Selbstständigkeit ohne Selbstaufgabe (eBook)
228 Seiten
Haufe Verlag
978-3-648-16746-5 (ISBN)
Marloes Göke hat Betriebswirtschaft, Prävention und Gesundheitspsychologie studiert. Sie ist Inhaberin der 'Beratung unternehmen' in Nordhorn. Hier unterstützt sie Unternehmer:innen dabei, ihr Unternehmen so zu strukturieren, dass sie Zeit für die wichtigen Themen gewinnen.
Marloes Göke Marloes Göke hat Betriebswirtschaft, Prävention und Gesundheitspsychologie studiert. Sie ist Inhaberin der "Beratung unternehmen" in Nordhorn. Hier unterstützt sie Unternehmer:innen dabei, ihr Unternehmen so zu strukturieren, dass sie Zeit für die wichtigen Themen gewinnen.
1 Hilfe: Der Laden rockt, aber warum tue ich mir das überhaupt an!
Vielleicht geht es Ihnen, wie vielen anderen Selbstständigen und Sie stecken in einem Wechselbad der Gefühle fest. Voller Enthusiasmus sind Sie in Ihre Selbstständigkeit gestartet. Sie haben Ihre Leidenschaft zu Ihrem Beruf gemacht und Ihr gesamtes Herzblut in Ihren Laden gesteckt. Durch Ihr hohes Engagement lief das Unternehmen gut an und Sie konnten erste Erfolge feiern. »Was für ein tolles Gefühl, das machen zu können, was man liebt und es auf die Art und Weise zu tun, die man für richtig hält!«
Doch irgendwann ist die Stimmung gekippt. Wahrscheinlich nicht in den ersten Jahren. Da waren Sie so begeistert. Der Plan ging auf und Sie konnten Ihren Traum leben. Da fiel Ihnen gar nicht auf, wie sich ganz langsam ein Ungleichgewicht einstellte.
Die Auftragslage war gut. Sie hatten sich etabliert, wurden weiterempfohlen und konnten gut von Ihrem Ertrag leben. Außerdem »gehört es am Anfang auch dazu, dass man viel Arbeit in sowas reinstecken, nicht alles Spaß macht und man Entbehrung hinnehmen muss.«
Also beißen Sie die Zähne zusammen und machen weiter. »Es muss ja!« »Außerdem läuft es doch gut.« Ihre schwelende Unzufriedenheit drücken Sie weg. »Es wird sicher besser, wenn erst der große Auftrag kommt / die neue Mitarbeiterin da ist / die neue Software läuft /…«. Und so machen Sie weiter.
Die Arbeitstage werden immer länger. Und selbstverständlich nehmen Sie fürs Wochenende Arbeit mit nach Hause. Das, was Sie in Ruhe abarbeiten müssen. Denn dazu kommen Sie in der Woche nicht. Das Handy und Ihre E-Mails sind ständiger Begleiter. Sie sind permanent »on«. Bei der Zeit, die Sie mit der Familie und Freunden verbringen, schummeln Sie immer mehr und sind fortwährend mit einem Ohr oder Auge am Smartphone.
Hobbies? Ausgleich? Entspannung? Ha! Wie soll das gehen, wenn Sie es noch nicht einmal schaffen, regelmäßige Mahlzeiten zu sich zu nehmen.
Die Lösung scheint klar: Noch härter arbeiten, noch schneller rennen und darauf hoffen, dass es besser wird.
Dann aber werden irgendwann die Stimmen im Hinterkopf, die Sie zunächst nur ganz leise und zaghaft vernommen haben, stetig lauter. »Ist es das alles wert?«, »Wie lange halte ich das so noch durch?«, »Will ich das wirklich?«, »Was mache ich hier eigentlich?«, »So hatte ich mir das nicht vorgestellt!«, »Was ist aus meinem Traum geworden?«, »Wieso tue ich mir das eigentlich an?«.
Das leichte Ungleichgewicht ist zu einer ausgewachsenen Schieflage geworden.
So oder so ähnlich ergeht es unzähligen Selbstständigen beziehungsweise Inhaberinnen und Inhabern kleiner Unternehmen.
Diese Schieflagen an sich können sehr unterschiedliche Ausprägungen annehmen. Jedoch haben sie alle einen gemeinsamen Nenner: Die Menschen, die voller Enthusiasmus und Motivation in die Selbstständigkeit gestartet sind, fühlen sich ausgelaugt und gefangen in ihrem eigenen Unternehmen. Sie sind frustriert, weil sie schon vieles ausprobiert haben, aber keinen Weg raus sehen.
In der Praxis begegnen mir regelmäßig drei klassische Formen dieser Schieflagen:
- Es stellen sich zunehmend gesundheitliche Beeinträchtigungen durch den Dauerstress ein.
- Es herrscht großer Frust, weil das Team einfach nicht das tut, was es soll und die oder der Selbstständige eben doch alles selber macht.
- Die Zufriedenheit der Kunden sinkt, weil aufgrund fehlender Struktur und einer extrem hohen Arbeitsbelastung die Qualität der Arbeit abnimmt.
Vielleicht erkennen Sie Ihre Situation in den drei folgenden Beispielen wieder.
1.1 Wankende Kundenzufriedenheit: Jetzt beschwert sich schon wieder einer …
»Das war das vierte Jahr in Folge, dass wir unseren Umsatz aus dem Vorjahr übertroffen haben. Und zwar nicht nur um ein paar läppische Prozente, sondern jedes Mal um mindestens zwanzig!« Was sich anfangs wie eine Heldengeschichte anhörte, entpuppte sich überraschend schnell zu einer existenziellen Bedrohung.
Markus, der Inhaber eines kleinen Handwerksbetriebes berichtete mir, dass er regelmäßig Panikschübe bekommt, wenn er darüber nachdenkt, wie er seinen Laden retten soll.
Was war passiert? – Nachdem er sich selbstständig gemacht hatte, liefen die Geschäfte gut an. Schon schnell musste er einen Monteur und eine Elektrikerin einstellen, um alle Anfragen bewältigen zu können. Es machte richtig Spaß.
Doch dann verlor er langsam die Übersicht. Alles passierte gleichzeitig. Er nahm die Kundenanfragen entgegen, machte die Planung, bestellte die Materialen und koordinierte auch alles andere. Dazu jonglierte er tausend Dinge in seinem Kopf, der fast platze. Er stand ständig unter Strom, war gefühlt überall gleichzeitig und rannte wie Speedy Gonzales durch den Betrieb. Bei all der Hektik blieb es nicht aus, dass er mal etwas vergaß.
Anfangs waren es Kleinigkeiten. Hier mal ein Termin zum Ausmessen beim Kunden. Da mal Material, was er besorgen wollte. Nichts, was er nicht mit einem Gespräch und etwas Charme wieder hinbiegen konnte.
Allmählich fing es jedoch an, sich zu läppern. Und so blieb es nicht aus, dass die ersten Kunden sich nicht mehr so leicht besänftigen ließen. Projekte verzögerten sich. Andere mussten halbfertig liegen bleiben, weil etwas fehlte. Angebote kamen erst Wochen nach der Anfrage. Und Mängel, die reklamiert wurden, häuften sich, weil alles immer schnell, schnell gehen musste. Zudem sammelten sich Rückrufbitten und E-Mails, die sich zunehmend missgestimmter lasen.
Selbstverständlich wollte er die Kundinnen und Kunden zufriedenstellen und so wurden die Tage immer länger. So sehr er sich bemühte, er hing trotzdem immer weiter hinterher. Es war kein Nachkommen.
Im Ort wurde schon über ihn geredet: »Dem ist wohl der Erfolg zu Kopf gestiegen.« »Er meldet sich gar nicht zurück.«, »Er ignoriert meine E-Mails.« »Auf ein Angebot muss man Wochen, wenn nicht Monate warten.«
Ständig war er damit beschäftigt, akute Brände zu löschen und täglich entzündeten sich drei neue. Sein Telefon und Handy klingelten nonstop. Sein Team tat, was es konnte, aber die Kunden wollten DEN CHEF sprechen.
Er wusste nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Er befand sich in einem ständigen Auf und Ab der Gefühle. Auf der einen Seite kamen immer neue Anfragen rein, worüber er sich freute. Auf der anderen Seite wurden die Projekte nicht fertig oder es ging etwas schief, weil keine Zeit für eine anständige Planung war und alles nur noch auf Zuruf lief, was ihm zunehmend Angst machte. Er hing fest. So konnte es nicht weiter gehen.
1.2 Teamfrust: Wenn die Leute nicht das machen, was sie sollen
Ihr Ex-Chef war ein richtiger Tyrann und hat alle nur rumkommandiert. Das wollte Sabine unbedingt besser machen, wenn sie ihre eigene Agentur hat. Deswegen war es ihr von Anfang an wichtig, ein gutes Verhältnis zu ihrem Team aufzubauen. Alle arbeiten gerne bei ihr. Das Klima und die Stimmung sind gut. Sie kümmert sich schließlich um ihre Leute und bemüht sich immer, auf einzelne Wünsche, wie zum Beispiel den Arbeitszeiten einzugehen. »Geben und nehmen« war immer ihre Devise.
Jedoch passt irgendetwas überhaupt nicht mehr.
»Ich kann meinen eigenen Namen nicht mehr hören!« Berichtete mir die Inhaberin einer Online-Agentur frustriert in unserem Erstgespräch. Und weiter: »Ich habe das Gefühl, dass alle sich nur auf mich verlassen und keiner auch nur eine winzige Kleinigkeit eigenständig entscheidet. Ganz zu schweigen davon, dass mal mitgedacht wird.«
Sie hat den Eindruck, dass sich jede und jeder bei ihr rückversichert bevor etwas umgesetzt wird. Ständig steht irgendwer an ihrem Schreibtisch und will etwas von ihr. Natürlich unterstützt und hilft sie gerne. Sie pflegt die Kultur der offenen Tür, nicht nur weil sie für ihr Team ansprechbar sein möchte, sondern vor allem auch, um mitzubekommen, was in den Projekten läuft. Nicht selten konnte sie so noch rechtzeitig eingreifen, bevor etwas richtig schief gegangen wäre. Und wenn es in einem Projekt hängt und keiner weiter weiß, hat sie immer eine Idee.
Es fühlt sich sehr gut an, jedes noch so knifflige Problem zu lösen oder aufgebrachte Kunden zu besänftigen. Ihr Team weiß: Auf sie ist Verlass. Und das will sie ja auch. Aber, dass sich jetzt auch noch um das Toilettenpapier kümmern muss, weil es sonst nicht lief, geht einfach zu...
Erscheint lt. Verlag | 3.3.2023 |
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Reihe/Serie | Haufe Fachbuch | Haufe Fachbuch |
Verlagsort | Freiburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Unternehmensführung / Management |
Schlagworte | Arbeitsleben • Beruf • effektiv • effizient • Erfolgreich • Familie • Familienunternehmen • Freiberuflich • Kontrollgewinn • Privatleben • Selbstaufgabe • Selbstmanagement • Selbstorganisation • Selbstständig • Stress • Unternehmer • Vereinbarkeit • Work-Life-Balance |
ISBN-10 | 3-648-16746-4 / 3648167464 |
ISBN-13 | 978-3-648-16746-5 / 9783648167465 |
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