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Einsamkeit im Alter (eBook)

Facetten, Konzeptionen und Praxisfelder
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
320 Seiten
Verlag Herder GmbH
978-3-451-83977-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Einsamkeit im Alter -
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Einsamkeit im Alter ist mehr als nur ein Gefühl. Dieser interdisziplinäre Tagungsband der Caritas-Konferenzen-Deutschlands analysiert aus verschiedenen Blickwinkeln: theologisch, sozialwissenschaftlich, psychologisch und soziologisch. Mit konkreten Ansätzen lädt er zum Umdenken und Handeln ein, um dieser Herausforderung gemeinsam zu begegnen.

Sebastian Kießig, geb. 1986, studierte Wirtschaftswissenschaften und katholische Theologie in Berlin (FU), Bamberg, Erfurt, Wien, Eichstätt-Ingolstadt und in Wismar. 2018 promovierte er in Theologie. Er ist CKD-Bundesgeschäftsführer. Erwin Möde, geb. 1954 in Landshut, Dr. phil. Dr. theol. Lic. psych., ist Kath. Theologe und Klinischer Psychologe (Psychodiagnostik, -therapie, Forensik). Bis zu seiner Emeritierung 2019 war er Ordinarius für Christl. Spiritualität, Pastoraltheologie und -psychologie an der Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt, der er auch nach seiner Emeritierung als Forschungsprofessor angehört. Er ist Vorstandsmitglied des CKD. Erwin Möde, geb. 1954 in Landshut, Dr. phil. Dr. theol. Lic. psych., ist Kath. Theologe und Klinischer Psychologe (Psychodiagnostik, -therapie, Forensik). Bis zu seiner Emeritierung 2019 war er Ordinarius für Christl. Spiritualität, Pastoraltheologie und -psychologie an der Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt, der er auch nach seiner Emeritierung als Forschungsprofessor angehört. Er ist Vorstandsmitglied des CKD. Sebastian Kießig, geb. 1986, studierte Wirtschaftswissenschaften und katholische Theologie in Berlin (FU), Bamberg, Erfurt, Wien, Eichstätt-Ingolstadt und in Wismar. 2018 promovierte er in Theologie. Er ist CKD-Bundesgeschäftsführer.

Sebastian Kießig, geb. 1986, studierte Wirtschaftswissenschaften und katholische Theologie in Berlin (FU), Bamberg, Erfurt, Wien, Eichstätt-Ingolstadt und in Wismar. 2018 promovierte er in Theologie. Er ist CKD-Bundesgeschäftsführer. Erwin Möde, geb. 1954 in Landshut, Dr. phil. Dr. theol. Lic. psych., ist Kath. Theologe und Klinischer Psychologe (Psychodiagnostik, -therapie, Forensik). Bis zu seiner Emeritierung 2019 war er Ordinarius für Christl. Spiritualität, Pastoraltheologie und -psychologie an der Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt, der er auch nach seiner Emeritierung als Forschungsprofessor angehört. Er ist Vorstandsmitglied des CKD. Erwin Möde, geb. 1954 in Landshut, Dr. phil. Dr. theol. Lic. psych., ist Kath. Theologe und Klinischer Psychologe (Psychodiagnostik, -therapie, Forensik). Bis zu seiner Emeritierung 2019 war er Ordinarius für Christl. Spiritualität, Pastoraltheologie und -psychologie an der Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt, der er auch nach seiner Emeritierung als Forschungsprofessor angehört. Er ist Vorstandsmitglied des CKD. Sebastian Kießig, geb. 1986, studierte Wirtschaftswissenschaften und katholische Theologie in Berlin (FU), Bamberg, Erfurt, Wien, Eichstätt-Ingolstadt und in Wismar. 2018 promovierte er in Theologie. Er ist CKD-Bundesgeschäftsführer.

Am eigenen Zopf aus dem Einsamkeitssumpf ziehen?


Einsamkeitsprävention und -linderung an der Schnittstelle Sozialer Arbeit und Psychotherapie


Prof. Dr. Michael Noack


„Da kann sich Soziale Arbeit noch so viel Gedanken machen und Konzepte entwickeln, am Ende des Tages muss man sich an seinem eigenen Zopf aus dem Einsamkeitssumpf herausziehen. Wir haben da jetzt dieses Bürgerzentrum bei uns in der Nähe, davon hat mir mal mein Hausarzt berichtet. Das ist recht neu. Ohne den hätte ich gar nicht mitbekommen, dass es das in unserer Nähe gibt und was man da alles machen kann. Da gehe ich jetzt halt einfach öfter mal hin. Mittlerweile bin ich da in fast allen Kursen irgendwie involviert. Aber ich fühle mich trotzdem häufig einsam, ich habe das Gefühl, nicht so richtig von den Leuten angenommen zu werden.“

Einleitung


Seitdem ich mich der Einsamkeitsforschung widme und in meinem Freundeskreis darüber berichte, beobachte ich zwei Reaktionsweisen: Entweder höre ich, wie interessant diese Forschung bestimmt sei, oder erlebe, dass das Thema schnell gewechselt wird. Vermutlich weil Einsamkeit für viele Menschen ein Tabuthema ist, und sie befürchten, sich eigenen Einbindungsdefiziten1 bewusst zu werden, wenn sie über Einsamkeit nachdenken. Die andere Reaktion besteht darin, dass Personen versuchen, sich in die Erfahrung von Einsamkeit im eigenen Leben hineinzuversetzen. Das einleitende Zitat verdeutlicht diese zweite Reaktion. Eine Freundin schilderte mir, wie sie sich seit ihrem Umzug in eine neue Stadt einsam fühlt. Obwohl sie weiterhin Kontakt zu ihrer Familie und alten Freund:innen pflegt, sind die Gespräche oberflächlich geworden. Aus Angst davor, als unfähig dazustehen, neue Freundschaften zu knüpfen, spricht sie ihre Einsamkeit nicht an:

 

„Niemand will gern mit den Problemen anderer zugeschüttet werden. Was sollen die über mich denken? Dass ich nicht in der Lage bin, mir neue Freunde zu suchen? Wenngleich das ja irgendwie stimmt. Ich habe das Gefühl, nicht so richtig angenommen zu werden, obwohl ich hier häufiger in die Kneipen gehe. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass ich dort mit meinem Handy zugange bin. Na ja, und die Gespräche im Bürgerzentrum gehen auch nicht über Small Talk hinaus. Wahrscheinlich bin ich nicht interessant genug oder ich bin denen fremd. Viele schauen mich auch einfach komisch an.“

 

Werfen wir einen sozialarbeitswissenschaftlichen Blick auf die Situation meiner Freundin: Sie schämt sich für ihr Einsamkeitserleben (Was sollen die über mich denken?), was dazu führt, dass sie sich Freund:innen oder Familienangehörigen nicht anvertraut. Ihr Einsamkeitserleben scheint darüber hinaus mit der Wahrnehmung verknüpft zu sein, dass sie allein für dieses Erleben verantwortlich ist (Wahrscheinlich bin ich nicht interessant genug.). Daher geht sie davon aus, sich am eigenen Zopf aus dem Einsamkeitssumpf herausziehen zu müssen: Wer allein für ein Problem verantwortlich ist, muss es eben auch allein lösen. So besucht sie ein Bürgerzentrum, um unter Leute zu kommen, sie nutzt also aktiv eine Gelegenheitsstruktur zur Kontaktaufnahme. Von dem Bürgerzentrum hat sie zufällig erfahren. Dort kommt sie zwar mit Menschen ihres neuen Wohnortes in Kontakt. Ihre eigentlichen Einbindungsbedürfnisse scheinen durch diese Kontakte jedoch nicht befriedigt zu werden (Na ja, und die Gespräche im Bürgerzentrum gehen auch nicht über Small Talk hinaus.). Zudem hat sie das Gefühl, dass dort alle irgendwie gegen sie sind (Viele schauen mich auch einfach komisch an.). Ein weiterer Zopf, an dem sie zieht, sind regelmäßige Kneipenbesuche. Dass ihr Verhalten dort etwas paradox ist, schildert sie selbst: Eigentlich würde sie gern mit Menschen ins Gespräch kommen, kann aber auch nicht von ihrem Handy lassen, das wie ein Kontaktschutzschild zu wirken scheint. Für das Einsamkeitserleben meiner Freundin spielen also mehrere Faktoren eine Rolle: Scham für ihr Einsamkeitserleben,2 die Wahrnehmung negativer sozialer Signale,3 Informationsdefizite über Kontaktgelegenheitsstrukturen und ihre Zurückweisungsangst.4 Damit sind wir beim Thema dieses Beitrags angelangt: der Verknüpfung psychotherapeutischer mit sozialarbeiterischen Interventionen zur Einsamkeitsprävention und -linderung. Die Anregung hierfür erhielt ich durch eine Metaanalyse von Masi et al. (2011), die die Wirksamkeit verschiedener Einsamkeitsinterventionen untersuchte. Masi et al. (ebd., S. 219) haben einsamkeitsbezogene Interventionen in folgende Kategorien eingeteilt:

 

  1. Verbesserung sozialer Fähigkeiten, die beispielsweise die Förderung sozialer Kompetenzen, Gesprächsführung, Telefonkommunikation, Geben und Empfangen von Komplimenten, Umgang mit Schweigephasen, die Verbesserung der körperlichen Attraktivität, nonverbale Kommunikationsmethoden und Ansätze zur körperlichen Intimität umfassen (vgl. ebd., S. 224).
  2. Verstärkung der sozialen Unterstützung, u. a. Initiativen für Trauernde, ältere Menschen, deren soziales Netzwerk durch Umzug unterbrochen wurde, und für Kinder, deren Eltern sich scheiden ließen, umfasst (vgl. ebd.).
  3. Erweiterung der Gelegenheiten und Möglichkeiten für soziale Kontakte, wie beispielsweise die Zusammenarbeit isolierter Senior:innen zur Sammlung und Verteilung von Lebensmitteln für Bedürftige, wodurch informelle Unterstützungsnetze entstehen (vgl. ebd.).
  4. Behebung maladaptiver sozialer Kognitionen, wobei einsamen Personen beigebracht wird, automatische negative Gedanken zu erkennen und sie als zu prüfende Hypothesen und nicht als Fakten zu betrachten (vgl. Masi et al., 2011, S. 1).

 

Die Metaanalyse von Masi et al. (2011) zeigte, dass „Prä-Post-Studien mit einer einzigen Gruppe und nicht-randomisierte Vergleichsstudien im Vergleich zu randomisierten Vergleichsstudien größere mittlere Effektstärken aufwiesen. Die erfolgreichsten Interventionen setzten dabei an der Behebung maladaptiver sozialer Kognitionen an.“ (ebd. S. 219; übersetzt durch den Verfasser). Dies bedeutet nicht, dass die ersten drei Interventionsformen unwirksam sind, sondern dass Interventionen, die sich auf die Behebung maladaptiver sozialer Kognitionen konzentrieren, die größten Effekte in der Reduzierung von Einsamkeit aufweisen, insbesondere in randomisierten Vergleichsstudien (vgl. Seewer, Krieger, 2022, S. 233). Darüber hinaus gibt es empirische Belege dafür, dass die Kombination verschiedener Ansätze am vielversprechendsten zur Reduzierung von Einsamkeit beiträgt (vgl. ebd., S. 237). Unfreiwillig einsame Menschen mit verzerrten sozialen Kognitionen können folglich durchaus von Kontaktgelegenheiten, der Erhöhung des sozialen Supports und/oder optimierten sozialen Fähigkeiten profitieren, wenn auch maladaptive soziale Kognitionen im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie bearbeitet werden:

 

„Genauer gesagt könnte die Bereitstellung von Unterstützung oder sozialen Kontakten die Einsamkeit nicht verringern, wenn die Menschen aufgrund ihrer verzerrten Kognitionen immer noch dazu neigen, die Absichten anderer und soziale Interaktionen negativ zu interpretieren.“ (Spithoven et al., 2017, S. 111)

Im Umkehrschluss ist es nicht ausreichend, einsame Menschen verhaltenstherapeutisch dabei zu unterstützen, maladaptive soziale Kognitionen zu beheben, ohne mit ihnen an ihren sozialen Fertigkeiten zu arbeiten, ihre sozialen Unterstützungsstrukturen zu stabilisieren und/oder ihnen Kontaktgelegenheiten zu vermitteln, wenn sie das wollen. Interventionsformen sollten also nicht in einer „Entweder-oder-Logik“ gedacht werden, nach dem Motto, die vierte Kategorie ist wirksamer als die ersten drei. Stattdessen sollten sie als Mosaiksteine begriffen werden, die ausgehend vom Willen einsamer Menschen zu passgenauen Unterstützungssettings zusammengefügt werden können. Für die Organisation dieser Verknüpfung ist Soziale Arbeit eine geeignete Profession. Sozialarbeitende werden insbesondere dann tätig, wenn Spezialleistungen allein nicht ausreichen, um Menschen dabei zu unterstützen, eine Herausforderung zu bewältigen oder ihre Lebensverhältnisse zu gestalten (vgl. Noack, 2024, S. 29 f.). Während eine klassische Profession wie etwa die Medizin einen recht klar umrissenen Zuständigkeitsbereich hat, aus dem sich spezialisierte berufliche Tätigkeiten herleiten (Vermeidung, Diagnose und Behandlung von Krankheiten), beschäftigen sich Sozialarbeitende mit allem, „was das Alltagsleben an Problemen“ (Hochuli Freund/Stotz, 2021, S. 49) mit sich bringen kann. Dabei kooperieren sie mit anderen Berufsgruppen. Die Kooperation zwischen Sozialarbeitenden und Psychotherapeut:innen im Einsamkeitskontext kann dazu beitragen, sogenannte Einsamkeitsresponsibilisierungs-Effekte zu verhindern. Unter Einsamkeitsresponsibilisierung versteht man die Gefahr, unfreiwillige Einsamkeit ausschließlich durch Interventionen anzugehen, die auf individuelles Verhalten und Erleben fokussieren, wie beispielsweise die kognitive Verhaltenstherapie. Dadurch besteht das Risiko, gesellschaftliche Ursachen für individuelle Einsamkeit zu vernachlässigen. Herausforderungen, die sich unter anderem aus dem flexiblen Kapitalismus (vgl. Sennett 1998), der sozialen Beschleunigung (vgl. Rosa 2018) sowie Individualisierungsprozessen (vgl. Beck...

Erscheint lt. Verlag 12.8.2024
Co-Autor Michael Noack, Erwin Möde, Nora Becker, Susanne Loke, Denis Newiak, Christiane Metzner, Sebastian Kießig, Daniela Dohr, Martina Liebsch, Verena Schumacher, Felicitas von Wietersheim, Marlies Busse, Tammo E. Mintken, Jana Kreissl, Svetlana Iastrebova
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Alter • Ältere Menschen • Ausgrenzung • Caritas • demographischer Wandel • Einsamkeit • Isolation • Politik • Soziale Arbeit • Theologie
ISBN-10 3-451-83977-6 / 3451839776
ISBN-13 978-3-451-83977-1 / 9783451839771
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