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Trauma und Gewalt in der Geburtshilfe (eBook)

Ein Handbuch für Fachkräfte
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
384 Seiten
Schattauer (Verlag)
978-3-608-12322-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Trauma und Gewalt in der Geburtshilfe -  Martina Kruse,  Katharina Hartmann
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Das Handbuch für eine gewaltfreie Geburt Enttabuisiert: Trauma und Gewalt in der Geburtshilfe Relevant: Eine gesunde Gesellschaft muss Traumata durchbrechen Fundiert: Handbuch zu allen Facetten des Gewalterlebens unter und bei der Geburt Es ist Zeit für ein fundiertes Handbuch zu allen Facetten des Gewalterlebens unter und bei der Geburt. Expert:innen aus unterschiedlichen Fachgebieten beleuchten, was werdende Mütter und Eltern, Angehörige sowie Hebammen und Ärzt:innen im Kreißsaal und auch bereits davor und danach erleben und wie eine gewaltfreie Schwangerschaft und Geburt ermöglicht werden kann. Sie gehen auf unterschiedliche Formen und Felder der Gewalt, anhand von soziologischen, psychologischen und auch politikwissenschaftlichen Konzepten, ein und erleichtern den Dialog. Im Praxisteil werden Möglichkeiten zur Prävention sowie zur Versorgung und Betreuung der unterschiedlichen Betroffenen vorgestellt. Das ist von unschätzbarer Relevanz, denn die Geburt wirkt sich auf die Bindung von Eltern und Kind und somit auf die psychische Gesundheit über die Lebensspanne hinweg aus. Eine trauma- und gewaltfreie Geburt ist die Voraussetzung für eine gesündere Gesellschaft!

Martina Kruse, Hebamme und Familienhebamme, System. Beraterin, Traumafachberaterin. Leitet ein Team Frühe Hilfen in Kerpen und arbeitet freiberuflich als Dozentin/Referentin. In Köln berät sie Frauen und Paare in eigener Praxis im Kontext von Trauma und Schwangerschaft. Im Thieme Verlag ist 2017 von ihr erschienen: 'Traumatisierte Frauen begleiten', darüber hinaus Veröffentlichungen in Fachbüchern und Fachzeitschriften. Dr.in phil. Katharina Hartmann, Initiatorin und ehemalige Moderatorin der Roses Revolution Deutschland; Gründungsmitglied und ehemalige Vorständin von Mother Hood e.V., aktuell tätig im Wissenschaftsressort und Leitung des Internationalen Netzwerkes des Vereins, Mitglied in der COST Action 18211 'Perinatal Health and Birth Trauma'.  

Martina Kruse, Hebamme und Familienhebamme, System. Beraterin, Traumafachberaterin. Leitet ein Team Frühe Hilfen in Kerpen und arbeitet freiberuflich als Dozentin/Referentin. In Köln berät sie Frauen und Paare in eigener Praxis im Kontext von Trauma und Schwangerschaft. Im Thieme Verlag ist 2017 von ihr erschienen: "Traumatisierte Frauen begleiten", darüber hinaus Veröffentlichungen in Fachbüchern und Fachzeitschriften. Dr.in phil. Katharina Hartmann, Initiatorin und ehemalige Moderatorin der Roses Revolution Deutschland; Gründungsmitglied und ehemalige Vorständin von Mother Hood e.V., aktuell tätig im Wissenschaftsressort und Leitung des Internationalen Netzwerkes des Vereins, Mitglied in der COST Action 18211 "Perinatal Health and Birth Trauma".  

Einleitung


Seit einigen Jahren setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass Gewalt im Rahmen der Schwangerschaftsbetreuung, während der Geburt und auch im Wochenbett existiert, kein Einzelschicksal ist und Spuren hinterlässt. Zu viele sind davon betroffen, auch wenn es derzeit keine repräsentativen Studien zu Prävalenzen im deutschsprachigen Raum gibt.

Wir Herausgeberinnen, Martina Kruse und Katharina Hartmann, haben uns dem Thema Gewalt und Trauma im Kontext von geburtshilflicher Betreuung von unterschiedlichen Seiten genähert. Unsere Zusammenarbeit spiegelt zwei Seiten des Phänomens wider: Martina Kruse hat lange Jahre als Hebamme gearbeitet und berät als Traumafachberaterin Frauen und Paare, die die Geburt ihres Kindes negativ erlebt haben und mit den Folgen konfrontiert sind. Sie unterstützt Fachkräfte, die im Rahmen ihrer Arbeit traumatische Erfahrungen gemacht haben, und bildet seit vielen Jahren geburtshilfliche Fachpersonen zu den Themen Gewalt gegen Frauen, deren Auswirkungen und Gewalt unter der Geburt fort. Katharina Hartmann hat ihre Wurzeln in der Roses Revolution, sie ist eine Stimme der Betroffenen, Gründungsmitglied der Bundeselterninitiative Mother Hood e. V. und für den Verein unter anderem Mitglied der deutschen CEDAW-Allianz, dem Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Organisationen für die Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention. Sie ist als Vertreterin der Elternperspektive an unterschiedlichen nationalen und internationalen Forschungsprojekten und -netzwerken beteiligt. Zudem lehrt sie an Hochschulen und Universitäten zum Thema Frau*zentrierte Betreuung und Gewalt in der Geburtshilfe.

Mit diesem Handbuch wollen wir eine umfassende Bestandsaufnahme rund um das Thema Trauma und Gewalt in der Schwangerschaft, bei der Geburt und in der ersten Zeit mit einem Neugeborenen einem breiten Fachpublikum zugänglich und den Diskurs in seiner Breite sichtbar machen.

Das Thema Gewalt in der Geburtshilfe wurde zuerst von den Betroffenen selbst in die Öffentlichkeit gebracht, dann in der Folge von unterschiedlichen Professionen aufgegriffen; es wurde in Beratungs- und Therapiesituationen ein Begriff und findet langsam den Weg in die Forschung. Dabei entspricht es der Logik des Diskurses, dass die Beiträge in diesem Band aus unterschiedlicher Perspektive entstanden sind: Einige entsprechen hohen wissenschaftlichen Ansprüchen, andere sind aufgrund der Expertise der Beiträger*innen eher »aus der Praxis«, wieder andere drücken das Erfahrungswissen einzelner Betroffener aus und/oder sind als Expert*inneninterviews gestaltet und beschreiben die Sicht einer Gruppierung. Diese sehr unterschiedlichen Formate ergeben sich aus dem gegenwärtigen Zustand der Diskussion zum Thema Trauma und Gewalt in der geburtshilflichen Betreuung: Es wurde bislang noch wenig wissenschaftlich beleuchtet, betrifft aufseiten der Fachkräfte einen sehr großen, sehr vielfältigen Personenkreis, ebenso aufseiten der Betroffenen, deren Perspektiven die aktuelle Diskussion sehr bereichern können.

Aus dieser Einstellung heraus möchten wir ein besonderes Augenmerk auf die Menschen richten, die sowohl außerhalb als auch im Rahmen der geburtshilflichen Begleitung häufiger von Marginalisierung und Diskriminierung (als eine Form von Gewalt) betroffen sind: Menschen mit Rassismuserfahrung oder gesundheitlichen Einschränkungen, queere Personen, Sexarbeiter*innen. Es reicht nicht aus, das Gespräch ausschließlich auf der wissenschaftlichen oder der professionellen Ebene zu führen. Über Betroffene zu sprechen, ohne sie zu hören, würde eine entscheidende Perspektive außer Acht lassen. Aus Respekt muss die Maxime »Nothing about us without us!« gelten. Wir haben versucht, in diesem Band Beiträger*innen zu versammeln, die der Vielzahl der Perspektiven entsprechen, der Komplexität des Phänomens Ausdruck geben und somit helfen, verfestigte Annahmen aufzuweichen und vermeintlich einfache Sachverhalte, wie »gut – böse«-Zuschreibungen, zu hinterfragen.

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt im geburtshilflichen Kontext ist unter anderem deshalb keine einfache, weil es Menschen auch emotional anfasst und Grenzen einerseits überschreitet, andererseits verwischt. Hebammen und Gynäkolog*innen stellen fest, dass sie selbst Gewalt ausgeübt haben, oder sie wurden während der Arbeit von den Betreuten oder ihren Zugehörigen beleidigt oder waren körperlichen Übergriffe ausgesetzt. Die in der Geburtshilfe Arbeitenden müssen als Zeug*innen beobachten, wenn andere Gewalt erleben – so fühlen sich Hebammenstudierende oftmals machtlos und ohnmächtig, wenn Höhergestellte sie auffordern, missbräuchliche Handlungen vorzunehmen. Nicht zuletzt stellt sich den Fachkräften die Frage nach der eigenen Schuld, und sie brauchen Unterstützung, damit sie gesund bleiben und ihren Beruf weiter empathisch ausüben können.

Gebärende sind aufgrund der speziellen physiologischen Gegebenheiten der Geburt besonders verletzlich und schutzbedürftig: Sowohl körperlich als auch seelisch-emotional macht der Geburtsvorgang eine Gebärende »nackig«. Gewalt in der Geburtshilfe spielt sich immer ab vor dem Hintergrund dieser extremen Verletzlichkeit, in der die Gebärende ihrer Umgebung ausgeliefert ist. Eine gelungene Geburt braucht (berechtigtes!) Vertrauen in die Umgebung – Gewalt in der Geburtshilfe wirkt auch deshalb so perfide und tief in den Betroffenen nach, weil der Ort einer Geburt eigentlich ein ganz besonders geschützter Raum sein muss. Viel zu oft ist er es nicht.

Negative Geburtserfahrungen und Diskriminierung im Kontext Geburtshilfe sind kein Einzelschicksal, sondern es sind gesellschaftliche Prämissen, die sie ermöglichen, verstärken oder zumindest nicht verhindern. Zwar ist es immer das konkrete, situationsgebundene Verhalten einer bestimmten Person (in diesem Fall einer geburtshilflichen Fachkraft – Hebamme, Pflegekraft, gynäkologische Ärzt*in, Anästhesist*in, Kinderärzt*in etc.), das die negativen Erfahrungen der (werdenden) Eltern und anderer Anwesenden auslöst. Dieses »Fehlverhalten« Einzelner ist aber kein autonomes Handeln, sondern abhängig von und eingebettet in systemische Missstände und strukturelle Gegebenheiten in Krankenhäusern, gesundheitspolitische Vorgaben oder Defizite in der Ausbildung. Aktuelle Entwicklungen wie der Fachkräftemangel begünstigen die Entstehung von Gewalt und Trauma und verschlimmern den Fachkräftemangel gegebenenfalls noch, denn traumatisch erlebte Geburten haben Folgen auch für Fachkräfte: Auch bei Hebammen und Geburtshelfer*innen können psychische Folgeerkrankungen auftreten, und manche verlassen aufgrund der Belastung den Beruf (Aydın & Aktaş 2021; Wahlberg et al. 2016).

Doch der Verweis auf strukturelle Mängel darf nicht als Ausrede für fehlende Reflexions- und Handlungsbereitschaft dienen: Wir können dem Phänomen nur entgegentreten, wenn wir alle Ebenen des Problems angehen, sowohl die individuelle als auch die strukturelle und kulturelle.

Das Handbuch gliedert sich in sechs thematisch geordnete Abschnitte, in denen Fachartikel durch die Erfahrungen von betroffenen Eltern und Fachkräften ergänzt werden.

Teil I. Im ersten Teil des Buches wird das Thema Gewalt und Trauma in der geburtshilflichen Betreuung wissenschaftlich betrachtet und theoriegeleitet erörtert: Tina Jung führt aus politik- und sozialwissenschaftlicher Perspektive grundlegend in das Thema Gewalt in der Geburtshilfe ein. Die Geschichte der Roses Revolution in Deutschland beschreibt Katharina Hartmann, und sie begründet, warum die Aktion nicht automatisch eine Gesprächsaufforderung an das Fachpersonal darstellt. Eva Maria Bredler legt den grund- und menschenrechtlichen Rahmen für geburtshilfliche erlebte und ausgeübte Gewalt im deutschen Rechtsystems dar. Rassismus in der Geburtshilfe wird von Reena Suri beleuchtet. Anschließend wirft Tina Jung einen Blick auf den Faktor des sozialen Status und Klassismus als Ursache für Diskriminierung von Schwangeren und Gebärenden in der Geburtshilfe. Anhand psychologischer Forschung erklärt Lisa Hoffmann, wie und warum es zu Respektlosigkeit und Gewalt in der geburtshilflichen Betreuung kommt. Friederike Gerstenberg beschreibt anhand eines Fallbeispiels, wie psychische, soziale und politische Aspekte ineinandergreifen, und leitet daraus mögliche Handlungskonsequenzen ab. Der aktuelle klinisch-psychologische Forschungsstand zum Thema wird von Ariane Göbel, Lydia Rihm und Susan Garthus-Niegel dargelegt. Sie erläutern, zu welchen psychischen Störungen und Pathologien das Erleben von geburtshilflicher Gewalt führen kann. Martina Kruse stellt grundlegend dar, wie Trauma definiert werden und welche Folgen ein traumatisches Erlebnis haben kann.

Teil II beleuchtet das Thema aus dem Blick der Praxis: Eindrücke und Erfahrungen aus der niedergelassenen gynäkologischen Praxis, der geburtshilflichen Klinik, der außerklinischen Geburtshilfe werden aus persönlichen und beruflichen Perspektiven geschildert. Dazu berichtet Ulrike Bös aus der Sichtweise einer niedergelassenen Gynäkologin, wie das geburtshilfliche Trauma und Gewalterleben nicht nur die Schwangerenbegleitung betrifft, sondern auch noch Jahrzehnte später ein Thema für die Patient*innen sind. Stéphanie Berrut de Berrut erläutert aufgrund ihrer professionellen Erfahrung, wie traumatische Erlebnisse und Gewalt eine Rolle in der Arbeit einer psychosozialen Beratungsstelle spielen können.

Rassismus im geburtshilflichen...

Erscheint lt. Verlag 17.8.2024
Co-Autor Lena D. Ontrup, Miriam Al Msalma, Stéphanie Berrut de Berrut, Ulrike Bös, Eva Maria Bredler, Benjamin Dittrich, Susan Garthus-Niegel, Friederike Gerstenberg, Tatjana Geschwendt, Giovanna Gilges, Ariane Göbel, Susanne Heynen, Andrea Hocke, Lisa Hoffmann, Franziska Hohmuth, Tina Jung, Sandra Kern, Rebecca Körner, Alexander Korittko, Ute Lange, Anne Christine Manawa Nougho, Daniel Masch, Tanja Kuhnert, Jens Pagels, Lydia Rihm, Angela Rocholl, Ska Salden, Margarete Sommer, Claudia Schumann-Doermer, Reena Suri, Barbara Walcher, Katrin Boger
Vorwort Wolf Lütje
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Traumatherapie
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Angehörige bei Geburt • Geburt • Geburtshilfe und Gewalt • Gewalt Ärzte • Gewalt bei der Geburt • gewaltfreie Geburt • Gewalt Hebammen • Gewalt im Kreißsaal • Gewalt Schwangere • Gewalt Schwangerschaft • Grenzüberschreitung bei Geburt • Gynäkologie und Geburtshilfe • Retraumatisierung Geburt • roses revolution • Trauma Geburt • traumatisierte Hebamme • Vergewaltigung und Geburt
ISBN-10 3-608-12322-9 / 3608123229
ISBN-13 978-3-608-12322-7 / 9783608123227
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