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Bibliolog -  Maria Elisabeth Aigner

Bibliolog (eBook)

Impulse für Gottesdienst, Gemeinde und Schule. Band 4: Handlungsfeld Seelsorge
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
129 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-039664-7 (ISBN)
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Bibliolog ist ein inspirierter, gemeinschaftlicher Prozess, der biblische Texte lebensnah erfahrbar und existenziell bedeutsam werden lässt. Als unkomplizierter Weg der Bibelinterpretation lässt er sich mühelos im Gottesdienst, in Schule und Gemeinde einsetzen. Mittlerweile hat sich bibliologisches Arbeiten auch außerhalb Europas, in Ländern anderer Kontinente und deren Kulturen erfolgreich etabliert. Dasein und Überlieferung legen sich im kreativen Spiel wechselseitig aus. Das macht diesen originellen gemeinschaftlichen Zugang nicht nur für Wortverkündigung und Religionsunterricht anschlussfähig, sondern auch darüber hinaus. Der neu vorliegende vierte Band thematisiert die Bedeutung des Bibliologs für Seelsorge, Beratung und interkulturelle Begegnung. Bibliolog wird darin als zunehmend pulsierende kreative Bewegung beschrieben, die längst nicht mehr allein binnenkirchlich engagierte Menschen anspricht. Als ein Zugang, der cross-cultural training, counseling by bible sowie geschützte biografische Narrationen als Potenzial in sich trägt, lädt Bibliolog zu einem neuen Experiment und ungeahnten Entdeckungen ein.

Maria Elisabeth Aigner arbeitet wissenschaftlich am Institut für Pastoraltheologie und Pastoralpsychologie an der Universität Graz und ist als Lebens- und Sozialberaterin sowie als Bibliolog- und Bibliodramatrainerin international - u.a. regelmäßig in Afrika/Tansania - tätig.

Maria Elisabeth Aigner arbeitet wissenschaftlich am Institut für Pastoraltheologie und Pastoralpsychologie an der Universität Graz und ist als Lebens- und Sozialberaterin sowie als Bibliolog- und Bibliodramatrainerin international - u.a. regelmäßig in Afrika/Tansania - tätig.

2.  Selbsterfahrung, Gemeinschaft und Text – die Spannungsbögen im Bibliolog


Der Bezug zur Tradition entwickelt sich im Bibliolog prozesshaft durch die Bewegungen innerhalb der Spannungsbögen, die sich zwischen Gruppe, Individuum und Text auftun. Die Leitung bereitet den Bibliolog vor dem Hintergrund dieser Spannungsverhältnisse gewissenhaft vor und nimmt in der Durchführung eine impulsgebende, begleitende und moderierende Rolle ein. Damit die vorhandene Pluralität sich aus einer Differenzkompetenz heraus demokratisch gestalten kann, sind alle methodischen Schritte gekonnt zu setzen. Der Rahmen des Bibliologs hat lebendige Bezüge zu den tradierten Inhalten im schwarzen Feuer zu ermöglichen. »Wir«, der »Text« und das »Ich« haben im Laufe des Prozesses unterschiedliche Gewichtungen, wobei der Text immer als tragender Grund allgegenwärtig ist.

Ein Bibliologablauf ist ebenso wie ein Bibliodramaprozess in erster Linie vom »Wir« geprägt. Der biblische Text wird immer gemeinsam bearbeitet – in den verbalen Äußerungen in der Grundform oder mit Gesten und Gestaltungsvarianten in den Aufbauformen. Es wird experimentiert, inszeniert, gelernt, entdeckt und ein Verständigungsprozess gesucht. Die Einzelnen versammeln sich, das »Wir« taucht in einen gemeinsamen Bewegungsablauf ein. Entscheidend ist vor allem der Ebenen-Wechsel, d. h. in welcher Form sich »Ich«, »Wir« und »Text« abwechseln. Im Bibliolog ist diese Struktur sehr klar geregelt. Die vielen unterschiedlichen Einzelbeiträge ergeben ein »Wir«. In Interaktion treten die Teilnehmenden im Grunde verbal nur in der Aufbauform des Encounters und non-verbal in Ansätzen in der Aufbauform »Arbeit mit Objekten« bzw. dem sculpting oder beim »Bibliolog mit biblischen Erzählfiguren«.

Im Bibliolog entwickelt sich auf der personalen Ebene das Geschehen auf der »inneren Bühne«. Die Szenen erfahren jedoch regelmäßig eine Zäsur mit jeder weiteren Wortäußerung, jedem shift und jeder neu offerierten Szene und Rolle. Über die verbalen Beiträge, aber auch über Körper, Atmosphäre, Mimik, Gestik geschehen Bewegung und Begegnung zwischen den Einzelnen und dem Text und den Einzelnen untereinander. Szenen entstehen und werden in ihrer Perspektivität erfahren. Das »Wir« befördert den Text auf die Spielfläche, das »Ich« wird zurückgenommen und stellt sich ganz in den Dienst der Rollen. Die eigene Biografie steht dem Text zur Verfügung, um im Prozess mehr und mehr das Ganze zu sehen. Das »Ich« wird neugierig auf die Expertise der anderen und auf die eigene. Es will entdecken, wie der Text mit seinen toten Buchstaben langsam zum Leben erweckt wird und zu atmen beginnt.

Der Text ist im Bibliolog Ausgangspunkt und Endpunkt zugleich. Um ihn herum dreht sich gewissermaßen alles – er steht als schwarzes Feuer im Zentrum des Geschehens. In ihn hinein verweben sich die Akteur*innen – jene also, die am Prozess partizipieren. Manches Mal verstricken sie sich auch dabei. Es gehört zu den Eigenschaften des weißen Feuers, zu lodern, wann und wie es will – seine Erscheinungsformen lassen sich weder planen noch beeinflussen. Das Texterleben ist im Bibliolog für die Teilnehmenden immer eine Kontrasterfahrung zu den pastoral herkömmlichen und vertrauten Formen des Textzuganges.

Der Suchprozess, den Texten Bedeutung im Kontext der eigenen Lebens- und Glaubensfragen abzuringen, hat auch im Bibliolog gemeinschaftsbildenden Charakter. Die Vergemeinschaftung erfolgt im Bibliolog in gewisser Weise distanzierter und anonymer, aber auch freier. Sie kommt im ritualisierten Ablauf durch Nachdenken, wechselseitiges Sprechen und gegenseitiges Hören als eine Form von Konfluenz zustande. Der Text ist dabei konstitutiv und schafft ein Erleben, welches im Bibliolog das eigene Innere, die versammelten Menschen, die Texte und Gott tangiert.

»… also ich glaube, dass die kleine Form des Bibliologs den Kontakt zwischen Mensch und Gott und Bibel – so dieses Dreieck – zum Blühen bringt …« (Nina, 437–442)

Es ist aber nicht klar, inwiefern diese Erfahrung in ein größeres Ganzes kommen kann. Aber für die jeweilige agierende Gruppe ist es eine Erfahrung, die auch etwas mit den Erfahrungen von Glaubensgemeinschaften zu tun hat.

»… dann weiß ich nicht, ob das so weitergeht, ja? Ob das auch für eine größere Gruppe … das ist für mich auch immer quasi die Frage, wie viel von uns ist Sauerteig, wie viel Sauerteig verträgt irgendwie … also das weiß ich nicht. Aber ich glaube auf jeden Fall, dass da was Sauerteigartiges passiert.« (Ulf, 477–482)

Die Äußerungen der einzelnen werden zum gemeinschaftlichen Erlebnis. Sie haben Bezug zum Text und oft auch zueinander. Da die Gemeinschaft nicht bindend ist, jedoch Bindungen entstehen können, vernetzen sich jene, die »mehr« wollen auch über die singulären Akte der Performance hinaus. Die Protagonist*innen haben Erfahrung mit Institutionalisierungsprozessen. Sie wissen um die Begeisterung der Anfänge – waren und sind selbst involviert – und kennen jene Momente, in denen in eine gemeinsame Initiative Strukturelemente hereinzubrechen beginnen. Nach und nach wird entdeckt, wer ebenfalls an den Inhalten dieser Anfänge interessiert und engagiert ist – Gleichgesinnte, also jene, die das machen, was jemand anders auch machen möchte, werden gesucht und gefunden. An dieser Stelle sind kontinuierliche Einladungen, die an möglichst alle gerichtet sind, und Kommunikation ein zentrales Thema. Es braucht Menschen, die möglichst zu allen den Kontakt halten und die dafür Sorge tragen, dass das Anliegen eine bestimmte Bündelung erfährt und nicht auseinanderdriftet. Die Bibliologpraxis selbst bleibt in alledem der Ankerpunkt, der Texterkenntnis, Selbsterfahrung und das Erleben von Gemeinschaft fördert.

2.1  Bewegung, Struktur, Formationen


Wer im Bibliolog Feuer fängt und von dieser Art und Weise der Bibel zu begegnen sehr fasziniert ist, sucht vermehrt nach Möglichkeiten, einen solchen Prozess wieder zu erleben. Die gemeinsame Sache steht im Mittelpunkt von Begegnungen, die regelmäßige Treffen, strukturierte Austauschprozesse, kreative Experimente und methodische Erkundungen zum Inhalt haben. Die Bibliologszene formiert sich in den Anfängen relativ rasch, meidet dabei aber eine zu stark strukturierte Form der Vernetzung und entscheidet sich für eine lose Netzwerkstruktur. Ab einem bestimmten Punkt wird relativ schnell klar, dass irgendeine Form von Institutionalisierung notwendig ist, damit Bibliolog auch tradiert werden kann.

»… dass sie [die Institutionalisierung, Anm. M.E.A.] notwendig wird, also das kann man aus der Kirchengeschichte lernen. Es würde sich nicht weitertradieren, wenn es keine Institution gebe.« (Paul, 482–483)

Das Bedürfnis, Bibliolog zu erleben, erfordert rasch Weiterbildungsangebote. Diese seit 2004 zunächst in deutscher Sprache angebotenen Kurse haben das Ziel, Bibliologkompetenz nach gemeinsam entwickelten und geprüften Standards zu vermitteln. Sobald der Bibliolog Ländergrenzen überschreitet, ist die Methodik auf den Prüfstand gestellt. Bibliolog soll unabhängig von Person und Ort funktionieren und nach kulturellen Gegebenheiten so angepasst werden können, dass die Qualitätssicherung garantiert ist. Der Respekt vor den Lebensbiografien und dem Text ist und bleibt die identitätsstiftende Basis des Bibliologs, ebenso die zentralen Techniken, deren Gehalt, Sinn und Zweck nicht aus dem Blick geraten dürfen.

Strukturelle Vernetzungen gestalten sich nicht unbedingt immer einfach. Trotz der Begeisterung an der gemeinsamen Sache werden immer auch Divergenzen sichtbar. Sie haben zu tun mit der Mannigfaltigkeit der Persönlichkeitsstrukturen, unterschiedlichen Herkünften und kulturellen Differenzen. Die immer wieder neu auftauchenden Themen, die zu bearbeiten sind, gestalten sich dabei ganz unterschiedlich. Dazu gehören zentral technische Fragen, die auch die Hermeneutik tangieren wie beispielsweise die Frage nach der Gottesrolle und den ihr verwandten Rollen (»Segen Gottes«, Engel) oder die Frage, welche Texte nun tatsächlich zu den nicht für den Bibliolog geeigneten »texts of terror« gehören. Jedoch auch die Entscheidung, welche methodischen Zugänge zu den Aufbauformen zählen und als solche in Kursen weitergegeben werden sollen, bedarf der diskursiven Auseinandersetzung unter den Expert*innen. So ist es beispielsweise noch gar nicht so lange her, dass im Netzwerk beschlossen wurde, »Bibliolog mit biblischen Erzählfiguren« als fünfte Aufbauform in Kursen anzubieten. Der Bibliolog in Brasilien oder der Bibliolog in Afrika bringt neue Themen ins Spiel und wirft wiederum andere Fragestellungen auf. Wie lässt sich vor diesem Hintergrund beispielweise eine interkulturelle und mehrsprachige Ausbildungskommission gestalten? Jedoch auch die Welt der Digitalisierung stellt für die Bibliolog-Praxis eine sehr spezifische Herausforderung dar. Welche neuen Möglichkeiten bieten digitalisierte Zugänge und welche Veränderung für den Bibliolog bedeuten sie? An welchen Orten und zu welchen Gegebenheiten ist im bibliologischen Tun die Zusammenkunft in Präsenz jedoch unabdingbar?

Diese Themen sind zu bearbeiten und dazu benötigt es Zeit, Kraft, Ressourcen für freundschaftliche Begegnung und Auseinandersetzung in der Sache. Das funktioniert nicht ohne Interaktion, Dialog und manches Mal auch Streitgesprächen, die zeitweise in Sackgassen münden. Die Divergenzen, Unterschiede und Verschiedenheiten gehören zum Menschsein, aber auch zum Bibliolog. Sie sind zu gestalten, zu verhandeln und zu bewältigen – auch innerhalb der Religionen.

»Ich würde auch sagen, das ist das zentrale Problem unserer christlichen Tradition, dass sie...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2024
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Bibelarbeit • Bibliodrama • Poimenik
ISBN-10 3-17-039664-1 / 3170396641
ISBN-13 978-3-17-039664-7 / 9783170396647
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