Neubrandenburg
Steffen Verlag
978-3-95799-130-0 (ISBN)
Jenny Krüger, geb. 1981 in Neubrandenburg, erwarb 2006 das Ingenieursdiplom für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung an der Hochschule Neubrandenburg. Seit 2003 hat Jenny Krüger in Planungs- und Architekturbüros sowie im öffentlichen Bereich in der Stadtplanung und Stadtgestaltung gearbeitet. Ihre Begegnung mit dem Architekten und Stadtplaner Lutz Braun (1960–2022) führte zu einer regelmäßigen Zusammenarbeit bei städtebaulichen Projekten und bildet die Grundlage für dieses Buch.
Städte sind so individuell wie Menschen. Der Grundriss einer Stadt ist wie ein Fingerabdruck. Auf der nebenstehenden Seite ist ein sogenannter Schwarzplan abgebildet. Durch Darstellung der bebauten Flächen entsteht ein „Stadtabdruck“, der in der Stadtplanung der städtebaulichen Analyse dient. Kneift man die Augen zusammen, tritt die Baustruktur von Neubrandenburg hervor. Auffällig sind die Spuren der mittelalterlichen Stadtgründung kreisrund in der Mitte und die typischen Strukturen der Plattenbaugebiete. Während Einfamilienhausgebiete organisierte „Punkte mit Ecken“ sind, deuten große gefüllte Rechtecke auf Stätten für Versorgung, Industrie und Gewerbe hin. Solitärbauten sind freistehend und haben häufig eine markante Grundform. Diese können Wohnhäuser, öffentliche Gebäude, Indus- trieanlagen sowie Denkmale sein. Unterbrechungen der Siedlungsstruktur weisen auf die Lage von linearen Infrastrukturen wie Schienen und Straßen oder natürliche Zäsuren, wie Hänge und Täler, Gewässer und Wäldchen hin. Letztere sind oft Orte der Naherholung und ökologische Nischen, die für Frischluft und Kühlung in der Stadt sorgen. Nebengebäude, wie Garagen, erzeugen dichte Zeilen. Kleingärten bilden rasterhafte Pünktchenkolonien. Was da in abstrakter Form auf der Karte liegt, sind die Formationen realer Gebäude. Durch ihre Gestalt, Größe und Stellung innerhalb des Gefüges wirken sie dabei harmonisch eingepasst oder herausgestellt. Die Organisation von sichtbaren, ästhetischen oder einfach „schönen“ Elementen der Stadtgestaltung ist eine Aufgabe des Städtebaus. Die 1968 bis 1973 in Neubrandenburg lebende Schriftstellerin Brigitte Reimann fand treffende Worte für ihre neue Heimatstadt, als sie in einem Dokumentarfilm von Berd Scharioth, für den sie den Text schrieb, eine durch die Innenstadt spazierende Architektin sagen ließ: „Was mir hier gefällt, sind die Kontraste, die sich so glücklich zusammenfügen. Backstein und Rasterbau, Fachwerk und Beton, der alte Wall und die Transitstraße.“ („Sonntag, den … Briefe aus einer Stadt“, aus der Filmreihe: „Auf Entdeckungsreise durch die DDR“, 1969) Die Frau könnte die vielbeachtete Stadtarchitektin Dr. Iris Dullin¬-Grund sein. Über die Staatsgrenzen hinaus erhielt sie Anerkennung für ihren innovativen Generalbebauungsplan (1979) für Neubrandenburg. Dabei schuf sie in der von der Eiszeit geformten Landschaft eine städtebauliche Struktur, die an die Topografie angepasst ist. Über die Stadtgrenzen hinaus legte sie auf den Geländehöhen Wohngebiete an, die zusammen mit dem historischen Kern eine Großstadt ausfüllen sollten. Neubrandenburg kann als 15-Minuten-Stadt verstanden werden. Je nach Startpunkt reichen 15 Minuten zu Fuß, mit dem Fahrrad oder Auto, um das Stadtzentrum zu erreichen. Innerhalb der Wohngebiete geht es bei alltäglichen Wegen zum Einkauf, zur Schule und zum Kindergarten oft noch schneller und ganz ohne Auto. Das städtebauliche Prinzip „Satellitenstadt“ wird nach der politischen Wende auf breiter Ebene kontrovers diskutiert. Der industrielle Wohnungsbau der 1970er bis 1990er Jahre ist dabei einprägsam. Auf den ersten Blick scheint das Bild Neubrandenburgs von Plattenbauten bestimmt. Jedoch bietet die Stadt viel mehr, und Platte ist nicht gleich Platte. Die hier entwickelte Wohnungsbauserie WBS 70 ist zum festen Bestandteil der DDR-Architektur geworden, auch bedingt durch ihre flexible Einsatzweise mit optionalen individuellen Details. Dies sind zum Beispiel: das „Blumenfenster“, Gesimse und keramische Gestaltung der Fassadenoberflächen, aber auch Erker, Loggien und Wintergärten sowie Dachabschlüsse, Giebelbalkone und Ecklösungen. Eine alte Stadt wie Neubrandenburg, gegründet 1248, war und ist gesellschaftspolitischen Wandlungen ausgesetzt. Im Städtebau kann man solche Brüche anhand der Bebauung ablesen. Die sich wandelnde Ordnung und Organisation von Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Sozialem drücken sich im Bauen und im Umgang mit dem Bestand aus. Seit jeher hat die Stadt auf einschneidende Veränderungen reagiert und sich an vielen Stellen erneuert. Eine stetige Stadtentwicklung bringt dabei Nahtstellen im Stadtkörper hervor, die Spannungen durch Kontraste erzeugen. Das Miteinander verschiedener Architektursprachen dokumentiert die vorgenommene Neuordnung und verweist auf die Baugeschichte. Aufgrund der jeweiligen Erfordernisse werden vorhandene Häuser erneuert, umgebaut oder entfernt. Straßen werden verändert, neue Gebäude entstehen zwischen alten oder in ganz neu erschlossenen Gebieten auf der grünen Wiese. Die Stadt wächst und unterliegt einer ständigen Bewährungspflicht. Werte, Bedarfe und Bauverfahren wandeln sich. Dabei beeinflussen sowohl große Bauprojekte als auch kleine Maßnahmen das Stadtbild. Die Gestaltung von Zwischenräumen kann Architektur neu in Szene setzen und Stadträume beleben. Die Schokoladenseiten werden zu Postkartenmotiven, die Alltagsräume der Menschen mit ihren oft versteckten Qualitäten bleiben im Hintergrund. Das Bild der Stadt ist subjektiv, denn es entsteht durch die visuelle Wahrnehmung der gebauten Umwelt beim Betrachter und ist beeinflusst von seinem Bedürfnis nach Orientierung und Anregung. Die Auswahl der gezeigten Objekte geht im Wesentlichen auf die Aufzeichnungen des in Neubrandenburg wirkenden Architekten und Stadtplaners Lutz Braun (1960–2022) zurück, der für dieses Buchprojekt eine erste Zusammenstellung vornahm. Entstanden ist eine individuelle Sammlung von Ergebnissen des Städtebaus, der Gebäude- und Landschaftsarchitektur und darüber hinaus auch der Gedenkstätten und Geschichtsdenkmale in Neubrandenburg. Sie kann als persönliches städtebauliches Album eines leidenschaftlichen Stadtplaners angesehen werden. Nach räumlichem Bezug angeordnet, finden sich auf den folgenden Seiten sowohl Einzelansichten als auch weite Aufnahmen von Stadtbereichen, in denen sich Alt und Neu miteinander arrangieren. Die Aufnahmen sind aus der Fußgängerperspektive aufgenommen. Zu sehen sind alte Bekannte und vielleicht noch unbekannte Neubrandenburger Originale in schlichten Fotografien. Dieses Buch möchte auf die bauliche Vielfalt Neubrandenburgs aufmerksam machen und so das baukulturelle Gedächtnis anreichern. Der Betrachter ist eingeladen, die individuellen Kontraste und versteckten Qualitäten dieser Stadt aufzuspüren. Jenny Krüger Oktober 2023
Erscheinungsdatum | 12.12.2023 |
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Zusatzinfo | 170 farbige Bilder, 8 farbige Karten (Ausschnitte Stadtbereiche) |
Verlagsort | Friedland (Meckl.) |
Sprache | deutsch |
Maße | 240 x 280 mm |
Gewicht | 770 g |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Regional- / Landesgeschichte |
Geschichte ► Teilgebiete der Geschichte ► Kulturgeschichte | |
Schlagworte | 775 Jahre Neubrandenburg • Architektur • Baugeschichte • DDR-Architektur • Gebäudearchitektur • Gedenkstätten • Geschichtsdenkmale • Landschaftsarchitektur • Stadtbild • Städtebau • Stadtentwicklung • Stadtjubiläum • Stadtplanung • Stadträume • Vier-Tore-Stadt • Wohnungsbau |
ISBN-10 | 3-95799-130-7 / 3957991307 |
ISBN-13 | 978-3-95799-130-0 / 9783957991300 |
Zustand | Neuware |
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