Wohnungsübergabe rechtssicher gestalten (eBook)
180 Seiten
Haufe Verlag
978-3-648-17402-9 (ISBN)
Andreas Stürzer ist Wirtschaftsjurist und Rechtsberater bei Haus + Grund München.
Andreas Stürzer Andreas Stürzer ist Wirtschaftsjurist und Rechtsberater bei Haus + Grund München. Nikolaus Ziegelmayer Nikolaus Ziegelmayer ist seit 2012 als Immobilienmakler und seit 2015 als Hausverwalter tätig. Seit 2021 arbeitet er als Berater beim Haus- und Grundbesitzerverein München e.V.
2.2 Antidiskriminierung: was Vermieter beachten müssen
Durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gelten Regelungen, die Vermieter – mit wenigen Ausnahmen – auf jeden Fall bei der Mieterauswahl beachten sollten: Es dürfen keine Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität eintreten.
Wenn der Vermieter einen Mietinteressenten ablehnt, weil dieser Mitglied einer Gewerkschaft ist, liegt damit kein Verstoß gegen § 1 AGG vor, weil eine Gewerkschaftsmitgliedschaft keine Weltanschauung darstellt.3
2.2.1 Für wen gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz?
Das AGG unterscheidet außerdem zwischen Großvermietern mit mehr als 50 Wohnungen und Kleinvermietern. Besitzt der Vermieter insgesamt nicht mehr als 50 Wohnungen, kommt das AGG nur eingeschränkt zur Anwendung: Der Vermieter muss nur die Merkmale Rasse (d. h. Hautfarbe) und ethnische Herkunft (Sprachgruppe, Kultur und Religion) berücksichtigen und darf aus diesen Gründen nicht diskriminieren.
Im Bereich der Wohnungsvermietung gilt das AGG nur dann nicht, wenn der Vermieter oder einer seiner Angehörigen Wohnraum auf demselben Grundstück nutzt. Ferner findet das AGG keine Anwendung, wenn ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Mietvertragsparteien oder ihrer Angehörigen begründet wird (§ 19 Abs. 5 AGG).
Der gesamte Diskriminierungskatalog gilt nur für Vermieter, die mehr als 50 Wohnungen vermieten. In diesem Fall geht der Gesetzgeber davon aus, dass es sich um ein »Massengeschäft« handelt, das »ohne Ansehen der Person« zustande kommt. Der Vermieter kann sich lediglich auf § 19 Abs. 3 AGG berufen, wonach bei der Wohnungsvermietung eine unterschiedliche Behandlung zulässig sein kann, sofern sie »den Zielen der Stadt- und Wohnungspolitik dient, sozial stabile Bewohnerstrukturen zu erhalten und ausgewogene Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Verhältnisse zu schaffen und zu erhalten«. Mit dieser Regelung soll einer Gettoisierung von Stadtteilen vorgebeugt werden.
2.2.2 Ablehnung eines Mietinteressenten
Zulässig sind sachliche Ablehnungsgründe, wenn z. B. die wirtschaftliche Situation des Mietinteressenten unzureichend ist. Ob möglicherweise Gründe wie z. B. die Anzahl der Familienmitglieder oder unfreundliches Verhalten des Bewerbers für eine Ablehnung ausreichen, werden die Gerichte in nächster Zeit entscheiden.
Ein Vermieter kann sich schadensersatzpflichtig machen, wenn er einen Bewerber, z. B. wegen seines Migrationshintergrundes ablehnt. Der Benachteiligte kann darüber hinaus – vergleichbar dem Schmerzensgeld – auch verlangen, Schäden ersetzt zu bekommen, die keine Vermögensschäden sind. Da der Gesetzgeber im Mietrecht einen sog. Kontrahierungszwang, d. h. eine Verpflichtung zum Abschluss eines Mietvertrags, nicht ausdrücklich ausschließt, könnte ein abgelehnter Bewerber einen Anspruch auf Abschluss eines Mietvertrags geltend machen, sofern die Wohnung noch nicht anderweitig vermietet wurde. Wurde die Wohnung bereits vermietet, stellt sich diese Frage nicht mehr.
Testing-Verfahren ist zulässig
Bereits bei der Auswahl der Interessenten für eine Wohnung kann es zu Verstößen gegen das AGG kommen. Das Benachteiligungsverbot bei der Vergabe von Wohnungen verbietet eine Ungleichbehandlung, z. B. aufgrund »ausländisch klingender« Namen, bereits bei der Auswahl derjenigen Mietinteressenten, die zu einem Besichtigungstermin eingeladen werden.
Dabei ist nach Auffassung des AG Charlottenburg4 das sog. Testing-Verfahren ausdrücklich zulässig. Bei diesem Verfahren werden dem Vermieter Bewerbungen von fiktiven Bewerbern übermittelt, die sich nur durch ein Kriterium unterscheiden, auf dessen Grundlage eine Benachteiligung vermutet wird (z. B. ausländisch klingender Name). Gelingt dem Mietinteressenten der Nachweis, mit seinem ausländisch klingenden Namen Absagen und mit einem deutsch klingenden fiktiven Namen Einladungen zur Besichtigung erhalten zu haben, liegen Indizien für die Vermutung einer unzulässigen Diskriminierung vor.
In dem vom AG Augsburg entschiedenen Fall hatte der Vermieter in der Augsburger Allgemeinen Zeitung sowie auf deren Internetportal eine Wohnung mit folgendem Text angeboten: »1 ZKB 40 m², sofort, € 394, € 102, EBK, Laminat, Garage auf Wunsch, an Deutsche …«. Beim anschließenden Anruf eines Bewerbers mit ausländisch klingendem Namen soll der Vermieter gesagt haben: »Nein, ich habe zwei Ausländer im Haus. Ich brauche keine mehr.« Dazu hat das AG Augsburg entschieden, dass eine öffentlich abrufbare Annonce, mit der eine Wohnung zur Vermietung explizit nur »an Deutsche« angeboten wird, ein ausreichendes Indiz für eine Benachteiligung dadurch ausgeschlossener nichtdeutscher Bewerber aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer ethnischen Herkunft ist. Dabei trägt der Inserent die Beweislast dafür, dass er nicht gegen die entsprechenden Regelungen des AGG verstoßen hat. Ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis im Sinne vom § 19 Abs. 5 Satz 2 AGG, das einer Anwendung des AGG entgegengestanden hätte, kann nach Auffassung des Gerichts in der vorliegenden Wohnanlage mit 17 Parteien nicht erkannt werden. Das Gericht sprach dem Bewerber eine Entschädigung von 1.000 Euro zu. Dies sei angemessen für eine Benachteiligung durch den Ausschluss von der Vergabe einer Mietwohnung aufgrund der Rasse oder ethnischen Herkunft.5
Tipp: Ablehnungsgründe dokumentieren
Um Schadenersatzforderungen abzuwehren, sollten Sie Ihre Ablehnungsgründe dokumentieren und zu den Akten nehmen. Verweigert der Bewerber das Ausfüllen einer schriftlichen Selbstauskunft, begründet bereits dieser Umstand einen sachlichen Ablehnungsgrund. Ansonsten ist anzuraten, den sachlichen Ablehnungsgrund zu dokumentieren.
Wer trägt die Beweislast?
Folgende Beweislastregel gilt: Der vermeintlich Diskriminierte muss lediglich die Indizien beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines diskriminierenden Verhaltens vermuten lassen. Ein einfaches Glaubhaftmachen reicht nicht. Gelingt der Beweis, hat der Vermieter diese Vermutung zu entkräften und seinerseits zu beweisen, dass eine unzulässige Benachteiligung des Mietinteressenten nicht vorgelegen hat.
Was sind sachliche Ablehnungsgründe?
Die vorzeitige Ablehnung von Bewerbern ohne Kenntnis von deren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sollte unterbleiben, da dies für den abgelehnten Bewerber Anlass sein könnte, dem Vermieter unzulässige Ablehnungsgründe vorzuwerfen und Schadensersatz geltend zu machen.
Sachliche Ablehnungsgründe dagegen können sich aus den Angaben des Bewerbers in der Selbstauskunft oder aus den daraus resultierenden Nachfragen beim Vorvermieter ergeben. Darunter fallen beispielsweise:
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mangelnde Solvenz, kein zur Zahlung der Miete und Betriebskosten ausreichendes Einkommen,
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negative Auskünfte des Vorvermieters, der Bank des Mieters, der Schufa (Schutzgemeinschaft für das Kreditwesen) oder einer Auskunftei im Rahmen eines Solvenz-Checks,
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unerwünschte Haustierhaltung, unerwünschte teilgewerbliche Nutzung der Wohnung, unerwünschtes Musizieren,
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Uneinigkeit über Mietdauer, Miethöhe, Art der Mietsicherheit, umlagefähige Betriebskosten.
2.2.3 Schadensersatz und Schmerzensgeld
Ein Paar, afrikanischer Herkunft und von dunkler Hautfarbe, meldete sich auf eine Vermietungsanzeige für eine Wohnung. Die Besichtigung sollte die Hausmeisterin im Auftrag des Wohnungsverwalters durchführen. Diese wies das Paar mit den Worten ab, die Wohnung werde nicht an »Neger … äh Schwarzafrikaner oder Türken« vermietet. Daraufhin verlangte das Paar mit Unterstützung des städtischen Gleichstellungsbüros Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Nach dem Urteil des OLG Köln6 hat die Hausmeisterin durch die Verweigerung der Wohnungsbesichtigung und die o. g. Äußerung die Menschenwürde und damit das allgemeine Persönlichkeitsrecht der afrikanischen Mietinteressenten verletzt. Die Bezeichnung als »Neger« sei nach heutigem Verständnis eindeutig diskriminierend und ehrverletzend. Ein Angriff auf die Menschenwürde des Paares sei es aber auch, dass ihnen eine Wohnungsbesichtigung und evtl. Anmietung allein wegen ihrer Hautfarbe verweigert worden sei.
Der Wohnungsverwalter haftet auch für das Verhalten der Hausmeisterin, da er als Verwalter seinerseits von den Eigentümern insgesamt mit der Vorbereitung der Neuvermietung beauftragt gewesen ist. Alle Mietinteressenten mussten sich bei ihm melden. Auch die Durchführung der Besichtigungstermine gehörte zu seinem Aufgabenkreis. Wenn er sich hierzu der Hilfe der Hausmeisterin bedient, wird diese sozusagen in seinem Pflichtenkreis tätig, sodass er auch für ihr Verhalten haften muss (§ 831 BGB, Haftung für sog. Verrichtungsgehilfen).
Mit diesem Urteil hat das OLG Köln7 die Entscheidung der Vorinstanz8 aufgehoben,...
Erscheint lt. Verlag | 26.3.2024 |
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Reihe/Serie | Haufe Fachbuch | Haufe Fachbuch |
Verlagsort | Freiburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft |
Schlagworte | Abrechnung • Andreas Stürzer • Auszug • Einzug • Haus und Grund • kaputt • Kaution • Konflikt • Kündigung • Mängelliste • Mieter • Nebenkosten • Nikolaus Ziegelmayer • rechtssicher • Renovierung • Schaden • Schimmel • Schönheitsreparatur • Übergabeprotokoll • Umbau • undicht • Vermieter • Wohnungsabnahme • Wohnungsübergabe • Zählerstand:Heizkosten |
ISBN-10 | 3-648-17402-9 / 3648174029 |
ISBN-13 | 978-3-648-17402-9 / 9783648174029 |
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