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Körpermodifikationen - Interventionen der Konzentrativen Bewegungstherapie (KBT) (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
208 Seiten
Schattauer (Verlag)
978-3-608-12274-9 (ISBN)

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Körpermodifikationen - Interventionen der Konzentrativen Bewegungstherapie (KBT) -  Ute Backmann
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Körpermodifikationen verstehen und behandeln Beleuchtet Hintergründe: Sind Körpermodifiktationen z.B. »Lösungsversuche« für Traumatisierungen oder brüchiges Selbstwerterleben? Fokus: Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) mit Erwachsenen Ziel: Gesunde subjektive Leiblichkeit fördern Der Körper ist heute zur Bühne des subjektiven Selbst geworden. Die Autorin erläutert verschiedene Kategorien von Körpermodifikationen und ermutigt Körperpsychotherapeut:innen, zusammen mit ihren Patient:innen ein Bewusstsein für den Hintergrund der Modifikationen zu schaffen. Welche Rolle spielen Bindungsstile, Selbstwerterleben, Traumatisierungen, Körperwahrnehmung und Symbolisierungsfähigkeit? Backmann stellt dar, wie körperpsychotherapeutische Angebote der Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) hier heilsam tätig werden können. Die Praxisbeispiele beleuchten Körpermodifikationen psychodynamisch. Es wird deutlich, dass sie oft verbunden sind mit ausgeprägten perfektionistischen Vorstellungen, die im alltäglichen (Er-)Leben zu Konflikten, Schmerzen oder Einschränkungen führen können. Soziologische und kulturwissenschaftliche Betrachtungen runden das Wissen für Therapeut:innen ab.

Ute Backmann, M.A. Kultur- und Sozialwissenschaften, Dipl. Soz.Arb., KBT Lehrtherapeutin (DAKBT), Psychotherapeutin (HeilprG), Supervisorin/Coach (DGSv). KBT-Therapeutin in der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik der Universität Heidelberg - Schwerpunkt Traumafolge- und Persönlichkeitsstörungen, sowie in freier Praxis als KBT-(Lehr-)Therapeutin, Supervisorin und Referentin.

Ute Backmann, M.A. Kultur- und Sozialwissenschaften, Dipl. Soz.Arb., KBT Lehrtherapeutin (DAKBT), Psychotherapeutin (HeilprG), Supervisorin/Coach (DGSv). KBT-Therapeutin in der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik der Universität Heidelberg – Schwerpunkt Traumafolge- und Persönlichkeitsstörungen, sowie in freier Praxis als KBT-(Lehr-)Therapeutin, Supervisorin und Referentin.

1 Einleitung


Die körperlichen Wandlungen und Änderungen des Erscheinungsbildes

»Das Ich ist vor allem ein körperliches, es ist nicht nur ein Oberflächenwesen, sondern selbst die Projektion einer Oberfläche.« (Freud 1993 [1923], S. 266)

Das Ich findet seine Bedeutsamkeit im gegebenen Körper (Bürgin 2022) und dort seine Sprache (Lemma 2018). Dennoch ist der Körper vielfach der stille Begleiter (Hirsch 1989a, b), dessen Botschaften erst durch Schmerz, Erschöpfung, Krankheit oder Alter Bedeutsamkeit erlangen.

Wie beständig, stark und eindeutig körperliche und psychische Entwicklungen lebenslang aneinander gekoppelt sind, wird in besonderen Prozessen und Lebensereignissen (wie Geburt, Erkrankungen, Unfällen oder Tod) sichtbar, ist wohl aber nicht durchgängig präsent.

Menschen sind an ihren Körper gebunden, der lebenslange Entwicklung und Veränderung erlebt und dies auch nach außen präsentiert. Die Individualität des Körpers zeigt sich nicht nur in der Einmaligkeit des genetischen Ausdrucks, sondern im gesamten Habitus. Mit dem Körper sind wesentliche Erfahrungen verbunden. Das Erleben von Vitalität und körperlichem Austausch in Beziehungen sind nur zwei von vielen Aspekten. Freudvolle und schmerzliche Erfahrungen sind im Körper repräsentiert und schreiben ihre ganz eigene Körpergeschichte. Diese körperliche Biografie zeigt unser individuelles subjektives menschliches Sein.

Körperliche Veränderungen und Wandlungen sind im psychoanalytischen Verständnis verbunden mit primären Beziehungserfahrungen, die ihre jeweilige Repräsentanz finden. Sie spiegeln sich wider in der Wahrnehmung des Körperschemas, des Körperbildes und zeigen sich im Körpererleben sowie in der Körperidentität.

Zunehmend scheint diese Körperlichkeit jedoch nicht mehr als gegeben akzeptiert zu werden. Mode, Schminke, Diäten oder sportliche Disziplinierungen sind veränderbare Variablen in der Körpergestaltung. Doch häufiger finden modifizierende – und damit irreversible – Veränderungen am Körper statt, die Körperlichkeit herstellen sollen. Der Körper wird in seiner Gestaltung zur Bühne des inneren und äußeren Geschehens und inszeniert, was er möglicherweise doch zu verbergen sucht.

Nun ist die körperliche Verwandlung ein Phänomen, das die Menschheit seit jeher beschäftigt. Tätowierungen und Verschönerungen am Körper durch Piercing oder andere Praktiken der Modifizierung einzelner Körperbereiche sind Jahrtausende alt. Sie sind verbunden mit religiösen Initiationsriten oder kultureller Identität.

In Europa dienten diese Praktiken wesentlich der Kennzeichnung und Identifikation zu bestimmten Subgruppen und Szenen (Pöhlmann et al. 2014). Gab es lange Zeit Vorbehalte gegenüber Personen, die ihren Körper aktiv verwandelten, so scheint dies – bis auf extreme Ausnahmen – heute keine Aufmerksamkeit mehr zu generieren.

Aus gesellschaftlicher historischer Sicht waren Körper, ihre Optimierung und Idealisierung immer schon verbunden mit Ansehen, Leistung und Disziplin. Normalität, Gesundheit und Schönheit – in den Vorstellungen des jeweiligen gesellschaftlichen Diskurses – waren und sind die (scheinbaren) Garanten für Identität (Backmann 2019; Möhring 2004; Wedemeyer-Kolwe 2004).

Das Streben nach körperlicher Optimierung, nach subjektiver Darstellung, körperlicher Selbstverbesserung oder gar Perfektionierung kann man als leitende Idee individueller und gesellschaftlicher Idealvorstellungen ansehen. Sie sind in viele Lebens- und Erfahrungsbereiche eingedrungen und können als mehr oder weniger verinnerlicht wahrgenommen werden (King et al. 2021a).

Die »Arbeit« am Körper und die damit einhergehende Lebensführung gelten heute allerdings eher als Gestaltung des subjektiven Selbst denn als Anpassung an eine gesellschaftliche Norm. Das Selbstbild soll den eigenen Vorstellungen des körperlichen Seins entsprechen. Der gegebene gesellschaftliche Imperativ, der Normen und Grenzen festlegt, tritt in den Hintergrund. So sind Menschen zunehmend selbstverantwortlich für ihren Körper. Schönheit und Individualität können selbstständig hergestellt werden und sind nicht mehr abhängig von genetischen oder krankheitsbedingten Vorgaben. Der perfekte Körper verspricht ein perfektes Leben.

Mit der Selbstoptimierung gehen zunehmend mehr – auf den Körper bezogene – Praktiken einher, die vielfach erst durch technische und medizinische Entwicklungen möglich werden. Körpermodifikationen haben stark zugenommen. Sie subsumieren Eingriffe am Körper, die auf langfristige oder dauerhafte Veränderungen abzielen (Borkenhagen und Brähler 2014).

Abgegrenzt, aber dennoch vielfach in Grenznähe zu Körpermodifikationen, ist destruktives Körperagieren zu verstehen. Die Verwendung des Körpers als Objekt, dem Selbstbeschädigungen zugefügt werden, steht zumindest bei den Essstörungen vordergründig häufig im Dienst der Disziplinierung und Schönheitsidee.

Soziologische Theorien, aber vor allem psychoanalytische Konzeptionen versuchen zum Verständnis von Körpermodifikationen und Körperdestruktionen beizutragen.

Dabei sind die psychologischen Konzeptionen von Ich und Selbst in der Entwicklung der Persönlichkeit bedeutsam. In den psychoanalytischen Theorien sind sie insbesondere bei Freud (1993 [1915]) in der Triebtheorie als Grenzbegriffe zwischen Psychischem und Somatischem zu verstehen. Trieb bezieht sich als ein psychosomatisches Konzept auf die wechselseitige Wirkung von Psyche und Soma aufeinander. Der körperlichen psychosexuellen Entwicklung kommt eine besondere Bedeutung zu. Schrittweise wird es in der Entwicklung von Ich und Selbst möglich, andere als differenzierte, vom Selbst unabhängige Personen zu erkennen. Sie können als Objektrepräsentanzen verinnerlicht bzw. das Objekt der Vorstellung sein. In der Konstanz verlässlicher Objekte entwickelt sich die Fähigkeit zur Symbolisierung. Sie ist Grundlage von Erinnerung, Fantasie, Erwartung und Vorstellung. Letztlich ist die Fantasie eng mit der Affekt- und Sprachentwicklung gekoppelt. Die Internalisierung von Objektrepräsentanzen sowie die Stufe der Symbolisierungsreife münden in Konzepte von Übertragung und Gegenübertragung. Abwehrformen und Widerstand gegenüber Veränderungsprozessen schützen vor unaushaltbaren Affekten (Storck 2021).

In diesem Buch soll den Phänomenen der Körpermodifikationen und der Körperdestruktivität nachgegangen werden.

Inwiefern Körpermodifikationen und Optimierungen Ausdruck des subjektiven Selbst oder innerer destruktiver behandlungsbedürftiger Zustände sind, wird anhand psychoanalytischer Konzepte beleuchtet. Übergangsphänomene und Symboliserungsprozesse stellen vertiefte Entwicklungsphasen dar und können als Rahmen für die diagnostische Einordnung verwendet werden.

Die Konzentrative Bewegungstherapie sucht – stärker als die reinen Gesprächstherapien – die Geschichte des subjektiven Körpers zu verstehen. Psychosomatische Krankheitsbilder oder Störungsmuster stehen im Fokus der Behandlungen. Körpererfahrungen und Körpererinnerungen sind maßgeblich für die Anamnese. Auf dieser Grundlage werden psychodynamisch und phänomenologisch Behandlungskonzepte entwickelt, die es den Patient:innen ermöglichen, sich in einem grundlegenden und sorgfältigen Prozess selbst zu verstehen und anzunehmen. Der Körper wird in Ruhe, Bewegung und Ausdruck als einzigartig angesehen.

Die KBT widmet dem Phänomen der Körpermodifikation und Körperdestruktivität besondere Aufmerksamkeit im behandlungs- und störungsspezifischen Kontext. Als körperpsychotherapeutisches Verfahren ist die KBT in vielen psychosomatischen, psychiatrischen und psychotherapeutischen Kliniken oder in ambulanten Praxen vertreten. Insofern schauen Therapeut:innen der KBT aufgrund ihrer Ausbildung und des Tätigkeitsbereiches eher auf die psychischen Hintergründe, Auswirkungen und Störungen der Versuche, den Körper zu nutzen.

Hier soll jedoch auch der gesamtgesellschaftliche Kontext mitgedacht werden. Ob und warum Menschen mit dem Wunsch nach Körpermodifikation eher in der schönheitschirurgischen Klinik oder in der (körper-)psychotherapeutischen Behandlung ankommen, ist nicht unerheblich. Dies soll keineswegs in Abrede stellen, dass bestimmte Formen der Körpermodifikationen subjektives Körper- und Selbsterleben steigern oder erhalten können. Doch grundsätzlich wird dieses Phänomen im Folgenden kritisch, differenziert und aus psychodynamischer Sicht betrachtet. Der sich beschleunigenden Selbstoptimierung wird die weitaus entschleunigende Sicht auf das Selbst-Sein gegenübergestellt.

Psychoanalytische Konzeptionen dienen als Basis KBT-spezifischer Theoriebildungen und sind handlungsleitend für den Aufbau körperpsychotherapeutischer Behandlungen. Das Verständnis für körperliche Entwicklungen basiert auf körperlich-analytischen Theorien. Den verschiedenen psychologisch-analytischen Theorien können KBT-spezifische Begriffe zugeordnet werden, welche die Ansätze der Konzentrativen Bewegungstherapie fundieren.

Im folgenden Kapitel 2 wird zunächst die Konzentrative Bewegungstherapie in ihren Grundzügen dargestellt.

Anschließend werden in Kapitel 3 die psychoanalytischen Konzeptionen von Trieb, Ich-Psychologie, Selbst-Psychologie, Objektbeziehungstheorien und Verführungstheorien im Kontext von körperlicher/leiblicher Entwicklung abgehandelt. Dabei werden psychoanalytische Theorien mit KBT-spezifischen Terminologien verbunden. Sowohl die unausgereifte Entwicklung als auch die...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2024
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Altern • Anorexie • Body Modification • Essstörungen • Genitalchirurgie • Hypochondrie • Intersexualität • Konzentrative Bewegungstherapie • Körperbild • Körperdysmorphe Störungen • Körperliche Optimierung • Körperpsychotherapie • Narzissmus • Optimierungswahn • Persönlichkeitsstörungen • Psychosomatik • Somatoforme Störungen • Soziale Medien • subjektive Leiblichkeit • Trauma • trauma und körper • Trauma und Körpertherapie • verkörpertes Selbst
ISBN-10 3-608-12274-5 / 3608122745
ISBN-13 978-3-608-12274-9 / 9783608122749
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