Crashkurs Jahresabrechnung im Wohnungseigentum (eBook)
272 Seiten
Haufe Verlag
978-3-648-17609-2 (ISBN)
Peter-Dietmar Schnabel ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Er berät Hausverwalter, Wohnungseigentümer und Beiräte beim Haus- und Grundbesitzerverein Freiburg.
Peter-Dietmar Schnabel Peter-Dietmar Schnabel ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Er berät Hausverwalter, Wohnungseigentümer und Beiräte beim Haus- und Grundbesitzerverein Freiburg.
1.1 Zeitpunkt der Erstellung und Gültigkeitsdauer
Der Wirtschaftsplan muss zu Beginn des aktuellen Wirtschaftsjahres oder am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres erstellt werden. Der darauf basierende Beschluss über die Vorschüsse soll schließlich die Vorschusszahlungen und damit die Liquidität der Gemeinschaft für das aktuelle Wirtschaftsjahr sicherstellen. In der Praxis sieht es allerdings anders aus: Die beste Basis für eine Prognose der zukünftig anfallenden Einnahmen und Ausgaben ist die Jahresabrechnung des Vorjahres. Daher ist es üblich, den aktuellen Wirtschaftsplan aufgrund der Jahresabrechnung für das Vorjahr zu erstellen.
Auch die Rechtsprechung sieht dies nicht anders und lässt es daher zu, dass die Vorschüsse in der Wohnungseigentümerversammlung beschlossen werden, in der die Wohnungseigentümer über die Nachschüsse des Vorjahres beschließen. Dies hat aber in den ersten Monaten des laufenden Wirtschaftsjahres zu geschehen. Die Gerichte gehen davon aus, dass der Verwalter in den ersten drei bis sechs Monaten eines Wirtschaftsjahres einen Beschluss über die Vorschüsse ermöglicht.
Wenn der Verwalter in diesem Zeitraum seiner Verpflichtung nicht nachkommt, kann die Gemeinschaft ihn mahnen und damit in Verzug setzen. Spätestens jetzt muss ein Verwalter reagieren. Denn nachdem er sich in Verzug befindet, kann die Gemeinschaft die Erstellung des Wirtschaftsplans gerichtlich einklagen.
Der einzelne Wohnungseigentümer kann nicht den Verwalter auf Erstellung des Wirtschaftsplans verklagen. Dieser Anspruch steht nur der Wohnungseigentümergemeinschaft als Vertragspartnerin des Verwalters zu. Der einzelne Eigentümer hat nur einen Anspruch gegen die Gemeinschaft darauf, dass diese den Verwalter zur Erstellung des Wirtschaftsplans zwingt.
Beispiel
Das Wirtschaftsjahr einer Gemeinschaft ist das Kalenderjahr. Der Wirtschaftsplan ist somit zwischen dem 31.3. und dem 30.6. vorzulegen. Spätestens ab dem 1.7. kann der Verwalter durch Mahnung von der Wohnungseigentümergemeinschaft in Verzug gesetzt werden. Je nach örtlicher Rechtsprechung kann dies auch schon früher geschehen.
Befindet sich der Verwalter mit der Erstellung des Wirtschaftsplans in Verzug, drohen finanzielle Konsequenzen:
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Der Verwalter trägt die Verfahrenskosten, wenn die Gemeinschaft die Erstellung des Wirtschaftsplans einklagt.
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Die Eigentümer können Schadenersatz geltend machen, zum Beispiel wenn ihnen durch den verspäteten Beschluss über die Vorschüsse ein wirtschaftlicher Schaden entsteht. Den Anspruch müssen die Eigentümer zwar gegenüber der Gemeinschaft verfolgen, diese kann die Ansprüche jedoch an den Verwalter weiterleiten.
Die Spanne von drei bis sechs Monaten ist relativ weit und die Unsicherheit über den Zeitpunkt, zu dem der Wirtschaftsplan spätestens vorgelegt werden muss, entsprechend groß. In jedem einzelnen Fall kommt es auf die konkreten Umstände an. So kann die Frist zur Vorlage des Wirtschaftsplans bei einer kleinen Gemeinschaft mit nur wenigen Abrechnungspositionen von einem Gericht auch kürzer bemessen werden. Hingegen kann bei einer großen Wohnungseigentumsanlage und bei Schwierigkeiten mit der Beschaffung der Heizkostenabrechnung auch ein längerer Zeitraum als sechs Monate angemessen sein.
Es ist auch möglich, die sich aus dem Wirtschaftsplan ergebenden Vorschüsse bereits in der Wohnungseigentümerversammlung des vorangehenden Jahres zu beschließen. Der Beschluss basiert dann auf den Kosten, die im davor gelegenen Jahr angefallen sind. Soweit aktuell erkennbare Einnahmen- und Ausgabenentwicklungen berücksichtigt werden, entspricht auch ein solcher Wirtschaftsplan den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung.
Beispiel
Das Wirtschaftsjahr einer Gemeinschaft ist wieder das Kalenderjahr. Die Wohnungseigentümer beschließen in der Versammlung des Jahres 2024 die Nachschüsse für das Wirtschaftsjahr 2023 sowie die Vorschüsse für das Wirtschaftsjahr 2025.
Nun gibt es sehr duldsame Gemeinschaften, die es hinnehmen, dass die Wohnungseigentümerversammlung erst im Dezember stattfindet, sodass für das laufende Jahr keine einzige Hausgeldrate mehr gezahlt werden kann. Der BGH hat für diese Fälle entschieden, dass mit dem Ablauf des Kalenderjahres die Pflicht zur Aufstellung eines Wirtschaftsplans endet und die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung entsteht. Mit Ablauf des Kalenderjahres kann daher auch ein zuvor ergangenes Urteil auf Erstellung des Wirtschaftsplans nicht mehr vollstreckt werden. Der Anspruch auf Aufstellung eines Wirtschaftsplans für ein Kalenderjahr erlischt somit mit dem Ablauf dieses Kalenderjahres.
Ist ein Wirtschaftsjahr ohne einen wirksamen Beschluss über die Zahlung von Vorschüssen abgelaufen und beschließt die Gemeinschaft dennoch auf Basis eines vom Verwalter für dieses Jahr erstellten Wirtschaftsplans die Zahlung von Vorschüssen, dann ist ein solcher Beschluss jedoch nur anfechtbar. Wird er nicht angefochten wird der Beschluss bestandskräftig. Ziel eines solchen Beschlusses ist es, dafür zu sorgen, dass kurzfristig die Liquidität der Gemeinschaft hergestellt wird. Dieses Ziel kann die Gemeinschaft jedoch ohne die Gefahr einer Anfechtung erreichen, indem sie statt der Vorschüsse eine Liquiditätsumlage beschließt.
Überraschung: Das Wirtschaftsjahr dauert tatsächlich zwölf Monate. § 28 Abs. 1 WEG legt sogar fest, dass das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspricht. Diese Regelung ist durchaus zweckmäßig, die Wohnungseigentümer müssen sich jedoch nicht unbedingt daran halten. Wird zum Beispiel gewünscht, dass das Wirtschaftsjahr der Heizperiode entspricht, kann auch der Zeitraum vom 1.6. bis zum 31.5. als Wirtschaftsjahr festgelegt werden.
Eine solche Änderung ist nach überwiegender Meinung nur durch eine Vereinbarung möglich. Ein Mehrheitsbeschluss, der das Wirtschaftsjahr für die Zukunft abändert, wäre danach nichtig. Dies gilt selbst dann, wenn sich der Beschluss nur auf das unmittelbar folgende Wirtschaftsjahr bezieht.
Anders sieht es das OLG München. Es vertritt die Auffassung, dass die Festlegung des Kalenderjahres als Wirtschaftsjahr in § 28 Abs. 1 WEG nur eine Ordnungsvorschrift ist, die auch durch Mehrheitsbeschluss geändert werden könne. Ob sich diese Ansicht durchsetzt, bleibt abzuwarten. Wenn Ihre Eigentumswohnung also nicht im Bezirk des OLG München liegt, sind Sie auf der sicheren Seite, wenn eine Abweichung des Wirtschaftsjahres vom Kalenderjahr durch eine entsprechende Vereinbarung geregelt wird und nicht durch Mehrheitsbeschluss.
Für neu entstandene Wohnungseigentümergemeinschaften macht der Gesetzgeber auch keine Ausnahme. Für sie gilt ebenfalls das Kalenderjahr als Wirtschaftsjahr. Das erste »Wirtschaftsjahr« muss ggf. verkürzt auf die tatsächlich zu bewirtschaftenden Monate angesetzt werden.
Beispiel
Am 5.3. ist die Wohnungseigentümergemeinschaft entstanden (die Grundbuchblätter für die Sondereigentumseinheiten wurden angelegt, § 9a Abs. 1 Satz 2 WEG). Am 12.5. beschließen die Wohnungseigentümer einen Wirtschaftsplan. Ohne anderweitige Regelung in der Gemeinschaftsordnung läuft das Wirtschaftsjahr vom 5.3. bis zum 31.12.
Geltungsdauer des Beschlusses über die Vorschüsse
Der Beschluss über die Vorschüsse gilt grundsätzlich für die gesamten zwölf Monate eines Wirtschaftsjahres. Wenn der Beschluss während des laufenden Wirtschaftsjahres gefasst wird, sind die Monatsraten für bereits abgelaufene Monate sofort zur Zahlung fällig. Das gilt nicht, falls in der Wohnungseigentümergemeinschaft andere Zahlungsmodalitäten beschlossen werden.
Da der Beschluss über die Vorschüsse nur für ein Wirtschaftsjahr gilt, endet seine Wirkung nach Ablauf des letzten der zwölf Monate. Ist das Kalenderjahr das Wirtschaftsjahr, steht die Gemeinschaft am 1.1. des folgenden Jahres ohne durchsetzbare Hausgeldansprüche da. Findet die Eigentümerversammlung zum Beschluss der neuen Vorschüsse dann erst im Mai oder Juni statt, kann die Gemeinschaft ein größeres Liquiditätsproblem bekommen. In der Praxis wird dieses Problem dadurch gelöst, dass die Fortgeltung der Vorschusszahlungen beschlossen wird. Hierbei wird festgelegt, dass die beschlossenen Vorschüsse über das Wirtschaftsjahr hinaus bis zum Beschluss neuer Vorschüsse Geltung haben sollen (zum Beschluss im Einzelnen siehe Kapitel 1.5.2).
Die wichtigsten Fakten
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In der Regel sind der Wirtschaftsplan und der Beschluss über die Vorschüsse zu Beginn eines Wirtschaftsjahres (innerhalb von drei bis sechs Monaten) zu beschließen.
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Jeder einzelne Wohnungseigentümer hat einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch gegen die Gemeinschaft auf die Aufstellung eines Wirtschaftsplans durch den Verwalter.
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Das Wirtschaftsjahr ist das Kalenderjahr; eine Abweichung hiervon ist jedenfalls durch eine Vereinbarung möglich.
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Ein Beschluss, wonach die Pflicht zur Zahlung der Vorschüsse über das Wirtschaftsjahr hinaus fort gilt, bis neue Vorschüsse beschlossen werden, entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung und kann mehrheitlich beschlossen werden.
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Nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres ist es nicht mehr möglich, einen Wirtschaftsplan für dieses Jahr zu erstellen und die Zahlung von Vorschüssen zu beschließen. Die Wohnungseigentümer sind dann verpflichtet, die Jahresabrechnung erstellen zu lassen und...
Erscheint lt. Verlag | 13.3.2024 |
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Reihe/Serie | Haufe Fachbuch | Haufe Fachbuch |
Verlagsort | Freiburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft |
Schlagworte | Abrechnungsverfahren • Fakturierung • Haftung • Hausgeld • Jahresabrechnung • Jahresabschluss • Rechtssicherheit • Schnabel • Verwalter • Weg • WEG-Reform • Wirtschaftsplan • Zahlungsverkehr |
ISBN-10 | 3-648-17609-9 / 3648176099 |
ISBN-13 | 978-3-648-17609-2 / 9783648176092 |
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