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Geschichte der baltischen Länder (eBook)

Angermann, Norbert; Brüggemann, Karsten - die Historie Lettlands, Litauens und Estlands - 14163 - Aktual. und erw. Ausgabe 2022
eBook Download: EPUB
2018 | 2. Auflage
467 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-961329-1 (ISBN)

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Geschichte der baltischen Länder -  Norbert Angermann,  Karsten Brüggemann
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Die baltischen Staaten Lettland, Litauen und Estland, 1989/90 aus der zerfallenen Sowjetunion wieder erstanden, sind uns sehr nahe gerückt: Alle gehören der EU an, Riga war 2014 Kulturhauptstadt Europas, der Ostseetourismus boomt, Estland nimmt eine Spitzenstellung in der Digitalisierung ein. Um die aktuellen Entwicklungen verstehen zu können, ist der Blick in die Geschichte unabdingbar. Seit dem Mittelalter waren diese Länder eng mit ihren westlichen Nachbarn verflochten: Namentlich zur Blütezeit der Hanse war der deutsche Einfluss stark, Litauen war jahrhundertelang mit Polen verbunden, seit dem 17. Jahrhundert beherrschten Schweden und Russland den Raum. Die nur allzu gern in einen Topf geworfenen Länder hatten dabei ihre je eigene unverwechselbare Historie, die sich mithilfe dieses Buchs begreifen lässt. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Norbert Angermann, geboren 1936 in Forst/Lausitz, war 1977-2002 Professor für Mittlere und Neuere Geschichte, Schwerpunkt: Osteuropäische Geschichte an der Hamburger Universität. Seine vielfach auf Archivarbeit im Baltikum und in Russland beruhenden Publikationen gelten der Geschichte der baltischen Länder, dem hansischen Osthandel und den deutsch-russischen Kulturbeziehungen vor Peter dem Großen. Karsten Brüggemann, geboren 1965 in Hamburg, ist seit 2008 Professor für estnische und allgemeine Geschichte der Universität Tallinn. Er ist seit 2003 Vorstandsmitglied und seit 2011 stellvertretender Vorsitzender der Baltischen Historischen Kommission.

Norbert Angermann, geboren 1936 in Forst/Lausitz, war 1977–2002 Professor für Mittlere und Neuere Geschichte, Schwerpunkt: Osteuropäische Geschichte an der Hamburger Universität. Seine vielfach auf Archivarbeit im Baltikum und in Russland beruhenden Publikationen gelten der Geschichte der baltischen Länder, dem hansischen Osthandel und den deutsch-russischen Kulturbeziehungen vor Peter dem Großen. Karsten Brüggemann, geboren 1965 in Hamburg, ist seit 2008 Professor für estnische und allgemeine Geschichte der Universität Tallinn. Er ist seit 2003 Vorstandsmitglied und seit 2011 stellvertretender Vorsitzender der Baltischen Historischen Kommission.

Zur Einführung

Mittelalter und Reformation
Epochenüberblick
Die Bevölkerung des baltischen Raumes vor 1200
Die deutsch-dänische Herrschaftsbildung im estnischen und lettischen Gebiet
Livland vom späten 13. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts
Anfänge und frühe Entwicklung des litauischen Staates
Litauen seit der polnisch-litauischen Union von 1385
Die Reformation in Livland und Litauen

Umbrüche und Wandlungen in der Frühen Neuzeit
Epochenüberblick
Der Livländische Krieg (1558–1582/83)
Livland unter polnisch-litauischer Herrschaft (1561–1629/1772)
Die schwedische Herrschaft in Estland und Livland (1561/1629–1710)
Das Herzogtum Kurland (1561–1795)
Litauen in der Zeit der Realunion mit Polen (1569–1795)
Die russischen Ostseeprovinzen im 18. Jahrhundert

Zwischen Imperium und Nation: Das 19. und frühe 20. Jahrhundert
Epochenüberblick
Imperiale Politik in den Ostseeprovinzen und Litauen
Die nationalkulturellen Emanzipationsbewegungen
Reformen und Gegenreformen in den Ostseeprovinzen
Modernisierung und Krise um die Jahrhundertwende
Das Baltikum im Ersten Weltkrieg und in der Russischen Revolution

Nationalstaat und Sowjetrepublik: Die baltischen Staaten im 20. Jahrhundert
Epochenüberblick
Die Unabhängigkeitskriege
Die baltischen Staaten zwischen Demokratie und Autoritarismus
Sowjetisierung, Krieg und Holocaust
Die baltischen Sowjetrepubliken

"Zurück nach Europa": Die baltischen Staaten auf dem
Weg ins 21. Jahrhundert
Epochenüberblick
Rückkehr zu Demokratie und Marktwirtschaft
Der russische Faktor
Die baltischen Staaten heute

Literaturhinweise
Ortsregister
Personenregister
Zu den Autoren

Die Bevölkerung des baltischen Raumes vor 1200


Die ersten Menschen erschienen gegen Ende der letzten Eiszeit im baltischen Raum. Um 10 500 v. Chr., als das nördliche Estland noch von Eis bedeckt war, kamen in das südlich gelegene und schon eisfreie litauische Gebiet bereits Rentierjäger. Nach einiger Zeit lebten auch im lettländischen Gebiet und schließlich in Estland Trupps von Jägern und Sammlern.

Prägend für die Genese der Völker des Baltikums wurde aber erst die spätere Zuwanderung neuer Stammesgruppen. Seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. breiteten sich im baltischen Raum Träger einer Kultur mit kammförmigen Ornamenten in der Keramik aus, und im 3. Jahrtausend folgten ihnen Schnurkeramiker. Während die Kammkeramiker wie die ältere Bevölkerung Jäger und Sammler waren, führten die Schnurkeramiker Ackerbau und Viehzucht ein. Die Keramik mit kammförmigen Ornamenten war in einem weiten Gebiet um die östliche Ostsee vertreten, und die Träger dieser Kultur betrachtet man als Vorfahren der ostseefinnischen Völker. Zu Letzteren gehören die Finnen und Karelier, die im von uns betrachteten Raum siedelnden Esten und Liven sowie weitere Ethnien im Norden Russlands. Das Ostseefinnische bildet einen Zweig des finnougrischen Sprachstammes, zu dem auch die Ungarn gehören. Das Urvolk dieses weit verstreuten Sprachstammes lebte westlich des Ural.

Im Gegensatz zu den Finnougriern gehörten die Neuankömmlinge mit Schnurkeramik sprachlich der indogermanischen Familie an. Der Sprachzweig, den sie vertraten, wird seit dem 19. Jahrhundert als »baltisch« bezeichnet. Alte Gewässer- und Ortsnamen lassen darauf schließen, dass Baltischsprechende einst im großen Gebiet von der Persante in Pommern bis zur oberen Wolga, im Süden bis in die Nähe des späteren Kiev ansässig waren. Seit dem 6. Jahrhundert n. Chr. wurden aber die östlichen Balten infolge der slawischen Expansion zunehmend assimiliert; die westbaltischen Prußen, die im 13. Jahrhundert vom Deutschen Orden unterworfen wurden, gingen später im deutschen Neustamm der Ostpreußen auf. Als baltische Völker blieben nur die Letten und Litauer übrig. Allerdings entstand das lettische Volk erst durch eine bis ins 17. Jahrhundert dauernde Verschmelzung der altlettischen Stämme der Lettgaller, Semgaller und Selen. In diesen Angleichungs- und Verschmelzungsprozess wurden auch die mit den altlettischen Stämmen nahe verwandten Kuren und die ostseefinnischen Liven einbezogen. Andererseits wurden Teile der Semgaller, Selen und Kuren im Laufe des Mittelalters von den Litauern, ihren südlichen Nachbarn, assimiliert.

Der Landesname »Litauen« galt ursprünglich nur für eine kleinere Landschaft zwischen dem Mittellauf der Memel (Nemunas) und dem Flusse Neris. Dieses Gebiet wurde aber später zum Zentrum des litauischen Staates. Erstmals ist der Landesname für 1009 bezeugt. Die Quedlinburger Annalen besagten Jahres berichten, dass der deutsche Missionserzbischof Brun von Querfurt damals an der Grenze zwischen der Rus’ und Litua den Märtyrertod fand. In Litauen wurde 2009 der Ersterwähnung zum tausendjährigen Jubiläum in zahlreichen Veranstaltungen gedacht.

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass »baltisch« zur Bezeichnung der Region bzw. der drei Staaten zu unterscheiden ist von »baltisch« im sprachlich-ethnischen Sinne (d. h. ohne Einbeziehung der Esten und Liven). Daneben kann aber auch die gesamte Ostsee mit ihren Randgebieten als »baltisch« bezeichnet werden. Erstmals sprach Adam von Bremen in seiner Hamburgischen Kirchengeschichte schon im 11. Jahrhundert von der Ostsee als dem balticum mare; der Begriff ist u. a. im englischen Ausdruck Baltic Sea präsent. Nach dieser geografisch weitgreifenden Vorstellung liegen Estland, Lettland und Litauen im »Ostbaltikum«.

Im Folgenden soll es um die Verhältnisse im Baltikum während der letzten Jahrhunderte vor der deutsch-skandinavischen Eroberung des lettländischen und estländischen Gebiets bzw. der Entstehung eines eigenen Staatswesens in Litauen gehen. Gemäß der für das Baltikum üblichen Periodisierung wenden wir uns damit der Jüngeren Eisenzeit (9.–12. Jahrhundert) zu, was notwendig ist, wenn man über den Umbruch, den das 13. Jahrhundert mit sich brachte, urteilen will. Neben archäologischen Zeugnissen kommt speziell für die Zustände um 1200 auch bereits eine Chronik als Quellenmaterial in Betracht. Gemeint ist das Chronicon Livoniae, das der aus der Gegend von Magdeburg stammende Pfarrer Heinrich von Lettland 1225–1227 niedergeschrieben hat. Heinrich war 1205 nach Livland gekommen, hatte sich an dortigen Kämpfen beteiligt und wurde Seelsorger bei den Lettgallern. Er berichtet nicht nur über Selbsterlebtes, sondern aufgrund von Teilnehmererzählungen auch über Geschehnisse und Zustände des späten 12. Jahrhunderts.

In der Zeit gegen 1200 hatten die Esten etwa denselben Lebensraum zur Verfügung wie heute, doch zwischen dem estnischen Norden und Süden gab es einen nachhaltigen sprachlichen und kulturellen Unterschied. Die Liven siedelten im Bereich des Unterlaufs der Düna (Daugava) und an der Livländischen Aa (Gauja), wohin sie erst seit dem 10. Jahrhundert vom Norden Kurlands her allmählich gekommen waren. Dafür waren die Kuren nach Norden vorgestoßen und siedelten dort in Streulage mit den verbliebenen Liven. Ansonsten erstreckte sich das Gebiet der Kuren an der Ostseeküste des heutigen Lettland und Litauen entlang, im Süden bis zum Unterlauf der Memel. Von den altlettischen Stämmen besiedelten die Lettgaller ein großes Gebiet nördlich der Düna, während die Semgaller und der kleine Stammesverband der Selen südlich des Flusses lebten. Im Gebietsgefüge der litauischen Stämme ließen sich bereits die beiden großen Einheiten Aukschtaiten (Hochlitauen) im Osten und Schemaiten (Niederlitauen) im Westen erkennen.

In Estland und Lettland lebten durchschnittlich etwa 2,5 Personen auf einem Quadratkilometer, in Litauen mit seinen zum Teil besonders fruchtbaren Böden etwa 3 Personen. In Deutschland hingegen hatten bereits um 1000 annähernd 10 Personen auf einem Quadratkilometer gelebt. Es versteht sich, dass die geringe Bevölkerungsdichte im Baltikum weniger Impulse zur Arbeitsteilung und Verstädterung gab. Zum Siedlungsbild des Baltikums gehörten Wallburgen, die teils nur bei Gefahr der im Umfeld lebenden Bevölkerung als Zuflucht dienten, vielfach aber ständig bewohnt und mit gewöhnlichen Häusern und Wirtschaftsgebäuden bebaut waren. Nur selten fungierten die Burgen bereits als Herrensitze. Neben den Burgen lagen weitere befestigte oder offene Siedlungen, und im Lande verstreut gab es kleine Dörfer und Weiler. Überall war der Ackerbau der dominierende Wirtschaftszweig. Was das Handwerk betrifft, blieb die Spezialisierung begrenzt. Weit verbreitet war die Gewinnung von Eisenerz. Dementsprechend war auch die Schmiedekunst besonders entwickelt. Von besonderen bautechnischen Fertigkeiten zeugen die hölzernen Wehranlagen auf den Burgwällen. Der Steinbau mit Mörtel war aber nirgends bekannt.

Seit Urzeiten gab es Handelskontakte zwischen Skandinavien und dem ostbaltischen Raum. In Kurland existierten bei Grobin (Grobiņa) im Zeitraum zwischen 650 und 850 schwedische und gotländische Siedlungen, die Bedeutung für den Handel mit Bernstein besaßen. Im südlichen Gebiet der Kuren (heute Litauen) war Polangen (Palanga) von der Mitte des 10. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts ein beachtlicher Handelsplatz. Den wichtigsten Treffpunkt aber bildete das von Semgallern und Liven bewohnte Daugmale an der Düna, etwa 30 Kilometer von deren Mündung entfernt. Was die Liven betrifft, weisen auch andernorts freigelegte Gräber mit Waagen und Gewichten auf eine besonders intensive Handelstätigkeit hin. Von Fernhandelsbeziehungen zeugt außerdem das archäologische Fundmaterial von Gercike (Jersika) an der Düna. Daugmale, Polangen und Gercike waren darüber hinaus Zentren der handwerklichen Produktion. Im Hinblick auf seine zusätzliche Rolle als Residenz eines Kleinfürsten – wohl seit dem 12. Jahrhundert – zeichnete sich Gercike durch besondere Komplexität aus. Mit diesen Zentren Vergleichbares existierte weder im...

Erscheint lt. Verlag 25.5.2018
Reihe/Serie Reclam Sachbuch premium
Reclam Sachbuch premium
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Regional- / Landesgeschichte
Geisteswissenschaften Geschichte
Naturwissenschaften Geowissenschaften Geografie / Kartografie
Schlagworte Analyse • Baltikum • Baltische Geschichte • Basiswissen • Basiswissen Baltikum • Basiswissen Osmanisches Reich • Darstellung • Deutscher Orden • Einführung • Entstehung Baltikum • Entstehung Osmanisches Reich • Entwicklung Baltikum • Entwicklung Osmanisches Reich • Epochen • Erinnerungen • Erläuterungen • Europa • Europäische Geschichte • europäische Völker • gelb • gelbe bücher • Geschichte • Geschichte Baltikum • Geschichte Europas • Geschichte Osmanisches Reich • Geschichtsschreibung • Grundlagen • Hanse • historisch • Jahrhunderte • Kultur Baltikum • Kulturgeschichte Baltikum • Lektüre • literarisch • Polen • Politik Baltikum • Politikgeschichte Baltikum • Reclam Hefte • Reclams Universal Bibliothek • Riga • Russland • Staaten • Studenten • Studentinnen • Studierende • Tallinn • universalbibliothek • Universität • Vergangenheit • Vilnius • Vorlesungen • Wissen • Wissenschaft • Wissenschaftliche Abhandlung
ISBN-10 3-15-961329-1 / 3159613291
ISBN-13 978-3-15-961329-1 / 9783159613291
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