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Der Königin Luise-Mythos (eBook)

Mediengeschichte des »Idealbilds deutscher Weiblichkeit«, 1860-1960
eBook Download: PDF
2011 | 1. Auflage
492 Seiten
Vandenhoeck & Ruprecht Unipress (Verlag)
978-3-86234-810-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Königin Luise-Mythos -  Birte Förster
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»Ein Idealbild deutscher Weiblichkeit« wurde die preußische Königin Luise (1776-1810) genannt. Der historische Mythos um ihre Person verband Geschlechterkonstruktion und Nationalismus, wie die Autorin nachweist. Sie beschränkt sich nicht darauf, zu beschreiben, wie in populären Unterhaltungsmedien zwischen 1860 und 1960 Deutungsmuster nationalisierter Weiblichkeit repräsentiert wurden, sondern gibt auch Auskunft über deren gesellschaftliche Bedeutung und Reichweite. Die mögliche Rezeption besonders populärer Darstellungen wird ebenso in die Analyse einbezogen wie die regionale und konfessionelle Verbreitung des Mythos und seine institutionelle Verankerung in Schulen. Festakte, Denkmalsenthüllungen sowie die Aktivitäten des Bundes Königin Luise zeigen gruppenspezifische Vereinnahmungen und soziale Praktiken. Die Arbeit ist die erste historische Untersuchung des Königin Luise-Mythos, die seine Adressaten und ihre jeweiligen Interpretationen, seine medienspezifischen Ausformungen und seine soziale, regionale und konfessionelle Verbreitung berücksichtigt.

Dr. Birte Förster ist seit 2008 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der TU Darmstadt, wo sie unter anderem die Redaktion der Zeitschrift »Neue Politische Literatur« leitet.

Dr. Birte Förster ist seit 2008 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der TU Darmstadt, wo sie unter anderem die Redaktion der Zeitschrift »Neue Politische Literatur« leitet.

Inhalt 6
Danksagung 12
Einleitung 16
1 Das Forschungsfeld: Geschlechtergeschichte eines nationalen Mythos 18
2 Methode: Ansätze einer geschlechter- und mediengeschichtlich informierten Nationalismusforschung 27
3 Das Quellenkorpus: Populäre Medien und soziale Praktiken 33
4 Aufbau der Arbeit 37
I 1860–1870: Preußische oder deutsche Königin? Der Königin Luise-Mythos im Jahrzehnt vor der Nationalstaatsgründung 40
1 Idealtypische Elemente des Königin Luise-Mythos um 1860 42
1.1 Erziehung und Bildung 44
1.2 Die Ehe des Kronprinzen- bzw. Königspaares 45
1.3 Luise von Preußen als Königin 48
1.4 Flucht, Begegnung mit Napoleon und Tod 50
1.5 Erinnerungsappelle und Gegenwartsbezüge 51
2 Der Königin Luise-Mythos in Unterhaltungsmedien 53
2.1 Die Gartenlaube als Medium (klein)bürgerlicher Nationalvorstellungen 53
2.2 Königin Luise in der Gartenlaube 56
2.3 Die Popularisierung des Königin Luise-Mythos im Leihbibliotheksroman 64
2.4 Strategien der Emotionalisierung in Luise Mühlbachs Napoleon und Königin Luise (1858) 68
3 Königin Luise im Schulunterricht in den 1860er Jahren 74
4 Neugründung und Verleihung des Luisenordens 80
5 Zwischenbilanz: Preußische oder deutsche Königin? 82
II 1870–1888: Symbolische Legitimation der Nationalstaatsgründung 86
1 Der 19. Juli 1870 und seine Implikationen für den Königin Luise-Mythos 88
2 Königin Luise im Schulunterricht nach der Nationalstaatsgründung 1871 93
3 Die mediale Repräsentation Königin Luises 1870./71 bis 1888 99
3.1 Die Verknüpfung von Germanen- und Königin Luise-Mythos 101
3.2 Die Dämonisierung Napoleons und die aggressive Abgrenzung von Frankreich 103
3.3 Geographische Konstruktionen der deutschen Königin: Prinzessin Luise in Straßburg 106
3.4 »Die Lieblingsblumen des Kaisers« 1887./1888 107
3.5 Zwischen Popularisierung und Exempel: Der Königin Luise-Mythos für junge Leserinnen und Leser 109
3.6 Bilder der Königin 114
3.7 Mediale Verdichtung: Die Auseinandersetzung um ›die ideale deutsche Frau‹ 1876 117
4 Der 100. Geburtstag Königin Luises am 10. März 1876 125
4.1 Die Feier der königlichen Familie 127
4.2 Die Schulfeiern anlässlich des 100. Geburtstages 1876 130
5 Das Luisenzimmer im Hohenzollern-Museum 133
6 » des Vaterlandes schönste Zierde!« als Denkmal im Berliner Tiergarten 140
6.1 »in schamhafter Stille.« Heinrich von Treitschkes Königin Luise-Mythos und Erdmann Enckes Visualisierung 144
6.2 Die Enthüllung des Denkmals am 10. März 1880 148
6.3 Ausschluss und Konkurrenz 152
7 Zwischenbilanz: Symbolische Legitimation der Nationalstaatsgründung 155
III 1888–1918: Neue Vereinnahmungen und Erinnerungskonkurrenzen 158
1 Akteure, Publikum und Akzentuierungen des Königin Luise-Mythos 1888–1918 158
1.1 Akzentuierungen des Mythos 161
1.2 Gegenmythen und negative Mythisierung 164
2 Nach dem ›Kaisererlass‹: Der Königin Luise-Mythos im Schulunterricht 169
3 Königin Luise als Vorbild ›für Volk und Jugend‹ 182
4 Die Mutter des Reichsgründers: Das 25jährige Jubiläum der Reichsgründung und der 100. Geburtstag Wilhelms I. 191
4.1 Die Lichtbildvorführung des Bilderbogens Königin Luise (1896./1901) 194
4.2 Königin Luise im Kolportageroman 199
5 Erinnerungspraktiken: Öffentliche Inszenierungen Königin Luises 203
5.1 Neue Erinnerungsorte: Denkmalserrichtungen und Kirchenbauten 1889–1915 204
5.2 (Schul)Festspiele, Schulfeiern und lebende Bilder als Erinnerungspraxis 212
5.2.1 Königin Luise auf der (Vereins)Bühne: lebende Bilder und Festspiele 218
5.2.2 Die Luisenburg bei Wunsiedel als Erinnerungs- und Festspielort 220
5.2.3 Umbenennung von Schulen: Die Königin Luise-Schule in Nordhausen 221
6 »Die Deutschlands große Zeit im Schoße trug«. Die Erinnerung an den 100. Todestag Königin Luises 1910 224
6.1 Die Feier in Gransee – eine preußisch-protestantische Erinnerungsgemeinschaft 228
6.2 Die Schulfeiern zum 100. Todestag 231
6.3 Wilhelm II. als Erinnerungsakteur 234
6.4 Königin Luise für Deutschlands Volk und Jugend. Publikationen zum 100. Todestag 1910 239
6.4.1 Erinnerungsschriften für junge Leserinnen und Leser 242
7 Die Erinnerung an Königin Luise im Kontext der 100-Jahrfeiern der Völkerschlacht bei Leipzig 1913 249
7.1 Der Film von der Königin Luise (1912./13) 250
7.2 Völkische und antisemitische Versionen des Königin Luise-Mythos 256
7.3 Königin Luise und die Heldenmädchen und -Frauen aus großer Zeit 261
8 Der Königin Luise-Mythos im Ersten Weltkrieg 265
9 Zwischenbilanz: Neue Vereinnahmungen und Erinnerungskonkurrenzen 267
IV 1919–1945: Popularisierung, Heroisierung und Radikalisierung 270
1 Der Königin Luise-Mythos in Republik und Diktatur: Allgemeine Tendenzen 271
1.1 Neue Akzentuierungen des Mythos in der Weimarer Republik 272
1.2 Kontinuität, nicht Wandel im Nationalsozialismus 275
1.3 Kritik am Königin Luise-Mythos 284
1.4 Zusammenfassung 286
2 Popularisierung: Historisch-biographische Romane (1919–1940) 287
2.1 Romane, Autorinnen und Autoren sowie Auflagenzahlen im Überblick 289
2.2 »Wehren Sie sich gegen Ihren Mann« – neue Geschlechterverhältnisse 294
2.3 ›Führerin‹, heroisches Opfer, Frau – Erweiterung und Ambivalenz weiblicher Handlungsräume 300
2.4 Kein »Recht auf [] persönliches Glück« – Liebe und Entsagung im Dienst der Nation 306
2.5 ›Dieser sogenannte Friedensschluss‹ – Kontinuität und Anpassungen des Königin Luise-Mythos 1919–1945 314
3 Königin Luise im Schulunterricht 1919–1945 322
4 Radikalisierung: Rechtskonservative Frauenverbände und der Königin Luise-Mythos (1923–1934) 329
4.1 Der Bund Königin Luise (1923–1934) 330
4.1.1 Organisationsstruktur und Handlungsfelder 331
4.1.2 Königin Luise in der ›gedachten Ordnung‹ des Bundes Königin Luise 336
4.1.3 Gescheiterte Anpassung: Der Bund Königin Luise im Nationalsozialismus 342
4.2 »Heldin und Dulderin«: Königin Luise als Vorbild für rechtskonservative Politikerinnen 347
4.3 Rechtskonservative Selbstbestätigung: Der Luisentag 1924–1933 352
5 »Luise lebt!« – die Erinnerung an den 150. Geburtstag Königin Luises 1926 356
6 Königin Luise auf der Bühne und im Kino 361
6.1 Wer sah Königin Luise im Kino? Die Publikumsstruktur in der Weimarer Republik 362
6.2 Erprobte Vorlage: Ludwig Bergers Dramen und ihre Filmadaptionen Die Jugend der Königin Luise und Königin Luise (1927./28) 364
6.3 »ein Frauen- und Mutterschicksal zeigen«. Henny Portens Königin Luise 373
7. Zwischenbilanz: Heroisierung, Radikalisierung, Popularisierung 382
V Epilog 1949–1960: Bedeutungsverlust in der frühen Bundesrepublik 386
1 Das Ende Königin Luises als Vorbildfigur im Unterricht 389
2 Gescheiterte Neugründung: Der Bund Königin Luise in den 1950er Jahren 392
3 »Die Teilung ist das Schlimmste, was einem Volk widerfahren kann.« Anpassungen an die bundesrepublikanische Gegenwart in Königin Luise (1957) 395
4 Ausblick 402
Resümee: Der Königin Luise-Mythos, 1860 bis 1960 404
Abbildungen 412
Anhang 418
Abbildungsverzeichnis 418
Abkürzungsverzeichnis 419
Quellen- und Literaturverzeichnis 420
1 Archivalien 420
2 Filmografie 423
3 Zeitschriften und Zeitungen 423
4 Gedruckte Quellen 424
4.1 Gedruckte Quellen über Königin Luise 424
4.2 Schulbücher, Handbücher und Bestimmungen der Länder Baden, Bayern und Preußen sowie Königreich./Provinz Hannover (Kurztitel) 446
4.3 Schulprogramme 456
5 Literatur 458
Personenregister 488
Orts- und Sachregister 492

V Epilog 1949 – 1960: Bedeutungsverlust in der frühen Bundesrepublik (S. 385-386)

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor der Königin Luise-Mythos trotz verschiedener ›Wiederbelebungsversuche‹ seine Bedeutung als Vorbild weiblicher Nationalidentität. Dies zeigen sowohl die sinkende mediale Präsenz und die weitgehend ausbleibende Transformation des Mythos wie auch das nahezu vollkommene Fehlen von Erinnerungsfeiern und -publikationen anlässlich des 150. Todestages im Jahr 1960. In der Unterhaltungskultur war der Mythos zwar durch Neuauflagen der Romane von Mikeleitis,1 Molo und Naso noch präsent, neu veröffentlicht wurden jedoch nur zwei Romane, und diese unterschieden sich inhaltlich nicht wesentlich von den bereits genannten.

Eine Anpassung der mythischen Narration an die bundesrepublikanische Gegenwart fand in diesen Schriften nicht statt. Allenfalls der Spielfilm Königin Luise (1957) leistete dies in Ansätzen; er war die vorerst letzte Anpassung des Königin Luise-Mythos, die ein größeres Publikum erreichte und bis heute erreicht.3 Institutionell war der Mythos nicht mehr verankert: Aus dem Schulunterricht war Königin Luise fast vollständig verschwunden, der wiedergegründete Bund Königin Luise konnte nicht an seine früheren Mitgliederzahlen anknüpfen und löste sich alsbald auf.

Dass derMythos substantiell an Bedeutung verlor, hatte fünf Gründe, die zum Teil auf die veränderte geopolitische Situation, zum Teil auf soziokulturelle Veränderungen zurückzuführen sind. Grundlegend war erstens die allgemeine »Entlegitimierung des Nationalismus«4 angesichts der jüngsten nationalsozialistischen Vergangenheit. Damit einher ging der Verlust etablierter Deutungsmuster. 5 Der Topos der Verpflichtung gegenüber ›der Nation‹, der in politischen Debatten der Weimarer Republik und zu Beginn des Nationalsozialismus genauso wie in Bestsellern eine zentrale Rolle gespielt und den der Königin Luise- Mythos historisch untermauert hatte, entfiel nun. Gerade diese Argumentation hatte eineModernisierung desMythos jedoch ungemein gefördert:

Die Königin konnte aufgrund dieser Interpretation selbst in einen rechtskonservativen Deutungsrahmen als aktive Politikerin geschildert werden. An diese Formen einer antimodernen Modernisierung konnte nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder angeknüpft werden, was die wenig erfolgreicheNeugründung des Bundes Königin Luise deutlich belegt. Eine weitere Modernisierung sowohl ihrer Institution als auch ihrer Vorbildfigur gelang den Mitgliedern des Bundes nicht. Schließlich war es angesichts der deutschen Teilung und des »Provisoriumpostulats «6 schwierig, auf bereits bestehende Symbole zurückzugreifen. Auch andere Versuche, nationalstaatliche Symbole wiederzubeleben, scheiterten, wie Edgar Wolfrum am Beispiel politischer Feste am sogenannten ›Hermannsdenkmal‹ in den 1950er Jahren gezeigt hat.

Erscheint lt. Verlag 14.9.2011
Reihe/Serie Formen der Erinnerung.
Formen der Erinnerung.
Mitarbeit Herausgeber (Serie): Jürgen Reulecke, Birgit Neumann
Verlagsort Göttingen
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte Allgemeines / Lexika
Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte
Schlagworte Erinnerungskulturen • Geschlechterforschung • Königin von Preußen • Luise • Luise, Königin von Preußen • Mediengeschichte • Nationalismus
ISBN-10 3-86234-810-5 / 3862348105
ISBN-13 978-3-86234-810-7 / 9783862348107
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