Klimaneutral! (eBook)
219 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45694-2 (ISBN)
Prof. Dr. Lothar Abicht ist Unternehmer, Honorarprofessor für Erwachsenenbildung, Forscher, Trainer und Autor zahlreicher Publikationen sowie gefragter Speaker. Er ist Experte für Bildungsforschung, demografische Entwicklung und die Arbeits- und Lebenswelt von morgen. Zurzeit arbeitet er als Senior Associate bei Themis Foresight an einem Forschungsprojekt zur »5. Industriellen Revolution«.
Prof. Dr. Lothar Abicht ist Unternehmer, Honorarprofessor für Erwachsenenbildung, Forscher, Trainer und Autor zahlreicher Publikationen sowie gefragter Speaker. Er ist Experte für Bildungsforschung, demografische Entwicklung und die Arbeits- und Lebenswelt von morgen. Zurzeit arbeitet er als Senior Associate bei Themis Foresight an einem Forschungsprojekt zur »5. Industriellen Revolution«. Carina Stöttner ist Mitgründerin und Co-Geschäftsführerin bei Themis Foresight. Die Kommunikationswissenschaftlerin und Soziologin spricht als Keynote-Speakerin über Zukunftsthemen, als Panel-Teilnehmerin bringt sie ihre Perspektive zu viel diskutierten Themen ein.
1. Zukunft Energieversorgung
Energie-Visionen
Lena ist Chief Climate Officer bei einem Stahlproduzenten. Sie war einst eine der treibenden Kräfte hinter der »Grüner Stahl«-Revolution. Mit einem eisernen Willen und einem unerschütterlichen Glauben an erneuerbare Energiequellen hatte sie die Transformation des Unternehmens vor 20 Jahren in Gang gesetzt. Sie hatte Partnerschaften mit Wasserstofflieferanten, Stromproduzenten und internationalen Verbündeten initiiert, um die grüne Energieversorgung zu sichern. Eine ihrer ersten längeren Dienstreisen führte sie damals nach Kolumbien, wo sie über die Lieferung von grünem Wasserstoff verhandelte. Heute ist der Großteil ihrer damaligen Vision Realität.
Auf dem Weg zum Klimakongress der deutschen Industrie gleitet ihr autonom fahrendes Elektro-Auto zwischen den Hallen durch die Produktionsstätte auf die Straße. Einst wurden hier fünf Windkraftwerke für Pilotprojekte installiert. Heute zeugen neben statischen Anlagen auch bunte Winddrachen mit Generatoren und zahlreiche Photovoltaik-Anlagen von ihrer kühnen Vision. Damals kaum vorstellbar, aber: Der Wirkungsgrad dieser sonnenbetriebenen Hochleistungsanlagen hat sich in der letzten Dekade fast verdoppelt! Sie lächelt. Rückblickend sieht es immer einfach aus. Zu Beginn der 2020er Jahre war das anders. Auf ihren Fahrten durch Bayern sah sie damals nur vereinzelt PV-Anlagen auf den Dächern von Einfamilienhäusern und Höfen. Heute sind photoelektrische Dachziegel und Brachflächen mit Photovoltaik-Anlagen in den meisten Regionen die Norm. In großen Städten, wie zum Beispiel ihrer Heimatstadt Berlin, prägen grüne Dächer das Stadtbild – aus Hitzeschutzgründen und zur besseren Isolierung haben sie das Rennen auf den Dächern gewonnen, auch wenn die Installation auf Bestandsgebäuden herausfordernd ist. Die Fassaden vieler Gebäude sind mit Solarmodulen bestückt – gefühlt jeder freie Zentimeter wird genutzt, um Energie zu erzeugen. Heute sind grüner Strom und grüner Wasserstoff die Eckpfeiler für alle.
Lena freut sich: In einer halben Stunde wird sie beim Kongress ankommen. Einige der dort vertretenen Unternehmen sind schon seit knapp 15 Jahren klimaneutral – nicht zuletzt dank dieser Treffen. Diese engagierte Gemeinschaft hat nicht nur Wissen ausgetauscht, sondern auch dazu beigetragen, die Idee der Sektorenkopplung zu verwirklichen und gemeinsame Initiativen zur Energieoptimierung anzugehen.
Ohne Energie geht nichts
Schon im Physikunterricht haben wir alle gelernt, dass Energie weder erzeugt werden kann noch im physikalischen Sinn verloren geht. Möglich ist lediglich die Umwandlung einer Energieart in die andere, wobei bei jeder Umwandlung Wärmeverluste entstehen. Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Hauptsätze der Thermodynamik, die für jede Art von Energiebereitstellung und Energieanwendung gelten. Alle Prozesse des menschlichen Lebens verlaufen unter Einsatz von frei umwandelbarer Energie (Exergie), die während der Anwendung zu nicht mehr nutzbarer Energie (Anergie) umgewandelt wird. Fehlt die Energiezufuhr, wird es nicht nur ungemütlich, sondern alle Systeme – von Tieren über den Menschen bis hin zu jeder Art von Technik – zerfallen. Menschen sterben, Eisen rostet und Beton verwittert.
Diese universelle Bedeutung ständiger Zufuhr von umwandelbarer Energie ist es auch, welche die Energiewirtschaft heute und auch im Jahr 2050 prägt. Sie ist der Anker jeglicher Art industrieller Produktion. Unsere heutige Lebensweise wäre ohne sie nicht denkbar. Diese zentrale Rolle der Energiewirtschaft wird häufig so verstanden, dass die Dekarbonisierung und damit die fünfte industrielle Revolution in erster Linie eine Aufgabe der Energiewirtschaft sei. Besonders der Umbau der Stromversorgung wird dann als wichtigste Aufgabe für den Klimaschutz dargestellt. Das ist prinzipiell nicht falsch, reicht aber bei weitem nicht aus. Erneuerbare Energie anstelle von Kohle, Erdöl und Erdgas zur Stromerzeugung zu nutzen, ist ein erster wichtiger Schritt.
Drei miteinander verbundene Aufgaben verhelfen zum Umbau des Energiesystems:
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Grüner Strom ist der Schlüssel für die Energiewende. Bis 2050 wird sich der Anteil von grünem Strom am Gesamtenergieverbrauch vervielfachen.
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Hinzu kommen grüner Wasserstoff und seine Derivate, die überall da Energie liefern, wo Strom aus technologischen Gründen nicht optimal eingesetzt werden kann oder Wasserstoff einen zusätzlichen Nutzen bietet.
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Funktionieren kann die Umstellung allerdings nur, wenn der Energieverbrauch insgesamt drastisch verringert wird, wofür neben Maßnahmen für effiziente Energieanwendung vor allem die Verluste bei der Umwandlung von Primärenergie in Endenergie sinken müssen.
Anteile Energieträger an Energieerzeugung und Energieverbrauch
Primärenergie ist Energie in ihrer ursprünglichen Form, zum Beispiel Sonnenlicht. Weitere Primärenergieträger sind Uran oder Erdgas. Die Primärenergiebilanz Deutschlands stellt sich im Jahr 2020 wie folgt dar: Von den fast 12.000 Petajoul (entspricht etwa 410 Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten beziehungsweise 3.333,3 Terrawattstunden), die Deutschland 2020 verbraucht hat, entfallen fast 76 Prozent auf kohlenstoffhaltige Energieträger. Konkret verteilt sich das auf 26,4 Prozent Erdgas, 34,3 Prozent Mineralöl, 7,5 Prozent Steinkohle und 8 Prozent Braunkohle. Hinzu kommen 16,5 Prozent erneuerbare Energien und 5,9 Prozent Kernenergie sowie geringere Mengen aus Wasserkraft und Bioenergie.1 Rund 70 Prozent aller Primärenergieträger werden Stand Dezember 2022 importiert.2
Endenergie bezieht sich auf die Energieform, die von den Endverbrauchern genutzt wird, zum Beispiel in Form von Strom. Die Nutzenenergie ist das Ergebnis der Umwandlung von Endenergie in die gewünschte Form der Energie-Anwendung, zum Beispiel wird elektrische Endenergie für die Beleuchtung genutzt. Der Übergang von Primärenergie zu Nutzenenergie erfolgt in mehreren Schritten der Umwandlung, Übertragung und Nutzung und geht mit Verlusten einher.
Abbildung 1: Was ist Primär-, End- und Nutzenenergie?
Da bei jeder Verbrennung fossiler Brennstoffe CO2 freigesetzt wird, müssten ohne die Abtrennung und unterirdische Speicherung von CO2 bis 2050 alle kohlenstoffhaltigen Energieträger so weit wie irgendwie möglich ersetzt werden. Das lässt sich nur annähernd erreichen, wenn die Endenergie, die bei den Verbrauchern ankommt, ebenfalls strukturell völlig umgebaut wird. Als Endenergieträger dienten im Jahr 2017 29 Prozent Kraftstoffe, 8 Prozent Heizöl, 26 Prozent Gas und 20 Prozent Strom. Weitere Endenergieträger sind Fernwärme und sonstige Brennstoffe.3
Die Erreichung von Klimaneutralität bedeutet also nichts weniger, als die Verbrennung von Braunkohle, Steinkohle, Öl und Gas weitgehend einzustellen und auch auf aus Öl und Gas gewonnene Kraft- und Brennstoffe gänzlich zu verzichten. An die Stelle von fossilen Brennstoffen und Kernenergie treten regenerierbare Primärenergieträger wie Sonne und Wind, Erdwärme oder Wasserkraft – nicht nur für die Stromerzeugung, sondern auch für die Erzeugung von Wärme zu Heizzwecken oder den Antrieb von Fahrzeugen. Es muss also nicht nur die Stromerzeugung grün werden, sondern auch die bisher vorwiegend importierten Energieträger Steinkohle, Öl und Gas und die daraus erzeugten Produkte wie Benzin oder Diesel sollen ersetzt werden. Und das in einem Land, das aktuell 70 Prozent der Primärenergieträger importiert.
Mit der Umstellung auf regenerierbare Energie als Primärenergiequellen und Strom als Endenergie ist eine heute kaum...
Erscheint lt. Verlag | 10.4.2024 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Unternehmensführung / Management |
Schlagworte | 5. industrielle Revolution • CSR • Dekarbonisierung • Erneuerbare Energien • Klimakrise • klimaneutral • Klimawandel • nachhaltig • Transformation • Unternehmensethik • Verantwortung • wettbewerbsfähig • Wohlstandssicherung • zukunftsfähig • Zukunftsforschung |
ISBN-10 | 3-593-45694-X / 359345694X |
ISBN-13 | 978-3-593-45694-2 / 9783593456942 |
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