Erfolgsfaktor Zuhören (eBook)
176 Seiten
Haufe Verlag
978-3-648-17805-8 (ISBN)
Dr. Stefan Goes ist ein promovierter Sprachwissenschaftler und erfahrener systemischer Berater. Seine Methode basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und langjähriger Berufserfahrung, um die Zuhörkompetenz effektiv zu verbessern. Als gefragter Experte für Kommunikation und persönliche Entwicklung berät er Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Sport und Politik. Seine Promotion in Sprachwissenschaft mit Fokus auf empirischer und gesprächsanalytischer Forschung legte den Grundstein für seine beeindruckende Karriere in Kommunikation und Personalentwicklung.
Stefan Goes Dr. Stefan Goes ist ein promovierter Sprachwissenschaftler und erfahrener systemischer Berater. Seine Methode basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und langjähriger Berufserfahrung, um die Zuhörkompetenz effektiv zu verbessern. Als gefragter Experte für Kommunikation und persönliche Entwicklung berät er Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Sport und Politik. Seine Promotion in Sprachwissenschaft mit Fokus auf empirischer und gesprächsanalytischer Forschung legte den Grundstein für seine beeindruckende Karriere in Kommunikation und Personalentwicklung.
1.1 »Hat der überhaupt zugehört?!« – Warum andere Sie missverstehen
Talbot J. Taylor, Professor für Englisch und Linguistik am College of William & Mary, der zweitältesten Universität der Vereinigten Staaten von Amerika, publizierte 1992 ein Buch, dessen Titel mich damals förmlich elektrisierte: Mutual Misunderstanding – Gemeinschaftliches Missverstehen. »Ja, das ist es!«, rief ich mir innerlich zu, »wir ringen nicht darum, uns zu verstehen, sondern darum, uns nicht andauernd misszuverstehen!«. Und was sagen Sie: Ist es nicht das, worum es geht? Dieser ewige Kampf, nicht missverstanden zu werden? Diese Sorge, dieser Frust und auch diese Anstrengung?
Unabhängig davon, ob Sie dem ersten oder dem zweiten dieser Sätze zustimmen würden,
Täglich bemühe ich mich, verstanden zu werden.
oder
Täglich bemühen wir uns darum, einander nicht misszuverstehen.
bitte ich Sie, sich auf diese zwei Arbeitsthesen einzulassen:
Arbeitsthesen
These 1
Verständnissicherung ist eine gemeinschaftliche Aufgabe und ein gemeinschaftlicher Erfolg.
These 2
Sich unbemerkt misszuverstehen ist ebenso wahrscheinlich wie sich unüberlegt zu verstehen.
Ich könnte mir vorstellen, dass Sie These 1 gerne oder zumindest nach ein wenig Nachdenken zustimmen würden, doch dass Sie bei These 2 eher freundlich abwinken würden. Und falls Sie sich jetzt sorgen sollten, dass der Herr Doktor Sie mit dem Stöckchen der Rhetorik durch den brennenden Reifen einer eingehenden intellektuellen Erörterung treiben wolle, seien Sie beruhigt: Taylors Buch ist allerfeinste, prismenscharfe Sprachphilosophie, die sich einem etwas anderen Themenfeld widmet als dem unsrigen. Lassen Sie mich Ihnen lieber eine Definition für Missverständnisse anbieten aus einem Skript, das ich knapp 30 Jahre nach dem Erscheinen von »Mutual Misunderstanding« für meine Klienten geschrieben habe:
Missverständnis
Ein Missverständnis ist das Ergebnis der Fehlannahme zweier oder mehrerer Gesprächspartner, sich gegenseitig verstanden zu haben. Ein Missverständnis führt zu mindestens zwei parallelen Wirklichkeitskonstrukten bei der allseitigen Annahme, dass es nur eine eindeutige, gemeinsame Wirklichkeit gebe. Deshalb bleibt ein Missverständnis unerkannt, solange daraus keine überraschenden, irritierenden oder schädlichen Folgen entstehen.
Ich finde meine Definition zwar nach wie vor präzise und zutreffend, aber Ihnen ist sie möglicherweise noch zu nah an der Sprachphilosophie. Und gegen zu viel Philosophie hilft meist ein Bild. Nehmen wir als Bild doch die von mir für die Praxis angepasste Version des Ihnen sicherlich bekannten, in den 1960er Jahren der Nachrichtentechnik entliehenen Sender-Empfänger-Modells (vgl. Abb. 1.1): das 3i-Modell.
Abb. 1.1: Das 3i-Modell der KommunikationEin Sender sendet auf einem Kanal (Licht, Schallwellen, Papier o. Ä.) einen Text (Mimik/Gestik, Sprache, geschriebener Text) zum Empfänger. Meist wird gesagt, die übermittelte Information befinde sich im Text. Dies ist aber nur zu einem Drittel richtig, denn bevor die Information übermittelt werden kann, muss sie im Kopf des Senders vorhanden sein/entstehen, und sie muss im Kopf der Empfängerin ankommen und dort in irgendeiner Weise verstanden werden. Ich spreche deshalb lieber von den drei Orten, an denen Information entstehen und existieren kann:
-
i1 = Fühlen, Denken und Wollen im Inneren des Senders
-
i2 = Das Gesagte oder Geschriebene
-
i3 = Das Gehörte, das zu Fühlen, Denken und Handeln der Empfängerin führen kann
Diese nacheinander entstehenden und dann parallel existierenden Wirklichkeiten sind in ihrem Zusammenwirken vielleicht nicht die wissenschaftlich durchdiskutierte Ursache für Missverständnisse, aber für die berufliche Praxis sind sie sehr geeignet. Denn ohne jegliche fachliche Expertise fällt uns allen täglich auf: Nur im Idealfall und unter einfachen Bedingungen gilt i1 = i2 = i3, also dass das Gedachte/Gefühlte identisch ist mit der Nachricht und diese identisch mit dem Gehörten/Gefühlten. Nehmen wir zum Beispiel eine am Frühstückstisch bei klarer Sicht und nach der ersten Tasse Kaffee gesprochene Äußerung wie
-
Reich’ mir doch bitte die Butter!
Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass Sie in dieser vertrauten Umgebung den höflichen Imperativ »reich’!« noch kurz bevor Sie den Mund öffneten eher umgangssprachlich mit »gib’!« ausdrücken wollten. Und vielleicht waren Sie auch etwas angestrengt, weil die Butter mal wieder nicht in Reichweite stand, obwohl Ihr Schatzi gar keine Butter aufs Brötchen schmiert, und in Ihrem Kopf geisterte herum
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Gib’ mal die Butter!
Oder noch unhöflicher. Ein klassischer Fall von i1 i2 = i3.
Und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass bei aller Höflichkeit Ihr Schatzi statt »Reich’ mir doch bitte die Butter!« hört
-
Warum steht die Butter eigentlich schon wieder auf deiner Seite???
Dies wäre eine nicht ungewöhnliche Formulierung, wenn das Butter-Thema ein geliebter Zankapfel wäre. In diesem Fall würde gelten i1 = i2 i3 oder sogar i1 i2 i3.
Lassen Sie uns nun das Missverständnis aus den drei Blickwinkeln Empfänger, Nachricht und Sender näher betrachten.
1.1.1 Wo Missverständnisse entstehen
Ein grundsätzliches Problem in der alltäglichen Praxis besteht darin, dass beim Bewusstwerden eines Missverständnisses die Verantwortung für dessen Entstehen meist dem Empfänger zugeschrieben wird, obwohl die Ursache gleichermaßen beim Sender oder in der Nachricht selbst liegen kann. Zum Empfänger schauen wir Sender zuerst – verwundert, liebevoll, nachsichtig, irritiert, angestrengt, genervt oder zornig. Meist haben wir auch schnell eine Schuldzuschreibung parat, wie
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Schwerhörigkeit (tatsächlich physisch oder situativ willentlich)
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mangelnde Aufmerksamkeit
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mangelndes Interesse
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uninformierte oder fahrlässige Fehlinterpretation
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Beschäftigung mit eigenen Gedanken
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Planung des bevorstehenden, eigenen Gesprächsbeitrags
Was ist Ihre Wahrnehmung? Welche anderen Gründe schreiben Sie gelegentlich Menschen zu, die Sie missverstanden haben?
Zum Weiter-Denken
Finden Sie drei bis fünf Beispiele aus Ihrer eigenen Erfahrung für Missverständnisse, die durch den Hörer ausgelöst wurden! Bitte erinnern Sie sich auch, ob Ihre Einschätzung vom Hörer geteilt wurde.
Die Ursache für ein Missverständnis kann natürlich auch in der Nachricht selbst liegen. Nicht selten sind die Gründe:
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Der Sender hält die Nachricht für inhaltlich verständlich, situativ angemessen und an den Empfängerbedürfnissen ausgerichtet, der Empfänger auch, aber beide verstehen darunter etwas ganz Verschiedenes, also i1 = i2 i2 = i3.
-
Es bestehen unwissentlich verschiedene Wissenshorizonte/Wirklichkeiten von Sender und Empfänger in Abhängigkeit von etwa Geschehnissen in der Vergangenheit, Fakten, Erwartungen, Zielen, Einflussfaktoren oder Auswirkungen.
Was ist Ihre Wahrnehmung? Kennen Sie diese Gründe? Fallen Ihnen noch weitere ein?
Zum Weiter-Denken
Finden Sie drei Beispiele für Missverständnisse, deren Ursache in der Nachricht lagen! Bitte erinnern Sie sich auch, wann und wie das Missverständnis aufgeklärt wurde.
Nun zum Sender. In einem Buch zum wirksamen Zuhören schauen wir bei der Betrachtung von Missverständnissen sinnvollerweise zum Sender, denn bei diesem liegt nach weitverbreiteter Auffassung die Verantwortung für das Verständnis (nur in Kontexten, in denen das eindeutige Verständnis von höchster Bedeutung ist, muss der Empfänger die Nachricht wiederholen, z. B. im Rettungsdienst, im Operationssaal, auf einem Schiff oder beim Militär). Und deswegen mühen sich viele von uns so sehr ab, wenn ein Gespräch nicht gut läuft. Ursachen für Missverständnisse, die allein beim Sender liegen, sind oft
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mangelndes Nachdenken und Nachfühlen vor dem Sprechen,
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Unkenntnis der situativen Lebenswirklichkeit des Empfängers,
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Selbstbezogenheit in puncto Wünsche, Erwartungen, Ziele,
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Fehleinschätzung der situativen und kontextuellen Angemessenheit,5
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Unbemerkte Unwissenheit/Fehleinschätzung hinsichtlich der Bedeutung von Aussagen.6
Was ist Ihre Wahrnehmung? Durch welche Haltung, welche Annahmen lösen Sender Missverständnisse aus?
Zum Weiter-Denken
Finden Sie ein Beispiel für jede der oben genannten Fehlerursachen, vorzugsweise mit Ihnen selbst in der Hauptrolle! Erinnern Sie sich bitte auch daran, ob Sie es selbst...
Erscheint lt. Verlag | 5.6.2024 |
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Reihe/Serie | Haufe Fachbuch |
Verlagsort | Freiburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Unternehmensführung / Management |
Schlagworte | Erfolgsfaktor • Hinhören • Intention • Kommunizieren • Kompetenz • Lernkonzept • Phrasen • Schlüsselbegriff • Schlüsselwort • Sprachmuster • Stefan Goes • Trick • Verständnis • Verstehen • Zuhören |
ISBN-10 | 3-648-17805-9 / 3648178059 |
ISBN-13 | 978-3-648-17805-8 / 9783648178058 |
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Größe: 3,1 MB
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