Verhaltensmedizin bei der Katze (eBook)
459 Seiten
Thieme (Verlag)
978-3-13-246063-8 (ISBN)
1 Verhaltensmedizinische Konsultation
1.1 Allgemeines
Eine verhaltensmedizinische Konsultation kann den praktischen Tierarzt anfänglich vor einige Schwierigkeiten stellen:
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Der Tierbesitzer fragt nach Abschluss einer allgemeinmedizinischen Untersuchung und nach deren Bezahlung noch im Hinausgehen nach einem ganz schnellen Rat für seine unsaubere Katze.
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Eine verhaltensmedizinische Konsultation ist zeitaufwendig.
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Es gibt praktisch keine manuellen Tätigkeiten, die der Tierbesitzer (und eventuell auch der Tierarzt) als Leistung erkennt, da die tierärztliche Leistung während der Konsultation hauptsächlich aus Kommunikation und intellektueller Analyse besteht – Eigentlich haben wir ja nur geredet ...
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Es gibt nur wenig Literatur darüber, wie aus einer Unterhaltung über ein Verhaltensproblem eine strukturierte veterinärmedizinische Leistung wird, die als solche anerkannt und auch entsprechend honoriert wird.
Mit definierten Rahmenbedingungen für die Konsultation und einem strukturierten verhaltensmedizinischen Untersuchungsgang sind diese Schwierigkeiten relativ leicht zu überwinden.
Es ist im Allgemeinen günstiger, verhaltensmedizinische Konsultationen außerhalb der üblichen Sprechzeiten durchzuführen. Für Tierbesitzer ist es schon selbstverständlich, einen gesonderten OP-Termin für chirurgische Eingriffe an ihrem Tier zu erhalten. Dieser Vergleich kann ohne Weiteres auf die spezielle Leistung „Verhaltensmedizinische Konsultation“ angewendet werden.
1.2 Rahmenbedingungen
Da sowohl Zeit und Energie des Tierarztes wie auch die Auffassungsgabe des Besitzers limitiert sind, ist es sinnvoll, die Konsultation nach festen Regeln, auf die wesentlichen Informationen konzentriert und kurz zu gestalten.
Praxis
Rahmenbedingungen der Konsultation:
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Ort
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Zeit
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Dauer
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Honorar
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Abstände und Frequenz von Evaluationsterminen
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Ende der Behandlung
Ort, Zeitpunkt und vor allem Dauer sowie der finanzielle Rahmen sollten dem Besitzer bereits bei der Terminvereinbarung und vor der eigentlichen Konsultation bekannt sein.
Weitere Rahmenbedingungen sind die voraussichtliche Dauer der Behandlung, Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit dem Tierarzt, die Anzahl beziehungsweise Frequenz von Evaluationsterminen und ein Übereinkommen, wann und wie die Behandlung endet.
Diese Rahmenbedingungen gibt der Tierarzt nach seinen persönlichen Erfahrungen, Vorlieben und Möglichkeiten vor.
In der Praxis der Autoren haben sich verhaltensmedizinische Erstkonsultationen von maximal 1 Stunde bewährt. Folgekonsultationen im monatlichen Abstand dauern eine halbe ½ Stunde bis 1 Stunde. Honorare werden nach Zeitaufwand berechnet und betragen in der jeweiligen Praxis der Autoren derzeit 100 beziehungsweise 110 Euro pro Stunde.
Können Sie mir vielleicht einen kleinen Rat geben ...
Mit dem Angebot eines Termins für eine Konsultation und der Information zum Honorar hat sich diese Anfrage zwischen Tür und Angel in der Regel bereits erledigt. Um Enttäuschungen vorzubeugen: Nur rund 10 % der Tierbesitzer werden dieses Angebot annehmen. Bereits vereinbarte Termine werden oft wieder abgesagt oder nicht eingehalten.
Mit zunehmender Erfahrung können einfache und kurze Verhaltenskonsultationen auch an eine allgemeinmedizinische Untersuchung angehängt werden. Es empfiehlt sich aber, diese dem Tierbesitzer, am besten direkt, als neue und weitere Leistung – verhaltensmedizinische Beratung – erkennbar zu machen.
Und wissen Sie, meine vorige Katze, der Leo, hatte da auch immer so eine Angewohnheit – das muss ich Ihnen noch erzählen ...
Mit dem Hinweis auf die zur Verfügung stehende begrenzte Konsultationszeit von einer halben Stunde oder Stunde und, wenn nötig, das Honorar dafür kann auch dieser Redefluss eingedämmt und zielführende Arbeit möglich werden.
Merke
Zeit- und energieraubende, frustrierende und desorganisierte Konsultationen werden mit klaren Rahmenbedingungen verhindert.
1.3 Wohnungsplan oder Hausbesuch
Hausbesuche werden manchmal als unverzichtbarer Bestandteil der verhaltensmedizinischen Konsultation für Katzen angesehen. Dem stehen allerdings der Zeitaufwand für den Tierarzt und der für den Besitzer damit verbundene finanzielle Aufwand gegenüber. Es stellt sich auch die Frage, ob der erwartete Informationsgewinn diesen erhöhten Aufwand wert ist.
Bei Hausbesuchen kann man zwar die Lebensverhältnisse der Katze aus eigener Anschauung beurteilen, aber es fehlt im Grunde die richtige Übersicht und Struktur. Der Mensch ist zudem ein Augentier und die automatische optische Ablenkung in fremden Wohnungen auf für die Konsultation völlig unwesentliche Dinge wie die Reader’s Digest Auswahlbände im Wohnzimmerverbau, die unansehnliche Farbe des Teppichbodens oder das Lametta vom letzten Weihnachtsfest hinter dem Sofa ist groß. Das Risiko, dass der Besitzer bei einem Hausbesuch die Gesprächsführung übernimmt oder die Konsultation zu einem gemütlichen Plausch bei Kaffee umgestaltet, ist gegeben.
Das Wohlbefinden des Tierarztes hat für eine gute Konsultation oberste Priorität, und in den eigenen vertrauten Räumen ist das viel sicherer gewährleistet.
Ein freundlich eingerichteter Raum in der Praxis (z.B. kann ein Wartezimmer außerhalb der Praxiszeiten als Konsultationsraum dienen) schafft eine gemütliche Atmosphäre für Tier und Besitzer, der Tierarzt bleibt in seiner vertrauten und fachlichen Umgebung ( ▶ Abb. 1.1).
Abb. 1.1 Konsultationsraum.
Die Arbeit mit dem Wohnungsplan ( ▶ Abb. 1.2) hat sich in der Praxis als sehr gute Alternative erwiesen und kann den Hausbesuch durchaus ersetzen. In diesen Plan können während der Konsultation laufend alle Informationen in verschiedenen Farben, mit Zahlen auch hierarchisiert, eingezeichnet werden.
Abb. 1.2 Wohnungsplan nach Konsultation. K = Katzenklo, K offen = offenes Katzenklo, K Textil = Katzenklo mit textilem Substrat, K gestrichelt = Vorschlag für einen neuen Platz des Katzenklos, 1 2 3 4 = Stellen mit Harnabsatz in der Reihenfolge des Auftretens, orangefarbiger Kreis = Unsauberkeit unter dem Tisch, B = Kratzbaum, braunes Viereck = Futter, blauer Kreis = Wasser, lilafarbiges + = Ruheplätze.
Die Informationen sind auf die für die Katze wesentlichen Strukturen reduziert und es ist ganz leicht, die Übersicht zu behalten. Die fehlenden Informationen zur dritten Dimension sind nur selten ein wirkliches Problem, dem mit Fotos oder Videos begegnet werden kann. Auch Verhaltensweisen, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie die Katze(n) während der begrenzten Konsultationszeit zeigen werden, können sehr gut mit Videoaufnahmen dokumentiert werden.
Praxis
Wesentliche Strukturen im Wohnungsplan:
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Futterplatz
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Trinkplatz
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Tabuzonen (relative, absolute)
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Schlafplätze
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Ruheplätze
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Verstecke
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Aussichtsplätze
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Katzentoilette(n)
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Kratzstelle(n)
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Klettermöglichkeit(en)
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Unsauberkeit: mit Zahlen kann die zeitliche Evolution dargestellt werden
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Harnmarkierungen: mit Zahlen kann die zeitliche Evolution dargestellt werden
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Orte, an denen häufig Aggression gezeigt wird
Nach der Diagnostik können anhand dieses Plans mit dem Besitzer am Ende der Konsultation auch Veränderungen und Maßnahmen für Management und Therapien erarbeitet werden.
1.4 Handling von Katzen in der Praxis
Es ist erstaunlich, wie viele Katzen ausgesprochen kooperativ bleiben, wenn sie – aus Katzensicht –freundlich und höflich behandelt werden. An sich eine Selbstverständlichkeit fällt dieser Vorsatz schnell den Missverständnissen zwischen Tierarzt und Katze zum Opfer und einer beginnenden Unkooperativität der Katze wird vorbeugend durch mehr Zwang begegnet.
Jede Katze hat ihre eigene Toleranzgrenze, bis zu der sie Manipulation recht gut toleriert, ab diesem Zeitpunkt...
| Erscheint lt. Verlag | 26.3.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Veterinärmedizin ► Kleintier |
| Schlagworte | Agression • Diagnostik • Katze • Kleintier • Kleintierpraxis • Leitsymptome • Prävention • Therapie • Tierbesitzer • Unsauberkeit • Verhalten • Verhaltensmedizin • Verhaltensstörung • Verhaltenstherapie • Veterinärmedizin |
| ISBN-10 | 3-13-246063-X / 313246063X |
| ISBN-13 | 978-3-13-246063-8 / 9783132460638 |
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