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Monsieur le Capital, Madame la Terre und die Herren Knoten -  Rolf Friedrich Schuett

Monsieur le Capital, Madame la Terre und die Herren Knoten (eBook)

Das Unbewusste des Materialismus
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
112 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7543-6742-1 (ISBN)
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Das Buch enthält einen Auszug aus dem Werk: ´Wenn die Seele auf den Geist geht / Zur Tiefenpschologie der Philosophiegeschichte. Chronik der unbewussten Weltbilder.´ Norderstedt 2018 ´Ich habe als junger Mensch keine andere Sehnsucht gekannt als die nach philosophischer Erkenntnis ... Therapeut bin ich wider Willen geworden.´ (Sigmund Freud) Die psychologische Interpretation nicht der Philosophen, sondern ihrer Philosophien fungiert dabei nicht als reduktionistischer Universalschlüssel, sondern nur als sinnreiche Hilfswissenschaft. ´Manche Menschen hängen wohl darum so an der Natur, weil sie als verzogene Kinder sich vor dem Vater fürchten und zu der Mutter ihre Zuflucht nehmen.´ (Novalis)A Am Lebensende : ´Die Geschichte hat uns und allen, die ähnlich dachten, unrecht gegeben.´(MEW 22, S. 515) -- Das Werk lässt sich auch ganz zwanglos lesen als eine Art Wissenschaftssatire auf Philosophie und Psychologie ...

Studium der Literaturwissenschaft und Philosophie. Systemanalytiker in der Atom- und Raumfahrtindustrie. Zahlreiche Veröffentlichungen von Erzählwerken, Gedichten, Aphorismen, Essays und Abhandlungen.

Monsieur le Capital, Madame la Terre
und die Herren Knoten


Kurz vor Karls Geburt konvertierte sein Vater zum preußischen Protestanten Heinrich Marx, um als Advokat zu reüssieren im katholischen Trier. Die Mutter Henriette, geb. Pressburg, weigerte sich über ein Jahrzehnt lang, diesen Schritt mit zu vollziehen, und das nicht nur aus Rücksicht auf ihre Eltern. Am Ende folgte sie ihrem Mann widerstrebend, um den familiären Wohlstand nicht zu gefährden. Der liebe Carl wurde als Sechsjähriger christlich getauft, auf dem zeitlichen Höhepunkt der sogenannten phallischen Phase kindlicher Entwicklung; er trat nie aus der Kirche aus. Diesen Verrat an ihrer Religion muß Carl seinen Eltern als Opportunismus übelgenommen haben. Der Atheist Marx folgte weder dem Gott der Mutter noch dem christlichen des Vaters: der Mammon schien mächtiger als dieser Gott, zu dessen Dienst seine Eltern ihn als ältesten Sohn ursprünglich bestimmt hatten. Der männliche Erstgeborene war von den stolzen Eltern überverwöhnt und in dem Gefühl erzogen worden, als "Gottes Sohn", wie viele Familienvorfahren für die Gelehrtenlaufbahn ausersehen, etwas ganz Besonderes zu sein. Die männliche Erstgeburt war dem Dienst an jenem Gott geweiht, der als Souverän sich seine Gesetze selbst gibt, Carl sein autonomer Sohn, der Autochthone, der zuerst kommt. Der zeitlich Erste ist in der Tradition der Rangerste, der die Priorität beanspruchen darf : im Falle des Karl Marx die Priorität als Entdecker der Universalität dessen, was ihm zustieß, die Degradierung vom 'Gottessohn' zum Spießbürger, der sich seine Brötchen selbst verdienen sollte, statt daß ihm ewig die gebratenen Tauben aus Schlaraffia in den Mund flogen. Nach der ihr aufgenötigten christlichen Taufe war wenigstens die Mutter kaum noch bereit, in ihrem Liebenswertesten und Besten noch Gottes Sohn in spe zu hofieren, den er doch mit der Muttermilch eingesogen hatte. Nach seiner Verlobung mit dem 'schönsten Mädchen von Trier, der Ballkönigin Jenny von Westphalen, wurde dem over-protected child zugemutet, einen gemeinen Brotberuf zu ergreifen, statt sich zu Höherem berufen zu fühlen, als seine Familie so zu ernähren, wie er von seinen Eltern ernährt worden war. Der scheue, unsichere, sentimentale, kompromisslerisch devote Vater war da länger bereit, die Berufung des Sohnes über den Brotberuf zu stellen, und suchte beides vereinbaren zu helfen. Auch hoffte er, im Sohn den eigenen unbefriedigt gebliebenen Ehrgeiz befriedigt zu sehen, und blieb geschmeichelt durch dessen hochfahrend unrealistische Ambitionen, die er kleinbürgerlich unterzubringen dachte. Aber Carl verachtete diesen brav liberalen Anhänger Voltaires, Lessings und Rousseaus, der es verstand, gleichzeitig preußischer Monarchist zu sein und um der Karriere Willen jene Religion zu verleugnen, die dem Sohn eine himmlische Karriere vorgesehen hatte.

Bis zur Konversion vertritt die Mutter die Religion der Väter, und der leibliche Vater ist der mütterlich Besorgte : Aus dieser Konfusion wird Marx nie mehr herausfinden. Nach dem Tode des Vaters 1838 saß die Mutter allein auf dem Familienbesitz und erwartete vom Ältesten zu pronowiren, um der Herkunftsfamilie vorstehen und eine eigene Familie endlich gründen zu können. Spätestens jetzt wurde ihm die arme Schmerzensmutter, eine einfache, brave, tüchtige, sparsam wirtschaftende und ungebildete Hausfrau, die zeitlebens ihre Entfremdung von ihrer holländischen Familie bejammerte, zur geizigen Alten, die den verbummelten Studenten nicht länger pekuniär säugen wollte. Aber der liebe Carl war nicht mehr willens, bereit oder fähig, die im kleinen Jungen früh stimulierten Größenphantasien realistisch zu ermäßigen und vom Weltenschöpfer zum Familiengründer sich herabwürdigen zu lassen, vom Sohn Gottvaters zum bourgeoisen Familienvater depotenziert zu werden, der nicht mehr zum Wohl der Menschheit an seiner 'Vervollkommnung' arbeiten könnte.

Die Zumutung, seine Berufung zum Allerhöchsten in den Dienst eines Brotberufs zu stellen, hat Marx stets zurückgewiesen. Als sie ihn noch ernährten, hatten seine Eltern in ihm das Gefühl genährt, nicht sich und die Seinen ernähren zu müssen. Als die stolz besorgte Familie anfängt ihn zu drängen, er müsse für sich selbst sorgen, sieht er gar nicht ein, weshalb er plötzlich schuften soll für weniger als das, was er einst umsonst in Überfülle genießen durfte, im Namen seiner göttlichen Bestimmung, auf die er nicht mehr verzichten kann und mag. Er bleibt das, was er einmal war: das gehätschelte Vorzugskind. Er sieht sein Wesen in dem, was er für seine Eltern einmal gewesen ist : Erstgeburt, die für die Welt arbeitet statt wie sie und seine Geschwister für sich und die Familien. Als die Alten nach der Konversion und nach dem Tod des Vaters und vor Carls Eintritt ins Berufsleben und vor seiner Familiengründung alle aufhören, ihn zu vergöttern, beginnt seine Selbstberufung als Rückgriff auf seine frühe Kindheit, kurz vor seiner drohenden kleinbürgerlichen Reife. Vor diesem Erwachsenen, den sie ihm viel zu spät zugedacht haben, weicht er aus ins Infantile und erfindet die von den Eltern verraten geglaubte Religion neu. Aus der Not des geborenen Königssohns, der sich als Tagelöhner verding-(lich)en soll, macht Marx die Tugend, in jedem Tagelöhner den betrogenen Prinzen zu sehen und herauszukitzeln. 'Mit Marx- und Engelszungen' werden die Erniedrigten und Beleidigten der Welt verführt, sich als Opfer des gleichen sorgsam maskierten Schicksals zu fühlen, als verkappte Königskinder, als verwunschene Prinzen, die für ein Linsengericht aus Kapitalistenhand ihr Erstgeburtsrecht verkaufen mußten. Sein Intellekt erlaubt ihm nun die kosmische Projektion seines privaten Elends als frühverzärteltes Kind, dem mehr versprochen war, als der spätere Arbeitslohn und die bürgerliche Erwerbswelt der Eltern abwirft. Es gelingt ihm, der Gesellschaft sein persönliches Problem zu unterstellen als allgemeingültiges, was unmöglich wäre, wenn die Gesellschaft ihm nicht im Innersten entgegenkäme. Marx reaktiviert die regressive Sehnsucht aller, als Erwachsene wie verantwortungslose, liebevoll vollversorgte Babys zu leben bis an ihr seliges Ende, heim zu den Müttern, am Busen der guten Mutter Natur zu liegen, ohne deshalb aufzuhören, die Privilegien der Großen zu genießen. Er zeigt den Ausweg auf, die Vertreibung aus dem Paradies des Säuglings rückgängig zu machen, indem wir uns die Erde untertan machen, jene Mutter Natur, der wir entwöhnt und entfremdet werden. Aber zwischen Karl Marx und der allgütigen Mutter Natur stand nicht nur kastrationsdrohend der Vater Heinrich, sondern Engelsmutter Henriette selbst. Der Auserwählte sollte sich wieder einreihen unter die Geschwister, nur einer unter anderen sein. Das war zu viel, weil es zu wenig war. Einer unter anderen sein, heißt noch unter ihnen stehen, wenn man einmal so hoch über ihnen thronte. Die so früh geweckte und dann notwendig enttäuschte Anspruchshaltung verkehrte sich in zynische Rachsucht und maßlosen Haß. Wenn nach Adorno „Utopie von der Liebe der Mutter zehrt“, gegen das bloße Realitätsprinzip des Vaters, dann zehrte Marxens Utopie von der überängstlich überfürsorglichen Verwöhnung der Mutter, von ihrem frühen Stolz auf den Erstgeborenen.

Die Mutter, das war die Hexe, die das Erstgeburtsrecht des Ältesten verkaufte, das war das vom Vater geerbte Kapital, das den Sohn Gottes hatte finanzieren sollen, das war die „ökonomische Scheiße“, das mütterliche Privateigentum an Produktionsmitteln. Die Mutter, das war ihm Natur und Kapital in einer Person. Geld war ja ursprünglich Schneckengehäuse und Muscheln, also Vagina-Substitute; für Marx ist der Geldfluß der verdinglichte Strom der Muttermilch. Sie saß auf dem Geld, das der Mann für sie erarbeitet hatte, analpossessiv be-saß sie das dreckige Gold und rückte nie genug davon heraus. Dagegen wurde der zeitlebens arbeitende Vater fast schon der von ihr ausgebeutete Herr Knoten.

Die Mutter hatte stärker am Glauben festgehalten, der Vater länger an Carls Erstgeburtsrecht. Des Vaters schämte er sich, die Mutter haßte er. "Seine Mutter hat eine merkwürdig unbedeutende Rolle in seinem Leben gespielt." (Isaiah Berlin: „Karl Marx“, S. ). Ganz im Gegenteil, wie bei Kierkegaard, der nur von seinem Vater sprach. Marx war nicht in der Lage, vom hohen Roß herunterzusteigen, auf das seine Eltern ihn selbst gesetzt hatten, und nun sollte er den Amtsschimmel oder die Rosinante reiten statt den Pegasus oder die Rösser des Helios? Gott war für ihn gestorben, nachdem die Eltern für ihn gestorben waren, für die Gott gestorben war um des Mammons Willen. Wie aber sorgt man für den eingeborenen Sohn aus der Verbindung Gottvaters und der leiblichen Mutter, ohne ihn um den Mehrwert der Arbeit zu betrügen, die er für die Welt verrichtet? Schwiegersohn Paul Lafargue...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Psychoanalyse / Tiefenpsychologie
ISBN-10 3-7543-6742-0 / 3754367420
ISBN-13 978-3-7543-6742-1 / 9783754367421
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