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Gemeinde gestalten (eBook)

Wie die Zukunft vor Ort gelingen kann
eBook Download: EPUB
2024
256 Seiten
Gütersloher Verlagshaus
978-3-641-31486-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gemeinde gestalten - Uta Pohl-Patalong
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Neue Perspektiven für die Arbeit in den Kirchengemeinden vor Ort
Gemeinden stehen im Übergang in eine offene Zukunft. Angesichts der Notwendigkeit der Veränderung fragen viele, wie es gehen kann, lebendige und anziehende Gemeinde mit weniger Mitgliedern und weniger Hauptberuflichen zu sein.

Nach den Visionen für die gesamte Kirche in ihrem Buch 'Kirche gestalten' entwirft Uta Pohl-Patalong hier konkrete Perspektiven für die Gemeinden, die sich vor Ort auf den Weg machen möchten. Für zehn zentrale Arbeitsfelder wie z.B. Gottesdienst oder Kasualien, Kita-Arbeit oder Diakonie, Konfi-Zeit oder die Arbeit mit Senior*innen wird analysiert, wo genau die aktuellen Herausforderungen liegen. Uta Pohl-Patalong bietet wichtiges Hintergrundwissen, formuliert Alternativen für die Zukunft und unterstützt mit hilfreichen Hinweisen und bibliologischen Impulsen die Entscheidungsfindung vor Ort.

Das Buch für die Praxis macht Mut zur Veränderung und eröffnet neue Möglichkeiten, in Dörfern und Städten vor Ort Kirche zu sein.

Uta Pohl-Patalong, Dr. theol., geboren 1965, ist Professorin für Praktische Theologie an der Uni Kiel. Sie beschäftigt sich intensiv mit Zukunftsfragen der Kirche und ist eine viel gefragte Referentin zu diesem Thema in kirchlichen und wissenschaftlichen Kontexten.

Kapitel 1

Gottesdienst

Einstieg: Szenen aus der kirchlichen Praxis

Szenario 1:

»Gottesdienst als Mitte der Gemeinde« – das hat in der Petrusgemeinde einer Kleinstadt bis vor einigen Jahren noch recht gut funktioniert. Auch an einem ›normalen‹ Sonntag war die Kirche ziemlich gut besetzt mit älteren Menschen, Besucher*innen aus den verschiedenen Gruppen und Konfirmand*innen, die sich ihren Stempel abholen wollten. Mittlerweile sind viele der Älteren ins Pflegeheim gezogen, verstorben oder nicht mehr mobil genug. Manche der Gruppen gibt es nicht mehr und für viele Teilnehmer*innen der verbliebenen Gruppen ist der Sonntagsgottesdienst einfach nicht ihre Form, wie sie auf Nachfrage ehrlich sagen. Die Konfirmand*innen werden nicht mehr verpflichtet, sondern sollen in selbst gestalteten Jugendgottesdiensten die Chance bekommen, den Gottesdienst als lebendig und bedeutungsvoll für ihr Leben zu erfahren – und freiwillig kommen sie nicht in den traditionellen Gottesdienst.

Die Gründe für den gesunkenen Gottesdienstbesuch leuchten den Hauptamtlichen und dem Kirchengemeinderat ein. Es stellt sich jetzt aber die Frage: Was tun? Weitermachen wie bisher in immer kleinerer Zahl – oder etwas ändern? Und wenn ja, was?

Szenario 2:

In der Gemeinde St. Gertrud ist der Gottesdienstbesuch schon seit vielen Jahren gering. Der Dorfgemeinde war ihre Eigenständigkeit immer wichtiger als regionale Zusammenarbeit. Jede Woche soll ein Gottesdienst in der wunderschönen, vom Kirchbauverein aufwändig renovierten kleinen Dorfkirche stattfinden. Dafür nimmt die Gemeinde in Kauf, dass er schon um 8.45 Uhr beginnt, damit die für mehrere Gemeinden zuständige Pfarrerin danach noch zwei weitere Gottesdienste schafft. Drei bis vier Gemeindeglieder bemühen sich sehr, regelmäßig zu kommen, damit die Pfarrerin nicht alleine dort steht. Manchmal kommen einige Tourist*innen dazu, die sich dann ein wenig unbehaglich umsehen, aber der Kirche viele Komplimente aussprechen. In der Grippewelle im letzten Winter fiel der Gottesdienst schon mal mangels Beteiligung ganz aus. Die Pfarrerin fragt sich, ob dieser Gottesdienst nicht zu den Aufgaben gehört, die angesichts ihrer permanenten Überlastung vielleicht doch einmal wegfallen könnten, bringt es aber bisher nicht über das Herz, die treuen Gottesdienstbesucher*innen und den Kirchbauverein damit vor den Kopf zu stoßen. Glücklich ist jedoch niemand mit der Situation.

Szenario 3:

In der städtischen fusionierten Thomasgemeinde gibt es ein vielfältiges gottesdienstliches Angebot: Neben dem klassischen Gottesdienst am Sonntagmorgen, der einmal monatlich mit anderer Liturgie als Familiengottesdienst gefeiert wird, wird an jedem ersten Sonntag im Monat um 18 Uhr ein alternativer Gottesdienst »für Suchende« angeboten und ebenfalls jeden Monat ein Jugendgottesdienst, der die Konfis einbezieht. Ostermontag und Himmelfahrt werden Open-Air-Gottesdienste gefeiert, im Mai gibt es einen Motorrad-Gottesdienst und in der Passionszeit mittwochs um 20.30 Uhr meditative Gottesdienste. Die Gemeinde ist stolz auf ihre lebendige Gottesdienstkultur, von der sehr unterschiedliche Menschen angesprochen werden, und die bei Weitem nicht nur Gemeindemitglieder anzieht.

Nachdem allerdings die Pfarrstellen von vier auf zwei reduziert worden sind und nun die Diakonin für die Region zuständig ist, erweist sich diese Fülle von Gottesdiensten als Last für die Hauptamtlichen. Neben ihren vielen anderen Aufgaben gehen die Vorbereitung und Durchführung über ihre zeitlichen Grenzen. In der Vorbereitung müssen sie immer öfter auf schon einmal gehaltene oder aus dem Internet gezogene Predigten zurückgreifen. Dazu gab es schon erste kritische Nachfragen.

Die Hauptamtlichen halten mit dem Kirchenvorstand Krisenrat: Sollen wir einen Teil der Gottesdienste abschaffen, und wenn ja, welchen? Wenn es nach der Zahl der Teilnehmenden geht, müsste es der agendarische Sonntagsgottesdienst sein, aber ist der nicht »Pflicht«? Können Ehrenamtliche einen Teil der Gottesdienste übernehmen? Können wir uns mit den Nachbargemeinden abstimmen und Gottesdienste zwischen uns aufteilen? Sind die Jugendgottesdienste noch sinnvoll, wenn gerade für die ganze Stadt eine Jugendkirche aufgebaut wird? Und seit die Nachbargemeinde ein Profil als Familienkirche entwickelt hat, sind die Gottesdienste für Klein und Groß ja auch nicht mehr so gut besucht. Die Gemeinde merkt bei der Auseinandersetzung: Hier geht es nicht nur um das Gottesdienstkonzept, sondern auch um das Selbstverständnis der Gemeinde – ein guter Anlass, sich damit zu beschäftigen.

1. Vor welchen Herausforderungen stehen die Gemeinden?

Der evangelische Gottesdienst wird schon seit dem 19. Jh. nur von einer Minderheit der Kirchenmitglieder besucht. Deren Anteil hat in den letzten Jahrzehnten und noch einmal in den letzten Jahren stark abgenommen. Vor der Corona-Pandemie besuchten den Gottesdienst an einem »normalen« Sonntag 3,2 % der evangelischen Kirchenmitglieder, Karfreitag waren es 3,8 %, Erntedank 6,6 %, während für Heiligabend 37,1 % gezählt wurden.1 Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gottesdienstbesuch im Süden tendenziell höher ist als im Norden, im Osten (prozentual zur Kirchenmitgliedschaft) höher als im Westen und auf dem Land höher als in der Stadt – und natürlich können in den einzelnen Gemeinden die Zahlen ganz anders ausfallen. Daraus darf allerdings nicht geschlossen werden, dass sich das Interesse am Gottesdienst auf die jeweils gezählten Menschen beschränkt. Der Gottesdienstbesuch am Sonntagmorgen oder zu den Feiertagen ist nur noch für wenige Menschen alternativlos und auch wer prinzipiell den Gottesdienst schätzt, besucht ihn nicht jeden Sonntag. Die sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD hat gezeigt, dass 35 % der evangelischen Kirchenmitglieder häufiger als einmal im Jahr an einem Gottesdienst teilnehmen. Gleichzeitig belegt diese Studie, dass die Bedeutung des Gottesdienstes für die Kirchenmitglieder in den vergangenen 20 Jahren deutlich gesunken ist: Hatten 2002 noch 33 % der Evangelischen in Westdeutschland und 53 % in Ostdeutschland angegeben, dass für sie der Gottesdienstbesuch zum Evangelisch-Sein dazugehöre, waren es 2022 noch 11 % in Westdeutschland und 19 % in Ostdeutschland.2 Für die katholischen Kirchenmitglieder sind diese Zahlen mit 15 % im Westen und 27 % im Osten nur noch etwas höher, während sich der Gottesdienstbesuch bis vor einigen Jahrzehnten bei katholischen und evangelischen Gläubigen noch signifikant unterschieden hat und und bei den Katholik*innen wesentlich höher lag als bei den evangelischen Kirchenmitgliedern.

Dabei ist der Besuch des »normalen« Sonntagsgottesdienstes noch stärker milieuabhängig als viele andere kirchliche Angebote (Näheres zu Milieuansätzen in Kapitel 8). Er kommt überwiegend den Bedürfnissen der beiden ältesten Milieus entgegen, die von einer der Milieutheorien die »Hochkulturellen« und die »Bodenständigen« genannt werden.3 Dabei freuen sich die »Hochkulturellen« besonders über die Orgelbegleitung und die gute liturgische Präsenz der Pfarrerin beim Abendmahl, während den »Bodenständigen« die freundliche Begrüßung und die bekannten Lieder besonders wichtig sind. Für die anderen vier Milieus – die die jüngere und mittlere Generation umfassen sowie sozial schwächer gestellte Menschen – ist der eigentlich für alle offene Gottesdienst schwerer zugänglich, als es seinem eigenen Anspruch entspricht. Faktisch ist er daher im Grunde ein »Zielgruppengottesdienst«, der in seinen Formen und seinem Charakter bestimmte Menschen deutlich stärker anspricht als andere.

Anders sieht es im Hinblick auf nicht-agendarische Gottesdienste aus. Zumindest bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie hat sich die Teilnahme an »besonderen« Gottesdiensten beständig erhöht. Ebenso verhält es sich mit den Weihnachtsgottesdiensten. Der Besuch von Einschulungsgottesdiensten hat sich vervielfacht. Gottesdienste anlässlich von Krisen und Katastrophen werden intensiv besucht, alternative Gottesdienste sprechen andere Bevölkerungsgruppen an. Ob die Pandemie einen Bruch dieser Entwicklungen bewirkt hat, ist heute noch nicht abzusehen.

Dies zeigt, dass nicht pauschal von einem Desinteresse am Gottesdienst unter evangelischen Christ*innen gesprochen werden kann. Die meisten Kirchenmitglieder nehmen schon lange nicht mehr primär wochenzyklisch am Gottesdienst teil, sondern eher »jahreszyklisch«, »lebenszyklisch« und anlassbezogen. Es ist heute nicht nur eine Frage der Wahl, ob man zum Gottesdienst geht, sondern auch, wann und zu welchem. Zu berücksichtigen sind auch die Fernsehgottesdienste mit großer Resonanz unter älteren Menschen sowie digitale Gottesdienstformen. Ungeachtet dessen finden in den meisten Kirchen in Deutschland nach wie vor am Sonntagmorgen agendarisch geprägte Gottesdienste statt.

Insofern steht das Handlungsfeld Gottesdienst vor besonders großen Herausforderungen. Dies gilt erst recht im Blick auf die nähere Zukunft: Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Besuchszahlen noch einmal stark abnehmen werden, wenn die jetzige ältere Generation als Hauptzielgruppe nicht mehr kommen kann. Denn diejenigen, die im Alter von 40 oder 50 Jahren den Gottesdienst nicht besuchen, werden kaum mit 70 oder 80 seinen Wert neu für sich entdecken.

Damit verschärft sich die Notwendigkeit, über den Stellenwert des Gottesdienstes für...

Erscheint lt. Verlag 6.11.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte 2024 • bibel in der gemeinde • eBooks • gemeinde aktiv • gemeinde der zukunft • Gemeindegruppen • Gemeindereform • gemeinde und bedarfe • Gottesdienstgestaltung • Innovative Konfirmandenarbeit • kirchliche kindergärten • kirchliche seelsorge • kirchliche Seniorenarbeit • Neuerscheinung • predigt heute
ISBN-10 3-641-31486-0 / 3641314860
ISBN-13 978-3-641-31486-6 / 9783641314866
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