Internationale Videokonferenzen in der Lehrendenbildung (eBook)
177 Seiten
Narr Francke Attempto (Verlag)
978-3-381-13003-0 (ISBN)
Lese- und Medienproben
Prof. Dr. Sabine Hoffmann lehrt Deutsch als Fremdsprache an der Universität Palermo (Italien).
Prof. Dr. Sabine Hoffmann lehrt Deutsch als Fremdsprache an der Universität Palermo (Italien).
Einführung
Transkriptionskonventionen
Liste der Sequenzen
1 Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen
1.1 Forschungsstand zu Meetings
1.2 Die technische Dimension videobasierter Interaktion
1.3 Aufbau und Organisation von Videokonferenzen
1.4 Einsatz mobiler Endgeräte
1.5 Formale und informelle Elemente
2 Kollegiales Feedback im digital gestützten Diskurs
2.1 Definition und Forschungsstand
2.2 Positives Feedback
2.3 Negatives oder kritisches Feedback
2.3.1 Zurückweisung von kritischem Feedback
2.3.2 Reformulierung und Annahme von kritischem Feedback
3 Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrenden-bildung
3.1 Kategorien in beruflichen Settings
3.2 Pre- und In-service-Lehrende im Tandem
3.3 Nationale Teams in internationalen Meetings
3.4 Übernationale Arbeitsgemeinschaften
Schlussfolgerungen
Bibliographie
Der methodische Zugriff
Dieses Buch möchte dazu beitragen, die aufgezeigten Forschungslücken in der Lehrendenbildung langsam zu füllen, indem es Videokonferenzen im Rahmen einer Professionalisierungsmaßnahme von Fremdsprachenlehrenden als eine besondere Form beruflicher Zusammenkünfte untersucht. Diese finden in einem bestimmten, in dem Projekt vorgesehenen Zeitraum statt und sind dadurch gekennzeichnet, dass es sich um Besprechungen unter Personen mit dem gleichen Beruf, nämlich Lehrkräften von Deutsch als Fremdsprache, in Anwesenheit einer Moderatorin und einer Projektmitarbeiterin, handelt. Sie zielen auf die Professionalisierung der in der Aus- und Weiterbildung stehenden Lehrenden in drei unterschiedlichen Ländern. Dabei sollen die hier hervortretenden Gesprächspraktiken offengelegt werden, um darüber Merkmale der dort stattfindenden virtuellen Interaktion abzuleiten. Der Forschungsgegenstand positioniert sich damit nicht in der Unterrichtsforschung, da er sich nicht mit dem Lehrenden-Lernenden-Diskurs befasst, sondern siedelt sich im Schnittpunkt zwischen Professionsforschung und der Angewandten Interaktionalen Linguistik (Imo / Lanwer 2019: 295–300) an, wobei sich die untersuchten virtuellen Meetings der Lehrkräfte dem breit gefächerten Forschungsspektrum „Talk at Work“ zuordnen lassen (Arminen 2005; Arminen et al. 2016: 2/3). Den Gegenstand dieser Studien bildet schwerpunktmäßig die institutionelle Interaktion, wie sie von Drew und Heritage (1992: 22) definiert wurde und seither die Grundlage für die Erforschung beruflicher Gespräche liefert:
1 Institutional interaction involves an orientation by at least one of the participants to some core goal, task or identity (or set of them) conventionally associated with the institution in question. In short, institutional talk is normally informed by goal orientations of a relatively restricted conventional form.
2 Institutional interaction may often involve special and particular constraints on what one or both of the participants will treat as allowable contributions to the business at hand.
3 Institutional talk may be associated with inferential frameworks and procedures that are particular to specific institutional contexts.
Bei derartigen Zusammenkünften wird tendenziell davon ausgegangen, dass sie asymmetrisch angelegt sind. Dies erweist sich allerdings auf der Gesprächsebene als deutlich vielschichtiger. Hier können sich die Teilnehmenden je nach Situation und Gegenstand im Wechsel sowohl asymmetrisch als auch symmetrisch zueinander positionieren, z. B. in Bezug auf deren Wissensstand oder Expertise (ebd.: 47–53). Institutionelle Gespräche weisen formale Aspekte (ebd.: 25–33) auf, wie das Vorhandensein einer Tagesordnung, bestimmte Praktiken bei der Eröffnung sowie Beendigung der Sitzungen, die Anwesenheit eines/einer Moderator:in, einen vorgegebenen Zeitrahmen und Ort der Besprechung sowie die Aufgabenorientierung (ebd.: 40, 43). Des Weiteren sind sie durch einen vorsichtigen Umgang miteinander gekennzeichnet (ebd.: 45–47), der sowohl in den verbalen als auch in den verkörperlichten Handlungen sowie in der Abfolge, dem Wechsel der Redebeiträge und in der Organisation der Gespräche hervortritt (ebd.: 28/29).
Vor diesem forschungstheoretischen und -methodischen Hintergrund entwickelte sich das Forschungsgebiet der „Workplace Studies“ (Luff et al. 2010; vgl. dazu Imo / Lanwer 2019: 295/296), das Knoblauch und Heath (1999: 164) wie folgt umreißen:
Die Workplace Studies können grob als ethnographische, naturalistische Untersuchungen von Arbeitsvorgängen bezeichnet werden, die sich von der analytischen Orientierung der Ethnomethodologie, der Konversationsanalyse und der „socially distributed cognition“ (Engeström und Middleton 1997) leiten lassen.
Schon von Beginn an spielte die technische Komponente bei den konkreten Arbeitsvorgängen eine herausragende Rolle. Diese wird bei den Workplace Studies in Verbindung zum sozialen Handeln gesehen, d. h., der Fokus liegt darauf, wie Menschen bei der Arbeit beim Einsatz neuer Technologien miteinander interagieren. Die erste Studie, die diesen Bezugsrahmen auf Meetings anwendete, ist die von Boden (1994), womit sich dieses neue Forschungsfeld eröffnete (Oittinnen 2020: 34). Die Arbeiten, die sich virtuellen beruflichen Besprechungen widmen, verorten sich in diesem breit gefächerten Forschungskontext und spiegeln dabei die schon von Meier (2000: 197) hervorgehobene Interdisziplinarität des Gegenstandes wider.
Der methodische Zugang erfolgt dabei in Anlehnung an die ethnomethodologische (multimodale) Konversationsanalyse, ein mikroanalytisches Vorgehen, dessen Anwendungsschwerpunkt im Bereich der institutionellen Kommunikation liegt. Dieser Zugriff auf authentische Sprache wurde zur Erforschung mündlicher Kommunikation in den 1960er Jahren von Harvey Sacks, Emanuel Schegloff und Gail Jefferson (Sacks et al. 1974) entwickelt und zielt darauf, die Regelmäßigkeit bzw. die Systemhaftigkeit von Gesprächen sowohl im Alltag als auch im institutionalisierten Kontext (z. B. Klassenzimmer, Arzt-Patient-Gespräche, Notrufzentralen usw.) offenzulegen. Letzterer weist besondere Merkmale auf:
[…] institutional interactions are more constrained and take place in settings with specific activity-related goals and institution-relevant identities. This involves orienting to certain institutional practices, such as those characterizing classroom or doctor-patient interaction. As proposed in the literature (Arminen 2005; see also Drew & Heritage 1992), studies on institutional interaction aim to reveal specialized uses of language and other resources, while at the same time tracking down the “fingerprint” of a given institutional practice. (Oittinen 2020: 28)
Das Ziel dieses Vorgehens liegt also darin, die Kommunikationsstrukturen im lokal situierten Geschehen aufzuzeigen und darüber das zutage tretende Verständnis nachzuweisen, wobei Vor- oder Hintergrundinformationen zu den Kommunikationspartner:innen hierbei nur begrenzt miteinbezogen werden, da es nicht um die Herausarbeitung von individuellem Verhalten geht. Als methodischer Zugang zur videobasierten beruflichen Kommunikation wird meist die multimodale Konversationsanalyse eingesetzt, die sich als Weiterentwicklung der Konversationsanalyse versteht und sich speziell zur Erfassung von videobasierter Kommunikation eignet (u. a. Deppermann 2018; Mondada 2014, 2016; Schmitt 2005). Dieser Zugriff auf Gespräche definiert Interaktion als das Zusammenspiel diverser Modalitäten und betont damit die Ganzheitlichkeit des Kommunikationsprozesses:
Multimodale Kommunikation bezeichnet eine Konzeption, die Kommunikation als einen ganzheitlichen und letztendlich von der Körperlichkeit der Beteiligten nicht zu trennenden Prozess begreift. Ganzheitlich ist der Prozess insofern, als er immer aus dem gleichzeitigen Zusammenspiel mehrerer Modalitäten besteht, die jeweils spezifische Möglichkeiten zur Verfügung stellen, sich in kommunikationsrelevanter Weise auszudrücken, Handlungsziele zu erreichen und soziale Bedeutung zu konstituieren. Zu diesen Modalitäten zählen beispielsweise: Verbalität, Prosodie, Blickverhalten, Mimik, Gestik, Körperpositur, Körperkonstellation und Körperbewegung. (Schmitt 2005: 19)
Dabei wird das der Konversationsanalyse zugrunde liegende Prinzip der Sequenzialität beibehalten, aber um die zusätzliche Simultaneität von Handlungen erweitert (Deppermann / Streeck 2018). Videokonferenzen bauen sich danach im Zusammenspiel von verbalen und verkörperlichten Modalitäten auf (Asmuß 2015), wobei der Fokus auf unterschiedlichen Aspekten liegen kann (s. 1.1).
Die Konversationsanalyse stellt den vorherrschenden Zugang in der angloamerikanischen Unterrichtsforschung bzw. in Bezug auf das Fach Englisch dar (u. a. Kunitz et al. 2021; Schwab 2009; Walsh 2013; Übersicht über diskursanalytische Auswertungsmethoden für die Unterrichtsinteraktion s. Schwab / Schramm 2016), fasst aber in den letzten Jahren auch im deutschsprachigen Kontext in DaF/DaZ langsam Fuß (u. a. Huth 2023; Schwarze et al. 2014; Skintey 2022; Spiegel 2006). Aktuell findet der Ansatz ebenso im Rahmen der Lehrendenbildung in Deutschland explizit Beachtung (z. B. Glaser et al. 2019; Kupetz 2018; Liebscher / Marsh 2019):
In the framework of recent projects on the improvement of teacher education in Germany (e.g. in the context of the Qualitätsoffensive Lehrerbildung launched by the Federal Ministry of Education and Research), the potential of conversation analytic work for the training of prospective teachers has been increasingly highlighted. For instance, Sacher (2018; forthcoming) points out how CA findings and CA-oriented ways of working with videos and transcripts of classroom interaction can be employed in raising teachers’ awareness of the characteristic features of classroom interaction, be it in terms of sequential structure, of participant roles, or of language-in-interaction etc. (Glaser et al. 2019: 3)
Studien, die dieses mikroanalytische Verfahren im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen auf den Lehrenden-Lehrenden-Diskurs anwenden, sind mir allerdings nicht bekannt. Eine Ausnahme bilden lediglich die Gespräche zwischen Mentor:innen und mentees im Englischen, auf die im Kapitel zum Feedback eingegangen wird (2.1). In diesem Sinne hat die vorliegende Untersuchung explorativen Charakter. Es soll an dieser Stelle noch hinzugefügt werden, dass – auch wenn das methodische Vorgehen aufgrund der gewählten Perspektive dem Gegenstand angemessen ist – es keinesfalls den einzigen Zugang zum...
Erscheint lt. Verlag | 25.11.2024 |
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Verlagsort | Tübingen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Sprach- / Literaturwissenschaft |
Schlagworte | Internationalisierung • kollegiales Feedback • Konversationsanalyse • Lehrendenbildung • Multimodale Interaktionsanalyse • Videokonferenzen |
ISBN-10 | 3-381-13003-X / 338113003X |
ISBN-13 | 978-3-381-13003-0 / 9783381130030 |
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Größe: 3,6 MB
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