3Hindernisse erkennen und überwinden
Was steht mir im Weg?
Vermutlich begleitet Sie der Wunsch nach mehr Selbstsicherheit schon eine ganze Weile. Deshalb ist es wichtig, genauer zu verstehen, was Ihnen hier bisher im Weg stand. Manchmal liegen die Gründe für das Nichterreichen wichtiger Ziele in der Vergangenheit einer Person und in bestimmten Erfahrungen, die sie gemacht hat. Möglicherweise spielt die frühe Beziehung zur Mutter oder zum Vater oder zu einer anderen wichtigen Bezugsperson eine Rolle. Vielleicht haben Ihnen auch Vorbilder für selbstsicheres Verhalten gefehlt oder solches Verhalten war früher für Sie mit negativen Konsequenzen verknüpft. Allerdings lässt sich ein Mangel an Selbstsicherheit nicht immer auf bestimmte Erlebnisse zurückführen. Manchmal sind es auch negative Gedanken, die einen daran hindern, sich selbstsicher zu fühlen und zu verhalten. In diesem Kapitel geht es darum, diese Hindernisse zu erkennen und zu überwinden. Dann können Sie sich in der Zukunft anders verhalten.
Negative Gedanken erkennen
Häufig beschreiben Menschen, dass es ihnen nicht möglich ist, sich selbstsicher zu fühlen oder gegenüber anderen Menschen selbstsicher aufzutreten, weil ihnen dann schnell bestimmte Gedanken in den Sinn kommen, die dies unmöglich machen. In der Psychologie werden diese Gedanken »automatische Gedanken« genannt. Natürlich gibt es nicht nur negative, sondern auch positive automatische Gedanken, wie z. B. »Das kann ich gut« oder »Ich gehöre dazu«. Hier sollen uns aber zunächst die negativen automatischen Gedanken beschäftigen, da diese häufig selbstsicherem Fühlen und Handeln im Weg stehen. Negative automatische Gedanken treten in bestimmten Situationen ganz schnell auf, fast wie ein Reflex. In der entsprechenden Situation wirken diese Gedanken für den Betroffenen meist plausibel und glaubwürdig. Diese »blitzartige« Bewertung steuert, wie man sich in bestimmten Situationen fühlt. Ein typisches Beispiel für einen solchen negativen automatischen Gedanken wäre »Ich kann nichts« oder »Was ich will, ist nicht so wichtig«.
Sie können sich wahrscheinlich gut vorstellen, wie man sich nach solchen Gedanken fühlt, nämlich unwichtig, beschämt und unfähig. Häufig entsprechen diese negativen automatischen Gedanken überhaupt nicht der Realität, sondern sind fehlerhaft und verzerrt! Sie haben sich im Laufe des Lebens immer weiter eingeschlichen. Das kann man an einem Bild sehr gut verdeutlichen: Zunächst war der automatische Gedanke vielleicht nur ab und zu da und einer unter vielen Gedanken, die mit einer Situation einhergehen. Man kann sich das vorstellen wie einen kleinen Bach unter vielen Bächen und Flüssen. Dann haben bestimmte Erlebnisse dazu geführt, dass Sie diesen negativen automatischen Gedanken immer mehr Glauben geschenkt haben – so als ob lauter andere kleine Bäche in den Bach münden, sodass er breiter und tiefer wird. Mehr zu den Gründen dafür, warum sich diese Gedanken so verstärkt haben, können Sie im Abschnitt »Der Ursprung der Unsicherheit« in diesem Kapitel erfahren. Inzwischen sind diese negativen Gedanken wie ein breiter Fluss, in den alle anderen Bäche und Flüsse fließen – die Gedanken »springen blitzschnell an«.
In Kapitel 1 haben Sie ja bereits erfahren, wie solche Gedanken dann ganz schnell zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden können (»Du bist heute das, was du gestern über dich gedacht hast«). Es gibt bestimmte »Typen« von automatischen Gedanken, die viele Menschen kennen. Im folgenden Kasten finden Sie eine Übersicht darüber (angelehnt an Beck, vgl. Hautzinger, 2013). Vielleicht kommen Ihnen beim Lesen auch gleich eigene automatische Gedanken in den Sinn. Sie können bestimmt schnell erkennen, zu welchem Typ von automatischen Gedanken Sie neigen.
Am besten nehmen Sie sich ein Blatt und einen Stift und schreiben darauf die wichtigsten negativen automatischen Gedanken, die Sie bei sich identifizieren konnten. Es kann sehr hilfreich sein, diese einmal schwarz auf weiß vor sich zu sehen. Außerdem ist diese Liste eine gute Agenda für Veränderung!
Haben Sie einige dieser negativen automatischen Gedanken auch bei sich erkannt? Höchstwahrscheinlich ja, denn solche Bewertungsfehler sind etwas ganz Normales! Jeder Mensch unterliegt bei seinen Einschätzungen bestimmten Denkverzerrungen – im Negativen wie im Positiven. Diese automatischen Gedanken können aber trotzdem sehr lästig sein, wenn sie Sie davon abhalten, Ihr Leben so zu gestalten, wie Sie es gerne möchten. Deshalb soll es im Folgenden darum gehen, wie Sie es schaffen können, Erlebnisse und Situationen realistischer und positiver zu bewerten und alternative Bewertungen mehr in den Vordergrund zu stellen. Sicher werden Sie jetzt denken: »Einfacher gesagt als getan« und damit haben Sie leider völlig recht! Erinnern Sie sich an das Bild vom breiten Fluss der negativen automatischen Gedanken? Diese Bewertungsmuster haben sich über lange Jahre bei Ihnen eingeschliffen und können nicht von heute auf morgen verändert werden. Die alternativen, positiven Bewertungen und Gedanken sind in diesem Bild nämlich noch kleine Bächlein, die in andere Richtungen fließen. Die gute Nachricht ist: Je mehr Wasser Sie in diese Bächlein gießen, umso größer werden auch sie. Wenn Sie dran bleiben, kann auch aus diesen positiven Gedanken ein echter Fluss werden!
Negative Gedanken verändern
Bei der Veränderung von automatischen Gedanken geht man am besten in zwei Schritten vor. Zunächst muss man lernen, diese Gedanken zu hinterfragen und ihre Argumente zu entkräften. In einem zweiten Schritt werden positive, realistische Alternativgedanken überlegt. Im folgenden Kasten finden Sie hilfreiche Fragen, die Ihnen dabei helfen können, negative automatische Gedanken zu hinterfragen.
Nehmen Sie dazu die Liste mit Ihren persönlichen automatischen Gedanken und schreiben Sie die Antwort auf jede Frage dazu auf. Falls es Ihnen schwerfällt, Gegenargumente zu finden, dann bitten Sie einen lieben Menschen um Hilfe, von dem Sie wissen, dass er oder sie Sie gerne unterstützt.
Übung
Automatische Gedanken hinterfragen (Hautzinger, 2013)
- Was spricht für, was gegen diesen Gedanken?
- Welche Beweise gibt es wirklich dafür?
- Könnte man die Sache auch anders (realistischer) sehen?
- Basiert Ihr negativer Gedanke möglicherweise mehr auf Gefühlen als auf Fakten?
- Gibt es für die Situation eine andere Erklärung als Ihren automatischen Gedanken?
- Welche Erlebnisse, die Sie gemacht haben, widersprechen diesem Gedanken?
- Was würde Ihnen ein guter Freund / eine gute Freundin in dieser Situation raten?
Ist es Ihnen gelungen, die automatischen Gedanken etwas zu hinterfragen? Bestimmt nicht ein für alle Mal. Aber wenn Sie es geschafft haben, einen kleinen Zweifel an den Gedanken zu säen, haben Sie schon viel gewonnen. Diese Zweifel werden immer stärker werden, je häufiger Sie solche Gedanken in Frage stellen. Ihr Blick für »Gegenbeweise« wird sich mit der Zeit immer mehr schärfen. Allerdings bedeutet das auch, dass Sie Ihre automatischen Gedanken immer wieder aufs Neue in Frage stellen müssen, mit einem Mal ist das nicht getan. Außerdem sollten Sie das Hinterfragen der Gedanken verbinden mit der Suche nach neuen, hilfreichen Gedanken.
Jetzt soll es um Alternativen zu Ihren negativen automatischen Gedanken gehen. Erinnern Sie sich an das Thema »Zielfindung« in Kapitel 2? Es nützt oft nicht so viel, etwas Negatives »weghaben« zu wollen (z. B. negative Gedanken), sondern man muss auch etwas Neues »herhaben« wollen (z. B. hilfreiche Gedanken). Wir verwenden hier den Begriff des »positiven« Gedankens, weil dieser neue Gedanke vor allem dazu führen soll, dass Sie sich besser fühlen. Andererseits sollte Ihr neuer Gedanke auch ein »hilfreicher« Gedanke sein – also ein Gedanke, der Sie dabei unterstützt, sich selbstsicherer zu fühlen und sich besser durchzusetzen. In Kapitel 1 haben wir bereits besprochen, dass unsere Gedanken darüber entscheiden, wie wir uns fühlen. Bei dem Gedanken »Ich bin kompetent und meine Meinung ist wichtig« z. B. fühlt man sich stark, anerkannt und wichtig. Diese Gefühle wiederum steuern dann unser Verhalten. Wenn man sich stark, anerkannt und wichtig fühlt, wird man nämlich mit einer ganz anderer Haltung und einem anderen Auftreten in die nächste Team-Besprechung gehen. Dann werden Sie sich aufrichten, mit klarer Stimme sprechen und nicht zulassen, dass man Sie unterbricht. Das wäre also eindeutig ein hilfreicher Gedanke. Jetzt sind Sie dran: Die Übung »Negative Automatische Gedanken verändern« (s. Übung 9 im Online-Material) wird Sie Schritt für Schritt bei der Suche nach den positiven und hilfreichen Alternativgedanken begleiten. Im folgenden Kasten finden Sie einige Beispiele für positive, hilfreiche Gedanken. Allerdings gibt es dafür kein Schema F. Prüfen Sie deshalb genau, welcher Gedanke für Sie stimmig und hilfreich ist.
Suchen Sie aus Ihren positiven Gedanken einen oder mehrere persönliche »Mut-mach-Sätze« für sich heraus. Die sollten einen festen Platz in Ihrem Leben...