Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen (1463-1525) (eBook)
392 Seiten
Evangelische Verlagsanstalt
978-3-374-07644-4 (ISBN)
Armin Kohnle, Dr. phil., Jahrgang 1960, studierte Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Evangelischen Theologie in Heidelberg und Cambridge, Promotion und Habilitation fanden in Heidelberg statt. Seit 2009 hat er den Lehrstuhl für Spätmittelalter, Reformation und territoriale Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig inne. Kohnle ist Ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Neben der allgemeinen Reformationsgeschichte und der sächsischen Territorialkirchengeschichte gehört die Lutherforschung zu seinen besonderen Arbeits- und Publikationsfeldern.
Armin Kohnle, Dr. phil., Jahrgang 1960, studierte Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Evangelischen Theologie in Heidelberg und Cambridge, Promotion und Habilitation fanden in Heidelberg statt. Seit 2009 hat er den Lehrstuhl für Spätmittelalter, Reformation und territoriale Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig inne. Kohnle ist Ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Neben der allgemeinen Reformationsgeschichte und der sächsischen Territorialkirchengeschichte gehört die Lutherforschung zu seinen besonderen Arbeits- und Publikationsfeldern.
Zur Einführung
Am 5. Mai 1525 starb Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen in seinem geliebten Jagdschloss Lochau, das er um 1500 an der Stelle einer älteren Burg hatte errichten lassen.1 Von dieser bescheidenen Residenz inmitten der damals wildreichen Lochauer Heide ist nichts mehr zu sehen. An gleichem, später Annaburg genanntem Ort steht heute ein im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts viel aufwendiger gestaltetes Schloss, das den baulichen Zustand der Friedrich-Zeit nur noch in den Grundmauern erkennen lässt. Zum Ort des Friedrich-Gedenkens wurde nicht Lochau, sondern die Wittenberger Schlosskirche, wo Friedrich von langer Hand die Memoria der ernestinischen Familie verankert hatte.2
Warum Friedrich?
Der Tod Friedrichs des Weisen war eine Zäsur in der sächsischen ebenso wie in der allgemeinen Reformationsgeschichte. Unter seinem Bruder und Nachfolger Johann begann die obrigkeitlich organisierte Umgestaltung der kursächsischen Kirchenverhältnisse nach den Prinzipien der Wittenberger Reformation. War der Weg Kursachsens zu einem lutherischen Territorium seither deutlich vorgezeichnet, bildeten die annähernd vier Jahrzehnte der Regierung Friedrichs, der als dritter sächsischer Kurfürst aus dem Hause Wettin diesen Namen trug, in reformationsgeschichtlicher Perspektive eine Zeit des Übergangs.
Als Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen über die Kraft der Ablässe an die Tür der Wittenberger Schlosskirche anschlug, war Friedrich bereits 54 Jahre alt. Nach den Maßstäben der Zeit galt er als alter und erfahrener Fürst. Seine politische, kulturelle und religiöse Sozialisation stammte aus einem untergehenden Zeitalter. Gewiss, in Friedrichs Welt blieb über das Epochenjahr 1517 hinweg vieles so, wie er es kannte; aber die Probleme, mit denen er in den letzten sieben Jahren seiner Herrschaft zu ringen hatte, waren doch von anderem Zuschnitt und von größerer Tragweite als alles, was ihm bis dahin begegnet war. Erst diese Endphase seiner Regierungszeit, die weitgehend unter dem Eindruck der Sache Luthers stand, machte aus Friedrich dem Weisen die historische Gestalt, an die man sich heute erinnert. Ohne Luther wäre Friedrich zwar ebenfalls als bedeutender sächsischer Kurfürst, als Reichspolitiker, Universitätsgründer, Kunstmäzen und Reliquiensammler in die Geschichte eingegangen, er hätte es aber kaum zu der Bekanntheit gebracht, die ihn als Beschützer Luthers auszeichnet.
Dabei ist Friedrich der Weise gerade in seinem Verhältnis zur aufkommenden Reformation nur schwer zu fassen. Die Gretchenfrage nach Friedrichs Haltung zur Lehre Luthers ist noch immer nicht abschließend beantwortet. Dementsprechend kontrovers sind die Deutungen, die seit dem Beginn der wissenschaftlichen Beschäftigung mit diesem Kurfürsten vorgetragen wurden. Ein modernes Lebensbild darf nicht den Fehler begehen, die gesamte Biographie dieses Fürsten durch die reformatorische Brille zu betrachten oder die Darstellung gar erst mit dem Auftreten Luthers beginnen zu lassen. Vielmehr ist Friedrichs Politik in den frühen Reformationsjahren nur verständlich zu machen, wenn sie in die längerfristigen Linien seiner Herrschaft eingezeichnet wird. Kontinuitäten und Umbrüche müssen aufgedeckt, Kontexte identifiziert und in ihrer Bedeutung für die Politik des Kurfürsten gewichtet werden. »Männer machen die Geschichte«3, dieses Diktum Heinrich von Treitschkes kann Gültigkeit nur dann beanspruchen, wenn das Individuelle und das Besondere in die allgemeinen Entwicklungen eingebettet werden.
Dieses Buch verdankt seine Entstehung zwar dem Anlass des bevorstehenden 500. Todestages und der seit gut 150 Jahren vorherrschenden Forschungsperspektive, Friedrich den Weisen als Schutzherren Martin Luthers verstehen zu wollen. Es verengt den Blick jedoch nicht auf die Jahre nach dem öffentlichen Auftreten Luthers. Friedrichs Leben fiel zum größeren Teil in das ausgehende Mittelalter. Der junge Kurfürst ist aber viel weniger vertraut als der behäbige, von Krankheit gezeichnete, schwergewichtige, sein Gesicht hinter einem Vollbart verbergende alte Fürst, der uns in dem berühmten Kupferstich Albrecht Dürers von 1524 entgegentritt (unten → Abbildung 14). Und doch sollte man das Leben eines Menschen generell nicht von seinem Ende her betrachten, will man nicht dem Irrtum aufsitzen, dass alles genau so kommen musste, wie es kam. Geschichte ist an jedem einzelnen Punkt offen. Das gilt auch für das individuelle Leben Friedrichs des Weisen, dessen Verlauf von Konstellationen abhängig war, die nicht vorhersehbar oder gar vorherbestimmt waren. Friedrich selbst lebte in der Überzeugung, dass er in einer besonderen Verantwortung gegenüber Gott stand. Diese religiöse Dimension muss bei einem Menschen des Spätmittelalters – und insbesondere bei einem von tiefer Frömmigkeit geprägten Laienchristen – beachtet und darf nicht modern-säkularistisch bagatellisiert werden. Seine Frömmigkeitsmotive ernst zu nehmen, bedeutet aber nicht, dass wirtschaftliche, dynastische oder politische Interessen und Motivationen ignoriert werden dürften. Vielmehr wird hier davon ausgegangen, dass jeder Mensch – und besonders ein Politiker wie Friedrich – aus einer komplexen Motivationslage heraus handelt und dass es die Aufgabe des Historikers ist, diese handlungsleitenden Motive in ihrer Verschränktheit zu erkennen.
Bei der Aufdeckung dieser Motive ist immer zu bedenken, dass vormoderne Fürsten in der Regel nicht nur als Privatpersonen agierten, sondern zugleich als Landesherren in einer festgelegten Rolle. Die Fürsten des 15. und frühen 16. Jahrhunderts legten größten Wert darauf, in der Öffentlichkeit ein bestimmtes Bild von sich zu verbreiten. Stärke, Macht und kriegerische Tugenden konnten dabei ebenso herausgestellt werden wie Frömmigkeit oder Gerechtigkeit; Gelehrsamkeit, Bildung und Kunstsinn wurden unter dem Einfluss des Humanismus ebenfalls wertgeschätzt. Wenn ein Fürst über diese Qualitäten nicht selbst verfügte, förderte er sie bei anderen. Das Private sollte nach Möglichkeit nur insoweit an die Öffentlichkeit gelangen, wie es dem eigenen »Image« nützte. Friedrich der Weise pflegte das Bild des frommen, kunstsinnigen, friedliebenden und die Gelehrsamkeit hochschätzenden Fürsten. Dies nur als Rollenverhalten abzutun, würde jedoch zu kurz greifen. Er selbst war zwar nicht ungebildet, erhielt den Zunamen »der Weise« aber nicht wegen seiner besonderen Bildung, sondern wegen seiner klugen Politik. Deshalb sollten öffentliche Rolle und tatsächliche, durch Quellen belegbare Eigenschaften differenziert, aber nicht auseinandergerissen werden.
Eine nähere Beschäftigung mit Friedrich dem Weisen ist aus folgenden Gründen eine lohnende Aufgabe.
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Friedrich war der Kurfürst der frühen Reformationsjahre und damit nicht nur ein Zeitzeuge dieses Umbruchs, sondern auch an zentraler Stelle aktiv daran beteiligt und maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Lehre Luthers und seiner Wittenberger Kollegen nicht unterdrückt wurde. Deshalb ist Friedrich eine Figur nicht nur der sächsischen und deutschen Geschichte, sondern der Weltgeschichte.
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Friedrich war geradezu ein Musterherrscher aus der Dynastie der Wettiner, die den mitteldeutschen Raum über viele Jahrhunderte beherrschte. Im Unterschied zu anderen Fürsten war er kein Krieger, sondern ein Friedensfürst, dem die Wohlfahrt seines Landes mehr am Herzen lag als persönlicher Ruhm.
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Friedrich war der Gründer der Universität Wittenberg, die zum Ausgangspunkt des größten kirchlichen und theologischen Umbruchs der frühen Neuzeit wurde.
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Friedrich spielte in der Politik der Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. eine wichtige Rolle, ebenso bei der Wahl Kaiser Karls V. im Jahr 1519. Damit war er nicht nur an kirchengeschichtlichen, sondern auch an machtpolitischen Weichenstellungen, die die europäische Geschichte für lange Zeit prägten, maßgeblich beteiligt.
Das Profil einer historischen Persönlichkeit entsteht im Kopf des Historikers und ist von dessen Interessen, Prägungen, Überzeugungen und Voreingenommenheiten beeinflusst. Diese Selbstverständlichkeit gilt auch für die Rekonstruktion der Lebensgeschichte eines Fürsten, der heute zu den »ökumenischen Heiligen« gerechnet wird.4 Aus katholischer oder radikalreformatorischer Perspektive wird man Friedrich den Weisen anders beurteilen als aus landeskirchlich-evangelischer. Auch das folgende Lebensbild ist das Ergebnis des ordnenden, deutenden und wertenden historischen Rekonstruierens, schützt sich aber vor Subjektivität und Einseitigkeit durch eine möglichst breite Auseinandersetzung mit den Quellen und mit der Forschungsliteratur.
Alte und neue Quellen
Friedrich der Weise gehörte nicht zu denen, die ihr Herz auf der Zunge trugen. Das ist bedauerlich für den Historiker, dem es geschwätzige Menschen leichter machen als wortkarge und diplomatisch agierende Persönlichkeiten wie Friedrich, der jedenfalls in seinen öffentlichen Äußerungen lieber zu wenig als zu viel sagte. Dennoch fließen die Quellen zu seinem Leben reichlich. Sie sind allerdings uneinheitlich verteilt und verschieden gut erschlossen. Während von Friedrichs frühen Jahren nur Bruchstücke bekannt sind, wächst die Zahl der zur Verfügung stehenden Texte seit seinem Herrschaftsantritt 1486 kontinuierlich an. Dies liegt nicht nur an den vielen dem Kurfürsten im Dienst für Kaiser und Reich...
Erscheint lt. Verlag | 20.9.2024 |
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Zusatzinfo | 16 Seiten Bildteil |
Verlagsort | Leipzig |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Religion / Theologie ► Christentum |
Schlagworte | Bauernaufstand • Geschichte Buch • Historische Biografie • Jubiläumsjahr • kaiser karl der fünfte • kirche politik • Kurfürstentum Sachsen • Kurfürst Friedrich III. • Leucorea • Martin Luther Kirche • reformation bedeutung • reichsreform 1495 • Renaissancefürst • renaissance zeit • Sächsische Geschichte |
ISBN-10 | 3-374-07644-0 / 3374076440 |
ISBN-13 | 978-3-374-07644-4 / 9783374076444 |
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