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Messie-Syndrom und Pathologisches Horten - Das Praxisbuch (Leben Lernen, Bd. 332) (eBook)

Für Psychotherapie, ambulante und stationäre Einrichtungen
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
308 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-11879-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Messie-Syndrom und Pathologisches Horten - Das Praxisbuch (Leben Lernen, Bd. 332) -  Veronika Schröter
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Das Praxisbuch für Messie-Berater Autorin ist führende Messie-Expertin im deutschsprachigen Raum »Pathologisches Horten« neu in der ICD-11 aufgenommen Erklärung der psychologischen Hintergründe und des praktischen Vorgehens Auch von Fachleuten wird oft übersehen, dass das Verhalten von Messies durch psychische Störungen ausgelöst wird. Messies können sich nicht »endlich mal zusammenreißen« und ihre Wohnung entmüllen. Die Autorin, führende Messie-Expertin im deutschsprachigen Raum, erklärt in diesem Buch anschaulich, wie sich die verschiedenen Ausprägungen: Vermüllung, Verwahrlosung und das als neue Diagnose aufgenommene »Pathologische Horten« voneinander unterscheiden und welche Grunderkrankungen jeweils zugrunde liegen. Diese differenzierte Betrachtung ist die Basis einer erfolgreichen Begleitung und Therapie, die hier in allen psychologischen und betreuerischen Aspekten dargestellt wird. Psychologische Fachkräfte und Helfer können sich so an klaren Konzepten und professionellen Standards orientieren und Schritt für Schritt gesichert vorgehen.

Veronika Schröter, Messie-Expertin mit selbst entwickeltem Ansatz: Identitätsbildende integrative Messie-Therapie; Heilpraktikerin für Psychotherapie und weitere therapeutische Ausbildungen; Mitarbeiterin am Psychologischen Institut der Universität Freiburg zur Erforschung des Messie-Syndroms; in dem von ihr gegründeten Messie-Kompetenzzentrum in Stuttgart bildet sie qualifizierte, zertifizierte Messie-Fachkräfte nach Veronika Schröter® aus. Weitere Informationen zum Messie-Kompetenzzentrum finden Sie unter: https://messie-kompetenz-zentrum.de

Veronika Schröter, Messie-Expertin mit selbst entwickeltem Ansatz: Identitätsbildende integrative Messie-Therapie; Heilpraktikerin für Psychotherapie und weitere therapeutische Ausbildungen; Mitarbeiterin am Psychologischen Institut der Universität Freiburg zur Erforschung des Messie-Syndroms; in dem von ihr gegründeten Messie-Kompetenzzentrum in Stuttgart bildet sie qualifizierte, zertifizierte Messie-Fachkräfte nach Veronika Schröter® aus. Weitere Informationen zum Messie-Kompetenzzentrum finden Sie unter: https://messie-kompetenz-zentrum.de

Kapitel 1

Woran leiden desorganisierte Menschen?


Menschen, die beruflich mit sogenannten Messies zu tun haben, stehen den Symptomen der Betroffenen häufig hilflos gegenüber. Gefühle der inneren Abwehr und Verurteilungen können den Weg zu einer Lösung versperren. Dazu kommt, dass sie von den beauftragenden Institutionen oft keine angemessene Unterstützung erfahren, um den Betroffenen nachhaltig zu helfen. Denn lange Zeit wurden weniger die Nöte der Messies gesehen, der Fokus lag – und liegt in vielen Fällen heute immer noch – nur auf den sichtbaren Auswirkungen dieser Nöte:

  • Desorganisierten Menschen gelingt es nicht, in ihrem privaten Umfeld so weit Ordnung zu halten, dass sie dort angenehm und entspannt leben können. Der Zustand ihrer Wohnungen und Häuser stößt auf Unverständnis.

  • Die Unordnung kann die Lebensqualität von Partnern, Familienmitgliedern und Nachbarn gravierend beeinträchtigen; Vermieter fürchten um die Bausubstanz ihrer Immobilie. Kontakte zwischen Messies und ihrem sozialen Umfeld sind meist von Hoffnungslosigkeit und Ängsten gekennzeichnet.

  • Konfliktpotenzial entsteht auch dadurch, dass es vielen Messies nicht möglich ist, sich an gesellschaftliche Regeln zu halten. Die darauf folgende Ausgrenzung macht es nur noch schwerer, die Betroffenen wieder an ein unterstützendes soziales Umfeld anzubinden.

Meist lautete das Ziel, die unwürdige Wohnsituation der Messies so schnell wie möglich zu beenden. »Wenn jemand nicht selbst Ordnung halten kann, dann machen wir das eben für ihn«, war die Devise. Doch wenn nur die äußere Unordnung entfernt, nicht aber die innere Verletzung bzw. die Erkrankung gesehen und behandelt wird, müssen solche Vorstöße scheitern. Die Wohnungen von Messies – fast immer gegen ihren Willen – zu leeren und den »Müll« zu entsorgen war eine Sisyphos-Arbeit, die den Status quo nur noch weiter verschlimmerte:

  • Helfer und Fachkräfte arbeiteten sich am Symptom ab, denn ohne weitere Betreuung der Betroffenen sah die Wohnung nach kurzer Zeit so aus wie zuvor.

  • Die ohnehin schon angeschlagene Würde der Messies litt unter der aufgezwungenen Hilfe, ihre Symptome verstärkten und festigten sich zunehmend.

  • Das Vertrauensverhältnis zwischen professionellen Helfern und Messies wurde sehr belastet.

Oft wird übersehen, dass das Verhalten von Messies durch Krankheiten ausgelöst wird. Betroffene können sich nicht »endlich mal zusammenreißen«, um an ihrer Wohnsituation etwas zu ändern. Genauso könnte man von Menschen mit Diabetes oder einem Bandscheibenvorfall erwarten, dass sie ihre gesundheitlichen Einschränkungen kraft ihres Willens überwinden sollen.

Gut gemeinte Räumkommandos entstehen aus dem Missverständnis, dass sich die Probleme damit lösen ließen. Es wird nicht nach den Ursachen der Desorganisation gefragt, sondern es werden deren Folgen bekämpft. Um Messies zu helfen, müssen wir die Ursachen ihrer Krankheit und auch die Krankheit selbst verstehen.

Auch ein zweites Missverständnis war in den vergangenen Jahrzehnten die Ursache dafür, dass an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbei agiert wurde: Es gibt nicht »den« Messie, sondern verschiedene Ursachen führen zu völlig unterschiedlichen Erscheinungsformen. Hier eine erste Übersicht über die drei wesentlichen Ausprägungen:

  • Pathologisches Horten. Die Betroffenen sammeln und horten aufgrund meist frühkindlicher psychischer Traumatisierungen gezielt Unmengen an Gegenständen. Obwohl sie sehr gut wahrnehmen, dass ihre Sammeltätigkeit ihre Lebensmöglichkeiten massiv einengt, gelingt es ihnen weder, das Sammeln zu unterlassen, noch sich von gehorteten Dingen zu trennen.

  • Vermüllungssyndrom. Wenn Lebensmittel und andere Dinge mit hohem Feuchtigkeitsgehalt gezielt gehortet werden oder sich ansammeln, kommt es zu Geruchsbildung und Schädlingsbefall. Auslöser des Vermüllungssyndroms sind psychische und hirnorganische Erkrankungen wie zum Beispiel Süchte, Schizophrenie, Wahnvorstellungen, Demenz und Alzheimer. Aufgrund ihrer Erkrankung ist die Wahrnehmung der Klienten oft so verändert, dass sie nicht erkennen können, dass die hygienischen Bedingungen in ihrer Wohnung nicht tolerierbar sind.

Die vier Kennzeichen der Vermüllung sind: Geruchsbildung, Feuchtigkeit, Schimmel und Ungeziefer. Bei starkem Ungezieferbefall muss in einem ersten Schritt der Kammerjäger beauftragt werden. Ansonsten beginnt die Unterstützung der Betroffenen damit, den Geruchsherd aufzuspüren und zu eliminieren.

  • Verwahrlosungssyndrom. Auch hier liegen gravierende psychische beziehungsweise hirnorganische Erkrankungen vor. Der Zustand der Wohnung ist deshalb gesundheitsgefährdend, weil vieles kaputt ist und eine hohe Verletzungsgefahr besteht. Vor allem aber fällt die extreme Selbstvernachlässigung der Betroffenen auf. Motivation zur eigenen Körperhygiene ist kaum mehr vorhanden.

Pathologisches Horten, Vermüllungs- und Verwahrlosungssyndrom haben also völlig unterschiedliche Ursachen und auch Auswirkungen. Trotzdem werden im allgemeinen Sprachgebrauch alle Menschen, die in Unordnung leben, über einen Kamm geschoren und – oft abwertend – als »Messies« tituliert. Dieser Begriff leitet sich vom englischen Wort mess ab, das »Unordnung« oder auch »Durcheinander« bedeutet. Weil er auch von den Betroffenen selbst verwendet wird, hat er sich in der Fachwelt durchsetzen können.

Messie: In Fachkreisen wurde diese Bezeichnung lange allein auf Menschen mit Vermüllungs- oder Verwahrlosungssyndrom angewendet. Heute zählt auch das pathologische Horten zum Formenkreis des Messie-Syndroms.

Erst seit einigen Jahren beginnen wir zu verstehen, welche Ursachen und Ausprägungen sich hinter dem Messie-Syndrom verbergen. Heute sind wir für die Bedürfnisse unserer Klienten sensibilisiert und schauen genau hin, welche Ausprägung des Messie-Syndroms wir erkennen, und arbeiten an den Ursachen und Auslösern, die zu den besonderen Wohnverhältnissen geführt haben. Solange wir das Krankheitsbild nicht klar zuordnen und benennen können, gibt es keine Heilung beziehungsweise nachhaltige Verbesserung der Situation.

Hinter der sichtbaren Unordnung des Messie-Syndroms liegt immer eine psychische oder eine hirnorganische Krankheit als Ursache. Nur wenn klar ist, um welche Ausprägung es sich handelt und welche Erkrankung das Verhalten der Betroffenen auslöst, können diese adäquat begleitet und unterstützt werden.

1.1 Das pathologische Horten


Das pathologische Horten wurde erstmals 2022 mit der Neuauflage der International Classification of Diseases (ICD-11) im Katalog der weltweit anerkannten Krankheiten aufgeführt. Dies bedeutet nicht nur die überfällige Würdigung der Menschen, die unter diesem Syndrom leiden, auch ganz praktisch wirkt sich die Nennung des pathologischen Hortens im ICD-11 positiv aus: Die Behandlungskosten können über die Krankenkassen abgerechnet werden. Einen Wermutstropfen enthält diese Entwicklung: Die Krankheit wird irrtümlich (noch) den Krankheitsbildern Zwangsstörung oder auch Suchterkrankung zugeordnet. Dabei hat eine Studie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ergeben, dass eine Zwangsstörung das pathologische Horten zwar begleiten kann, die Krankheit selbst aber keinesfalls als Zwang zu betrachten ist. Das pathologische Horten ist auch keinesfalls als Persönlichkeitsstörung anzusehen. Eher handelt es sich um eine Anpassungsstörung infolge (frühkindlicher) Traumatisierungen. Die WHO ist in dieser Frage noch zu keinem Schluss gekommen.

Pathologisches Horten: Die Betroffenen sammeln und horten Dinge aus begrenzten Sammelgebieten, die für bestimmte Fehlstellen in ihrer Biografie stehen. Während sie zu Hause ihren Lebensraum einengen, sind...

Erscheint lt. Verlag 19.2.2022
Reihe/Serie Hilfe aus eigener Kraft
Leben lernen
Leben Lernen
Leben Lernen
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Dezemz • Entwicklungsstörung • frühe Beziehungserfahrungen • frühe Störungen • Komorbiditäten • Messie-Hilfe • Messies • Messie-Störung • Messie-Syndrom • Psychiatrische Krankheitsbilder • Sucht • Vermüllungssyndrom • Verwahrlosung
ISBN-10 3-608-11879-9 / 3608118799
ISBN-13 978-3-608-11879-7 / 9783608118797
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