Resilienzmanagement in KMU (eBook)
166 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-044550-5 (ISBN)
Jakob Weber ist Absolvent im Masterstudiengang Business Development der Hochschule Aalen - Technik und Wirtschaft. Prof. Dr. Holger Held lehrt dort im Studiengang Betriebswirtschaft für kleine und mittlere Unternehmen mit den Schwerpunkten Entrepreneurship, Start-up-Management und strategische Unternehmensplanung.
Jakob Weber ist Absolvent im Masterstudiengang Business Development der Hochschule Aalen - Technik und Wirtschaft. Prof. Dr. Holger Held lehrt dort im Studiengang Betriebswirtschaft für kleine und mittlere Unternehmen mit den Schwerpunkten Entrepreneurship, Start-up-Management und strategische Unternehmensplanung.
2Das Wesen von KMU
Zum Einstieg in die Thematik und bevor die Systemtheorie als zentrales Fundament eines Resilienzmanagements näher beleuchtet wird, soll an dieser Stelle zunächst auf die Besonderheiten und Charakteristika von kleinen und mittleren beziehungsweise mittelständischen Unternehmen eingegangen werden.22 Um es vorwegzunehmen: Wenn von KMU oder Mittelstand die Rede ist, dann sind damit in einer Vielzahl von Fällen zunächst einmal Unternehmen gemeint, die im Gegensatz zu Großunternehmen oder Konzernen ganz spezifische Merkmale aufweisen. Eine Differenzierung zwischen den Begriffen KMU und Mittelstand ist im Rahmen dieser Publikation nicht erforderlich, da die Unterschiede aus strategischer Sicht allenfalls marginal sind.
2.1Qualitative und quantitative Kriterien
Im Mittelpunkt der Betrachtung von KMU stehen eigentümergeführte und unabhängige Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe nur über begrenzte Ressourcen im Wettbewerb verfügen können und auch organisatorisch nicht mit Großunternehmen vergleichbar sind. Für eine klare Abgrenzung sind objektive und im Idealfall messbare Kriterien hilfreich. Gefragt sind Kriterien – das ist wichtig zu verstehen –, die einem Realitätscheck standhalten. Wie oft hört und liest man von Flexibilität, Schnelligkeit, großer Kundennähe und direktem Kontakt des Chefs zu seinen Kunden, um dann in der Realität – vereinzelt? – eines Besseren belehrt zu werden. Pauschale und oberflächliche Annahmen treffen den Kern von KMU nicht, besser sind nachvollziehbare qualitative und quantitative Kriterien.
Bei den qualitativen Kriterien findet sich in der Literatur die Einheit von Eigentum, Leitung und Haftung. Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn konkretisiert die Leitungsfunktion wie folgt: »In einem mittelständischen Unternehmen halten bis zu zwei natürliche Personen oder ihre Familienangehörigen (direkt oder indirekt) mindestens 50 % der Anteile des Unternehmens, diese natürlichen Personen gehören der Geschäftsführung an« und ergänzt, dass »[d]ie Begriffe Mittelstand, Familienunternehmen, Eigentümerunternehmen und familiengeführte Unternehmen […] nach Definition des IfM Bonn als Synonyme anzusehen«23 sind.
Darauf aufbauend sehen Becker und Ulrich insgesamt drei weitere wesentliche Charakteristika mittelständischer Unternehmen:24
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Wirtschaftliche und rechtliche Selbständigkeit, das heißt zum Beispiel keine Einbindung in einen Konzern
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Personenbezogenheit der Unternehmensführung, worunter eine starke Prägung des Unternehmens durch den Inhaber verstanden werden kann
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Begrenzte Ressourcen des Unternehmens, u. a. finanzielle und personelle Mittel
Sehr aufschlussreich ist auch eine Befragung des IfM aus dem Jahr 2014, in der Charakteristika mittelständischer Unternehmen aus Sicht der Unternehmen selbst abgefragt wurden. Mit über 90 % Zustimmung wurden hier die Kriterien langfristige Ausrichtung, hohes Vertrauen in Zuverlässigkeit und Kompetenz sowie Verantwortung gegenüber Mitarbeitern und Marktpartnern genannt.25 Insgesamt wird mehr als deutlich, dass mittelständische Unternehmen mit diesen Eigenschaften offensichtlich anders funktionieren und auch anders funktionieren müssen als Großunternehmen. Sehr treffend formulieren es auch Welsh und White und bringen es auf den Punkt: »A Small Business is not a little Big Business.«26
Darüber hinaus werden in der Praxis häufig quantitative Kriterien zur Abgrenzung bestimmter Unternehmenskategorien beziehungsweise des Mittelstandes herangezogen. Da Kriterien wie Inhaberverhältnisse oder wirtschaftliche Unabhängigkeit nicht immer leicht nachvollziehbar oder ermittelbar sind, greift insbesondere die amtliche Statistik auf quantitative Größen zurück. Hier kommt der Begriff der KMU ins Spiel. In der Regel werden diese über die Anzahl der Beschäftigten oder die Umsatzgröße des Unternehmens definiert. Gängig sind die Abgrenzungsansätze der EU und des IfM Bonn:
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Nach der KMU-Definition der EU von 200527 gelten Unternehmen als:
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Kleinstunternehmen bis 9 Beschäftigte und bis 2 Mio. Euro Umsatz/Jahr bzw. Jahresbilanzsumme
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kleine Unternehmen bis 49 Beschäftigte und bis 10 Mio. Euro Umsatz/Jahr bzw. Jahresbilanzsumme
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mittlere Unternehmen bis 249 Beschäftigte und bis 50 Mio. Euro Umsatz/Jahr bzw. einer Jahresbilanzsumme von 43 Mio. Euro
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Die KMU-Definition des IfM von 201628 geht in eine ähnliche Richtung:
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Kleinstunternehmen haben bis 9 Beschäftigte oder 2 Mio. Euro Jahresumsatz
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kleine Unternehmen haben bis 49 Beschäftigte und bis 10 Mio. Euro Jahresumsatz
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mittlere Unternehmen haben bis 499 Beschäftigte und 50 Mio. Euro Jahresumsatz
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In Deutschland sind im Jahr 2021 nach dieser IfM-Definition 99,3 % aller Unternehmen als KMU einzustufen, die rund 54 % aller Beschäftigten und rund die Hälfte der Nettowertschöpfung in Deutschland repräsentieren (► Dar. 3). Bemerkenswert ist auch, dass mehr als 70 % aller Auszubildenden in Deutschland in KMU zu finden sind.
Dar. 3:Wirtschaftliche Bedeutung der KMU in Deutschland (Anteil im Jahr 2021 in %)29
Ungeachtet aller Abgrenzungsfragen – es wurde auf die Erfolgszahlen des Mittelstands, aber auch auf die Unterschiede beziehungsweise teilweise synonyme Verwendung von Mittelstand und KMU hingewiesen – wird dem deutschen Mittelstand in Politik und öffentlicher Diskussion eine herausragende wirtschaftspolitische Bedeutung als Wirtschaftsmotor und tragende Säule der deutschen Wirtschaft zugeschrieben. Da wir uns im Rahmen dieser Publikation mit Strategie und Resilienz beschäftigen, lohnt sich auch ein Blick auf die Überlebens- und Widerstandsfähigkeit von KMU, abgebildet in der Insolvenzstatistik des Statistischen Bundesamtes und des IfM für Deutschland für den Zeitraum 2019 bis 2022 (► Dar. 4).
Eine Insolvenz liegt vor, wenn ein Unternehmen aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten schließen muss und nicht fortgeführt wird. Für das Jahr 2022 ergibt sich eine Zahl von rund 14.600 Unternehmensinsolvenzen in Deutschland. Nun könnte man auf den Gedanken kommen, dass bei etwa 3,4 Mio. gewerblichen Unternehmen in Deutschland (Jahr 2020) und damit einer Insolvenzquote von etwa 0,4 % das Phänomen Insolvenz bezogen auf den absoluten Unternehmensbestand nicht wirklich ins Gewicht fällt. Dies bedeutet natürlich nicht, dass eine Insolvenz für den Einzelnen oder für ein Unternehmen nicht immer eine schicksalhafte und große Bedeutung haben kann, ganz im Gegenteil.
Dar. 4:Unternehmensinsolvenzen in Deutschland 2019 bis 2022 nach Beschäftigtengrößenklassen30
Interessant und für unsere Überlegungen bedeutsam ist in diesem Zusammenhang jedoch die Tatsache, dass es gerade KMU offensichtlich nicht gelingt, eine überdurchschnittliche Widerstands- beziehungsweise Überlebensfähigkeit zu erreichen. Im Jahr 2022 waren in Deutschland nur 136 Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten von einer Insolvenz betroffen, während dies auf 14.454 Unternehmen mit geringerer oder unbekannter Mitarbeiterzahl zutraf. Zugespitzt formuliert: Insolvenz beziehungsweise mangelnde Resilienz scheint gerade ein Thema der Kleinstunternehmen und des Mittelstands beziehungsweise der KMU zu sein.
Aufschlussreich ist auch ein Blick auf die sogenannte Überlebensrate junger Unternehmen bis zu fünf Jahre nach ihrer Gründung (► Dar. 5).
Die Überlebensrate wird hier definiert als die Zahl der fortbestehenden Unternehmen in den auf ihr Gründungsjahr folgenden Jahren in Relation zu den Unternehmensgründungen im Gründungsjahr. Nur rund 37 % der 2015 gegründeten Unternehmen haben fünf Jahre überlebt, waren also resilient und auch nach 2020 noch am Markt. Widerstandsfähigkeit und Überlebensfähigkeit spielen also auch bei noch jungen Unternehmen – unabhängig von der Beschäftigtenzahl – eine wichtige Rolle.
Dar. 5:Überlebensrate der Unternehmen des Gründungsjahres 2015 nach 1 bis 5 Jahren differenziert (in %)31
2.2Implikationen für ein KMU-Management
Aus den dargestellten qualitativen und quantitativen Charakteristika von KMU ergeben sich zahlreiche Schlussfolgerungen und Konsequenzen für eine strategische Unternehmensplanung und ein Resilienzmanagement in KMU. Resilienzmanagement wollen wir wie bereits in der Einführung dargelegt für die Überlegungen in dieser Publikation ganz allgemein definieren als die Fähigkeit eines Unternehmens, systematisch und nachhaltig eine Unternehmensstrategie zu entwickeln, die das Unternehmen mittel- bis langfristig überlebens- und zukunftsfähig macht. Gleichzeitig umfasst ein so definiertes Management Mittel und Wege, diese Strategie im Unternehmensalltag erfolgreich umzusetzen. Diese Definition von Management fügt sich gut in unser Verständnis des Zusammenspiels von Theorie und Praxis ein. Welche Schlussfolgerungen lassen sich nun aus den Charakteristika von KMU für ein Resilienzmanagement ziehen?
Die Einheit von Eigentum, Leitung und Haftung ist die Ursache für eine andere Entscheidungs- und Verantwortungskultur in KMU im Vergleich zu Großunternehmen. Immer dann, wenn aufgrund der überschaubaren Größe und der damit verbundenen zahlreichen persönlichen Kontakte der Geschäftsführung und/oder des Inhabers...
Erscheint lt. Verlag | 12.6.2024 |
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Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Unternehmensführung / Management |
Schlagworte | Organisation • Unternehmensentwicklung • Unternehmensstrategie |
ISBN-10 | 3-17-044550-2 / 3170445502 |
ISBN-13 | 978-3-17-044550-5 / 9783170445505 |
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