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Sozialtherapeutisches Rollenspiel (eBook)

Erfahrungen mit einer Methode der psychosozialen Behandlung im Rahmen der Sozialarbeit/Sozialpädagogik

(Autor)

Walter Schild (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2022 | 4. Auflage
239 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61700-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sozialtherapeutisches Rollenspiel -  Adelheid Stein
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Das Sozialtherapeutische Rollenspiel ist eine klassische Methode der psychosozialen Arbeit. Sie wird vor allem in der Gruppenarbeit eingesetzt, z. B. in Suchtkrankenhilfe, in der Psychiatrie, aber auch in Elterngruppen, Erziehungsberatungsstellen und in der Supervision für Profis. Das Buch von Adelheid Stein macht den Leser vertraut mit der Methode: -- Wie bereitet man das Sozialtherapeutische Rollenspiel vor? -- Was ist bei der Durchführung und bei der Reflexion zu beachten? -- Welche Spielideen eignen sich für eine Fragestellung? Die vielfältigen Spielideen sind nach Themengebieten sinnvoll geordnet -- Kennenlern- und Beziehungsspiele, wahrnehmungszentrierte und problemzentrierte Spiele, Fantasie- und Erlebnisspiele. Für die 4. Auflage -- die erste nach dem Tod von Adelheid Stein (T 2001) -- wurde das Buch von einem Redaktionsteam überarbeitet und ergänzt.

Dr. Adelheid Stein (T 2001) war Professorin für Psychologie, Sonder- und Heilpädagogik/Sozialarbeit der Kath. Stitungsfachhochschule München. Heute wird ihr Werk durch die Adelheid-Stein-Institute weiter getragen.

Dr. Adelheid Stein (T 2001) war Professorin für Psychologie, Sonder- und Heilpädagogik/Sozialarbeit der Kath. Stitungsfachhochschule München. Heute wird ihr Werk durch die Adelheid-Stein-Institute weiter getragen.

2 Ausgangspunkte für Veränderungen in der Sozialarbeit/Sozialpädagogik


2.1 Die Klienten der Sozialarbeit/Sozialpädagogik


„Klient“ war zunächst der Begriff für den Hörigen, Halbfreien, Abhängigen, später für den Schutzbefohlenen, und heute ist „Klient“ die übliche Bezeichnung für denjenigen, der einem Rechtsanwalt den Auftrag erteilt hat, ihn in Rechtssachen zu vertreten und zu beraten. Damit kann der Begriff „Klient“ dem, was mit partnerschaftlicher Wechselbeziehung zwischen Hilfsbedürftigem und Helfer gemeint ist, nicht gerecht werden. Im Rahmen der Sozialarbeit/Sozialpädagogik scheint eine Umdeutung dieses Begriffs eingeleitet zu sein, die auf personale Wechselwirkung abzielt, eine Form der Hilfe meint, die das Selbsterfassen und das Selbstlösen von Problemen bewirkt und keinesfalls durch „Schutzherrnfunktion“, vielmehr durch Partnerschaft zu erreichen ist. Sozialarbeit/Sozialpädagogik hat es mit Personen zu tun, die in irgendeiner Form und aufgrund unterschiedlichster Ursachen hilfsbedürftig wurden, d. h. auch mit solchen Personen, die ihre Hilfsbedürftigkeit selber verursacht haben.

Sozialarbeit/Sozialpädagogik zielt darauf hin, diese Menschen in die Lage zu versetzen, ohne fremde Hilfe ein menschenwürdiges Leben zu führen. Hierbei ist die Schaffung eines Gleichgewichtes zwischen den Ansprüchen auf Selbstverwirklichung und der Fähigkeit und Bereitschaft, Lebensaufgaben zu lösen, also die Zunahme an sozialer Kompetenz bedeutsam.

Hilfsbedürftigkeit ist im Bereich der Erziehung und Bildung, im Bereich der Problemlösung durch Beratung oder Behandlung, auf der Ebene materieller Hilfe und auf der Ebene der Planung vorstellbar. So wendet sich das Hilfsangebot der Sozialarbeit/Sozialpädagogik auch an alle sozialen Schichten. Sozialarbeit/Sozialpädagogik hat in der Arbeit mit den sozial Benachteiligten in besonderer Weise Erfahrungen gesammelt, da sich auf diese Klientengruppen über Jahrzehnte die Hilfe der Sozialarbeit weitgehend beschränkte. Dies ist im Zusammenhang mit der Veränderung gesellschaftlicher Strukturen zu verstehen. Berufliche Tradition hat dazu geführt, dass – im Gegensatz zu vielen anderen helfenden Berufen – Sozialarbeit/Sozialpädagogik immer sozial Benachteiligte als Außenseiter mit in ihr Hilfekonzept einbezieht, und zwar schon in einem Stadium, in dem diese für eine Veränderung ihrer Situation noch nicht oder noch nicht ausreichend motiviert sind, und auch da, wo Veränderung nur teilweise möglich ist. Dies stellt sich für Helfergruppen als eine besondere Chance und gleichzeitig als eine besondere Gefahr dar.

Auf der einen Seite wird denen Hilfe angeboten, denen sie von allen anderen Institutionen versagt wird, auf der anderen Seite erfordert der Umgang im oben genannten Stadium zunächst einmal außerordentliche Stützung der Benachteiligten bei deren minimaler Fähigkeit, sich selber zu vertreten. Dabei muss der Helfer stets mit Vorurteilen der Umwelt rechnen. Für den, der die Interventionen des Helfers flüchtig kennenlernt, kann sich die Hilfe – ähnlich wie im pädagogischen Bezug zum noch hilfsbedürftigen Kind – als Eingriff in die Freiheit des anderen darstellen. Für den Sozialarbeiter/Sozialpädagogen ergibt sich die Gefahr aus dem Umgang mit Macht. Die gesunden Anteile der Person zu erkennen, stets zu variieren zwischen Gewähren von Freiheiten und dem Zulassen von Abhängigkeitswünschen bedarf der eigenen reifen persönlichen und beruflichen Identität.

2.2 Die Klienten in der Marginalität, vor allem während der Eingliederung


Der Hilfeprozess zielt immer auf Veränderung:

  • auf Veränderung der die Hilfsbedürftigkeit verursachenden Bedingungen und

  • auf Veränderung des Verhaltens beim Klienten, das die Hilfsbedürftigkeit verstärkt.

Eine Auflösung von Sicherheiten ist die Folge, und es wird über längere Zeit die neue, angestrebte Situation als bedrohlicher, fremder empfunden als die alte, an deren Unzulänglichkeiten man sich bereits gewöhnt hat. Damit ist alle Neuorientierung von Unsicherheit begleitet.

Die Frau, die ihren Mann verloren hat, trauert um ihn auch dann, wenn die Ehe unerfreulich war; sie hat nicht gelernt, sich selber zu vertreten, und kennt die Rollenvorschriften nicht, die mit dem Witwentum verbunden sind. Der Alkoholiker, der sich für die Behandlung entscheidet, hat sich nun von seinem „Tröster“ zu trennen, ohne dass er hierfür schon einen Ersatz hätte; er hat seine vertraute Umgebung, die Kneipen, und damit verbunden seine Kumpane zu verlassen und geht jetzt in eine Einrichtung, vor der er sich fürchtet, deren Arbeitsweise er nicht kennt. Ähnlich ergeht es seiner Familie, die mittlerweile sich auf seine Trunkenheit eingestellt, seine Pflichten übernommen und sich an diese gewöhnt, eine besondere Form des Umgangs mit dem Alkoholiker entwickelt und ihn abwechselnd nachsichtig und aggressiv behandelt hat. Auch ihr Verhalten wird auf die neue Situation nicht mehr passen; sie weiß gar nicht, wie sie sich dem Behandelten gegenüber verhalten soll.

Personen, mit denen die Sozialarbeit/Sozialpädagogik zu tun hat, stehen in der Regel zwischen verschiedenen Gruppen und damit auch zwischen verschiedenen „Normengarnituren“ (Feldman 1970, 16); sie haben deshalb einen unsicheren Status und sind sich nicht klar darüber, wie sie ihre Rolle spielen sollen. Die Marginalsituation (Stonequist 1968) lässt sich in kulturellen Konflikten beobachten (z. B. bei Menschen mit Migrationshintergrund oder anderer Glaubensrichtungen), ebenso in Lebenskrisen (z. B. während der Adoleszenz, d. h. im Übergang von der Kindheit in das Erwachsenenalter), insbesondere aber bei sozialen Benachteiligungen.

Da die Eingliederung von Randgruppen zu einem Wechsel der Bezugsgruppen und der Gruppennormen führt, wird die Behandlung selber zum Marginalkonflikt. Die Nuancen der Verhaltensalternativen in der neuen, fremden und damit bedrohlichen Situation sind unbekannt, so dass der Klient (wie alle Menschen im Marginalkonflikt) sich starr an die Vorschriften hält und damit extreme Verhaltensweisen zeigt. Er ist nun „päpstlicher als der Papst“ (wie man es Konvertiten nachzusagen pflegt, da diese oft beim Übergang in die neue Religionszugehörigkeit ängstlich bemüht sind, deren Regeln und Gebote fehlerlos einzuhalten). Erhöhte Verletzlichkeit, Neigung zu Isolation, eine Tendenz, die Isolierung durch den Anschluss an Gruppen Gleicher auszugleichen, impulsives, augenblicksorientiertes Handeln, Angst, übertriebene Sensibilität und aggressives Verhalten frustrierenden Situationen gegenüber, immer wieder auch ein erhöhtes Selbstmordrisiko kennzeichnen den Marginalkonflikt (Feldman 1970, 107). Im Rahmen der Sozialarbeit/Sozialpädagogik erschwert besonders das augenblicksorientierte Verhalten, verbunden mit Impulsivität, den Hilfeprozess, weil der Klient nicht in der Lage ist, die Folgen seines Tuns in die Zukunft zu fantasieren. Eine geringfügige Kränkung des Konfliktbetroffenen z. B. kann genügen, den Arbeitsplatz zu verlassen, und er ist verwundert, wenn dies zur Kündigung führt.

Aufgabe der Sozialarbeit/Sozialpädagogik ist es, derartige Konflikte durch entsprechende Strategien zu vermindern und mit dem Klienten zusammen zu lösen. Das Sozialtherapeutische Rollenspiel beachtet die Marginalität, in der der Klient durch seine besondere Situation steht (z. B. durch seine Scheidung), die er in der Anfangssituation erfährt (z. B. als Neuling in der Gruppe) oder in die er im Verlaufe des Hilfeprozesses hineingerät. Es bereitet auf bevorstehende Marginalitäten vor, wie sie mit der Loslösung der Kinder aus dem Elternhaus, mit einem Berufswechsel oder der Entlassung aus der Klinik verbunden sind. Auch das Verlassen der Spielgruppe als Marginalität wird durch entsprechende Übungen aufgegriffen.

Da das Sozialtherapeutische Rollenspiel überwiegend in Gruppen stattfindet, bietet dies die Möglichkeit der Identifikation mit Gleichen und wirkt so einer Isolierung entgegen. Das Sozialtherapeutische Rollenspiel verläuft nach festen Regeln und gibt so Sicherheiten, die auch durch eine Ritualisierung ermöglicht werden.

2.2.1 Die Gruppe als Schutzraum


Der Gruppe, in der das Gruppenmitglied neues Verhalten im Spiel einüben kann, kommt Schutzfunktion zu. Es entsteht zunehmend ein intensiverer Zusammenhalt der Gruppe; die einzelnen Klienten entwickeln ein Gefühl der Gruppenzugehörigkeit. Problemschilderungen und gemeinsame Spiele schaffen Erlebnisse, die alle teilen. Darüber hinaus wird aus der Erkenntnis, dass die gesamte Gruppe gleiche Probleme hat, im Zusammenhang mit den einzelnen Gruppenerfahrungen eine gemeinsame Geschichte. Der Gruppe werden nun „Heimatgefühle“ entgegengebracht. Dies gilt für den Raum, der häufig auf seine Verläßlichkeit hin überprüft wird (Ist noch alles an der gewohnten Stelle?), dies gilt für die Gruppenmitglieder, die, wenn sie fehlen, vermisst werden, deren Geschick überlegt wird, und dies gilt für den Leiter, auf dessen Schutz man sich verlassen möchte. Gefährdete Jugendliche haben oft in bezug auf den Raum und den Leiter besondere Bedürfnisse. Ihre Wunschbilder entsprechen den Vorstellungen von einer „heilen Familie“: gediegen sein, bestimmten ästhetischen Maßstäben genügen, die häufig erstaunlich konservativ sind.

Die Gruppe blendet einen Teil der Realität aus. Sie kann so zum Zufluchtsort werden, an dem keine unerfüllbaren Forderungen gestellt werden und an dem kein Leistungsdruck besteht. Der Umgang mit dem Spiel vermittelt das Gefühl, Zeit zu haben; man selber wird wieder wichtig. In der Gruppe ist Raum für Träume und Raum für...

Erscheint lt. Verlag 5.9.2022
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Sozialpsychologie
Geisteswissenschaften Psychologie Sucht / Drogen
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
Schlagworte Psychosoziale Arbeit • Rollenspiel • Soziale Arbeit • Sozialpädagogik • Sozialtherapie
ISBN-10 3-497-61700-8 / 3497617008
ISBN-13 978-3-497-61700-5 / 9783497617005
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