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Geist der Utopie (eBook)

Erste Fassung

(Autor)

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2018 | 1. Auflage
448 Seiten
Suhrkamp Verlag
978-3-518-75918-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Geist der Utopie - Ernst Bloch
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Im Sommer 1918 steht die Welt knietief in Blut: Der Krieg hat bereits Millionen von Opfern gefordert, die Spanische Grippe breitet sich aus, in Russland schlägt die Revolution in einen Bürgerkrieg um. Die alte Ordnung Europas wackelt und wird bald fallen. Eine ganze Generation - die Generation Y des vergangenen Jahrhunderts - steht auf einem Scherbenhaufen und schaut in eine ungewisse Zukunft.

Im Sommer 1918 erscheint im Verlag Duncker & Humblot das Buch eines jungen Mannes, das Furore machen wird: Ernst Blochs Geist der Utopie. Im Angesicht des Schreckens, inspiriert von den philosophischen Strömungen der Jahrhundertwende und befeuert von den alternativen Lebensentwürfen der Reformer und Anarchisten auf dem Monte Verità, beschreibt Bloch darin den Menschen als ein radikal zur Utopie begabtes Wesen. Es ist ein Werk, das seine Zeit auf unnachahmliche Weise in Gedanken und Worte fasst, maßlos und streng, sozialistisch und messianisch, düster und voller Hoffnung. Nun ist die Zeit für eine Wiederentdeckung.



<p>Ernst Simon Bloch wurde am 8. Juli 1885 in Ludwigshafen am Rhein geboren und starb am 4. August 1977 in T&uuml;bingen. Er entstammte einer j&uuml;dischen Familie aus der Pfalz. Von 1905 bis 1908 studierte er Philosophie bei Theodor Lipps in M&uuml;nchen und Oswald K&uuml;lpe in W&uuml;rzburg und wurde im Jahr 1908 promoviert. 1913 heiratete er die aus Riga stammende Bildhauerin Else von Stritzky. Als engagierter Gegner des Krieges ging er von 1917 bis 1919 mit seiner Frau in die Schweiz und war in Bern f&uuml;r das Archiv f&uuml;r Sozialwissenschaften t&auml;tig. 1917 beendete er in Locarno sein Werk <em>Geist der Utopie</em>. Ein Jahr nach dem Tod seiner Frau heiratete er 1922 die Malerin Linda Oppenheimer. Die Ehe hielt bis 1928. In der Zwischenzeit kehrte Bloch zur&uuml;ck nach Berlin. Zu seinen damaligen Freunden geh&ouml;rten Bertolt Brecht, Kurt Weill, Theodor W. Adorno und Walter Benjamin. Politisch war Bloch sehr aktiv und bek&auml;mpfte schon fr&uuml;h die aufstrebende NSDAP. Nach Hitlers Macht&uuml;bernahme wurde er ausgeb&uuml;rgert und emigrierte mit seiner ebenfalls j&uuml;dischen Lebensgef&auml;hrtin Karola Piotrowska in die Schweiz. Nachdem sie von der Z&uuml;richer Fremdenpolizei des Landes verwiesen wurden, heirateten beide 1934 in Wien. Von 1934 bis 1937 lebten sie in Paris, Sanary und Prag und emigrierten anschlie&szlig;end in die USA, wo sie zehn Jahre blieben. Dort schrieb Bloch an seinen Werken <em>Das Prinzip Hoffnung, Subjekt - Objekt. Erl&auml;uterungen zu Hegel und Naturrecht und menschliche W&uuml;rde</em>. Nach dem Krieg, 1948, erhielt er einen Ruf nach Leipzig auf den Lehrstuhl f&uuml;r Philosophie. Trotz langj&auml;hriger Konflikte mit der SED blieb er bis 1961 dort. Kurz vor dem Bau der Mauer befand sich Bloch f&uuml;r einen Vortrag in T&uuml;bingen. Angesichts der neuen politischen Situation beschlossen er und seine Frau, in Westdeutschland zu bleiben. Unter anderem aufgrund des gro&szlig;en Einsatzes von Freunden konnte Bloch eine Gastprofessur in T&uuml;bingen antreten, wo er bis zu seinem Tod 1977 blieb.</p>

Ernst Simon Bloch wurde am 8. Juli 1885 in Ludwigshafen am Rhein geboren und starb am 4. August 1977 in Tübingen. Er entstammte einer jüdischen Familie aus der Pfalz. Von 1905 bis 1908 studierte er Philosophie bei Theodor Lipps in München und Oswald Külpe in Würzburg und wurde im Jahr 1908 promoviert. 1913 heiratete er die aus Riga stammende Bildhauerin Else von Stritzky. Als engagierter Gegner des Krieges ging er von 1917 bis 1919 mit seiner Frau in die Schweiz und war in Bern für das Archiv für Sozialwissenschaften tätig. 1917 beendete er in Locarno sein Werk Geist der Utopie. Ein Jahr nach dem Tod seiner Frau heiratete er 1922 die Malerin Linda Oppenheimer. Die Ehe hielt bis 1928. In der Zwischenzeit kehrte Bloch zurück nach Berlin. Zu seinen damaligen Freunden gehörten Bertolt Brecht, Kurt Weill, Theodor W. Adorno und Walter Benjamin. Politisch war Bloch sehr aktiv und bekämpfte schon früh die aufstrebende NSDAP. Nach Hitlers Machtübernahme wurde er ausgebürgert und emigrierte mit seiner ebenfalls jüdischen Lebensgefährtin Karola Piotrowska in die Schweiz. Nachdem sie von der Züricher Fremdenpolizei des Landes verwiesen wurden, heirateten beide 1934 in Wien. Von 1934 bis 1937 lebten sie in Paris, Sanary und Prag und emigrierten anschließend in die USA, wo sie zehn Jahre blieben. Dort schrieb Bloch an seinen Werken Das Prinzip Hoffnung, Subjekt - Objekt. Erläuterungen zu Hegel und Naturrecht und menschliche Würde. Nach dem Krieg, 1948, erhielt er einen Ruf nach Leipzig auf den Lehrstuhl für Philosophie. Trotz langjähriger Konflikte mit der SED blieb er bis 1961 dort. Kurz vor dem Bau der Mauer befand sich Bloch für einen Vortrag in Tübingen. Angesichts der neuen politischen Situation beschlossen er und seine Frau, in Westdeutschland zu bleiben. Unter anderem aufgrund des großen Einsatzes von Freunden konnte Bloch eine Gastprofessur in Tübingen antreten, wo er bis zu seinem Tod 1977 blieb.

21Wir sind plötzlich streng geworden.

Jetzt mehr als je. Aber wichtiger bleibt es zu spielen. Wir hatten es verlernt, von unten herauf, die Hand hat das Basteln verlernt. So ungefähr wurde auch der Feuerstein geglättet. Niemand wagt sich vor, von allen diesen trocken gewordenen, einfallslosen Menschen. Es wird um uns gehämmert, gehobelt und geschnitzt, als ob niemals etwas gewerblich gekonnt und zu vererben gewesen wäre. Aber dafür malen wir auch wieder wie die Wilden, im besten Sinn des Frühen, Unruhigen und Barbarischen genommen. So ungefähr wurde auch die Tanzmaske geschnitzt, so ungefähr baute sich der primitive Mensch seinen Fetisch zurecht, sollte auch nichts als die Not des Aussprechenmüssens wieder dieselbe geworden sein. Derart fällt beides merkwürdig zusammen, der hoffnungslose Verlust alles dessen, was früher am kleinsten Stück gewerblicher Arbeit selbstverständlich war, und der ebenso hoffnungsvolle Verlust des Geschmacks, des Stilwollens in dem, was die Hand bildet und ausdrückt.

*

Nur ist das Erstere, das bloß Strenge, fast bedingungslos schlecht.

Hier ist alles gleich erkältend und langweilig geworden. Wie könnte es freilich auch anders sein, nachdem niemand mehr das dauernde Wohnen kennt, sein Haus warm und stark zu machen.

Aber das ist nicht allein an dem Niedergang schuld. Er ist nicht nur darin begründet, daß der Auftraggeber unbekannt oder namenlos geworden ist. Denn wenn wir etwa das Arbeitszimmer als Aufgabe nehmen, so ist in dem erwerbstätigen Mann, der nur abends zum Ausruhen, Lesen oder Empfang der Gäste männlichen Geschlechts sein Zimmer betritt, und in dem Schriftsteller oder Gelehrten als dem angestammten, sozusagen faustisch vorstellbaren Bewohner des Arbeits- und Bibliothekszimmers zum mindesten eine Doppelreihe des Bedürfnisses, Auftrags und zeichnerischen Problems gegeben. Aber was nun zum Verkauf angeboten wird, bleibt unrettbar in dem Generalnenner des sogenannten Herrenzimmers befangen. Man kann daher durchaus 22behaupten, daß es eine viel breitere Bereitwilligkeit im Einkauf gibt, als sie die Geistlosigkeit der Angebote und Auswahl gestattet. Es ist danach nicht so sehr der Verbraucher als der Erzeuger, auf den all das leblose, unansehnliche Zeug zurückfällt, und auch nicht dieser, sondern die Maschine, die er beschäftigt, hat das Elend und den durchdringenden Phantasiemord auf dem Gewissen, der den kunstgewerblichen Bestand jedes Museums mit den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts abzuschließen zwingt.

Man soll gewiß lange genug bewegt und industriell denken. Aber das hat eben seine Grenze und seinen Umschlag, nicht ohne die alten Arbeitsformen wieder zu beleben. Man irrt, wenn man sozialistischerseits das Industrievolk als allein wesentlich festsetzt und gleichsam verewigt. Das mag dort erwünscht, ja taktisch notwendig sein, wo alles noch agrarisch zurechtgeschnitten ist, und der Arbeiter mehr als zu kurz kommt. Es mag auch insofern einen unleugbaren Sinn besitzen, als die alten Meister kaum noch aufzufinden sind und der schmutzigste kleinbürgerliche Schuft mit dem Wasser am Hals und allen Eigenschaften des sinkenden Mittelstands, dazu ohne eine Spur der alten Sauberkeit, Bedächtigkeit und Frömmigkeit des alten Meisters, den Handwerkerstand oder, wie man zutreffender sagt, den Stand der Kleingewerbetreibenden besetzt hält. Aber man darf nicht vergessen, die Maschine ist eine kapitalistische Erfindung. Sie ist, wenigstens im gewerblichen Gebrauch, durchaus nur zu den Zwecken billiger Massenproduktion mit hohem Umsatz und großem Gewinn und wahrhaftig nicht zur Erleichterung der menschlichen Arbeit oder gar zur Veredlung ihrer Resultate konstruiert. Wir wüßten nicht, was so erleichternd wirkte an dem Rasseln der Webstühle, an der Nachtschicht, an dem furchtbaren Zwang der gleichmäßigen Tourenzahl, an der verhinderten Werklust des Mannes, der immer nur Teile zu bearbeiten hat und niemals das Glück der ganzen und Fertigproduktion genießen kann —, wir wüßten nicht, was hier erleichternd wirkte gegenüber der früheren gemächlichen Herstellung (hier Haus, dort Werkstatt daneben) eines kleinen Quantums ehrlich gefertigter, kunsthafter Handgewirke. Sicherlich, der Bauer und der Handwerker sind fest vorgezeichnete, im Werkwesen selbst vorgedachte Typen der menschlichen Arbeit, und sie werden sich in ihrem Apriori 23wieder herstellen, wenn erst die kapitalistische Abirrung vorüber ist. Den großen Schwung in allen Ehren, aber alles, was er an Ergebnissen gebracht hat, die nicht selbst wieder wie die Lokomotive oder die Stahlproduktion dienend, funktionell und technisch sind, wird sich eines Morgens wieder einpacken lassen, und der mechanische Webstuhl wird mit der Kanone in dem gleichen sonderbaren Museum verderblicher Sagazitäten zu stehen haben. Wir wiederholen, man muß bewegt und industriell denken, um nicht nur einfach das Alte zu kopieren; denn hier, in diesem eratmenden Schritt, in dieser Beschleunigung, Unruhe und Vergrößerung unseres Aktionskreises liegen große seelische und gedankliche Werte verborgen; aber das bezieht sich nur auf die Maschine als einer äußeren Erleichterung und Willensform und nicht auf den feigen Massenkram der Fabriken oder gar auf die letzthinigen Typen und Resultate der heraufkommenden Welt von neuem bäuerlicher, frommer, ritterlicher Menschen.

Sie verstand es, die Maschine, alles so leblos, technisch und untermenschlich im einzelnen zu machen, wie es die Straßen des Berliner Westens im ganzen sind. Ihr eigentliches Ziel ist das Badezimmer und Klosett, die fraglosesten und originalsten Leistungen dieser Zeit, genau so wie die Möbel im Rokoko und die Architektur in der Gotik die eingeborenen Kunstarten dieser Epochen darstellen. Hier regiert die Abwaschbarkeit, irgendwie fließt überall das Wasser von den Wänden herab, und der Zauber der modernen sanitären Anlagen mischt sich als das Apriori der Maschinenware unmerklich noch in die entferntesten und kostbarsten Architekturgebilde dieser Zeit. Daran ist auch durch die vorübergehende Hoffnung einer Wiedergeburt der Form, sei es durch die neuen Stoffe des Glases, Stahls und Betons, sei es vor allem durch die neuen Form- und Konstruktionsmöglichkeiten auf Grund dieser Materialien, nichts gebessert worden. Denn alles, was die modernen Stoffe und Zweckkonstruktionen gebracht haben, um das, wie Ruskin sagt, mit Abkürzung zu tun, dessen Ehre gerade in seiner Schwierigkeit liegt, geht am Stil, dieser höchst schmuckfreudigen, fast nur aus Schmucksinn symmetrischen und »konstruierten«, luxuriös symmetrischen Angelegenheit vorbei, um bestenfalls in jener technischen Ähnlichkeit zu landen, die der Wolkenkratzer mit dem Birs Nimrud und die fei24erliche Kinofassade mit der ältesten, freilich aus einer anderen Geometrie heraus geometrischen Baukunst aufweist.

Nun ist dieses Versagen freilich nicht an allen Orten bedenklich; es gibt Gelegenheiten, wo man einer geschmackfremden Abstraktheit den expressionistischen Dank abstatten möchte.

Denn einmal ist das Auszieren trotz allem wieder erwacht. Man sucht mit Gewalt aus dem Trockenen heraus zu kommen. Man sieht allmählich ein, eine Geburtszange muß glatt sein, aber eine Zuckerzange mit nichten. So sucht man wieder farbig aufzulockern, man drängt auch bewußter als je auf das Zeichnen und das Leben der organischen Linie.

Zum andern ist das Abhandenkommen aller gewerblichen Fähigkeiten vielleicht doch nicht ohne positive Tiefe. Darauf hat Marc zuerst und mit Glück hingewiesen. Es kann dieselbe Göttin sein, die hier Not und dort Überfluß schenkt, hier die völlige Unfähigkeit zur schönheitsvoll geschlossenen Form und einen Organzerfall, der in der Geschichte nicht seinesgleichen findet, dort das Aufblitzen feuriger und rätselvoller Zeichen jenseits alles Stilwollens, aller luxuriösen Kunstindustrie und aller bloß eudämonistischen Ausgeglichenheit, Eurythmie und Symmetrik des Stilbegriffs. Man hat gesagt, daß ein russischer Bauer ein Heiliger sein müßte, um überhaupt nur ein anständiger Mensch werden zu können. Oder nach Lukács, daß ein moderner Architekt, der die Begabung Michelangelos besäße, gerade ausreichte, um einen schönen Tisch zu konstruieren. Aber es läßt sich diesem Satz auch hinzufügen, daß, wie stets die Kinder oder die Bauern, so jetzt auch ein bedürftiger, von Lebensmühe bedrängter Dilettant, der an Geschicklichkeit nicht mit dem kleinsten alter Maler zu vergleichen ist, trotzdem in der merkwürdigen Luft dieser Zeit Gebilde, unwerkhafte, stillose,...

Erscheint lt. Verlag 9.7.2018
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Philosophie der Neuzeit
Schlagworte 1918 • 1968 • Ehrendoktorwürde der Pariser Sorbonne 1975 • Ehrendoktorwürde der Universität Tübingen 1975 • Ehrendoktorwürde der Universität Zagreb 1969 • Jubiläumsausgabe • Philosophie
ISBN-10 3-518-75918-3 / 3518759183
ISBN-13 978-3-518-75918-9 / 9783518759189
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