Bloody Business (eBook)
229 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45467-2 (ISBN)
Bettina Steinbrugger, geboren 1984, beschäftigte sich schon während des Studiums intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit und co-gründete 2011 die »erdbeerwoche« - das erste Social Business zu nachhaltigen Periodenprodukten. Das Unternehmen gewann viele Preise und ist bis heute erfolgreich. Die Mission ist, das Thema Menstruation positiv zu besetzen und vor allem junge Menschen bei einem selbstbestimmten, gesunden und nachhaltigen Umgang mit dem Zyklus zu unterstützen.
Bettina Steinbrugger, geboren 1984, beschäftigte sich schon während des Studiums intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit und co-gründete 2011 die »erdbeerwoche« – das erste Social Business zu nachhaltigen Periodenprodukten. Das Unternehmen gewann viele Preise und ist bis heute erfolgreich. Die Mission ist, das Thema Menstruation positiv zu besetzen und vor allem junge Menschen bei einem selbstbestimmten, gesunden und nachhaltigen Umgang mit dem Zyklus zu unterstützen.
PROLOG
Es war ein warmer Tag im Mai 2015, als wir den Zug am Wiener Hauptbahnhof bestiegen. In unserem Gepäck befanden sich nur unsere Laptops und Handys – schließlich sollte unser Ausflug nach Graz nur ein paar Stunden dauern. Wir waren auf dem Weg zu einem sogenannten Start-up-Pitch – lange bevor dieser Begriff durch sämtliche Fernsehsendungen und die sozialen Medien geisterte. So ganz wussten wir selbst nicht, was wir da eigentlich tun sollten. Wir hatten uns mit unserem Unternehmen erdbeerwoche mit ein paar Klicks für einen Jungunternehmerwettbewerb angemeldet, ohne uns genau darüber zu informieren, was wir dafür eigentlich leisten mussten. Der ausgeschriebene Gewinn hatte uns einfach angelacht: mehrere Tausend Euro in Form von Mediavolumen, also Gratis-Werbung für unser noch so junges Projekt. Da wir gerade knapp bei Kasse waren, kam dieser Wettbewerb wie gerufen – und kaum, dass wir uns versahen, waren wir als eines von zehn nominierten Start-ups zum großen Finale und Live-Pitch vor 2 000 Menschen geladen. Erstmals sollte unsere Idee einem größeren Publikum vorgestellt werden. Das einzige Problem dabei: Bei unserem »Produkt« handelte es sich nicht um ein hippes, neues Lifestyle-Getränk, sondern um eines der letzten Tabuthemen unserer Zeit: die weibliche Periode.
Wir hatten keine Zeit gehabt, unseren Pitch vorzubereiten, und wussten nur, dass der Kurzvortrag genau drei Minuten dauern sollte, keine Sekunde länger, und dass wir eine PowerPoint-Präsentation verwenden durften. Also saßen wir im Speisewagon des Schnellzugs 350 und grübelten darüber nach, wie wir das, was uns am Herzen lag – die Enttabuisierung der Menstruation und die Verbreitung nachhaltiger Periodenprodukte – in drei Minuten so rüberbringen konnten, dass erstens niemand aus dem Publikum schreiend den Saal verlässt, zweitens möglichst alle anwesenden Frauen sofort unsere Seite googeln und in unserem Onlineshop etwas bestellen und drittens wir diesen verdammten Pitch gewinnen und uns die Gratis-Werbung holen, die wir so dringend benötigten.
Das Erste hielten wir für möglich, Zweiteres für eher unwahrscheinlich und Letzteres für eigentlich undenkbar. Aber egal – meine Geschäftspartnerin Annemarie und ich liebten schon immer Herausforderungen.
In Windeseile stellten wir ein paar PowerPoint-Folien zusammen und übten danach unseren Drei-Minuten-Pitch. »Annemarie, in welchem Ordner liegt das Foto von unserem Model mit dem Tampon in der Hand?«, fragte ich meine Geschäftspartnerin. »Meinst du das mit den roten Blutflecken im Hintergrund oder das, wo ›Deine Regel – dein Planet‹ auf ihrem T-Shirt steht?«, hakte Annemarie nach, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt, über die wir da im Zug sprachen. Eigentlich war es das ja auch, aber dennoch: Wann immer die Worte »Menstruation«, »Tampon« oder »Regelblut« fielen, führte das zu rot anlaufenden Gesichtern und verstörten bis schmerzverzerrten Blicken der anderen Zuggäste – bis hin zum Kellner des Speisewagons, der sich beim Blick auf unseren Laptop gar nicht mehr konzentrieren konnte und stotternd für den Kaffee nur den halben Preis verlangte. Großzügigerweise bezahlten wir ihm trotzdem den vollen Betrag – schließlich waren wir gerade auf dem Weg, uns eine ganze Stange Geld abzuholen. »Stimmt so«, sagte Annemarie mit Gönnerstimme, als sie ihm 4 Euro für den Kaffee, der eigentlich eher den Begriff »Abwaschwasser« verdiente, in die Hand drückte. »Äh, danke – tschüss!« presste der Kellner hervor und verließ fluchtartig unseren Waggon.
In der Grazer Messehalle angekommen, verteilten wir erst einmal unsere Flyer auf allen Toiletten – nur für den Fall, dass wir ohne das Gratis-Werbebudget nach Hause gehen sollten. Schließlich fanden wir die Anmeldung zum Start-up-Pitch und ernteten wie immer, wenn wir unseren Firmennamen nannten, Gekicher und beschämte Blicke.
Waren wir im Zug noch recht ausgelassen, stellte sich langsam Nervosität ein. Gleich sollten wir auf diese Bühne gehen und 2 000 Menschen von der Idee der »erdbeerwoche« überzeugen. Wie würden sie reagieren? Würden sie uns mit Tomaten bewerfen? Oder mit Erdbeeren? Würden sie uns auslachen? Oder einfach nur stumm vor lauter Scham im Boden versinken? Wir wussten es nicht, aber es gab jetzt auch kein Zurück mehr. Der Techniker drückte uns zwei Mikrofone in die Hände und schubste uns unsanft Richtung Bühne: »Na los, ihr seid dran!« Umdrehen und davonlaufen? Kurz scannte ich noch die möglichen Fluchtwege, aber alle führten quer durch die Menge, also blieb nur ein Weg frei: der Weg in die Höhle der Löwen – und das lange, bevor das erfolgreiche, gleichnamige TV-Format ins Leben gerufen wurde.
Ich hörte noch, wie der Moderator unsere Namen nannte und dann verschwand. Plötzlich waren wir allein auf dem riesigen schwarzen Podest. Mein Part war der Auftakt – so hatten wir es bei unserer Schnellschussaktion im Zug festgelegt. Erwartungsvoll sah mich Annemarie an; gleichzeitig sah ich die überdimensionale Uhr, auf der bereits der Drei-Minuten-Countdown lief. Kurze Panik befiel mich: Was, wenn wir mit der Zeit nicht klarkämen oder einen totalen Blackout hätten?
Zum Grübeln blieb jetzt allerdings keine Zeit mehr, also nahm ich all meinen Mut zusammen und legte los: »Hier geht es eigentlich gar nicht um Erdbeeren.« Kurzes, verlegenes Schmunzeln auf manchen Gesichtern im Publikum. »Sondern um etwas viel Wichtigeres. Es geht um jede fünfte Frau in diesem Raum, die – statistisch gesehen – jetzt in diesem Moment ihre Periode hat.« Einige Lacher ertönten, die mich bestärkten, denn das hatten wir beabsichtigt: das Tabu gleich vorneweg mit einem überraschenden Fakt von der Bühne zu treten. Schon wesentlich selbstsicherer redete ich weiter, redete gefühlt um mein Leben. Noch 2 Minuten und 29 Sekunden. Ich bekam eine kurze Verschnaufpause, denn nun übernahm Annemarie das Wort. In dem Moment, als wir mit dem Satz »Es wird Zeit für eine neue Generation der Frauenhygiene!« schlossen, hörten wir den Gong, der das Ende der drei Minuten einläutete. Wir hatten es punktgenau geschafft – Gott sei Dank konnten wir beide schneller sprechen als denken.
Als der Gong verhallt war, herrschte plötzlich Totenstille im gesamten Saal, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Ich merkte, wie wieder die Anfangspanik in mir aufstieg: »Oh je, jetzt bewerfen sie uns wirklich gleich mit Tomaten!« Aber auch mein unerschöpflicher Pragmatismus meldete sich zu Wort: »Glücklicherweise habe ich eine rote Jacke an, da sieht man die Flecken nicht so.«
Unschlüssig, ob wir stehen bleiben oder lieber gleich von der Bühne flüchten sollten, fiel unser Blick auf den Moderator, der uns anerkennend zunickte. Doch keine Tomaten? Und dann gab es plötzlich einen tosenden Applaus. Erleichterung machte sich auf unseren bis dahin noch immer unter Anspannung stehenden Gesichtern breit. Wir haben es hinter uns gebracht und konnten in Ruhe das Ergebnis abwarten.
So ganz verschwand das Adrenalin in meinen Adern aber auch in den folgenden zwei Stunden nicht, in denen die Jury beratschlagte. Auf eine gewisse Weise hatte ich im wahrsten Sinne des Wortes »Blut geleckt«: Mich beschlich das Gefühl, dass dies nicht unser letzter Auftritt vor einem großen Publikum gewesen sein sollte, und dass das hier möglicherweise erst der Anfang von etwas Größerem war.
Mit klopfendem Herzen standen wir also am Bühnenrand, als die drei Gewinner verkündet wurden. Insgeheim hofften wir auf den dritten Platz, denn auch dieser war noch mit einem akzeptablen Trostpreis dotiert. Da fiel der Name des Drittplatzierten, an den ich mich heute nicht mehr erinnern kann. Sehr wohl erinnere ich mich aber an die Enttäuschung, die mich befiel, als ich begriff, dass es nicht unser Name war. Schade, das war’s wohl. Jubelnd lief der Bronze-Gewinner auf die Bühne und kurz darauf der Zweitplatzierte. Schon wollten wir umdrehen und den Saal verlassen, als wir plötzlich jemanden »erdbeerwoche« sagen hörten. Wie bitte? Verwirrt sahen wir uns um und blickten dem Techniker in die Augen, der uns abermals unsanft schubste: »Hey, ihr müsst auf die Bühne – ihr habt gewonnen!«
Wie in Trance stolperten Annemarie und ich die zwei Stufen hinauf und nahmen den Glaspokal entgegen. Da war er nochmal: der tosende Applaus von vorhin. Wir hatten es tatsächlich geschafft – und das nach Jahren der Hochs und Tiefs. Nachdem...
Erscheint lt. Verlag | 13.9.2023 |
---|---|
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Unternehmensführung / Management |
Schlagworte | bio • Chefin • Einhorn • Gründungsgeschichte • Management • Menstruation • Nachhaltigkeit • Periode • Start-up • Umwelt |
ISBN-10 | 3-593-45467-X / 359345467X |
ISBN-13 | 978-3-593-45467-2 / 9783593454672 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 3,7 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich