Die Stoikerin (eBook)
256 Seiten
FinanzBuch Verlag
978-3-98609-383-9 (ISBN)
Anne Gehrmann, Autorin und Juristin, beschäftigt sich seit Jahren mit Stoizismus als Lebensphilosophie. Ihre Mission ist es, modernen Stoizismus bei Frauen bekannt zu machen und ihnen mit der antiken Philosophie konkrete Lebenshilfe an die Hand zu geben. Sie hat mehrere Jahre als Wirtschaftsanwältin gearbeitet und sechs Jahre im Silicon Valley in Kalifornien gelebt, wo sie Stoizismus für sich entdeckt hat. Aktiv in der Community der modernen Stoizismus-Bewegung hat sie schon mehrere Konferenzen speziell für Frauen moderiert. Die Mutter von drei Kindern lebt mit ihrer Familie in Hamburg.
Anne Gehrmann, Autorin und Juristin, beschäftigt sich seit Jahren mit Stoizismus als Lebensphilosophie. Ihre Mission ist es, modernen Stoizismus bei Frauen bekannt zu machen und ihnen mit der antiken Philosophie konkrete Lebenshilfe an die Hand zu geben. Sie hat mehrere Jahre als Wirtschaftsanwältin gearbeitet und sechs Jahre im Silicon Valley in Kalifornien gelebt, wo sie Stoizismus für sich entdeckt hat. Aktiv in der Community der modernen Stoizismus-Bewegung hat sie schon mehrere Konferenzen speziell für Frauen moderiert. Die Mutter von drei Kindern lebt mit ihrer Familie in Hamburg.
Vorwort
Mein Schiffbruch-Moment
Meinen Schiffbruch-Moment habe ich noch bildlich vor mir: Ich saß auf dem Teppich im Wohnzimmer unseres kleinen Hauses in Kalifornien, das aussah wie viele andere in unserer Straße, und weinte hemmungslos – so ein unschönes Weinen, wenn einen keiner sieht, nicht das niedliche, bei dem ein, zwei Tränen die Wange herunterrollen. Es war Anfang Mai 2020 und die Welt, wie ich (und Millionen andere Menschen) sie kannten, gab es nicht mehr. Seit Wochen waren wir im Lockdown, umgeben von einer unsichtbaren Bedrohung, von der zu dem Zeitpunkt noch niemand sagen konnte, wie gefährlich sie war oder wie lange sie bleiben würde. Mein Mann, gewohnt entspannter Hanseat mit Ruhepuls unter 60 und grundsätzlicher Optimist, war der Meinung, dass in wenigen Monaten eine Impfung gefunden sein und der ganze Spuk sich in Luft auflösen werde.
Aber ich spürte ganz stark, dass das nicht stimmte. Eine Wand aus Angst und Panik baute sich in mir auf. Meine Gedanken kreisten: Was wäre, wenn wir beide gleichzeitig dieses Virus bekämen? Wer würde sich um unsere kleinen Kinder kümmern? Unsere Familie aus Deutschland durfte nicht mehr einreisen. Wie viele Menschen würden sterben? Wie sollte unsere Gesellschaft so funktionieren? Ich wollte Kontrolle über die Situation gewinnen und betrieb, was als »Doomscrolling« einen eigenen Ausdruck bekam: Ich konsumierte so viele Nachrichten wie nur möglich, hörte stundenlang Experteninterviews. Frauen mit Autoimmunerkrankungen sollen besonders gefährdet sein für schwere Verläufe? Ich sah mich mit einem Bein im Grab. Je mehr ich in mich aufsog, umso angespannter und ängstlicher wurde ich.
Dazu kam, dass das Eingesperrtsein im eigenen Haus bei mir starke Gefühle von Beklemmung und Panik weckte. Im Vergleich zu vielen anderen lebten wir privilegiert – immerhin hatten wir ausreichend Platz und einen Garten, in dem die Kinder toben konnten. Trotzdem rief dieser Zustand Erinnerungen an eine Zeit hervor, die ich lieber vergessen wollte: Es waren die wochen- und teilweise monatelangen Episoden der vergangenen Jahre, in denen die Wälder in Kalifornien nah und fern in Flammen standen und die Luftqualität so schlecht war, dass sie ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstellte. Im Herbst 2018 war es besonders schlimm und ich hochschwanger, hinsichtlich der Auswirkungen auf das Baby voller Sorge. Ich blieb im Haus, in dem in jedem Wohnraum Tag und Nacht Luftreiniger liefen. Das Leben in Kalifornien war nicht nur sonnig.
Zu Beginn der Pandemie jedenfalls machte mich die Ungewissheit in der neuen Situation unruhig, launisch und ständig gereizt. Ich suchte nach etwas, das mir Halt, Ruhe und Vertrauen gab. Unsere Krankenkasse, amerikanisch schnell und patent, bot einen kostenlosen Zugang zu einer Meditations-App an. Ich hatte noch nie meditiert, war aber bereit, nach jedem Strohhalm zu greifen. In der App stieß ich auf eine sogenannte Masterclass, Stoic Wisdom for Modern Life, with Bestselling Author and Expert on Stoicism Ryan Holiday. Stoizismus? Was war das noch mal? Ganz dunkel meldete sich in meinem Gedächtnis die Erinnerung an den Lateinunterricht. Stoizismus klang streng und ernst und so gar nicht entspannt. Was hatte das mit meinem Ziel, innere Ruhe zu finden, zu tun? Was hatte das Thema in einer Meditations-App zu suchen? Mein Interesse war geweckt.
Was ich in den nächsten knapp 40 Minuten hörte, änderte mein Leben. Es klingt pathetisch, aber so war es. Es war, als ob sich eine Tür geöffnet hätte zu einer neuen Welt. Kein Thema hatte mich zuvor je so fasziniert wie diese antike Philosophie, über die ich mehr und mehr erfahren wollte – eine Philosophie, die Menschen vor 2000 Jahren auf der Suche nach einem guten Leben geholfen hat und die dabei so unglaublich modern und zeitgemäß ist. Ich verschlang Fachbücher und Originaltexte, belegte einen Kurs an der Stanford Universität zum Thema, besuchte viele Online-Workshops und brachte mich in die immer größer werdende Online-Community von Menschen, die sich für die Philosophie begeistern, ein. Als gelernte Juristin war ich es gewohnt, mich mit komplexen theoretischen Zusammenhängen zu beschäftigen – aber dieses philosophische Denksystem war gleichzeitig so lebensnah. Ich konnte meine Erkenntnisse unmittelbar in meinem Alltag umsetzen.
Stoizismus gab mir die Kraft und die innere Stärke, um mit den nächsten Schicksalsschlägen umzugehen – und die sollten kommen, diesmal persönlichere als eine Pandemie. Er lehrte mich, klarer über die Welt an sich und meine Rolle darin nachzudenken. Er half mir, mich bewusster mit meinen eigenen Gefühlen, in erster Linie den negativen, auseinanderzusetzen. Er gab mir praktische Werkzeuge an die Hand, mit denen ich mich meinen Ängsten und Sorgen stellen konnte. Er schärfte meine Aufmerksamkeit dahingehend, was mir wirklich wichtig ist im Leben. Wo ich meine Kraft einsetzen soll und wo sie verschwendet ist. Er brachte mir bei, wie wichtig es ist, nicht vorschnell zu urteilen, sondern eine gedankliche Pause einzulegen, bis man eine Situation besser einschätzen kann.
Ich bin durch den Stoizismus ruhiger und gelassener geworden, reflektierter und klarer im Denken. Dadurch, dass ich so viel über mich und meine Gedanken gelernt habe, haben sich meine Beziehungen zu meinen Mitmenschen verbessert – in meiner Kernfamilie, meiner erweiterten Familie, meinem Freundeskreis. Es machte mich zu einer »besseren« Tochter, Schwester, Partnerin, Mutter, Freundin, Kollegin und zu einem besseren Teil der Gesellschaft im Ganzen, da ich meine Rollen klarer definieren kann und in ihnen seitdem mehr aufgehe.
All diese Dinge kann Stoizismus auch in deinem Leben bewirken, und dieses Buch wird dir zeigen, was die Schlüssel dazu sind. Im ersten Teil werde ich die Grundzüge der antiken Philosophie aufzeigen, ohne deren Kenntnis keine praktische Ausführung möglich ist. Im zweiten Teil stelle ich die wichtigsten stoischen Übungen vor, denn es handelt sich um eine praktische Philosophie, die durch Wiederholung und konkrete Anwendung im täglichen Leben erst ihren Sinn entfaltet. Der dritte Teil leitet dich durch einen Übungsmonat, in dem du dich ganz konkret als Stoikerin1 üben kannst, indem du dich mit den darin vorgeschlagenen Fragen und Themen beschäftigst.
Die im Übungsmonat enthaltene Zusammenstellung von Denkanstößen ist innovativ und dabei einfach in den Alltag zu integrieren. In unserem vollgepressten, oft hektischen Tagesablauf macht nur ein Plan Sinn, der auch realistisch umgesetzt werden kann. Oft ist es neben unseren vielfältigen Verpflichtungen und Aufgaben schon herausfordernd, nur eine kleine Zeiteinheit für sich selbst abzuzwacken. Deswegen sind täglich nur wenige Minuten für diese philosophischen Übungen vorgesehen.
Du wirst feststellen, was auch nur eine kurze Einheit der Achtsamkeit und Reflexion für Auswirkungen auf dein gesamtes Denken und Fühlen haben wird. Wie Studien zeigen, dauert es mehrere Wochen, um eine neue Routine zu entwickeln, um neue Gewohnheiten in Fleisch und Blut übergehen zu lassen. Mit diesem Übungsmonat wird es dir leicht gemacht, am Ball zu bleiben, denn du wirst an der Hand genommen und es wird dir immer leichter fallen, dich in der philosophischen Selbstreflexion zu üben.
Warum habe ich meine erste Begegnung mit Stoizismus gerade als »Schiffbruch-Moment« bezeichnet? Neben dem Ausdruck, nach dem jemand in einer schwierigen Lebenssituation einen Schiffbruch erleidet, hat dieses Bild im Stoizismus noch einen weiteren Grund. Ohne einen tatsächlich stattgefundenen Schiffbruch hätte sich die stoische Philosophie womöglich nie entwickelt.
Der Gründer des Stoizismus, ein wohlhabender Kaufmann namens Zenon von Kition (dem heutigen Zypern), erlitt der Überlieferung nach im 4. Jahrhundert vor Christus einen Schiffbruch, bei dem er seine gesamte Fracht, bestehend aus wertvoller Purpurfarbe, verlor und in Athen strandete. Dort begab er sich der Legende nach in einen Buchhandel (den man sich nicht wie die Buchhandlung um die Ecke vorstellen darf, sondern vollgepackt mit Papyrusrollen handgeschriebener Texte). Er griff wahllos einen der Texte und las in ihm über den berühmten Philosophen Sokrates. Inspiriert fragte er den Buchhändler, wo er einen solchen Mann, einen Philosophen, finden könne, und wie der Zufall es wollte, lief der Philosoph Krates von Theben vorbei, dem sich Zenon anschloss und sein Leben von nun an der Philosophie (philosophía = die Liebe zur Weisheit) widmete. Er pflegte zu sagen, dass seine gewinnbringendste Reise an dem Tag begann, an dem er Schiffbruch erlitt.
Und so ist das manchmal im Leben. Ein Ereignis, das im ersten Moment und instinktiv schlecht wirkt, entpuppt sich später als Wendepunkt, der dem Leben eine neue, positive Richtung gegeben hat. Als Herausforderung, an der man wachsen kann. Manchmal sogar als das Beste, was einem je passiert ist. Wie die Trennung, die dazu führt, dass wir uns aus einem toxischen Beziehungsgeflecht befreien. Die Kündigung, die zu einer neuen beruflichen Richtung führt. Die Krankheit, die uns realisieren lässt, dass unsere bisherige Prioritätensetzung uns nicht gutgetan hat. Aber eben erst aus der Retrospektive, der...
Erscheint lt. Verlag | 19.11.2023 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Philosophie ► Geschichte der Philosophie |
Schlagworte | Angst besiegen • Ängste bewältigen • Ausgleich • Balance • Entspannung • Erfülltes Leben • Ethik • Gelassenheit • Glück • glückliches Leben • Moral • Philosophie • Resilienz • Selbstbeherrschung • Stoa • Stoizismus • Stoizismus für Frauen • stress abbauen • unerschütterlich • Zufriedenheit |
ISBN-10 | 3-98609-383-4 / 3986093834 |
ISBN-13 | 978-3-98609-383-9 / 9783986093839 |
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