Ganzheitliche Ernährung für Hund und Katze (eBook)
320 Seiten
Georg Thieme Verlag KG
978-3-13-241192-0 (ISBN)
1 Ernährung und Verhalten
Daniela Zurr
Die Ernährung von Haustieren ist nicht nur auf die Frage „Was füttern wir?“ zu reduzieren. Unter Verhaltensaspekten hat die Antwort auf die Frage „Wie füttern wir?“ ebenso große Bedeutung. Es geht nicht nur um die richtigen Nährstoffe. Es müssen auch die Bedürfnisse, die aus dem natürlichen Verhalten von Hunden und Katzen bei der Nahrungssuche und -aufnahme hervorgehen, soweit wie möglich befriedigt werden.
1.1 Fütterungspraxis beim Hund
Hunde ernähren sich schon sehr lange direkt oder indirekt von Überresten menschlicher Nahrung. Die Nahrungssuche und -verwertung nimmt bei verwilderten oder menschenfern lebenden Hunden nur einen geringen Anteil der Tagesaktivität ein ▶ [19]. Gleichzeitig zeigen Hunde durch Selektion auf bestimmte Aufgaben deutliche Unterschiede in Bezug auf Futtersuche und Jagdverhalten. Auch die Bedeutung, die Hunde ihrem Futter beimessen, variiert in weiten Grenzen. Je nach Rasse und Individuum gibt es extreme Unterschiede. Je verfressener ein Hund ist, desto größer ist die Gefahr, dass er im Zusammenhang mit Futter in eine hohe Erregungslage gerät. Pauschale Ratschläge, wie z.B. „der Hund soll gar nicht mehr aus dem Napf gefüttert werden, sondern sich sein Futter komplett erarbeiten“, werden daher dem Einzelfall nicht gerecht.
Grundsätzlich kann man unterscheiden zwischen einer „Umsonstfütterung“ (d.h., der Hund erhält das Futter ohne Gegenleistung) und einem Futter, das sich der Hund erarbeiten muss. Letzteres kann durch das Herausarbeiten von Futter aus diversen kommerziellen oder selbst gebastelten Futter- bzw. Intelligenzspielzeugen geschehen oder durch Interaktion mit dem Tierhalter. Je nach Art des Futterspielzeugs kann dieses den Hund aktivieren oder beruhigen. Zur ersten Gruppe gehören z.B. Futterbälle und ähnliche Objekte, die vom Hund bewegt werden müssen, um an das Futter zu gelangen. Zur zweiten Gruppe gehören Gegenstände, die das Schlecken und Kauen anregen (z.B. Kong®).
1.1.1 Fütterungszeiten
Das Lebensumfeld von Hunden ist heutzutage sehr variabel. Manche Hunde begleiten ihren Menschen den ganzen Tag und müssen sich dabei mit zahlreichen Umweltsituationen auseinandersetzen, andere leben extrem reizarm.
Dementsprechend sollte die Fütterung nicht nur von der Nährstoffzusammensetzung, sondern auch von der Häufigkeit und der Art der Fütterung an die individuelle Lebenssituation angepasst sein. Pauschale Ratschläge, wie z.B. „der Hund soll einmal täglich zu einer festen Zeit gefüttert werden“, helfen daher nicht weiter. Feste Futterzeiten geben v.a. Hunden, die schon einmal Hunger gelitten haben, Sicherheit. In vielen Fällen ist bei erwachsenen Hunden eine 2-mal tägliche Fütterung sinnvoll. Grundsätzlich sollte darauf geachtet werden, dass Hunde vor der Fütterung ein erwünschtes Verhalten zeigen, z.B. ruhiges Warten statt hektisches Herumlaufen. Es ist ratsam, die Futterzeiten nicht zu starr auszulegen. Dadurch verringert sich die Gefahr, dass bei einer erforderlichen Abweichung der Hund aus Frustration heraus unerwünschtes Verhalten zeigt.
1.1.2 Futter und Training
Grundsätzlich ist für die Erbringung von körperlicher und mentaler Leistung eine ausreichende Energieversorgung notwendig. Sofern eine hohe Konzentration oder Impulskontrolle notwendig ist, sollte daher vorab auf eine ausreichende Versorgung mit Kohlenhydraten geachtet werden ▶ [109]. Den Hund vor solchen Situationen fasten zu lassen, um die Attraktivität von Futterbelohnungen zu erhöhen, führt i.d.R. eher zu Hektik und Unkonzentriertheit seitens des Hundes. Im Training können sich viele Hunde besser konzentrieren, wenn sie schon eine kleine Mahlzeit erhalten haben.
1.1.2.1 Futterbelohnung im Training
Jeder Hund braucht Training, um sich in seinem individuellen Alltag zurechtzufinden und ein ausgeglichener und sicherer Begleiter des Menschen zu sein. Idealerweise ist das Training so gestaltet, dass der Hund freudig mitarbeitet, aber nicht in eine zu hohe Erregungslage gerät. Das Training soll auf positiver Verstärkung aufbauen. Ein wichtiger Verstärker dabei ist Futter. Natürlich können und sollen im Training weitere Verstärker berücksichtigt werden (z.B. Spielen, Aufmerksamkeit des Menschen, Streicheleinheiten usw.), doch Futter ist ein gut zu dosierender und für viele Hunde sehr effektiver primärer Verstärker. Da je nach Trainingsintensität teilweise größere Mengen bzw. sehr schmackhafte und damit häufig kalorienreiche Leckerchen zum Einsatz kommen, müssen diese unbedingt in der Gesamtration berücksichtigt werden. Je kleiner der Hund, desto größer ist die Gefahr, dass der Tierhalter den Kaloriengehalt der ▶ Futterbelohnungen unterschätzt.
Eine gute Möglichkeit kalorienarm und hochwertig zu belohnen, sind selbst befüllte Futtertuben mit kalorienarmem Inhalt (z. B. Magerquark, Kartoffelbrei mit wenig Leberwurst „aromatisiert“) oder sog. „Schleckerchen“, die ähnlich einem Deoroller konstruiert sind und nur minimale Mengen Futter abgeben. Die Schmackhaftigkeit des Futters soll auf den individuellen Hund abgestimmt sein. Beim Erlernen für den Hund aufwendiger Verhaltensweisen, bei denen die Zuverlässigkeit extrem wichtig ist, sollte bezüglich Qualität und Quantität sehr großzügig belohnt werden.
1.1.3 Futter als Ressource
Viele Hunde verteidigen ihr Futter gegenüber Artgenossen oder dem Menschen. Bei manchen Tieren ist das nur bei bestimmten Dingen (z.B. Kauknochen) der Fall, bei anderen bei allem Fressbaren. Hierbei handelt es sich um Verhaltensweisen, die der Hund teilweise schon in die Familie mitbringt, teilweise wurde ihm dieses Verhalten in seiner Familie antrainiert. Die Verteidigung einer aus Hundesicht wertvollen Ressource ist zunächst ein normales, wenn auch oft unerwünschtes Verhalten ▶ [96]. Entgegen veralteter Behauptungen hat dies nichts mit einem vermeintlichen Führungsanspruch des Hundes zu tun ▶ [118]. Alle Ansätze, dem Hund das Futter gewaltsam wegzunehmen oder ihn unter Druck zu setzen, verschlimmern das Problem. Wesentlich sinnvoller ist es, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und ihm beizubringen, dass eine Abgabe von Futter auf Aufforderung des Halters für ihn von Vorteil ist. Bei Problemen mit Ressourcenverteidigung sollte frühzeitig ein verhaltenstherapeutischer Tierarzt zurate gezogen werden.
1.1.4 Futterzusammensetzung und Verhalten
Das Thema Fütterung und Verhalten wird von Hundehaltern, -trainern und auch Tierärzten sehr kontrovers diskutiert, obwohl es nur wenige wissenschaftliche Studien dazu gibt.
Verhalten und körperliches Wohlbefinden beeinflussen sich gegenseitig, und gerade bei Hunden mit Futtermittel-Unverträglichkeiten kann es bei einer Futterumstellung zu einer Verbesserung der körperlichen Verfassung und der Verhaltenssymptome kommen.
Die in Bezug auf Verhalten relevanten Nahrungsbestandteile sollen hier kurz erläutert werden.
1.1.4.1 Aminosäuren und Proteine
Aminosäuren sind Ausgangssubstanzen für verschiedene Neurotransmitter. Die essenzielle aromatische Aminosäure Tryptophan dient zur Synthese von Serotonin, Tyrosin ist die Ausgangssubstanz für Dopamin und Phenylalanin für Noradrenalin. Es ist daher zu erwarten, dass die Aufnahme dieser Aminosäuren auch Einfluss auf das Verhalten nimmt. Hier besteht jedoch kein einfaches Dosis-Wirkungsverhältnis. Vielmehr nehmen zahlreiche Faktoren, wie z.B. der Proteingehalt der Ration und deren Verdaulichkeit, aber auch Geschlecht, Rasse, Aktivitätsniveau und Erregungslevel Einfluss auf die Metabolisierung und den Transport der Aminosäuren durch die Blut-Hirn-Schranke. Proteinreiche Diäten scheinen tendenziell die Konzentration von Tyrosin im Gehirn zu erhöhen und die von Tryptophan zu senken ▶ [93]. Theoretisch soll eine proteinreiche Fütterung auch zu einem niedrigeren Serotoninspiegel im Gehirn führen. Allerdings ließen sich in Studien, bei denen Hunden Diäten mit unterschiedlichem Proteingehalt gefüttert wurden, keine Unterschiede bzgl. der Serotoninmetaboliten in der ...
Erscheint lt. Verlag | 24.1.2020 |
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Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Veterinärmedizin ► Kleintier |
Schlagworte | 5 Elemente • Adipositas • Funktionskreis • Futtermittelkunde • Futterplan • Fütterung • Geschmacksrichtung • Hundefutter • Katzenfutter • Leitbahn • Nahrungsmittel TCM • Nierenerkrankung • Ration • Rezepte • Tumor |
ISBN-10 | 3-13-241192-2 / 3132411922 |
ISBN-13 | 978-3-13-241192-0 / 9783132411920 |
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