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Die Bedeutung der Lehr-Lern-Beziehung für das Lernen in der Hochschule -  Maik Bäumerich

Die Bedeutung der Lehr-Lern-Beziehung für das Lernen in der Hochschule (eBook)

Eine bindungstheoretische Untersuchung
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
188 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7557-2008-9 (ISBN)
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Es ist nicht ungewöhnlich, auf die Studienzeit zurückzublicken und sich an einen oder mehrere Lehrende zu erinnern, der oder die das Studium besonders geprägt haben. Vor diesem - subjektiven -Hintergrund überrascht es, dass die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden in der Hochschullehre nur wenig beachtet wird. Vor allem ist ihr Einfluss auf das Lernen bislang kaum untersucht worden. In dieser Theoriearbeit soll ein Grundstein dafür gelegt werden, die Lehr-Lern-Beziehung zwischen Studierenden und Lehrenden theoretisch abzubilden. Dafür wird auf die insbesondere in der Entwicklungspsychologie oder Sozialpädagogik bekannte Bindungstheorie Bezug genommen. Auf dieser Grundlage lässt sich eine der maßgeblichen Funktionen der Lehr-Lern-Beziehung erkennen und beschreiben.

Studium der Rechtswissenschaft in Köln, Studium Higher Education in Hamburg.

Einleitung


Schon vor der COVID-19-Pandemie befand sich die gesamte Hochschullehre im Umbruch der Digitalisierung. Jedoch hatten die vielfältigen und grundlegenden Neuerungen durch die Digitalisierung die Hochschullehre ungleichmäßig und, abhängig vom jeweiligen Fachbereich, häufig nur an den Rändern berührt1. Von einer vollständigen, umfassenden und tiefgreifenden „Digitalisierung der Hochschullehre“ zu sprechen, wäre verfehlt gewesen.

Nun aber haben die pandemiebedingten Rahmenbedingungen die Hochschulen wie nahezu jeden anderen Lebensbereich erfasst und verändert. Um den Lehr- und Lernbetrieb aufrechterhalten zu können, sind Lehrende seit nunmehr anderthalb Jahren dazu gezwungen, die Möglichkeiten der Digitalisierung umfassender und dauerhafter einzusetzen. Was bislang nur vereinzelt oder nur ergänzend angeboten wurde, ist in kürzester Zeit zur allgemeinen Regel geworden: digitale Lernangebote, die sich durch fehlende gleichzeitige körperliche Anwesenheit von Lernenden und Lehrenden auszeichnen2.

Institutionalisierte Lehre ohne dauerhafte Gleichzeitigkeit oder Gleichräumigkeit3 von Lernenden und Lehrenden ist nicht neu und gab es in mannigfaltiger Form bereits vor der Pandemie. Vollständig digitale Lernangebote waren jedoch insbesondere für den grundständigen Regelbetrieb in Hochschulen und auch für die meisten hochschulischen Weiterbildungsangebote eine Ausnahme. In aller Regel waren digitale Lernangebote bloße Ergänzungen der Präsenzlehre oder zumindest eingebettet in hybride Lehrangebote – Letztere hier verstanden als Kombinationen von Präsenz- und Online-Lehre in verschiedenem Verhältnis4.

Die pandemiebedingten Schutzmaßnahmen aber lassen Präsenzveranstaltungen nicht oder kaum noch zu. Daher wird versucht, Lehr- und Lernveranstaltungen ohne die Gleichräumigkeit der Beteiligten zu gestalten.5 Faktisch wurde die Präsenzform der meisten Vorlesungen, Seminare und Arbeitsgemeinschaften durch die Videokonferenz ersetzt sowie weitere digitale Lernangebote geschaffen. Die Bemühungen um eine Rückkehr zur Präsenzveranstaltung sind groß, aber es ist davon auszugehen, dass digitale Lernangebote auch in Zukunft regelmäßiger anzutreffen sein werden.6 Insoweit hat die Pandemie – wie in vielen anderen Bereichen auch – beschleunigt, was zuvor mit dem Schlagwort Digitalisierung bereits begonnen hatte.

Mit dem pandemiebedingten abrupten Wechsel von einem universitären Regelbetrieb in Präsenz zu im Wesentlichen rein digitaler Lehre kommen die Fragen verstärkt wieder auf, die schon zuvor mit digitalen Lernangeboten verbunden waren: Die notwendige technische Ausstattung der Beteiligten und die didaktische Konzeption der Angebote sind nur wenige der Voraussetzungen und Herausforderungen, die rein digitale Lernangebote mit sich bringen. Viele Fragen und Probleme ließen sich – selbst wenn es der Professionalität der Lehrenden nicht gerecht werden würde – vernachlässigen, wenn es sich um bloß ergänzende oder kurzfristige Ersatzangebote handelte. Ein Regelbetrieb mit ausschließlich digitaler Lehre aber zwingt zu einer stärkeren Auseinandersetzung mit ihren Voraussetzungen.7

In den vergangenen beiden Jahrzehnten haben sich die technischen Möglichkeiten deutlich verändert, auf die die digitale Lehre zurückgreifen kann. Während um die Jahrtausendwende die textbasierte Kommunikation im Mittelpunkt stand, ist es heute vor allem der zeitgleiche Austausch per Audio und Video.8 Durch diesen Medien- und Möglichkeitenwandel haben sich einige Kritikpunkte, die in den 1990er- und 2000er-Jahren unter dem Stichwort „Kanalreduktion“ zusammengefasst wurden, wie etwa die „Ent-Sinnlichung“, „Ent-Emotionalisierung“ oder „Ent-Kontextualisierung“9, teilweise in ihrem Umfang erledigt.10 Doch auch die gegenwärtigen technischen Möglichkeiten können eine persönliche Präsenz nur vermitteln11, sodass sich die Ansatzpunkte dieser Kritik nicht völlig überholt haben.

In der Literatur zur digitalen Lehre dominieren häufig Überlegungen und Anregungen zu technischen und organisatorischen Voraussetzungen und Abläufen. Es ist zwar bekannt, dass die Kommunikation in solchen Umgebungen im Vergleich zur Präsenzkommunikation eingeschränkter stattfindet.12 Dennoch werden die Elemente, die den persönlichen Kontakt der Beteiligten ausmachen, nicht in dem Maß theoretisch berücksichtigt, wie es bei anderen Elementen der Lehr- und Lernangebote der Fall ist. Wenn sie Berücksichtigung finden, dann beispielsweise unter dem Stichwort des „sozialen Lernens“, das wiederum verschiedene Konkretisierungen haben kann, wie das Erlernen von Sozialverhalten oder didaktische Methoden wie kooperatives Arbeiten.13

Eine Erklärung, weshalb „das Persönliche“ in didaktischen Modellen und Theorien verhältnismäßig wenig Beachtung findet14 mag sein, dass es bislang nur wenige Lernangebote gab, die vollkommen ohne Präsenzkontakt ausgekommen sind. Präsenz- und hybride Lernangebote konnten auf diese Begegnungen und Beziehungen aufbauen, ohne sie theoretisch oder konzeptionell berücksichtigen zu müssen. Letztlich aber verwundert es, dass Beziehungsaspekte verhältnismäßig wenig Beachtung finden, wenn schon die Lehrenden-Lernenden-Beziehung in der – nicht unumstrittenen15 – Studie von John Hattie den elften von 138 Rängen der Lernerfolgsfaktoren belegt.16

Diese Fortwirkung einer schon bestehenden Lehr- Lern-Beziehung ist ein denkbarer Faktor, weshalb der pandemiebedingte Wechsel von der Präsenz- zur digitalen Lehre in der Hochschule überhaupt gelungen ist. Ausgehend von der oben aufgestellten Vermutung wäre die bereits bestehende Lehr-Lern-Beziehung in den digitalen Raum übernommen worden, ohne dass sie dort von Grund auf hätte aufgebaut werden müssen. Das würde auch bedeuten, dass die digitale Lehre mit weiteren Herausforderungen konfrontiert ist, sobald sich Lerngruppen bilden, die nicht auf diese vorausgehenden gemeinsamen Erfahrungen zurückgreifen können.

Mit dieser Überlegung ist auch die Fragestellung dieser Arbeit umrissen: Es soll auf theoretischer Grundlage untersucht werden, inwieweit die persönliche Beziehung zwischen Lehrenden und Studierenden eine wichtige, aber oftmals nur wenig beachtete Rahmenbedingung für das Gelingen von Lernen ist. In dieser Fragestellung verbergen sich die beiden Thesen, dass persönliche Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden – zum einen – im hochschuldidaktischen Bereich nur wenig berücksichtigt werden, sie aber – zum anderen – einen wichtigen Beitrag zum Gelingen von Lernen leisten.

Im Mittelpunkt dieser Untersuchung soll die digitale Lehre in der Hochschule stehen. Diese gegenständliche Eingrenzung auf die digitale Lehre geschieht nicht nur, weil es sich um die derzeit meistgenutzte Form der Hochschullehre handelt. Sie bietet auch den Vorteil, einen Unterschied17 zur reinen Präsenz-Lehre zu bilden. Damit kann deutlicher werden, was möglicherweise in der Präsenz-Lehre unausgesprochen vorausgesetzt wird, ohne üblicherweise in der theoretischen Konzeption berücksichtigt zu werden und werden zu müssen. Die Lehr-Lern-Beziehung soll im Vordergrund stehen, weil sie, außer in den seltenen Fällen von reinen Selbstlernangeboten, immer besteht. Sie ist zudem die Beziehung, bei der die Lehrenden die größten Gestaltungsmöglichkeiten haben.

Die der Lehr-Lern-Beziehung zugeschriebene Bedeutung hängt nicht zuletzt von den theoretischen Grundannahmen ab.18 In einem ersten Teil sollen deshalb ausgewählte Lehr-Lern-Theorien, didaktische Modelle und praktische Handlungsempfehlungen daraufhin untersucht werden, ob und falls ja, wie sie die Beziehung von Lernenden und Lehrenden theoretisch abbilden und welche Bedeutung sie derselben für das Lernen beimessen. Anders formuliert lässt sich das eine Suche nach dem persönlich Verbindenden in diesen Theorien und Modellen nennen.

Im darauffolgenden zweiten Teil wird der Anschlussfrage nachgegangen, wie die Lehr-Lern-Beziehung theoretisch erfasst werden kann. Es wird der Versuch unternommen, dafür auf die vor allem durch John Bowlby und Mary Ainsworth geprägte Bindungstheorie zurückzugreifen. Dieser theoretische Ansatzpunkt ist besonders für das Lehren und Lernen im Hochschulbereich ungewöhnlich, weil die Bindungstheorie vornehmlich im entwicklungspsychologischen, erziehungswissenschaftlichen oder schulpädagogischen Bereich aufgegriffen wird. Sie ermöglicht es aber, einige wesentliche Funktionen von persönlicher Beziehung theoretisch zu erfassen, die über das Kindesalter hinaus in jedem Lebensalter von Bedeutung sind. Ausgehend davon, was als „Lernen“ verstanden wird und welche Herausforderungen damit für den Lernenden verbunden sind, bietet die Bindungstheorie die Möglichkeit eines tieferen Verständnisses...

Erscheint lt. Verlag 20.12.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
ISBN-10 3-7557-2008-6 / 3755720086
ISBN-13 978-3-7557-2008-9 / 9783755720089
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