Business Culture Design
Campus (Verlag)
978-3-593-51551-9 (ISBN)
Kultur sichert die Überlebensfähigkeit Ihres Unternehmens. Sie dem Zufall zu überlassen wäre fahrlässig. Simon Sagmeister zeigt, wie Kultur entsteht, welchen Einfluss sie auf den Erfolg Ihres Unternehmens hat und wie Sie sie nutzen und gestalten.
Visualisiert in einer Culture Map ist Ihr stärkster Wettbewerbsvorteil sichtbar und greifbar. Sieben Farben bilden die Werte Ihrer Organisation ab und fügen sich zu einem Kulturmuster. Anhand Ihrer Culture Map erkennen Sie sofort, wie Ihr Unternehmen tickt.
Zahlreiche Beispiele internationaler Unternehmen verdeutlichen, wie Sie Ihre Kultur gezielt entwickeln können. So werden Sie zum aktiven Gestalter Ihres Unternehmenserfolgs.
In dieser vollständig überarbeiteten und erweiterten Neuauflage des Managementklassikers legt Sagmeister besonderes Augenmerk auf die konkrete Anwendung der Culture Map in der Praxis.
Dr. Simon Sagmeister ist Gründer und Managing Director von The Culture Institute in Zürich sowie Partner am Science House in New York. Das Thema Unternehmenskultur prägt seine berufliche und akademische Laufbahn. Er kombiniert wissenschaftliche Erkenntnisse, Managementexpertise und praktische Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Unternehmen weltweit. Zahlreiche Fortune-500-Unternehmen, Mittelständler und Non-Profit-Organisationen entwickeln ihre Unternehmenskultur bereits aktiv mit der Culture Map. www.cultureinstitute.ch
Inhalt
Kapitel 1
Schauplatz Kultur 7
Unternehmenskultur kompakt 7
Culture Map kompakt 13
Kapitel 2
Organismus Organisation 17
Geheimnis der Lebensfähigkeit 17
Dynamik der Organisationselemente 29
Kultur als Wettbewerbsvorteil der Menschheit 35
Kapitel 3
Culture Map 51
Charakteristika der Culture Map 51
Die sieben Farben der Culture Map 65
Hexagon-Perspektiven 153
Kapitel 4
Steuerung der Unternehmenskultur 159
Culture-Map-Strategie 159
Business Culture Design in der Praxis 168
Punktuelles Business Culture Design 183
Anmerkungen201
Danksagung 209
Register 211
»Anhand zahlreicher Abbildungen und Beispiele erläutert der Autor, wie Kultur im Unternehmen entsteht und gesteuert werden kann. Auch die beschriebene Culture Map arbeitet stark mit Visualisierungen. Im Buch ist das anhand eines Farbsystems übersichtlich dargestellt. «, Personalmagazin, 18.10.2016
»Umfassende Einführung in das Thema Unternehmenskultur mit anschaulichen Beispielen und Grafiken. Sehr ansprechend gestaltet und visuell gut umgesetzt.«, aquisa, 23.11.2016
»Simon Sagmeister hat ein anspruchsvolles Buch geschrieben, das einen wachen Leser erfordert. Die vielen Beispiele aus anderen Unternehmen regen zum Nachdenken an und liefern Führungskräften reichlich Material, um aktiver Gestalter der Unternehmenskultur zu werden.«, Management-Journal, 05.10.2016
»Simon Sagmeister präsentiert eine bunte Palette typischer kultureller Ausprägungen und erklärt, wie sich die verschiedenen Typen auseinanderentwickeln. Der Leser wird nach Lektüre dieses Buches Organisationen auf neue Weise sehen, überall grüne, blaue, violette Kulturmerkmale erkennen und beginnen, Strategie und Kultur gemeinsam zu denken.«, Die Presse, 18.01.2017
»Für sein Konzept hat er ›starke Ideen großer Denker‹ aus verschiedenen Jahrhunderten ›konsequent kombiniert, ergänzt und auf das Thema Unternehmenskultur ausgerichtet‹: Von Charles Darwin über Isaac Newton bis zu Immanuel Kant halten zahlreiche wohlklingende Namen Einzug in die Chefetagen. Auch aus der Natur gibt es zahlreiche Ableitungen.«, Börsenblatt, 08.12.2016
»Der Autor schafft es, das hochkomplexe Thema Unternehmenskultur klar und selbst für Einsteiger einfach verständlich zu erklären. Durch die farbige Aufmachung und das Storytelling mit Tagebucheinträgen und Metaphern zu den einzelnen Kulturen kann sich der Leser schnell in die beschriebenen Situationen hineinversetzen.«, Projekt Magazin, 26.10.2016
Kapitel 1 Schauplatz Kultur Unternehmenskultur kompakt "Wir müssen Kultur griffig machen!", meinte mein Chef zu mir. Das war 2004 und dieses Gespräch habe ich heute noch in Erinnerung. "Wenn wir über Strategie oder Struktur sprechen, ist allen klar, worum es geht. Es steht ja auf dem Papier", fuhr er fort. "Aber wenn es um Kultur geht, kommen häufig irgendwelche wolkigen Ideen daher." Das Management dieser Firma weiß nur zu gut, welch wichtige Rolle die Kultur für die Entwicklung der Organisation spielt. Die Julius Blum GmbH ist auch in dritter Generation noch ein Familienbetrieb, mittlerweile auf über 5000 Mitarbeiter gewachsen und weltweit erfolgreich. Wie ihr Unternehmen tickt, war den Inhabern stets wichtig. Niemals hätten sie die Unternehmenskultur dem Zufall überlassen! Sie wussten: Damit eine Firma erfolgreich sein kann, muss die Entwicklung der Unternehmenskultur bewusst gemanagt werden. Deshalb wollte das Unternehmen mich an Bord haben. Ich sollte im Rahmen meiner Dissertation wissenschaftlich erarbeiten, wie Kultur praktisch gemanagt werden kann. Nach meinem Studium war das zwar mein erster Kontakt mit dem Berufsleben, doch unterschiedliche Kulturen hatte ich schon in mehreren Auslandspraktika kennengelernt und das Wirken von Unternehmenskultur unbewusst von Kindesbeinen an im elterlichen Familienbetrieb erlebt. Nun war es also meine Aufgabe, Kultur in der Theorie so zu erklären, dass für das Unternehmen ein praktischer Nutzen daraus entstand. So weit, so gut. Das Thema schien mir von Anfang an interessant. Dass es aber meine gesamte berufliche Laufbahn prägen würde, war mir zum damaligen Zeitpunkt nicht bewusst. Das Eisberg-Modell Wer sich mit der gängigen Kulturliteratur beschäftigt, stößt sehr schnell auf einen Eisberg. Das Eisberg-Modell symbolisiert, dass es unterschiedliche Ebenen von Kultur gibt: Es gibt sichtbare Elemente über der Wasseroberfläche, aber der weit größere Teil liegt unter der Wasseroberfläche verborgen und ist daher nicht so leicht zu erkennen. Auf diesen verborgenen Elementen bauen die sichtbaren auf. Angewandt auf die Unternehmenskultur sind die sichtbaren Manifestierungen jene Dinge, die man sofort sieht (und hört): Welche Kleidung tragen die Leute in der Firma - Shorts und T-Shirt oder Anzug und Krawatte? Sitzen sie in Büros mit verschlossenen Türen oder in einem Großraum-Loft? Wie laufen hier die Meetings ab? Bekommt der Chef den besten Parkplatz oder der erfolgreichste Verkäufer? Oder einfach der, der morgens als Erster ankommt? Wenn man zum ersten Mal ein Unternehmen betritt, fliegen einem die Kulturartefakte nur so um die Ohren. Bei Facebook beispielsweise lachen einem bunte Wandmalereien entgegen. An manchen Schreibtischen sind große bunte Luftballons angebracht - sie signalisieren, dass dieser Mitarbeiter heute Jahrestag hat. Bei Virgin Atlantic wird man, noch bevor man den Empfangsschalter erreicht, mit Rockmusik empfangen. Bei BMW betritt man das symbolträchtige Zylinder-Gebäude bevorzugt über das futuristische Museum, die BMW Welt. So interessant diese Artefakte auch sein mögen - sie sind lediglich die sichtbaren Symptome einer Kultur, nicht deren Kern. Sie sind demnach nur die Spitze des Eisbergs. Die wesentlichen Themenfelder liegen viel tiefer: Es sind die grundlegenden Annahmen, die unter der Wasseroberfläche liegen und daher kaum sichtbar sind. Kultur ist dafür verantwortlich, wie die Menschen wahrnehmen, denken, fühlen und aufgrund dessen handeln. Doch nur das Handeln ist sichtbar, also über der Wasseroberfläche - wie Menschen wahrnehmen, denken und fühlen, liegt häufig im Verborgenen und lässt sich höchstens erahnen. Was den Manifestierungen zugrunde liegt, ist deutlich schwieriger zu erkennen als die gut sichtbaren Kulturelemente über der Wasseroberfläche. Es sind Werte, Einstellungen, Motive, Wahrnehmungen, Überzeugungen, Mentalitäten et cetera, also Begriffe, deren Definition im Normalfall weitere Definitionen erfordert, die dann aber auch nur selten zu mehr Klarheit beitragen. Es mag sein, dass Experten sie voneinander trennen können, in der unternehmerischen Realität verschmelzen sie jedoch. Zwar wird auf Führungsklausuren und in Weiterbildungsseminaren gerne lang und breit über sie diskutiert, letzten Endes werden diese Kulturthemen jedoch vielfach als große Fragezeichen akzeptiert. Man staunt über ihre Wirkung und ärgert sich, wenn sie den sachlogisch perfekten Plan verderben. Ebenso gerne werden sie im Alltag oftmals ausgeblendet. Die verborgene Ebene der Kultur ist höchstens verschwommen erkennbar - eben wie wenn man auf etwas unter Wasser blickt. Daher belässt man es gerne bei einer oberflächlichen Betrachtung - auch wenn kaum jemand bestreiten würde, dass solche Kulturelemente von zentraler Bedeutung für den Erfolg eines Unternehmens sind, vor allem wenn sie sich in konkreten Situationen plötzlich oberhalb der Wasseroberfläche manifestieren: Wieso wurde die gemeinsam beschlossene Strategie nicht umgesetzt? Welche Überzeugungen leiten den Kundenkontakt? Ist für die Mitarbeiter Schnelligkeit oder Gründlichkeit von höherem Wert? Wie werden Veränderungen wahrgenommen? Wie ist die Einstellung gegenüber der Konkurrenz? Welche Motive veranlassen die Mitarbeiter, mit ganzem Herzen den Erfolg zu suchen und neue Innovationen voranzutreiben? Alles, was sichtbar an der Spitze des Eisbergs passiert, hat seine Ursachen in der Tiefe. Wer also die Unternehmenskultur anpacken will, muss unter Wasser gehen - dahin, wo die stärksten Triebkräfte des Verhaltens zu finden sind. Worte und Taten In meiner Arbeit mit Unternehmen wurde mir schnell bewusst, dass sichtbare Manifestierungen nicht immer für bare Münze genommen werden können. Auch proklamierte Handlungen sind sichtbare Manifestierungen, wie zum Beispiel eine ausgearbeitete Strategie. Sie besagt aber nur, was Menschen behaupten, in Zukunft tun zu wollen. Das Strategiepapier zeigt lediglich, dass eine Strategie ausgearbeitet wurde - nicht mehr und nicht weniger. Was tatsächlich getan wird, zeigt dann die Zeit. Allzu häufig habe ich am Ende eines Strategieprozesses allgemeine Übereinstimmung erlebt, in welche Richtung sich das Unternehmen entwickeln soll und was dafür zu tun ist. Doch schon beim Verlassen des Sitzungssaals regten sich bei so manchem leise Zweifel. In vielen Fällen gilt früher oder später: "Culture eats strategy for breakfast!" Wie leicht sich die Kultur das ausgeklügelte strategische Vorhaben schnappt und zum Frühstück verschlingt, müssen unzählige Unternehmen tagtäglich erleben: Gute Vorsätze verpuffen, Zustimmung erweist sich als oberflächlich und irgendwie sorgen diese schwer zu greifenden Kulturelemente unterhalb der Wasseroberfläche dafür, dass nicht das passiert, was eigentlich hätte passieren sollen. Ebenso stimmen die Leitwerte, die sich Organisationen als weithin sichtbare Manifestierungen auf die Fahnen und in Mitarbeiterbroschüren schreiben, oft nicht unbedingt mit dem überein, was die Menschen dort tatsächlich tun. Respekt, Integrität, Kommunikation und Exzellenz waren die vier Firmenwerte, die Enron bis zu seiner kriminellen Pleite propagierte. Wie Gläubiger und Gerichte später feststellen mussten, tauchten diese zwar in den Jahresberichten und in Unternehmensbroschüren auf, aber im Verhalten des Unternehmens waren sie nicht unbedingt erkennbar. Kultur - aber wo? Der Pionier der Kulturerhebung, Geert Hofstede, definierte Kultur als "kollektive Programmierung des Geistes, welche die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von denen einer anderen unterscheidet". Zugegeben, der Begriff "Kategorie" ist nicht der schönste, wenn man über Menschen spricht. Doch es gibt auch Fälle, in denen Menschen eine Kategorie bilden, ohne dafür zwingend als Gruppe aufzutreten. Wie dem auch sei: Kultur entsteht immer, wenn Menschen interagieren. Werte verbreiten sich und so entstehen eben diese "Kategorien von Menschen mit ähnlicher Programmierung des Geistes". Intensiv interagieren Menschen in Organisationen - und so entstehen Organisationskulturen. Innerhalb der Organisation interagieren Menschen besonders intensiv in ihrer Abteilung. Nicht selten entstehen daher starke Abteilungskulturen. Auch andere Kategorien, zum Beispiel nach hierarchischen Ebenen, lokalen Niederlassungen oder Produktschwerpunkten sind möglich. Die Culture Map wurde zur Beschreibung all jener Kulturen konzipiert, die im Organisationskontext entstehen. Welche Kultur mit einer Culture Map beschrieben werden soll, wird bewusst festgelegt. Dafür wird ein sogenanntes "System in Focus" definiert (mehr dazu in Kapitel 3): Dies kann eine Gesamtorganisation oder ein bestimmter Teil davon sein. Es können auch situative Muster herausgegriffen werden, wie zum Beispiel die Innovationskultur, die Führungskultur, die Sitzungskultur et cetera. Bevor Sie weiterlesen, werfen Sie einen kritischen Blick auf Ihre Unternehmenskultur. Sie können sich auch die Kultur Ihrer Abteilung vor Augen halten. Denken Sie an ein bestimmtes "System in Focus" und bewerten Sie die folgenden Aussagen: Was trifft für Ihr Unternehmen oder Ihre Abteilung am ehesten zu und was am wenigsten? Ihre spontane Einschätzung wird im Laufe des Buchs zu einem Baustein bei der Erstellung Ihrer persönlichen Culture Map. Culture Map kompakt Es sind also die großen Themenkomplexe unterhalb der Wasseroberfläche, die für die Unternehmenskultur entscheidend sind - obwohl oder gerade weil sie so schwer zu erkennen und zu fassen sind. Sie sind es, worauf die sichtbaren Konsequenzen, also die Manifestierungen der Unternehmenskultur, aufbauen. Sie steuern das Verhalten der Menschen in Organisationen. Zu einem wesentlichen Ziel meiner Arbeit mit und über Unternehmenskultur wurde es daher, diese wichtigen, aber schwammigen Begriffe greifbar zu machen. Ich wollte eine Sprache schaffen, die den Eisberg als Ganzes beschreibt. Da ich ein sehr visueller Mensch bin, sollte diese Sprache auch einen visuellen Abdruck haben. Bilder haben eine starke Wirkung. Gute Darstellungen prägen sich ein. Und was auf Papier steht, hat häufig mehr Gewicht. Aus diesen Überlegungen entstand die Culture Map. Im Zuge meiner Recherchen entdeckte ich die Arbeiten des amerikanischen Psychologen Clare W. Graves sowie vielfältige Weiterentwicklungen seiner Lehre (mehr dazu in Kapitel 3). Isaac Newton soll gesagt haben, dass er weiter sehen konnte, weil er auf den Schultern von Riesen stand. So profitiert auch die Culture Map von starken Ideen großer Denker, die ich über die Jahre konsequent kombiniert, ergänzt und auf das Thema Unternehmenskultur ausgerichtet habe. Gleichzeitig hatte ich das Glück, mit unterschiedlichen Unternehmen zusammenarbeiten zu dürfen und so immer neue Organisationskulturen kennenzulernen. Als Consultant arbeitete ich mit namhaften Konzernen und Hidden Champions ebenso wie mit kleinen Familienbetrieben. Mein Interesse an Unternehmenskultur führte mich vom traditionellen österreichischen Industrieunternehmen zur amerikanischen Beratungsfirma, von Professor Malik in der Schweiz nach China, Japan und Korea und schließlich über die Columbia University zu einer befruchtenden Partnerschaft und Freundschaft mit dem Science House in New York. All diese Erlebnisse prägten meine Auffassung von Unternehmenskultur. Die Culture Map ist das Ergebnis dieser beruflichen und akademischen Erfahrungen. Sie besitzt ein wissenschaftliches Fundament, aber so richtig lebendig wird sie erst in der Praxis. Die Culture Map visualisiert den Eisberg, sie erklärt die sichtbaren Manifestationen und auf welche Grundlagen diese zurückzuführen sind. Sie gibt Ihnen eine Sprache und ein Vokabular an die Hand für das, was normalerweise nur vage beschrieben werden kann. Die Culture Map gibt Auskunft darüber, ob ein überlanges Meeting blaue oder grüne Ursachen hat oder ob eine hohe Fluktuationsrate auf orange oder gelbe Grundlagen zurückzuführen ist. Mit der Culture Map können Sie Probleme an der Wurzel packen, statt nur die Symptome zu behandeln. Die sieben Culture-Map-Felder fassen jeweils gewisse Kultureinheiten zusammen (gewisse Meme, siehe Kapitel 2). Der Aufbau des Modells orientiert sich an Erkenntnissen der kulturellen Evolution. Von Violett bis Aqua finden die Kulturen mit jeder Stufe immer komplexere Lösungen für ihre Herausforderungen. Gleichzeitig zeigt die Culture Map ein Wechselspiel zwischen gruppenorientierten, stabilisierend wirkenden Werten auf der rechten Seite und individualistischen, dynamisierend wirkenden Werten links. Eins gleich vorweg: Die Welt der Organisationskulturen ist bunt! Niemals kommt nur eine Farbe in Reinform vor. In jedem Unternehmen, in jeder Abteilung, in jedem Team sind Elemente aller sieben Farben enthalten. Sie können sich die Culture-Map-Hexagone als sieben Schubladen eines Werkzeugkastens vorstellen: In der roten Schublade liegen rote Werkzeuge, in der blauen Schublade blaue Werkzeuge et cetera. Ihre Organisation könnte alle Werkzeuge aus allen Schubladen beliebig oft nutzen. Es sind alle Schubladen verfügbar. Trotzdem gibt es immer gewisse Schubladen, die öfter aufgezogen werden als andere: Wer den roten Hammer gewohnt ist, greift immer wieder auf diesen zurück. So entwickeln Organisationen Gewohnheitsmuster. In manchen Organisationen werden Konflikte typischerweise grün vermieden oder pragmatisch orange umgangen, in anderen rot ausgetragen oder auf violette Weise vom Patriarchen gelöst. Alle Farben wären abrufbar, aber im Ernstfall greift man aus Gewohnheit immer wieder auf die geübten Verhaltensweisen zurück. Aus den unterschiedlich großen Hexagonen ergeben sich somit Kulturmuster, die Einblick in das Wesen der Organisation geben.Das verdeutlichen auch die beiden Beispiele: Beide Kulturmuster haben zweifellos ihre Stärken - doch welches macht Unternehmen heutzutage wirklich erfolgreich? Antworten darauf gibt ein Blick auf das stetige Kommen und Gehen in der Unternehmenslandschaft. Kapitel 2 Organismus Organisation Geheimnis der Lebensfähigkeit Jeweils über eine Million Menschen arbeiten beim amerikanischen Einzelhandelsriesen Walmart und beim chinesischen Erdgas- und Mineralölgiganten Sinopec. Diese Unternehmen gehören zu den größten Exponaten einer sehr erfolgreichen Spezies: Organisationen. Die heutige Welt ist voller Organisationen. Kaum jemand arbeitet mehr ganz für sich allein. Kaum etwas um uns herum ist nicht das Produkt von einer oder mehreren Organisationen. Allein bis ein Apfel in die Supermarktregale gelangt, sind weit mehr Organisationen involviert als der Obstbauer und der Supermarkt: Saatgut-, Düngemittel- und Transportunternehmen ebenso wie die Werbeagentur oder der Verpackungshersteller. Dem war nicht immer so. Die Boomzeit formaler Organisationen abseits der staatlichen Institutionen begann mit der verstärkten Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Bis dahin betrieben Bauern, Handwerker und Händler ihr Geschäft im Familienkreis, gegebenenfalls unterstützt von ein paar wenigen Arbeitskräften. Anzahl, Größe und gegenseitige Vernetzung moderner Organisationen, wie wir sie heute kennen, schienen völlig undenkbar. Auf den ersten Blick wirken die mächtigen Organisationen von heute beständig und stabil. Doch dieser Eindruck täuscht. In Wahrheit zeigt sich in der Organisationslandschaft ein Kommen und Gehen. Wie alles im Leben sind auch einzelne Organisationen vergänglich. Das US-Magazin Forbes publiziert seit 1917 jährlich eine Liste der größten amerikanischen Unternehmen. Achtzig Jahre später berichtete das Magazin, dass von den ursprünglichen Top 100 gerade einmal noch 15 Organisationen existierten. Ein letztes prominentes Opfer war Kodak - eine unvergesslich präsente Organisation meiner Kindheit. Denken Sie einmal an früher zurück: Wo haben Sie Brot gekauft, wo Ihre Kleidung? Welche Produkte haben Sie regelmäßig konsumiert oder genutzt? Wenn es diese Unternehmen noch gibt, dann haben diese sich vermutlich über die Zeit stark verändert. So auch das Logistikunternehmen Gebrüder Weiss, dessen Geschichte bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht. Alles begann damals mit Botentätigkeiten am Bodensee. Heute bietet das Unternehmen komplexe Logistiklösungen an 150 Standorten weltweit. Es ist einleuchtend, dass sich das Unternehmen in den vergangenen 500 Jahren ebenso sehr verändert hat wie die Welt, in der es erfolgreich ist. Es ist über all die Jahre lebensfähig geblieben und hat sich den neuen Anforderungen seiner Umwelt angepasst, egal ob Schifffahrten über den Bodensee, Botendienste über Passstraßen oder Transporte nach Shanghai zu organisieren waren. Fit für die Umwelt Während manche Organisationen verschwinden, bleiben andere über Generationen bestehen. Das Geheimnis der Lebensfähigkeit zeigt die Natur bereits seit vier Milliarden Jahren. Das Entwicklungsprinzip lautet "Survival of the fittest". Leider wird es häufig falsch interpretiert beziehungsweise übersetzt, nämlich als das Überleben der Stärksten. Doch darum geht es nicht. Es geht um "fit" im Sinne von "passen". Der Riesenaffe Gigantopithecus brachte es beispielsweise auf drei Meter Körpergröße und 500 Kilogramm Gewicht. Fehlende Stärke war also definitiv nicht sein Problem - trotzdem starb er vor rund 100000 Jahren aus. Andere Menschenaffen hätten im direkten Aufeinandertreffen mit ihm wahrscheinlich den Kürzeren gezogen. Insgesamt haben sie aber besser zu ihrer Umwelt gepasst und dadurch überlebt. Auch die Spezies der Quallen hat seit 500 Millionen Jahren überlebt, obwohl sie zum größten Teil aus Wasser besteht und nicht gerade vor Muskeln strotzt. Doch sie besitzt genau jene Stärken, die sie zum Überleben braucht: Ihr Organismus passt zu den Anforderungen ihrer Umwelt. Das Survival of the fittest der Evolution ist demnach kein Boxkampf eins gegen eins, sondern eine fortlaufende Weiterentwicklung mit dem Ziel, Lebensfähigkeit in einer komplexen, dynamischen Umwelt zu erhalten. Generell bevorzugt die natürliche Auslese Wege, bei denen sich Konkurrenz möglichst vermeiden lässt. Dazu wählt ein Organismus für sich einen Lebensraum, in dem er dem Wettbewerb ausweichen kann. Wenn beispielsweise alle Pflanzen auf einer blühenden Wiese ihre Nahrung an derselben Stelle suchen würden, könnten sie nicht koexistieren. Ihre Wurzeln reichen daher in unterschiedliche Tiefen. Ähnlich versuchen Unternehmen, mithilfe ihres Alleinstellungsmerkmals so konkurrenzlos wie möglich zu werden. Mit Blick auf Darwin wird gerne die Rolle von Konkurrenz überbetont. Dabei wird ein wichtiger Überlebensfaktor übersehen: die Kooperation. Die moderne Evolutionsbiologie unterstreicht die Rolle der Symbiose in der Natur: Mehr als die Hälfte der Biomasse lebt in symbiotischen Beziehungen.6 Man spricht auch von Koevolution. Von Leben, das nicht primär daran interessiert ist, sich gegenseitig zu zerstören, sondern primär daran, zu überleben. Auch aus der heutigen Organisationslandschaft sind Kooperationen nicht wegzudenken. Es gibt wohl kaum ein Unternehmen, das nicht in irgendeiner Weise mit anderen zusammenarbeitet. Um den Riesenvogel A380 fliegen zu lassen, steuerten beispielsweise rund 1500 Organisationen aus 30 Ländern Teile bei. Der Kontext, in dem es sich zu bewähren gilt, ist für den Organismus in der Natur ebenso wie für die Organisationen die dynamische Umwelt. Welche Aspekte einer sich verändernden Umwelt für ein Unternehmen wirklich relevant sind, muss jeweils für das spezifische Unternehmen definiert werden. So hängt beispielsweise nicht jede Organisation in gleicher Weise von den Schwankungen des Ölpreises ab. Auch die Entwicklung des Internets hatte dramatischere Folgen für Zeitschriften und Verlage als für Friseure. Das Beispiel des Fahrdienstanbieters Uber zeigt allerdings, wie branchenübergreifend gewisse Entwicklungen in unserer vernetzten Welt heutzutage sein können. Etablierte Markteintrittsbarrieren verschwinden zusehends. Noch vor wenigen Jahren hätte sich wohl kaum ein Taxiunternehmen vorstellen können, von einem Algorithmus aus Kalifornien in seiner Existenz bedroht zu werden. Den richtigen Fit in der Umwelt gefunden zu haben ist daher für Organisationen mitunter von kurzer Dauer. Anpassung ist eine Daueraufgabe, Wandlungsfähigkeit eine Grundvoraussetzung. Lufthansa oder McDonald's sind heute andere Unternehmen als noch vor ein paar Jahren: Die Fluggesellschaft reagierte auf die neuen Realitäten aus liberalisierten Märkten, Online-Buchungssystemen und preissensiblen Konsumenten mit engeren Sitzreihen und dem Forcieren billigerer Tochtergesellschaften. Die Fast-Food-Kette bietet heute nicht nur schnelles Essen, sondern auch McCafés, die zum Verweilen einladen sollen. Dabei hat sich nicht nur das Produktspektrum verändert, sondern auch das Selbstverständnis hinsichtlich dessen, was die Unternehmen tun müssen, um in einem veränderten Markt erfolgreich sein zu können. Leadership-Legende und CEO von General Electric, Jack Welch, brachte es einst so auf den Punkt: Unternehmen bietet sich neben der Anpassung an die neuen Gegebenheiten der Umwelt eine weitere Möglichkeit, fit zu werden: Sie können ihre Umwelt durch Innovation beeinflussen - und damit zumindest temporär einzigartigen Fit erreichen. Erfolgreiche Innovationen verändern die Umwelt (oder zumindest Teile davon). Als Dietrich Mateschitz, Gründer von Red Bull, sein Energy-Drink-Unternehmen startetet, wusste er, dass es keinen Markt dafür gab. Aber er war sich sicher: Red Bull wird sich den Markt schaffen. Und so war es dann auch. Auch Starbucks veränderte die Umwelt, in der das Unternehmen agierte. Ich erinnere mich an meine ersten USA-Aufenthalte: Es war fast unmöglich, an guten Kaffee zu kommen. Anfang der 1990er-Jahre verspürten nur wenige Amerikaner das Verlangen, einen Cappuccino auf dem Weg zur Arbeit zu genießen. Heute hingegen ist es ein fixer Bestandteil der amerikanischen Kultur. Auch die Kaffeegewohnheiten in Europa beeinflusste das Unternehmen. Lange Zeit sahen es anspruchsvolle europäische Espressotrinker als Frevel an, Kaffee aus einem Pappbecher mit Plastikdeckel zu trinken. Selbst in China sind mehr und mehr der Coffee-Shops zu sehen - in einem Land, das lange Zeit als kaffeefrei galt. Diese kaffeefreundliche Umwelt, in der Starbucks heute agiert, ist kein Zufall. Sie wurde kreiert. Starbucks ist es gelungen, eine Umwelt zu formen, in der das Unternehmen erfolgreich, also lebensfähig sein kann. Jedes Angebot, jede Dienstleistung birgt das Potenzial, das Kundenverhalten und damit einen Teil der Umwelt der Organisation zu verändern - egal wie groß oder klein ein Unternehmen ist. Jede Organisation kann ihr Überleben sicherstellen, indem sie sich anpasst oder indem sie die Umwelt durch Innovation verändert. Diese beiden Aspekte sind in der Praxis allerdings schwer zu trennen. Man findet nie nur das eine ohne das andere, denn Innovationen bedingen interne Veränderungen und interne Veränderungen zielen auf eine Verbesserung der Organisation nach außen ab - also auf Innovationen. Steuerung komplexer Systeme Die Konzepte, wie Organisationen lebensfähig gehalten werden können, haben sich im Laufe der Zeit stark verändert. Stellen Sie sich vor, Sie wären der Boss in einer frühen Industrieorganisation, so um 1910. Ihre Aufgabe ist, mit 100 kaum ausgebildeten Menschen ein mechanisches Produkt herzustellen, Grammophone zum Beispiel. Vielleicht sind Ihnen einige Konzepte von Frederic Taylor bekannt, an denen Sie Ihre Fabrik ausrichten. Oder Sie haben gehört, wie ein gewisser Henry Ford seine Automobilproduktion gestaltet. Jedenfalls ist es Ihr Ziel, die Produktion optimal zu gestalten, um qualitativ hochwertige Produkte zu einem wettbewerbsfähigen Preis zu erzeugen. Ihr Hauptaugenmerk gilt dabei der Koordination der Produktionsarbeiter, denn Qualität und Effizienz entscheiden über Sieg oder Niederlage. Je glatter die Produktion läuft, desto besser wird das Resultat ausfallen. Sie tun alles dafür, damit Ihre Organisation wie eine gut geölte Maschine läuft. Die ersten Managementideen dieser Zeit helfen Ihnen dabei - wie zum Beispiel das Konzept, eine komplizierte Aufgabe in mehrere kleine Arbeitsschritte zu unterteilen, auf die sich die jeweiligen Mitarbeiter spezialisieren können. Nun denken Sie 50 Jahre weiter: Die Grammophonfabrik ist verschwunden und auch der Management- und Organisationsstil hat sich weiterentwickelt. Produktionsmitarbeiter effizient zu koordinieren und sicherzustellen, dass sie ihre klar definierten Aufgaben richtig erfüllen, reicht nun längst nicht mehr aus. Die Herausforderungen sind anspruchsvoller geworden, die Mitarbeiter auch. In Ihrer Organisation setzen sich daher nun Leadership-Konzepte durch, die weit über die Koordination bloßer Arbeitsschritte à la Frederic Taylor hinausgehen. Auch von Ihren Führungskräften erwarten Sie mehr als nur Prozessaufsicht. Die Manager sollen Verantwortung übernehmen, um die Menschen und das Unternehmen zu neuen Höhen zu führen. Heutzutage ist ein weiterer wichtiger Entwicklungsschritt erkennbar. Viele Unternehmen erleben, dass ihre bewährten Organisationskonzepte an ihre Grenzen stoßen. Sie entsprechen nicht der Komplexität, die sich in und um Organisationen entwickelt hat. Dabei besitzen komplexe Systeme gänzlich andere Eigenschaften als komplizierte oder gar einfache Systeme. Man könnte sagen: Komplex ist etwas, das wir nicht durchschauen können, was aber gleichzeitig nicht völlig chaotisch abläuft. Soziale Systeme wie Unternehmen sind solche komplexen Systeme. Wie sich ein Mitarbeiter verhält, ist zum Beispiel nicht nur von einem Faktor abhängig, sondern auf eine Vielzahl von Einflussgrößen zurückzuführen: interne Faktoren, wie etwa das Verhältnis zu seinem Chef oder das Gehaltssystem, können eine Rolle spielen. Vielleicht orientiert der Mitarbeiter sein Verhalten aber auch mehr an der für ihn überzeugenden Unternehmensmission oder hat ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen. Bestimmt hängen einzelne Faktoren auch zusammen. Auch das, was außerhalb der Organisation passiert, beeinflusst das Verhalten des Mitarbeiters bei der Arbeit, von der ökonomischen Großwetterlage bis hin zum privaten Wohlbefinden. Wie stark die Komplexität der Anforderungen an Organisationen gestiegen ist, verdeutlicht Peter Drucker. Als einer der wichtigsten Managementdenker des 20. Jahrhunderts beschrieb er zu Beginn des 21. Jahrhunderts, was für lange Zeit gültig war, aber nun, im neuen Millennium, auf den Kopf gestellt wird. Die Gegenüberstellung dieser Aspekte (siehe folgende Tabelle) zeigt, dass die Dinge früher ziemlich geordnet vonstattengingen. Der Wettbewerb fand innerhalb einer Branche statt. Jedes Produkt hatte eine spezifische Anwendung und für jede Anwendung gab es ein spezifisches Produkt: Kleidung wurde ausschließlich aus Wolle gemacht, nicht aus Synthetik; Kapitalgeber war die Bank und nicht der Business-Angel; Telefone waren ausschließlich dazu da, um zu telefonieren. Es war klar auszumachen, in welcher Industrie ein Unternehmen tätig ist und wer die Wettbewerber sind. Mitarbeiter wurden für jene spezifischen Tätigkeiten ausgebildet, für die sie das Unternehmen einstellte. Ihr dabei erworbenes Fachwissen war für andere Industrien relativ unbedeutend. Heute verschwimmen Märkte und Industrien. An die Stelle von stabilen Kategorien sind offene Systeme getreten. Es gibt kaum noch ruhige Abschöpfungsmärkte, auf deren vorhersehbare Nachfrage sich Unternehmen einstellen könnten. Die Schnelllebigkeit macht verlässliche Zukunftsprognosen unmöglich. Die Kunden haben das Steuer übernommen und diktieren neue Realitäten. Mitarbeiter sind nicht reine Produktionsressourcen, sondern bringen Wissen und Fähigkeiten, die das Unternehmen definieren. Moderne, zukunftsfähige Organisationen sind nicht länger mit gut geölten Maschinen zu vergleichen, sondern mit komplexen lebenden Organismen.
Erscheinungsdatum | 17.01.2024 |
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Zusatzinfo | Illustrationen |
Verlagsort | Frankfurt |
Sprache | deutsch |
Maße | 176 x 215 mm |
Gewicht | 661 g |
Einbandart | gebunden |
Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Unternehmensführung / Management |
Schlagworte | Corporate Culture • Corporate Reputation • Corporate Social Responsibility • Firmenimage • Management • new work • Organisatorischer Wandel • Organizational Behaviour • Organizational change • Unternehmenskultur • Value • Verhalten in Organisationen • Werte |
ISBN-10 | 3-593-51551-2 / 3593515512 |
ISBN-13 | 978-3-593-51551-9 / 9783593515519 |
Zustand | Neuware |
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