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Deutschlands fette Jahre sind vorbei (eBook)

Wie es dazu kam und wie wir ein neues Wirtschaftswunder schaffen können
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
320 Seiten
FinanzBuch Verlag
978-3-98609-427-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Deutschlands fette Jahre sind vorbei -  Prof. Dr. Gunther Schnabl
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Noch gehört Deutschland zu den reichsten Ländern der Welt. Ob Eurokrise, Flüchtlingswelle, Corona-Pandemie und Beginn des Ukrainekriegs - die deutsche Wirtschaft zeigte sich robust. Doch die fetten Jahre sind vorbei, es geht immer weiter abwärts. Überall. Und das hat nicht nur mit externen Krisen zu tun. Der wirtschaftliche Niedergang und der Kaufkraftverlust, der weite Teile der deutschen Bevölkerung trifft, ist hausgemacht. Um das zu verbergen, versprechen deutsche Politiker Wachstum dank Schulden und Klimainvestitionen. Der Leipziger Professor Gunther Schnabl erklärt, warum das nicht wirken wird. Er zeigt auf, warum unser Wohlstand, der noch auf den Reformen von Ludwig Erhard beruht, in Gefahr ist. Die Inflation ist kein neues Phänomen und noch lange nicht besiegt. In seinem Buch verdeutlicht Gunther Schnabl die wirtschaftspolitischen Fehler von Angela Merkel, der Ampelkoalition und der Europäischen Union. Sie alle sind von marktwirtschaftlichen Prinzipien abgerückt. Schonungslos benennt der Autor die größten Fehler: die kostspielige Eurorettung, die verfehlte Klimapolitik, überbordende Regulierung, Subventionen und der unkontrollierte Ausbau des Sozialstaats. Schnabl zeigt Lösungsansätze auf, wie wir zurück zu einem neuen Wirtschaftswunder finden können.

Prof. Dr. Gunther Schnabl ist Professor für Wirtschaftspolitik und Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Leipzig. Er hat an den Universitäten Tübingen, Stanford, Tokio und Leuven promoviert und habilitiert. Forschungsaufenthalte führten ihn zur Deutschen Bundesbank, Europäischen Zentralbank, Bank von Japan und Federal Reserve Bank of New York. Als Wirtschaftsexperte ist er u. a. aus ARD, ZDF, der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, »Süddeutschen Zeitung«, »ZEIT«, »WELT«, »Wirtschaftswoche« und »BILD« bekannt.

Prof. Dr. Gunther Schnabl ist Professor für Wirtschaftspolitik und Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Leipzig. Er hat an den Universitäten Tübingen, Stanford, Tokio und Leuven promoviert und habilitiert. Forschungsaufenthalte führten ihn zur Deutschen Bundesbank, Europäischen Zentralbank, Bank von Japan und Federal Reserve Bank of New York. Als Wirtschaftsexperte ist er u. a. aus ARD, ZDF, der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, »Süddeutschen Zeitung«, »ZEIT«, »WELT«, »Wirtschaftswoche« und »BILD« bekannt.

Kapitel 2


Wie die Politik die Europäische Zentralbank zum politischen Akteur machte


Der historische Hintergrund der Europäischen Währungsunion


Aus dem vorangegangenen Kapitel ist bekannt, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg zwei unterschiedliche Zentralbankmodelle in Westeuropa gab. Einerseits war die Deutsche Bundesbank unabhängig. Andererseits waren die Zentralbanken von Frankreich, Italien, Spanien, dem Vereinigten Königreich und anderer Länder dem jeweiligen Finanzministerium unterstellt. Später werde ich zeigen, dass die unterschiedlichen Zentralbankmodelle auch mit unterschiedlichen Wachstumsmodellen verbunden waren, die in Konkurrenz zueinander standen.

Zudem konkurrierten die Länder um das sogenannte exorbitante Privileg, das in den 1950er und 1960er Jahren in Europa und dem Rest der westlichen Welt noch die USA innehatten. Die USA waren als militärischer, wirtschaftlicher und politischer Sieger aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen und konnten die Nachkriegsordnung bestimmen. Mit dem Währungssystem, das nach seinem Geburtsort Bretton Woods in New Hampshire benannt wurde, hatten sie 1944 den Dollar zur Leitwährung der westlichen Welt gemacht. Der Dollar war an Gold gebunden, was ihn stabil machte. Die westeuropäischen Länder mussten den Wechselkurs ihrer Währungen an den Dollar binden. Um dazu in der Lage zu sein, brauchten sie Dollarreserven, die sie in US-amerikanischen Staatsanleihen hielten. Das war – wie der spätere französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing in den 1960er Jahren beklagte – ein exorbitantes Privileg, das den USA zusätzliche Finanzierungsspielräume eröffnete. Zum Beispiel, um ein schlagkräftiges Militär zu finanzieren.

Seit der zweiten Hälfe der 1960er Jahre missbrauchten die USA allerdings ihr exorbitantes Privileg, indem sie auf Kosten der Partnerländer im Bretton-Woods-System den Vietnamkrieg und kostspielige Sozialausgaben finanzierten. Die Regierung der USA gab viele Staatsanleihen aus, die teilweise die US-amerikanische Zentralbank Fed kaufte. Das schuf Inflation und brachte den Dollar unter Abwertungsdruck, sodass die Partnerländer Dollar und damit US-amerikanische Staatsanleihen kaufen mussten. Der damalige Präsident der USA Richard Nixon sprach von einer Verteilung von Lasten (burden sharing), die Deutsche Bundesbank hingegen von importierter Inflation. 1971 kündigte Richard Nixon die Goldbindung des Dollars auf, was dem Vertrauen in den Dollar als Leitwährung einen schweren Schlag versetzte. Im Jahr 1973 war die Geduld der Schweizer Nationalbank und der Deutschen Bundesbank erschöpft, sodass sie ihre Dollarkäufe einstellten. Das Bretton-Woods-System brach zusammen.

Frankreich wünschte sich in dieser Zeit, dass in Europa das exorbitante Privileg auf den französischen Franc als europäischer Leitwährung übergehen würde. Doch das Rennen machte die Deutsche Mark, weil sie stabiler war. Die geringe Staatsverschuldung in Westdeutschland machte deutsche Staatsanleihen für internationale Anleger attraktiv. In Frankfurt florierte der Finanzplatz. Die Franzosen mussten dem geldpolitischen Kurs der Deutschen Bundesbank folgen oder den Franc gegenüber der Deutschen Mark abwerten. Jede Abwertung war ein Prestigeverlust für Frankreich und ein Reputationsgewinn für die Deutsche Mark.

Alle Versuche Frankreichs, die Deutsche Bundesbank von einem weniger straffen geldpolitischen Kurs zu überzeugen, um den Franc gegenüber der Deutschen Mark zu stabilisieren, scheiterten. Das Privileg der Leitwährung war in Europa vom Dollar auf die Deutsche Mark übergegangen. Auch der Versuch des französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing, zusammen mit Bundeskanzler Helmut Schmidt 1978 mit dem Europäischen Währungssystem ein »gleichberechtigtes« Währungssystem zu schaffen, lief ins Leere. Die Dominanz der Deutschen Mark blieb bestehen.

Erst die deutsche Wiedervereinigung eröffnete 1990 für Frankreich eine neue Chance, endlich die währungspolitische Dominanz der Deutschen Mark in Europa zu brechen. Der damalige französische Präsident François Mitterrand soll die Zustimmung Frankreichs zur deutschen Wiedervereinigung von Deutschlands Zustimmung zu einer gemeinsamen europäischen Währung abhängig gemacht haben. Die gemeinsame Währung sollte Frankreich eine gleichberechtigte Stimme bei den geldpolitischen Entscheidungen in Europa geben. Zudem träumte die große Nation davon, mit dem Euro das verbliebene exorbitante Privileg des Dollars im Rest der Welt zu brechen. Der damalige Kanzler Helmut Kohl hat dieser Darstellung zwar widersprochen, hat aber an anderer Stelle zum Ausdruck gebracht, dass er die gemeinsame europäische Währung als angemessenen Preis für die Einheit Deutschlands gesehen hat.1

Er konnte sich mit dem Euro auch als Wegbereiter eines historischen Meilensteins im europäischen Integrationsprozess profilieren. So fiel im Sommer 1990 die Entscheidung ohne Beteiligung der Deutschen Bundesbank zugunsten des Euros. Allerdings war die Bevölkerung in Deutschland um die Stabilität der Deutschen Mark besorgt, die sie intuitiv mit ihrem Wohlstand verband. In der Hyperinflation der frühen 1920er Jahre und mit der Währungsreform des Jahres 1948 hatten die Deutschen sehr negative Erfahrungen mit der Geldentwertung gemacht. Für Walter Eucken und Ludwig Erhard war die Preisstabilität das Rückgrat der Sozialen Marktwirtschaft gewesen.

Um den Wohlstand zu erhalten, drängten die politischen Entscheidungsträger Deutschlands in den Verhandlungen zum Euro darauf, die neue Europäische Zentralbank nach dem Muster der Deutschen Bundesbank in den europäischen Verträgen zu verankern. In Artikel 130 des Vertrags zur Arbeitsweise der Europäischen Union heißt es, dass die Europäische Zentralbank unabhängig ist. Sie darf weder Weisungen von nationalen Regierungen noch von der Europäischen Union entgegennehmen. In Artikel 127 ist festgeschrieben, dass das vorrangige Ziel der Europäischen Zentralbank die Preisstabilität ist. Artikel 123 der europäischen Verträge verbietet es der Europäischen Zentralbank und den zum Euro gehörenden nationalen Zentralbanken, Staatsausgaben zu finanzieren.

Um vorzubeugen, dass Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion zu viele Schulden anhäufen und deshalb Druck auf die Europäische Zentralbank ausüben würden, Staatsanleihen zu kaufen, enthielt der Maastricht-Vertrag des Jahres 1993 sogenannte Konvergenzkriterien für stabile Staatsfinanzen. Das jährliche Haushaltsdefizit eines Landes sollte vor und nach Eintritt in die Währungsunion nicht mehr als 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigen. Die Gesamtverschuldung eines Landes sollte nicht größer als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sein. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt des Jahres 1997 konkretisierte die Schuldenkontrolle in der Europäischen Währungsunion. Er wurde »geschlossen, um solide öffentliche Finanzen – eine wichtige Voraussetzung für das korrekte Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) – zu garantieren«, heißt es auf der Internetseite des Bundesministeriums der Finanzen.2

Im Einklang mit den sogenannten Konvergenzkriterien der europäischen Verträge sollten die Inflationsraten und Zinsen der potenziellen Mitgliedsstaaten im Euro vereinheitlicht werden. De facto sollten sie für andere Länder auf das Niveau von Deutschland sinken, um sich für den Euro zu qualifizieren. Das geschah in einer beeindruckenden Weise, wie Abbildung 2.1 deutlich macht. Die dicke schwarze Linie ist die Inflationsrate von Deutschland, die dünnen grauen Linien sind die Inflationsraten der anderen damaligen potenziellen Mitgliedsstaaten. In vielen späteren Gründungsländern der Europäischen Währungsunion und in Griechenland war die Inflation in den 1970er und 1980er Jahren viel höher als in Deutschland. Doch für den Euro passten sich die Länder nun Deutschland an. Das Ziel, die deutsche Stabilitätskultur nach ganz Europa zu bringen, schien erreicht! Doch schon bald nach der Einführung des Euro setzte ein schleichender Prozess ein, der die Stabilitätskultur der Deutschen Bundesbank schrittweise unterwanderte.

Abbildung 2.1: Inflationsraten der Eurogründungsländer plus Griechenland

Quelle: Europäische Zentralbank.

Die Europäische Währungsunion hat einen Konstruktionsfehler


In den USA, Japan und dem Vereinigten Königreich gibt es nicht nur eine Zentralbank, sondern auch ein nationales Finanzministerium, das für das ganze Land verantwortlich ist. Alle Japaner zahlen Steuern an den japanischen Staat. Die Regierung in Tokio entscheidet zusammen mit dem Parlament über die Ausgaben und damit über die Ausgestaltung der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Der erste Plan für eine gemeinsame Währung im gemeinsamen Europa, der sogenannte Werner-Plan, sah deshalb schon im Jahr 1970 nicht nur eine gemeinsame Geldpolitik, sondern auch eine gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik...

Erscheint lt. Verlag 17.3.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft Wirtschaft
Wirtschaft Volkswirtschaftslehre
Schlagworte Bürokratie • Deutsche Mark • Europäische Zentralbank • Globalisierung • Große Koalition • Rezession • Schuldenbremse • Soziale Marktwirtschaft • Sozialstaat • Wachstum • Wirtschaftskrise
ISBN-10 3-98609-427-X / 398609427X
ISBN-13 978-3-98609-427-0 / 9783986094270
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