Killing Innovation (eBook)
162 Seiten
Vahlen (Verlag)
978-3-8006-6439-9 (ISBN)
Warum sind etablierte Firmen, die es geschafft haben, eine Innovationsfähigkeit aufzubauen, plötzlich nicht mehr innovativ? Können Unternehmen ihre wichtigsten Kompetenzen für Innovation wieder verlieren, ja sogar selbst zerstören?
Der Innovationsexperte Dr. Thorsten Reiter zeigt,
- welche versteckten Vorgänge die Innovationsfähigkeit von Unternehmen von innen her bedrohen und vor welchen Kräften Innovationsprojekte und die mit ihnen betrauen Personen zu schützen sind,
- dass Innovation wesentlicher Teil der Unternehmensstrategie sein sollte, mit einem kontinuierlich gelebten Bekenntnis und Vertrauen insbesondere auch der Unternehmensführung,
- wie Innovation in einer dezidierten Abteilung aufgebaut und gelebt werden muss und
- welchen Mindsets und welcher Strukturen es in Unternehmen bedarf, um Innovationsfähigkeiten aufzubauen und dauerhaft zu erhalten.
31KAPITEL 2:
WIE EINE
NACHHALTIGE
INNOVATIONSFÄHIGKEIT
AUFGEBAUT
WIRD
32Wenn man verstehen möchte, was genau Unternehmen, die eine nachhaltige Innovationsfähigkeit aufgebaut haben, von jenen unterscheidet, die quasi zufällig innovieren (siehe Literatur, die von Innovation als „random effect“ spricht), muss man Innovation als Teil des organisationalen Lernens verstehen.25
Die Fähigkeit zur nachhaltigen Innovation entsteht als Resultat von
einer Ansammlung von Erfahrung,
expliziter und operativer Wissensakkumulation,
aktiver Kodifizierung von Wissen und (mit dem wichtigsten Schritt)
einem aktiven Teilen dieses aufbereiteten Wissens innerhalb der Organisation.
Die Idee dahinter ist, wie bereits zuvor erwähnt, dass hinter den dynamischen und auf strategischen Wandel ausgerichteten Prozessen und Strukturen eine Routine steckt, die die Organisation benötigt, um aus vergangenen Leistungen (und Fehlern) zu lernen. Dies ermöglicht es ihr, in Zukunft ein wahrer Meister der Innovation zu werden. Die Tatsache, dass es sich bei diesem „Meister“ nicht um eine oder einzelne Personen im Unternehmen handelt, kann nicht genug betont werden; stattdessen muss die Organisation als Ganzes diese Fähigkeit in ihre DNA aufgesogen haben. Warum das für die Qualität der Nachhaltigkeit so wichtig ist, ist zu einem Teil recht intuitiv: Sitzt die Fähigkeit, immer wieder innovativ auf Chancen und Gefahren zu reagieren, nur in einer Person oder in einem Team, können diese Akteure das Unternehmen verlassen oder abgekauft werden und die Arbeit von Jahren – vielleicht Jahrzehnten – ist dahin.
Ein weiterer Nagel im Sarg der sterbenden Innovationsfähigkeit von Apple, die oben beschrieben wurde, ist der komplette Abgang des originären Industrial Design Teams, das für die wichtigen Erfolge Apples verantwortlich war. Er wurde 2019 vollzogen. 2012 sagte Jonathan Ive, Chef-Designer der Firma, noch in einem Interview mit der New York Times: „Innovation bei Apple war schon immer ein Teamspiel. Es war schon immer so, dass man eine Reihe kleiner Gruppen hat, die zusammenarbeiten. Das Industriedesign-Team ist ein sehr kleines Team. Wir arbeiten zusammen, die meisten schon seit 15 oder 20 Jahren.“ Dies ist nun auch mit seinem Abgang Geschichte, wie die großen Innovationen der Firma Apple selbst.26
33Die Innovationsabteilung
Nachdem es sich die Organisation zu eigen gemacht hat, eine aktive Kultur des organisationalen Lernens zu leben, ist der zweite Schritt, diese immer noch recht latenten Aktivitäten im Organigramm zu würdigen: Es bedarf einer dezidierten und zentralen Unternehmenseinheit, einer Abteilung, deren einziges Mandat es ist, die Innovationsfähigkeit mit all ihren drei zuvor besprochenen Elementen (Wahrnehmen, Ergreifen & Transformation) zu managen.27
Die Innovationsabteilung hat die Aufgabe, mit dem externen Innovation Ecosystem und Innovations-Stakeholdern innerhalb wie außerhalb des Unternehmens in Kontakt zu treten, um konkrete Prozess-, Produkt- und Geschäftsmodellinnovationen hervorzubringen. Darüber hinaus hat sie aber auch das Mandat, die Innovationsfähigkeit mittels organisationalen Lernens, wie zuvor angesprochen, im Unternehmen zu verankern. Diese Innovationsabteilungen können je nach Komplexitätsgrad unterschiedliche Größen haben und setzen sich sowohl aus Managern zusammen, die zuvor innerhalb des Unternehmens tätig waren, als auch aus Managern, die aufgrund ihrer Berufserfahrung und ihrer persönlichen Eignung hierfür von außen rekrutiert wurden. Die Abteilung wird von einem funktionalen Leiter geleitet, der direkt an den CEO oder CSO berichtet. Je nach Überzeugung für diesen Weg und bei entsprechenden Ressourcen ist der Leiter der Innovationsabteilung selbst Mitglied des Vorstands.
Die Innovationsabteilung trägt dazu bei, dieses innovationsbezogene Wissen zu bündeln und zu erreichen, dass die Organisation als Kollektiv von Erfahrungen der Vergangenheit lernt. Dieses Wissen über Innovation ist schließlich zu jeder Zeit durch die Organisation abrufbar und steigert damit die Innovationsfähigkeit. Das Unternehmen entwickelt so ein generatives Gedächtnis28 , das ihm ermöglicht, dieses innovationsbezogene Wissen im Laufe der normalen Arbeit zu akkumulieren und somit zukünftige Innovationen zu unterstützen. Das heißt, Unternehmen müssen sich dieser „zusätzlichen Aufgabe“ im Tagesgeschäft bewusst sein: Es geht nicht nur darum, Innovationen voranzutreiben, sondern mindestens genauso wichtig ist die kontinuierliche Reflexion darüber, was gerade getan wird, warum es getan wird und ob es letztlich zur Innovation beigetragen hat oder nicht.
Eine dedizierte Innovationsabteilung hat daher mehrere wichtige Implikationen: Erstens fungiert sie als ein interner und externer Leuchtturm, der das Engagement des Unternehmens für Innovation repräsentiert. Intern treibt sie die Innovation voran, da eine positive Einstellung des Managements gegenüber Veränderungen als entscheidend für den Innovationserfolg angesehen wird.29 Extern signalisiert sie potenziellen Partnern, dass sich das Unternehmen dem effektiven Austausch von Ideen und Informationen verschrieben hat.30 Darüber hinaus kann sie, da sie Teil der Vorstandsebene ist, 34vom sogenannten „Elternvorteil“ (Parenting Advantage)31 profitieren. Das bedeutet, die Organisation kann – aufgrund der Ansiedlung der Innovationsabteilung bei den „Unternehmenseltern“ (der Unternehmenseinheit, der hierarchisch alle anderen Teilunternehmen unterstehen) – für andere Unternehmensbereiche zwischen strategisch relevanten Innovationen und lediglich „nice-to-have“-Neuheiten entscheiden. Auch groß angelegte Innovationsprogramme bleiben weiterhin unter der Kontrolle der Unternehmensleitung. Darüber hinaus wird die Entwicklung auch von disruptiven Innovationen unterstützt, da der interne Widerstand gegen diese Ideen meist sehr hoch ist32, sofern sie nicht von der Vorstandsebene gefördert werden. Drittens kommt hinzu, dass eine separate Unternehmenseinheit die Etablierung von bewussten Lernmechanismen fördert und Erfahrungslernen akkumuliert33, da dies ausdrücklich Teil ihres Mandats ist.
Die Innovationsabteilung und der Lernprozess zur Innovationsfähigkeit
Die Innovationsabteilung hilft, den Lernprozess der Innovationsfähigkeit zu strukturieren34, aber vielleicht mag der ein oder andere jetzt einwenden: Innovationen sind doch immer neu? Wie soll man das lernen? Die Antwort ist: Innovationen sind in ihrer Grundstruktur eben nicht so unterschiedlich voneinander, wie man denken würde. Bei jeder Innovation muss Ungleiches integriert werden, das aber gleichzeitig auf komplementärem Wissen35 aufbaut, was jede Innovation inhärent rekombinatorisch macht36. Soll heißen: Der größte Wertbeitrag von Innovationen, die von etablierten Unternehmen hervorgebracht werden, ist das Zusammenstellen unterschiedlichster Elemente, die bisher isoliert oder in anderen Bereichen existiert haben. Am Ende ist die Innovation als Ganzes vielleicht eine Weltneuheit, aber ihre Einzelteile sind durchaus bereits bekannt.
Das einfachste Beispiel hierfür sind Geschäftsmodell-Innovationen. Nehmen wir Uber: Das Konzept eines Taxis war bekannt. Mobiltelefone waren bekannt. GPS-Systeme und Navigations-Apps waren bekannt. Die Tatsache, dass sich Menschen per Text miteinander zu gemeinsamen Aktivitäten verabreden, war bekannt. Ein verifiziertes Profil auf sozialen Medien war bekannt. Dass Menschen lieber weniger Geld für „einfache“ Dienstleistungen ausgeben als viel Geld, war bekannt. Sogar die Erkenntnis, dass sich Menschen in die Hände Fremder begeben, die sie nur über soziale Medien kennengelernt haben, war bekannt (AirBnB wurde ein Jahr vor Uber gegründet). Kein Einzelteil der „Innovation Uber“ war unbekannt. 12 Jahre nach der Gründung ist das Unternehmen mehr als 107 Milliarden USD wert.
35Dies gilt auch für die Wiederverwendung von Wissen selbst im Falle von disruptiven Innovationen.37 Daher benötigen Organisationen und Manager, die mit dieser Aufgabe betraut sind, für Innovationen eine vorhandene Wissensbasis, welche sie mit neuen Inhalten kombinieren, die von innerhalb oder außerhalb der Organisation kommen. So bietet Lernen „eine Grundlage für die Entwicklung von Organisationsroutinen, die bestehende Kernkompetenzen stärken und den Aufbau neuer Kompetenzen erleichtern, was wiederum die Innovation fördert“.38
Aber wie sieht dieser abstrakte Lernprozess in der Praxis aus?
Prinzipiell besteht der Lernprozess zur Entwicklung einer Innovationsfähigkeit aus vier Aktivitäten:39
1. Sammlung von Informationen über alle drei klassischen Phasen des Innovationsprozesses zur Entwicklung von Service-, Produkt- und Geschäftsmodellinnovationen, „Erfindung, Entwicklung und Umsetzung“ innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Neben erfolgreichen Innovationen sind auch gescheiterte oder abgebrochene Innovationen und nicht verwertete Ideen in einer intelligenten Datenbank zu...
Erscheint lt. Verlag | 11.9.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management |
Schlagworte | Innovation • Innovationskraft • Innovationsmanagement • Management • Strategisches Management |
ISBN-10 | 3-8006-6439-9 / 3800664399 |
ISBN-13 | 978-3-8006-6439-9 / 9783800664399 |
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