Keinhorn (eBook)
295 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-44486-4 (ISBN)
Sein erstes Start-up Stilnest gründete Julian Leitloff mit 22 Jahren aus der Uni heraus. Das Unternehmen vertreibt Schmuck aus dem 3D-Drucker. Für seine Arbeit als Jungunternehmer wurde Leitloff in die »30 unter 30« des Wirtschaftsmagazins Forbes gewählt. Zuvor war er bei der Deutschen Bank tätig und forschte an der Zeppelin Universität. Heute führt er das Blockchain-Startup Fractal, das er ebenfalls gegründet hat.
Sein erstes Start-up Stilnest gründete Julian Leitloff mit 22 Jahren aus der Uni heraus. Heute führt er das Blockchain-Start-up Fractal, das er ebenfalls gegründet hat. Co-Autor Caspar Tobias Schlenk ist Redakteur bei Capital und Finance Forward. Er besuchte die Kölner Journalistenschule und studierte Volkswirtschaftslehre.
PROLOG: »DAS NÄCHSTE MAL BRAUCHST DU EINE BESSERE GESCHICHTE«
Die Sonne brennt auf unseren Leihwagen, noch wenige Autos stehen vor uns bis zur Grenzkontrolle. Gleich sollen wir die kanadisch-amerikanische Grenze passieren. Wie vor jeder Grenzkontrolle spüre ich dieses Unbehagen. Habe ich doch etwas falsch gemacht? Pass vergessen? Wurden uns Drogen untergeschoben?
Wir rollen im Schritttempo zur Grenzkontrolle. Fenster runter. Der Grenzbeamte schaut zu uns rein. »Was wollt ihr in den USA?«, fragt er, mit einer Mischung aus Langeweile und Unwillen.
»Ich bin Gründer und baue ein Start-up auf«, antworte ich.
»Und was macht das Unternehmen?«
»Wir verkaufen Schmuck aus dem 3D-Drucker.«
»Und das sollen Leute kaufen?«
»Ja, wir verkaufen das über das Internet.«
»Warum macht ihr das nicht in eurem Land?« Er wedelt mit den deutschen Pässen von meiner Freundin und mir.
»Machen wir ja – aber wir sind in den USA, um hier etwas über das Geschäft zu lernen. Wir haben in Kanada Freunde besucht.«
Ich sehe, wie es in seinem Kopf rattert. Nach Terroristen sehen wir wohl nicht für ihn aus.
»Wenn ich nicht will, brauche ich euch nicht in mein Land zu lassen«, erklärt er.
Sein Kopf rattert weiter. Es siegt die Unlust, sich weiter mit uns zu beschäftigen.
»Ich lass euch jetzt durch«, sagt er und klatscht mir die Pässe in die Hand. »Aber nächstes Mal musst du dir eine bessere Geschichte ausdenken. Schmuck aus dem 3D-Drucker – wer soll dir das glauben?« Er schüttelt den Kopf und winkt uns durch.
Die Geschichte erinnert mich daran, wie ich meinen Eltern von der Geschäftsidee erzählt habe, die meinem besten Freund Raoul und mir gekommen war. So ganz verstanden haben sie sie bis heute nicht. Oder die Geldgeber, die oft nichts mit der Idee anfangen konnten. Fast jeder hat am Ende zumindest grob verstanden, was wir machen, und hat irgendwie tief in sich drin an mich und mein Team geglaubt.
Nur diesen Grenzbeamten an der amerikanischen Grenze konnte ich nicht überzeugen. Hätte ich vielleicht auf dieses Zeichen hören sollen? Welche Start-ups wären heute wohl alle nie gegründet worden, wenn jeder Gründer seine Idee erst diesem bulligen Typen hätte vorstellen müssten?
Ich habe acht Jahre nach der Erfolgsformel gesucht, die bekannte Gründer zu Millionären und Top-Stars der Wirtschaftswelt gemacht hat. Zwischen den Zeilen der vielen Aufstiegsgeschichten und in den Gründerbiografien von Menschen wie Elon Musk oder Mark Zuckerberg. Doch ich habe die Formel nicht gefunden.
Gerade baue ich mein drittes Unternehmen auf und habe viel über Erfolg und Misserfolg nachgedacht. Allein mit meinen eigenen Krisen und Erfolgserlebnissen kann ich dieses Buch füllen. Nach jedem kleinen erreichten Ziel wurden die unglaublichen Lebensgeschichten meiner Vorbilder ein bisschen unbedeutender. Ich fing an, meinen eigenen Weg zu gehen.
Wer selbst hart an seiner Vision arbeitet, versteht schnell einen billigen Trick, dem sich viele der Unternehmerlegenden bedienen. Sie bauen Schwächen in ihre Geschichten ein, kokettieren mit Krisen. Wie dramatisch hört es sich an, wenn jemand erzählt, dass er kurz vor der Pleite stand? Eine Geschichte, dass er wieder bei den Eltern einziehen musste, weil das Geld nicht mehr reichte?
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würden sie sich ihrem Publikum offenbaren, Schwäche zeigen. Doch auf den zweiten Blick erkennt man, sie wollen nur eine gute Geschichte erzählen. Sie brauchen Fallhöhe, eine Dramaturgie für ihre eigene Story. Ein privilegierter Typ wird noch reicher – so eine Geschichte langweilt das Publikum. Erst durch eine Krise bekommt die Gründer-Story Glaubwürdigkeit und Spannung. Danach heißt es, Vorhang zu, kritische Rückfragen sind nicht erlaubt.
Ich möchte ihnen die Erfolge nicht absprechen – und doch ist es ein bisschen so, als würde ein Lottospieler, der den Jackpot geknackt hat, seine Strategien zum Lottospielen erklären. Etwas überspitzt formuliert: Mit einem Start-up richtig erfolgreich zu sein, ist ähnlich wahrscheinlich, wie im Lotto zu gewinnen.
So ein Buch möchte ich nicht schreiben und habe deswegen auch keine Millionärsformel auf Seite 65 versteckt. Stattdessen erzähle ich, was mir in acht Jahren Unternehmertum passiert ist. Alle Erfolge und alle Fuck-ups. Es ist vielleicht kein Skandal von nationaler Tragweite, dafür ist es ehrlich.
Die Geschichte, die ich in den vergangenen Jahren erlebt und gefühlt habe: Wie es ist, mit Anfang 20 den ersten Mitarbeiter entlassen zu müssen, oder wie es ist, wenn ein Anwalt sinngemäß zu einem sagt, dass man schon mit einem Bein im Gefängnis stehe. Ich befand mich mit meinem ersten Unternehmen kurz vor der Insolvenz. Plötzlich musste ich den Gedanken zulassen, dass ich wieder vor dem Nichts stehe, wieder auf Los ziehe, ohne wie im alten Monopoly-Spiel 4 000 Mark einzuziehen.
Ich bin sicher, es gibt einige da draußen, die eine ähnliche Geschichte erzählen können. Diese Geschichten müssen erzählt werden. Denn eine ehrliche Story kann dem Gründen die übertriebene Mystik nehmen, die manche noch davon abhält, etwas Neues zu starten. Plötzlich ist es verständlich, dass nicht jeder eine Geschichte im Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Stil erzählen kann, sondern wie er oder sie es durch die vielen Krisen schaffen kann. Zu viele aus der Start-up-Szene verstecken sich hinter betriebswirtschaftlichen Begriffen: Skalieren, Monthly Active Users, sechsstellige Finanzierungsrunden. Auf einfache Fragen nach dem eigenen Wohlergehen kommt von Gründern oft nur ein oberflächliches »Läuft«.
Und das kann einfach alles bedeuten. Mit den Jahren entleert sich unsere Sprache immer mehr. In Small-Talk-Gesprächen zwischen Gründerinnen und Gründern geht es bei der Frage nach dem Erfolg nur noch um den einen Punkt: »Wie viel Geld hast du eigentlich verdient?« Alle anderen Erfolge verblassen einfach. Diejenigen, die ihr Unternehmen für mehrere Millionen verkauft haben und nie mehr arbeiten müssen, lassen dann im Nachhinein in Gesprächen verlautbaren: »Ach, Geld ist doch nicht so wichtig, es zählen ganz andere Dinge im Leben.« Danke für den Tipp! Bekomme ich eine Million ab?
Mein Name ist Julian Leitloff. Wenn Du meinen Namen googelst, findest Du Artikel, die ausschließlich vom Erfolg handeln. Noch während meiner Zeit an der Uni habe ich ein Start-up gegründet, das Schmuck aus dem 3D-Drucker verkauft. Als junges Unternehmen haben wir eine alte Industrie aufgemischt, so wird es dort zu lesen sein. Und das Geschäft läuft. Vor vier Jahren hat mich das Wirtschaftsmagazin Forbes auf die Liste der aussichtsreichsten Gründer gewählt. Die »30 under 30« in Europa, dazu zähle ich. Jung und erfolgreich. Hat jemand noch Zweifel?
Ich habe Zweifel.
Manchmal spielen sich einzelne Tage vor meinem inneren Auge noch einmal ab. Zum Beispiel der Tag, an dem ich meinem besten Freund auf einem Spaziergang gesagt habe, dass er unser Unternehmen verlassen müsse. Wir kennen uns seit Kindertagen, haben das Start-up mühsam zusammen hochgezogen. Doch es war für seine Fähigkeiten kein Platz mehr bei uns. Es war die härteste Entscheidung, die ich in meinem Leben fällen musste.
Oder als ich zu Hause bei meinen Eltern im Keller saß, den Kopf in den Händen, weil kein Investor für unser Vorhaben Geld geben wollte – und meine Beziehung auf der Kippe stand. Meine ganze Welt war kurz davor, zusammenzubrechen.
Ich will meine Geschichte erzählen, weil ich überzeugt bin, dass Ehrlichkeit hilft. Sie hilft mir zu verarbeiten, was ich in den Jahren eigentlich gemacht habe. Sie hilft aber auch anderen zu verstehen, was es heißt, ein Unternehmen aufzubauen. Denn es gibt nicht dieses Gründungsgeheimwissen, das nur eine teure Privatuni vermitteln kann. Stattdessen finden wir die nötigen Eigenschaften und dieses Wissen oft bei den Menschen in unserer Umgebung – eine Mischung aus Mut, Dickköpfigkeit und Durchsetzungsstärke.
Es war hart, jeden Morgen den Druck aufs Neue zu spüren. Kunden, die das falsche Produkt bekommen haben und mich dafür verantwortlich machten, Zehntausende Leute, die den Server zum Abstürzen brachten – oder Investoren, die meinen Urlaub kürzen wollten. Als Geschäftsführer musste ich jedes Feuer löschen. Und es kamen immer neue Brandherde dazu. Dafür wurde ich auch mit krassen Glücksmomenten belohnt: Wenn jemand unseren Schmuck kaufte und ein Foto davon auf Instagram postete. Oder als wir die ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt haben, die sich auf uns verlassen haben, die mit uns arbeiten wollten. Die für unser Jobangebot von New York nach Berlin...
Erscheint lt. Verlag | 7.10.2020 |
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Reihe/Serie | CampusBeats | CampusBeats |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Unternehmensführung / Management |
Schlagworte | Beats • Business Angel • Campus Beats • CampusBeats • Einhorn • Entrepreneur • Founder • Fuck-up Nights • Gründer • Gründerstory • Gründung • Selbstständigkeit • Start-up • Stilnest |
ISBN-10 | 3-593-44486-0 / 3593444860 |
ISBN-13 | 978-3-593-44486-4 / 9783593444864 |
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