Pastor Wolfgang Dell (eBook)
284 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-0824-3 (ISBN)
Um seinem Sohn Wolfgang ein Studium zu ermöglichen, sprach Arthur Dell den Wunsch einer Versetzung nach Halle/Saale aus. Zwar wurde es nicht der Wunschort Halle, aber er erhielt eine Stelle als Zollinspektor in Merseburg unweit von Halle. So zog die Familie zum 15. 4. 1928 wieder einmal um. Von hier aus konnte Wolfgang die kurze Strecke zur Universität Halle/Saale mit dem Zug bzw. der Straßenbahn bewältigen und zu Hause wohnen. Da Wolfgang Dell eigentlich Lehrer werden wollte, schrieb er sich im Sommersemester 1928 an der philosophischen Fakultät in den Fächern Germanistik und Geschichte sowie Religion als Nebenfach ein. Sein früherer Bibelkreis-Leiter, der kurz vor dem 1. theologischen Examen stand, riet ihm aber in den ersten Tagen in Halle, er solle doch Religion als Hauptfach nehmen und sich auch in der theologischen Fakultät eintragen lassen. So könne er, wenn er Lust dazu hätte, ohne ein Semester zu verlieren, ganz zur Theologie wechseln. Diesen Rat befolgend belegte er dann Religion und Englisch als Hauptfächer und Geschichte als Nebenfach.
Mit Beginn des zweiten Semesters wechselte Wolfgang Dell ganz zur Theologie. Das Sommersemester 1929 verbrachte er in Tübingen. Hier war es vor allem Prof. Karl Heim, der ihn stark beeinflusste. Er hörte bei Heim die Vorlesungen „Dogmatik I“ sowie „Christentum und Naturwissenschaft“. Auch besuchte er eine Vorle-sungsreihe zum Genossenschafts-Sozialismus des Professors für Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaften Robert Wilbrandt. In Tübingen nutzte er seine freie Zeit, um mit Kommilitonen oder allein wandern zu gehen und die Umgebung zu erkunden. In sein Tübinger Tagebuch schrieb er: „Welche Freude gibt das Wandern! Und wie arbeitet es den Körper durch. Wie erfrischt die schöne, kräftige Luft bei dem Wetter heute, so dass man ein ordentliches Hochgefühl hat!“
Immer wieder ruft die herrliche Natur in dieser Gegend Bewunderung in ihm hervor. Die freien Tage zu Pfingsten 1929 verbrachte er gemeinsam mit drei Kommilitonen am Bodensee und den umliegenden Orten der Schweiz. Sie besuchten auf dem Rückweg Titisee, wanderten auf den Feldberg im Schwarzwald und besichtigten Freiburg. Dabei übernachteten sie überwiegend in Jugendherbergen. Ein ganzes Album füllen die Fotos und Postkarten der Ausflüge während der
Tübinger Studienzeit. Nach diesem ereignisreichen Semester setzte Wolfgang Dell sein Studium in Halle/Saale fort und trat in die Deutsche Christliche Studentenvereinigung (DCSV) ein. Besonders die Gemeinschaft mit anderen Kommilitonen schätzte er hier. Mit dem Kommilitonen Friedrich Bohl aus Leuna (bei Merseburg) freundete er sich besonders an. Dass sie beide nicht aus Pfarrhäusern stammten wie die überwiegende Zahl ihrer Mitstudenten sowie ihre sicher sehr häufigen gemeinsamen Fahrten zur Universität Halle mag ihre Freundschaft, die lebenslang hielt, verstärkt haben.
Im Sommersemester 1930 zog es ihn noch einmal von seinem Studienort Halle weg. Er entschied sich für Bonn, um Professor Karl Barth zu hören. Neben Karl Barth schrieb er sich u.a. bei den Professoren Hans Emil Weber und Karl Ludwig Schmidt ein. Bei Gustav Hölscher nahm er an einem alttestamentlichen Seminar teil. Doch auch die schöne Landschaft entlang des Rheins lockte ihn. An vielen Ausflügen des DCSV nahm er teil.
Vom Wintersemester 1930/31 bis zum Wintersemester 1931/32 studierte Wolfgang Dell wieder in Halle. Nach Ende des 8. Semesters, am 1. März 1932, nahm er sein 1. theologisches Examen in Angriff.
Sommerfest des DCSV Bonn Rolandeck 28. 6. 1930
Studienzeit: Links: Ausflug zum Feldberg/Schwarzwald (oben), Ausflug in die Eifel (unten), Rechts: Studienbuch-Eintrag u.a. Karl Barth, Sommerfest Universität Halle, DCSV-Kreis Bonn
Über die gemeinsame Studienzeit schrieb am 5. 10. 1932 sein schlesischer Studienfreund Gerhard Fitzner aus Boyadel Kreis Grünberg, der sein Studium in Breslau fortsetzte, in einem Brief an Wolfgang Dell: „Es ist zu schade, daß wir uns nicht mündlich über alle die Dinge unterhalten können, die uns bewegen, wie es früher so nett war. Denn einen solch lieben Menschen wie Dich vermisse ich in Breslau sehr, obwohl ich Bekannte genug habe.“ Und am 28. 12. 1932 schrieb ihm Fitzner: „Es ist zu schade, und ich bedaure es sehr, sehr oft, daß wir beide nicht Zusammenarbeiten und nicht mehr Zusammensein können wie damals, als wir noch jung und hübsch waren. Ach, könnten wir mit dem Studium noch einmal von vorn anfangen und noch einmal die schönen Stunden erleben, die uns in Halle, im unvergesslichen Tübingen und in der Stadt des teuren Pflasters [gemeint ist Bonn] das Leben so froh gemacht haben.“
Unter dem 2. 4. 1932 teilte das Konsistorium der Provinz Sachsen in Magdeburg Wolfgang Dell mit: „Wir haben Sie zur 1. theologischen Prüfung zugelassen und Ihr Gesuch vom 7. März ds. Jahres nebst Anlagen der theologischen Prüfungskommission in Halle a/S. zur weiteren Veranlassung übersandt. Von dieser haben Sie die Themata zu den schriftlichen Prüfungsarbeiten und später die Vorladung zur Prüfung zu erwarten.
Ein Exemplar der Bestimmungen, welche bei den theologischen Prüfungen von den Kandidaten sorgfältig zu beachten sind, fügen wir bei. Gleichzeitig werden Sie hierdurch verpflichtet, bei dem Herrn Superintendenten, in dessen Kirchenkreis Sie sich während der Vorbereitung zur Prüfung aufhalten, sich persönlich zu melden, ihm von einer etwa übernommenen anderweiten Beschäftigung Anzeige zu erstatten und Rat und Mahnung von ihm ehrerbietig entgegen zu nehmen.
Auch sind die uns zu erstattenden Berichte fortan durch ihn einzureichen, widrigenfalls sie Ihnen zur Einreichung auf dem vorgeschriebenen Wege zurückgegeben werden müßten.“
Während der Examensarbeit, der Arbeit an der Predigt und den Vorbereitungen auf das mündliche Examen erkrankte Wolfgang Dell. Sein Studienfreund Gerhard Fitzner bedauerte in einem Brief vom 28. 12. 1932, dass es seinem Freund in letzter Zeit so schlecht gegangen ist. Dadurch verzögerte sich das Examen erheblich. Doch am 14. Juli 1933 war es geschafft, und er hatte die 1. theologische Prüfung bestanden.
In diesem Jahr feierte die Stadt Merseburg ihr 1000jähriges Bestehen. Im Festumzug konnte Vater Arthur Dell noch einmal stolz als Sergeant-Trompeter das Trompeterkorps mit dem nachfolgenden Husarenregiment, das über lange Zeit in Merseburg stationiert war, anführen.
Im August wurde Wolfgang Dell vom Konsistorium Magdeburg für die Zeit vom 16. 8. 1933 – 16. 5. 1934 Herrn Superintendent Kegel in Tangermünde als Lehrvikar überwiesen. Auf Antrag des Superintendenten, der in ihm eine wichtige Stütze sah, wurde die Vikariatszeit in Tangermünde bis zum 30. 9. 1934 verlängert.
Wolfgang Dell (rechts) als Vikar in Tangermünde
Verpflichtung Arthur Dells, auch die Ausbildungsbeiträge des Vikariats und Predigerseminars für seinen Sohn Wolfgang zu übernehmen (aus der Personalakte im Landeskirchenarchiv)
Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße
um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.
Psalm 23
Das Jahr 1933 – die evangelische Kirche gerät in schwere See
In ihrem Parteiprogramm hatte die NSDAP im Artikel 24 festgelegt: „Die Partei als solche vertritt den Standpunkt eines positiven Christentums.“ Das klang in vielen christlichen Ohren gut, denn seit längerem verlief ein Prozess der Abwendung weiter Teile der Bevölkerung vom Glauben. „Viele erhofften sich von der Partei machtvollen Rückenwind bei einer Rechristianisierung des deutschen Volkes“ (Albrecht Schönherr in seinen Erinnerungen). Schon seit 1932 war die „Glaubensbewegung Deutsche Christen“ (DC), ein Zusammenschluss nationalsozialistischer Christen, aktiv. Die politische Entwicklung und die Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 gaben der Bewegung großen Auftrieb. So traten viele junge Theologen – auch Wolfgang Dell – dieser Bewegung bei. Doch bald zeigte sich jedem, der mit offenen Augen und kritisch die Situation betrachtete, was hier vor sich gehen sollte. Auf der Reichstagung der Deutschen Christen vom 3. - 5. April 1933 hieß es: „Die Kirche ist für einen Deutschen die Gemeinschaft von Gläubigen, die zum Kampf für ein christliches Deutschland verpflichtet ist. Das Ziel der Glaubensbewegung 'Deutsche Christen' ist eine evangelische deutsche Reichskirche. Der Staat Adolf Hitlers ruft nach der Kirche, die Kirche hat den Ruf zu hören." Hier forderten sie auch für die...
Erscheint lt. Verlag | 13.5.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Religion / Theologie ► Christentum |
ISBN-10 | 3-7597-0824-2 / 3759708242 |
ISBN-13 | 978-3-7597-0824-3 / 9783759708243 |
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