Business Entropie (eBook)
102 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-9450-8 (ISBN)
Clemens Dachs hat lange Erfahrung im Design großer Organisationen nach dem Vorbild von Lebewesen. Er übersetzt dabei die Systemdynamik und -architektur von Lebewesen in die Welt des modernen Managements. Die aktuellen Bücher fokussieren auf die Mechanismen der Zelle.
2 Ort und Geschwindigkeit
Dem Physiker Lord Kelvin wird die Aussage zugeschrieben: „Was man nicht messen kann, kann man nicht verbessern.“ Dies gilt nicht nur für die Physik, sondern auch für Organisationen. Edward Deming, der Vater des Qualitätsmanagements, übertrug die Idee auch auf das Management. Er prägte auch den Spruch „In God we trust, all other bring data”.
Warum sind Zahlen, Daten, Fakten so wichtig? Sie liefern eine gute Grundlage für Entscheidungen. Natürlich kann man manche wichtigen Faktoren nicht messen. Dennoch sind Entscheidungen oft besser, wenn sie in Kenntnis von Fakten getroffen werden.
Stellen Sie sich vor, sie wollen bei Organisationen Veränderungen erzielen. Sie erstellen neue Werkzeuge, arbeiten an der Produktmodularisierung und ändern Prozesse. All das hat einen Zweck: Die Organisation soll hinterher erfolgreicher sein als vorher. Aber wie können Sie beurteilen, ob Sie das Ziel erreicht haben? Dazu müssen Sie wissen, wo die Organisation gestern stand, wo sie heute steht, und wo sie hinwill.
Genau das ist die Aufgabe von Kennzahlen. Kennzahlen versuchen in Zahlen auszudrücken, wo die Organisation steht. Verbesserung an den Prozessen sollten zu einer Verbesserung der Kennzahlen führen. Die Veränderung der Produkte und Prozesse ist eine Ursache, die als messbare Wirkung die Kennzahlenverbesserung zur Folge hat.
Genau diesen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung findet man auch in der klassischen Mechanik von Galilei und Newton.
2.1 Der Ort und die Geschwindigkeit in der Physik
Fangen wir also ganz vorne an beim Beginn der modernen Naturwissenschaften – bei der klassischen Mechanik.
In der Kinematik wird erklärt, was Beschleunigung im Raum ist. Dazu untersucht sie Zeit, Ort, Geschwindigkeit, Richtung und Beschleunigung im dreidimensionalen Raum. All das basiert stark auf der Geometrie des Raumes.
Die Dynamik untersucht die unterschiedlichen Arten von Kräften, welche auf Punktmassen wirken, und diese beschleunigen. Durch die Newton‘schen Axiome wird eine Verbindung zwischen der Kraft als Ursache und der Beschleunigung als Wirkung hergestellt.
Mit Hilfe der Kinematik und Dynamik kann man also die Bewegung von Teilchen bei Vorhandensein von Kräften vorhersagen. Durch die Bewegung der Teilchen werden die verursachenden Kräfte erst beobachtbar.
Das Besondere an der klassischen Mechanik ist ihre strenge Mathematisierung. Es werden nur sehr wenige physikalische Beobachtungen als Axiome vorausgesetzt, alles andere wird dann streng mathematisch hergeleitet. Wenn diese Axiome wahr sind, müssen auch die Schlussfolgerungen stimmen.
Dies hilft auch bei der Übertragung der Begriffe in die Welt der Organisationen. Wenn es eine plausible Übersetzung von Raum und Zeit gibt, dann können abgeleitete Größen wie Abstand, Geschwindigkeit und Beschleunigung rein mathematisch übersetzt werden. Sie sind dann zwangsweise ebenfalls gültig. Genau das ist die Stärke der axiomatischen Methode der Mathematik. Sie geht von Axiomen aus, die als wahr angenommen, aber nicht bewiesen werden können. Alle Schlussfolgerungen ergeben sich dann rein aus der Logik der Mathematik.
Sehen wird uns die Kinematik einmal genauer an.
Raum und Zeit
Raum und Zeit sind wohl die grundlegendsten Begriffe der gesamten Physik. Alle anderen Begriffe wie Kraft und Energie bauen später darauf auf. Die klassische Mechanik verwendet den nicht-gekrümmten drei-dimensionalen euklidischen Raum, in dem es eine einheitliche Zeit gibt. Heute weiß man, dass dies nur eine Vereinfachung ist, die bei großen Geschwindigkeiten, Massen oder auch im Allerkleinsten nicht zutrifft. Für unsere Zwecke ist es aber ein guter Startpunkt.
Was ist nun ein Ort im Raum? Man kann sagen, dass sich ein Teilchen A zu einem Zeitpunkt t1 an den Ortskoordinaten (x, y, z) befindet. Diese Ortskoordinaten sind Eigenschaften des Teilchens A zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Abbildung 1: Ein Objekt A besitzt zum Zeitpunkt t1 die x-Ortskoordinate x1.
Es gibt hier eine Besonderheit: Wenn das Teilchen AB aus mehreren Unterteilchen A und B besteht, dann hat das zusammengesetzte Teilchen AB denselben Ort wie die Unterteilchen A und B (genauer gesagt: es befindet sich im Schwerpunkt des Systems). Aus diesem Grund befindet sich ein Atom auch an der Stelle, an der sich der Kern und die Elektronen befinden, und ein Molekül befindet sich dort, wo die einzelnen Atome sind.
Abbildung 2: Das zusammengesetzte Objekt AB besteht aus den Teilen A und B, welche jeweils eine x- und y-Koordinate haben. Der Ort von AB entspricht dem Schwerpunkt der Orte von A und B.
Auf das Konzept des Schwerpunkts zusammengesetzter Objekte werden wir später noch genauer eingehen.
Geschwindigkeit
Vom Ortsbegriff kommt man leicht zum Begriff der Geschwindigkeit. Die Geschwindigkeit v beschreibt, welche Entfernung ein Teilchen in einer bestimmten Zeitspanne zurücklegt.
Die Durchschnittsgeschwindigkeit ist dabei der Quotient aus Ortsdifferenz und Zeitdifferenz, also
Verkürzt man die Zeitspanne immer mehr bis hin zum Grenzfall dt = 0 erhält man die Momentangeschwindigkeit. Es gilt v = ds / dt, es wird also die erste Ableitung gebildet. Genau wie der Ort ist die Geschwindigkeit ein Vektor und hat somit eine Richtung und einen Betrag.
Abbildung 3: Ein Objekt A besitzt zum Zeitpunkt t1 die Ortskoordinate x1, und zum Zeitpunkt t2 die Ortskoordinate x2. Die Geschwindigkeit ist die Entfernung im Raum geteilt durch die benötigte Zeitdauer.
Beschleunigung
Die Beschleunigung ist definiert als zeitliche Änderung der Geschwindigkeit, also a = dv/dt. Dabei kann sich sowohl der Betrag als auch die Richtung der Geschwindigkeit verändern.
Im einfachen Fall der Beschleunigung a = 0, spricht man von einer geradlinigen, gleichförmigen Bewegung. Geradlinig bedeutet dabei, dass die Richtung nicht verändert wird. Gleichförmig bedeutet, dass der Betrag der Geschwindigkeit nicht verändert wird.
Eine der großen Leistungen von Galileo Galilei war es, den Unterschied von Geschwindigkeit und Beschleunigung klar herauszuarbeiten. Im Alltag findet man keine geradlinigen, gleichförmigen Bewegungen, weil immer verschiedenste Kräfte wie Gravitation und Reibung die Geschwindigkeiten verändern. Aber erst durch das Formulieren der konstanten Geschwindigkeit als Bezugspunkt konnten die Beschleunigung und die Kräfte dann genauer untersucht werden.
Abbildung 4: Ein Objekt A bewegt sich. Die Geschwindigkeit zwischen t2 und t3 ist dabei höher als zwischen t1 und t2. Das Objekt ist also beschleunigt.
Die genannten Begriffe des Ortes, der Geschwindigkeit und der Beschleunigung hängen also durch Ableitungen zusammen und stellen jeweils Vektoren im drei-dimensionalen Raum dar.
2.2 Der Ort und die Geschwindigkeit der Organisation
Kennzahlen als Positionsbestimmung von Organisationen
Wo befindet sich eine Organisation? Was sind ihre Koordinaten zu einem bestimmten Zeitpunkt? Jede Organisation kann über Kennzahlen charakterisiert werden. Wenn es zu einer Organisation n Kennzahlen gibt, kann man sie durch n Werte beschreiben. Der Ort einer Organisation ist somit der Punkt im n-dimensionalen Kennzahlenraum. Man kann ihn als n-Vektor angeben.
Da es beliebig viele Kennzahlen gibt, hat jede Organisation praktisch einen anderen Ort. Keine zwei Organisationen oder Teams sind in allen denkbaren Kennzahlen absolut identisch.
Von welchen Kennzahlen-Typen sprechen wir nun?
Kennzahlen-Prinzip 1: Kennzahlen zur Verortung beziehen sich auf einen Zeitpunkt, nicht auf einen Zeitraum.
Verwendet man Kennzahlen zur Verortung einer Organisation in einem Kennzahlenraum, so müssen sich die Kennzahlen auf einen Zeitpunkt beziehen, nicht auf einen Zeitraum.
Umsatz und Gewinn eignen sich also nicht als Ortskoordinaten, weil sie Eigenschaften eines Zeitraums (etwa eines Jahres) und nicht eines Zeitpunktes sind.
Kennzahlen-Prinzip 2: Kennzahlen zur Verortung müssen relative Größen sein.
Zweitens müssen sie Verhältniszahlen sein. Der Grund liegt darin, dass der Ort einer Organisation mit zwei Abteilungen zwischen den Orten der Abteilungen liegen soll. Bei absoluten Werten stimmt das nicht.
Eigenkapital eignet sich also nicht, weil sich bei einem Konzern die Werte zweier enthaltener Firmen addieren würden, und keinen Durchschnittswert ergeben. Der Konzern hätte einen gänzlich anderen Ort als die enthaltenen Firmen.
Besser geeignet sind also relative Kennzahlen, die sich auf einen Zeitpunkt (bsp. einen Stichtag) beziehen.
- Eigenkapital / Mitarbeitenden
- Eigenkapitel / Aktie
- Eigenkapital / Gesamtkapital
- Anteil der Behinderten / Anzahl der Mitarbeitenden
Bewertungen wie Zufriedenheit sind ebenfalls möglich, da man bei zusammengesetzten Organisationen immer mit dem Durchschnitt statt mit der Summe arbeitet.
- Durchschnittliche Mitarbeiterzufriedenheit (denn aus quantitativen Bewertungen wird ein Durchschnitt berechnet)
- Durchschnittliche Kundenzufriedenheit.
Der Ort einer Organisation entspricht also dem Vektor ihrer relativen...
Erscheint lt. Verlag | 16.1.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft |
ISBN-10 | 3-7583-9450-3 / 3758394503 |
ISBN-13 | 978-3-7583-9450-8 / 9783758394508 |
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