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Frieden schaffen (eBook)

Die Alliierten und die Neuordnung Europas (1940-1945)
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
352 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45450-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Frieden schaffen -  Wilfried Loth
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Churchill, Roosevelt, Stalin und später auch de Gaulle: Wie dachten die Alliierten über die Zukunft Deutschlands und Europas nach dem Sieg über das NS-Imperium? Wie wollten sie den Frieden sichern, der am Ende des Zweiten Weltkrieges stehen würde? Wilfried Loth entwirft ein umfassendes Panorama der Pläne und Verhandlungen der künftigen Siegermächte, das sich nicht nur auf die Frage nach den Ursachen des Kalten Krieges und die Verantwortung für die Teilung Deutschlands beschränkt. Er wertet neues Material insbesondere aus russischen und französischen Archiven aus und bezieht erstmals die Pläne des antifaschistischen Widerstands und Exils in die Nachzeichnung der Kriegszieldiskussion ein. So kann er zeigen, dass es zwischen den Alliierten mehr Gemeinsamkeiten als Gegensätze gab. Die Konferenzen von Jalta und Potsdam bildeten daher die Grundlage für eine Friedensordnung, die erst nach 1989 voll verwirklicht werden konnte. Nicht zuletzt kann die Rückschau helfen, Maßstäbe für Friedensschlüsse heutiger Kriege zu finden.

Wilfried Loth ist emeritierter Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Duisburg-Essen.

Wilfried Loth ist emeritierter Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Duisburg-Essen.

Einleitung


Kriege kann man gewinnen und doch den Frieden verlieren. Die »Großen Drei«, die sich 1941 zur Anti-Hitler-Koalition verabredeten, wollten das nicht. Winston Leonard Spencer Churchill, Iosif Vissarionovič Stalin und Franklin Delano Roosevelt wollten über die Verfolgung spezifischer Interessen Großbritanniens, der Sowjetunion und der USA hinaus einen dauerhaften Frieden, der eine Wiederholung des deutschen Angriffs auf ihre Länder für absehbare Zeit und möglichst für immer ausschloss. Wie kann man nach dem militärischen Sieg über das nationalsozialistische Deutschland und seine Verbündeten einen Frieden schaffen, der anders als das Friedenssystem von Versailles nachhaltig ist und das erneute Aufkommen von Revanchismus und aggressivem Nationalismus auf Dauer verhindert? Diese Frage bewegte während des Zweiten Weltkriegs viele Politiker und Experten im Kreis der künftigen Siegermächte, aber auch im demokratischen Widerstand im besetzten Europa und in der deutschen Opposition gegen Hitler. Darum wurde die Kriegsführung der Alliierten von Planungen für die Zukunft Deutschlands und Europas begleitet, und mit dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 begannen sogleich Verhandlungen über die Friedensordnung, die man nach einem gemeinsamen Sieg über Hitler-Deutschland zu schaffen gedachte. Weil das Deutsche Reich ein Imperium errichtet hatte, das sich praktisch über den gesamten europäischen Kontinent erstreckte, und die Kriegsführung der Anti-Hitler-Koalition darauf gerichtet war, dieses Imperium zu zerschlagen, betrafen diese Verhandlungen zugleich die Neuordnung Europas nach dem angestrebten Sieg und damit die künftige Weltordnung im Allgemeinen.

Die ideologischen und strukturellen Gegensätze zwischen der stalinistischen Diktatur der Sowjetunion auf der einen und den westlichen Demokratien auf der anderen Seite haben nicht nur die Verhandlungen über die Nachkriegsordnung belastet. Sie legen auch die Auffassung nahe, dass das Verhandlungsergebnis wenig tragfähig war, und lassen den Weg zum Kalten Krieg mehr oder weniger vorgezeichnet erscheinen. Die spätere Erfahrung des Kalten Krieges und eine verständliche Tendenz, seine Anfänge möglichst weit zurück zu verfolgen, haben diese Auffassung weiter bekräftigt.

Eine solche Sichtweise ist jedoch tendenziell ahistorisch. Sie verkennt, dass es neben den Gegensätzen auch Gemeinsamkeiten zwischen den künftigen Siegermächten gab, und dass die Erfahrung, bei der Verfolgung ihres Hauptkriegsziels auf die Verbündeten angewiesen zu sein, diese Gemeinsamkeiten nachhaltig verstärkte. Gemeinsam war den Verbündeten der Anti-Hitler-Koalition nicht nur das Ziel, das deutsche Imperium über Europa niederzuringen. Sie stimmten auch dahingehend überein, dass eine vergleichbare Bedrohung nie wieder von Deutschland ausgehen dürfe und dass darum auch die gesellschaftlichen Wurzeln der nationalsozialistischen Bewegung beseitigt werden müssten. Ebenso gehörte zu ihren gemeinsamen Zielen, sich generell für absehbare Zeit vor einer erneuten kriegerischen Bedrohung zu schützen. Die Führungsgruppen der »Großen Drei« wussten, dass beide Ziele noch am ehesten zu erreichen waren, wenn sie ihre Kooperation über den angestrebten vollständigen Sieg über die Achsenmächte hinaus fortsetzten.

Freilich herrschte große Unsicherheit, wie Sicherheit vor Deutschland auf Dauer erreicht werden könnte. Die Erfahrung, dass die Friedensregelungen der Pariser Vorortverträge nach dem Ersten Weltkrieg hierzu nicht gereicht hatten, stand allen Beteiligten eindringlich vor Augen. Welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen waren, in welcher Hinsicht das System von Versailles korrigiert werden sollte, darüber gingen die Auffassungen jedoch beträchtlich auseinander. Gegensätzliche Auffassungen bildeten sich dabei nicht so sehr zwischen den künftigen Siegermächten aus als vielmehr innerhalb der Führungsgruppen der Siegermächte. Gleichartige Auffassungen in unterschiedlichen Lagern wirkten oft unbewusst zusammen, und Entscheidungen für die eine oder andere Lösung fielen in einem komplizierten Wechselspiel zwischen inneren Auseinandersetzungen und Verhandlungen zwischen den »Großen Drei«.

Unterschiedliche strategische Interessen und innenpolitische Rücksichten der drei Siegermächte spielten in dem Entscheidungsprozess ebenfalls eine Rolle, auch wenn sie deutlich hinter den konzeptionellen Gegensätzen zurückstanden. Mit der Entscheidung vom Februar 1945, Frankreich als vierte Besatzungsmacht in Deutschland und Österreich in den Kreis der Siegermächte aufzunehmen, kam noch ein weiterer Interessenkomplex hinzu, der die Suche nach gemeinsam getragenen Lösungen weiter erschwerte. Damit waren die Gegensätze, die auf die Nachkriegsplanung der Alliierten einwirkten, denkbar vielfältig. Dass dennoch Vereinbarungen gelangen, unterstreicht den Entscheidungsdruck, der von den gemeinsamen Interessen ausging. Angesichts der vielen Gegensätze nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch zwischen den westlichen Siegermächten und innerhalb der Lager der Siegermächte kann es aber auch nicht überraschen, dass sich diese Vereinbarungen als nur begrenzt tragfähig erwiesen.

Die Anführer der Widerstandsgruppen, die sich in den von Hitler-Deutschland besetzten Ländern und auch im Deutschen Reich selbst herausgebildet hatten, waren an den Entscheidungen der künftigen Siegermächte ebenso wenig direkt beteiligt wie die Politiker der verschiedenen europäischen Länder, die vor der nationalsozialistischen Herrschaft ins Exil geflohen waren. Beide Gruppen versuchten aber durchaus, auf die Positionen der Siegermächte Einfluss zu nehmen, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg. Und da sie über nationale und weltanschauliche Grenzen hinweg oft zu gleichartigen Schlussfolgerungen im Hinblick auf eine dauerhafte Friedensordnung gekommen waren, entwickelten sie sich zu einer realen politischen Kraft, der bei der Umsetzung der Vereinbarungen der Alliierten eine Schlüsselrolle zukam.

Mit den militärischen Entscheidungen des Krieges wandelte sich das internationale System. Die USA stiegen zur ersten Weltmacht auf und wurden damit zu einer Macht, die die Verhältnisse in den übrigen Teilen der Welt nicht mehr sich selbst überlassen konnte. Die Sowjetunion entwickelte sich zur stärksten Militärmacht des europäischen Kontinents. Dessen Zukunft und damit auch die Zukunft Deutschlands wurde in erster Linie vom Verhältnis dieser beiden Haupt-Siegermächte abhängig. Großbritannien und die kleineren Staaten des westlichen Europas mussten notgedrungen lernen, ihre Interessen mit den Bedürfnissen der amerikanischen Vormacht abzustimmen. Die Vereinbarungen über die Zukunft Deutschlands wurden zu einem zentralen Bindeglied im Verhältnis zwischen den USA und der Sowjetunion; sie gerieten in Gefahr, sobald sich dieses Verhältnis verschlechterte.1

Der Gang der Diskussion und der Verhandlungen über einen Frieden nach dem Zweiten Weltkrieg soll im Folgenden bis zu ihren Hauptergebnissen an der Jahreswende 1945/46 nachgezeichnet werden. Die Darstellung stützt sich auf die bisherigen Forschungen zur alliierten Kooperation und zur Deutschland- und Besatzungsplanung der Alliierten und des Widerstands und führt sie in Teilbereichen fort, insbesondere im Hinblick auf die Haltung des sowjetischen Verbündeten und die Rolle der vierten Siegermacht Frankreich. Darüber hinaus wird zum ersten Mal die Diskussion im Widerstand und im Exil in die Rekonstruktion des Entscheidungsprozesses miteinbezogen. Auf diese Weise soll deutlich werden, dass die Nachkriegsordnung Europas, die aus dem Zweiten Weltkrieg hervorging, nicht einfach nur eine Ordnung des Kalten Krieges war. Sie enthielt wesentliche Elemente, die auf der übereinstimmenden Deutung der Siegermächte beruhten, und bot darum Ansatzpunkte zu ihrer Bekräftigung nach dem Ende des Ost-West-Konflikts.

Eine erste Fassung dieser Darstellung, noch ohne Einbeziehung des Widerstands und des Exils, wurde im Rahmen des Schlussbandes des Grundlagenwerks Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, herausgegeben vom Militärischen Forschungsamt der Bundeswehr, veröffentlicht.2 Für diese Buchausgabe wurde sie aktualisiert und erweitert. Die erweiterte Fassung soll nicht nur das Verständnis für Neuordnung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg fördern, die, wie zu zeigen sein wird, in ihren Grundzügen über das Ende des Kalten Krieges hinaus Bestand hatte. Sie soll auch Orientierung in einer Zeit bieten, in...

Erscheint lt. Verlag 16.8.2023
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte 1918 bis 1945
Schlagworte Alliierte • Antifaschistischer Widerstand • Anti-Hitler-Koalition • Außenpolitik • Besatzungsmächte • Charles de Gaulle • Demokratisierung Deutschlands • Deutsche Frage • Deutsches Reich • Deutschland • Deutschlandpläne • Diplomatie • Entstehung der Friedensordnung nach dem Zweiten Weltkrieg • Europa • Europapläne • European Advisory Commission • Franklin D. Roosevelt • Frankreich • Frieden nach dem Ukraine-Krieg • Friedenskonferenzen nach 1945 • Friedensordnung • Friedensverhandlung • Großbritannien • große Drei • Harry Truman • Integration • Konferenz von Jalta • Konferenz von Potsdam • Militärgeschichte • Nationalsozialismus • NATO • Pläne • Politikgeschichte • Potsdamer Abkommen • reeducation • Russland • Sicherheitsorganisation • Sicherheitsrat der Vereinten Nationen • Siegermächte • Sowjetunion • Stalin • Teilung Deutschlands • Ukraine • USA • Verhandlungen • Waffenstillstand • Widerstandsbewegung • Winston Churchill • Zeitgeschichte • Zukunft Deutschlands
ISBN-10 3-593-45450-5 / 3593454505
ISBN-13 978-3-593-45450-4 / 9783593454504
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