie Rihanna und Katy Perry zusammen. Die Schüler hocken an Tischen, die zu einer Art eckigem O zusammengeschoben sind. Der Lehrer sitzt hinterm Laptop. Unter dem Pult sehe ich Sandalen und Wollsocken. Er winkt mir zu und stellt sich auch mit dem Vornamen vor.

»Bodo.«

Eigentlich müsste ich jetzt meinen richtigen Namen sagen, aber Dieter steht immer noch hinter mir und ich glaube, eine Diskussion mit ihm ist ziemlich anstrengend. Ich wäre froh, wenn er so schnell wie möglich seine Hände von meiner Schulter nehmen, sich umdrehen und verschwinden würde. Dass ich Paul bin, kann ich ja später in Ruhe erklären. »Ich heiße Per«, sage ich.

Dieter verschwindet und ich setze mich auf einen freien Platz.

Bodo schlägt vor, dass wir erst mal eine Vorstellungsrunde machen.

Einige von denen scheinen nur so halbbehindert zu sein. Jonas’ Kopf ist zwar nicht viel kleiner als eine Wassermelone und seine Stimme klingt, als ob er sich gerade einen frischen Helium-Ballon reingezogen hätte, aber sonst: Bayernfan und Klassensprecher.

Eva kichert die ganze Zeit. »Ich bin eine Leseratte«, sagt sie. »Am liebsten Twilight.« Eva möchte Schriftstellerin werden. Für Mädchengeschichten.

Fatih daneben brüllt: »Ich raste gleich aus hier! Der is doch voll behindert, der Mädchen!«

»Das Mädchen«, sagt Eva.

Fatih springt auf. »Is mir scheiß egal, wie das heißt. Ich mach alles kaputt hier. Guck dir das Behinderte doch an!«

Bodo wirft einen Schwamm Richtung Fatih. »Benimm dich mal! Was soll denn Per von dir halten?«

Alle lachen. Außer Fatih.

Die nehmen sich hier echt eine Stunde Zeit, um sich vorzustellen. Wenn auf Ignatius ein Neuer kommt, muss nur der sich vorstellen.

Jetzt bin ich dran. Ich glaube, die halten mich auch für einen Behinderten. Ich muss die Sache aufklären. Aber was, wenn mir keiner glaubt? Dann müsste ich mich ausweisen. Mit meiner Busfahrkarte zum Beispiel. Das wäre peinlich. Und anstrengend. Außerdem: Vielleicht ist das ja meine Chance. Als Per werde ich vielleicht in Ruhe gelassen. Und drei Wochen sind ja auch schnell rum. »Ich bin Per. Ich bin 14. Ich bin Bayern-Fan.«

Ich rede wie immer, nur etwas leiser und langsamer und Bayern hasse ich eigentlich. Sie kaufen mir die Nummer voll ab. Mein Ausschlag ist dabei wahrscheinlich ganz hilfreich. Vorhin, als ich mit Dieter rüber bin, hab ich gemerkt, dass es anfing zu jucken, und hab schon geahnt, dass es gleich losgeht. Ohne in irgendeinen Spiegel zu gucken, weiß ich, wie meine Backen jetzt aussehen. Erst juckt’s, dann wird es rot, dann kommen die Quaddeln. Als ob man sich eine Brennnessel durchs Gesicht gezogen hätte. Deshalb heißt das auch Nesselsucht. Und nach ein paar Stunden ist alles wieder weg. Mama hat das immer, wenn sie Stress hat, sagt sie. Ich dachte immer, das ist Quatsch, aber jetzt bin ich mir ganz sicher, dass mein Ausschlag daher kommt, weil der Typ mit den Schweißperlen mich auf den Mund geküsst hat.

Die Vorstellungsrunde ist immer noch nicht vorbei. Einer sitzt einfach da, hat überall Wunden im Gesicht und Torwarthandschuhe an den Händen. Eine sitzt im Rollstuhl, knirscht mit den Zähnen und sabbert. Neben mir sitzt einer im Spongebob-Schlafanzug, wippt vor und zurück und singt irgendwas Arabisches.

»Das ist Ibrahim«, sagt Eva.

Fatih sagt: »Der kann dich kaputt schlagen. Du darfst den nich anschreien und nich festhalten, dann is der korrekt.«

Bei uns in Oberbach gab es auch mal einen Behinderten. Das waren schöne Zeiten. Ich musste bloß den Rasenmäher aus dem Schuppen holen, den Motor anschmeißen und im Liegestuhl warten, bis er angerannt kam. Großzügig wie ich bin, habe ich ihm dann erlaubt, den Rasen zu mähen. Das nennt man Win-win-Situation. Irgendwann musste der Behinderte weg aus Oberbach. Die Nachbarn hatten Angst, dass er Kinder belästigt, und ich musste wieder selber mähen.

Fast hätte meine eigene Familie sogar Behindertennachwuchs bekommen. Das Baby hatte den Rücken offen. Deshalb haben sie es weggemacht. Mama...

Erscheint lt. Verlag 13.2.2018
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Fack ju Göhte • Förderschule • Humor • Inklusion • Jugendbuch • simpel
ISBN-10 3-522-62159-X / 352262159X
ISBN-13 978-3-522-62159-5 / 9783522621595
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