Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de
Pathogenese epileptiformer Krämpfe bei TNF-transgenen Mäusen nach Borna disease virus-Infektion: - Manuela Hirz

Pathogenese epileptiformer Krämpfe bei TNF-transgenen Mäusen nach Borna disease virus-Infektion:

Rolle von astroglialen Dysfunktionen Befunden am Processus coronoideus medialis ulnae im ED-Obergutachten

(Autor)

Buch
274 Seiten
2017
VVB Laufersweiler Verlag
978-3-8359-6630-7 (ISBN)
CHF 55,70 inkl. MwSt
  • Keine Verlagsinformationen verfügbar
  • Artikel merken
1. Das Ziel dieser Arbeit war die Charakterisierung astroglialer Dysfunktionen unter dem Einfluss eines veränderten TNF-Systems und zusätzlicher Infektion mit dem neurotropen Borna disease virus (BoDV-1). Weiterhin sollte geklärt werden, wie astrogliale Dysfunktionen zur Pathogenese epileptiformer Krämpfe beitragen können. Es war bekannt, dass das Modell der neonatalen BoDV-1-Infektion TNF-transgener (TNF-tg) Mäuse zu einer TNF-Level-abhängigen progredienten nicht-eitrigen Meningoenzephalitis mit neurologischen Symptomen bis hin zu generalisierten finalen epileptiformen Krämpfen führt. Bei diesen Mäusen wurde bei Astrozyten eine ausgeprägte Hypertrophie mit stark vergrößerten und teilweise degeneriert erscheinenden Zellkernen festgestellt. Daher sollte in der vorliegenden Arbeit geklärt werden, ob es sich bei den astrozytären Veränderungen um eine Form des Zelltods oder um eine bisher nicht bekannte Form von reaktiver Astrogliose handelt. Hierzu wurden BoDV-1-infizierte TNF-tg-, TNFR1ko- und TNFR2ko-Mäuse verwendet. Weiterhin sollten Hinweise auf mögliche zugrunde liegende funktionelle Störungen anhand von in vitro Modellen gewonnen werden. Hierzu wurden primäre kortikale Astrozyten aus wt-, TNF-tg-, TNFR1ko- und TNFR2ko-Mäusen unter dem kombinierten Einfluss von verschieden hohen TNF- und/oder Glutamatdosen und der BoDV-1-Infektion untersucht und mit in vivo Daten verglichen.

2. Die wt-, TNF-tg/+-, TNF-tg/tg-, TNFR1ko- und TNFR2ko-Mäuse wurden regelmäßig klinisch untersucht mit der Hypothese, dass im Vergleich zu den TNF-tg-Tieren, die BoDV-1-infizierten TNFR2ko-Mäuse eine deutlich erhöhte Krampfanfälligkeit mit deutlich verstärkten entzündlichen und astrozytären Veränderungen und die BoDV-1-infizierten TNFR1ko-Mäuse eine erhöhte Resistenz demgegenüber zeigen. Weiterhin wurden die Gehirne der Mäuse histologisch auf entzündliche Veränderungen und Astrozytenaktivierung/morphologische Astrozytenveränderungen sowie die GFAP-Expression mittels Immunhistologie im Vergleich zwischen nicht infizierten, Mock-infizierten und BoDV-1-infizierten Tieren untersucht. Bei keiner der BoDV-1-infizierten wt-, TNF-tg/+- oder TNF-tg/tg-Mäuse waren klinisch epileptiforme Krämpfe nachweisbar. In vorhergehenden Studien der eigenen Arbeitsgruppe waren diese bei den TNF-tg/+-Mäusen ab 42 dpi und bei den TNF-tg/tg-Mäusen ab 21 dpi zu finden (KRAMER, 2006; KRAMER et al., 2012). Es kam jedoch bei einer BoDV-1-infizierten TNFR2ko-Maus 30 dpi zu einem finalen generalisierten epileptiformen Krampf und bei zwei weiteren BoDV-1-infizierten TNFR2ko-Mäusen 40 und 37 dpi zu Todesfällen sowie bei einer TNFR1ko-Maus 29 dpi zum Versuchsabbruch mit zuvor aufgetretenen klinischen Anzeichen, die auf ein epileptiformes Krampfgeschehen hinweisen können. Nur die TNF-tg-Tiere entwickelten eine typische nicht-eitrige Meningoenzephalitis und die astrozytären Veränderungen wie in vorhergehenden Studien der eigenen Arbeitsgruppe (KRAMER et al., 2012). Dagegen war nur bei den klinisch auffälligen TNFR1ko- und TNFR2ko-Mäusen eine gleichartige nicht-eitrige Meningoenzephalitis mit zum Teil einhergehenden astrozytären Veränderungen wie bei den BoDV-1-infizierten TNF-tg-Tieren zu finden.
Bei den wt-, TNF-tg/+- und TNF-tg/tg-Mäusen konnten statistisch hochsignifikante Unterschiede bezüglich des Auftretens und der Stärke der entzündlichen Veränderungen sowie der Astrozytenaktivierung und GFAP-Expression festgestellt werden. Diese nahmen bei den BoDV-1-infizierten Mäusen jeweils mit dem Alter bzw. der Dauer der Infektion und der Menge der TNF-Überexpression zu. Bei keiner der nicht infizierten bzw. Mock-infizierten Tiere traten hingegen entzündliche Veränderungen oder Aktivierung der Astrozyten auf. Daneben fanden sich zwischen Mausstamm, Alter/Dauer der Infektion und Infektionsstatus statistisch hochsignifikante Wechselwirkungen, was bestätigt, dass sich alle Parameter gegenseitig beeinflussen. Die BoDV-1-infizierten 42 Tage alten TNF-tg/tg-Mäuse wiesen die stärksten entzündlichen Veränderungen, die meisten GFAP-positiven Astrozyten sowie die deutlichste astrozytäre Hypertrophie mit z.T. vergrößerten, degeneriert erscheinenden Zellkernen auf. Dies war vergleichbar mit den Ergebnissen vorhergehender Untersuchungen der eigenen Arbeitsgruppe. Eine vermehrte Anzahl GFAP-positiver Astrozyten, z.T. mit vergrößerten Zellkernen, fand sich jedoch auch bei den BoDV-1-infizierten TNFR1ko- und TNFR2ko-Mäusen 42 dpi, unabhängig von entzündlichen Veränderungen.
Es kann also abgeleitet werden, dass sowohl die BoDV-1-Infektion, als auch das TNF-System einen Einfluss auf die Entwicklung der entzündlichen und astrozytären Veränderungen haben.
In vitro konnte mittels GFAP-Immunfluoreszenz jedoch kein Einfluss der BoDV-1-Infektion oder des TNF-Systems auf das Auftreten der in vivo beschriebenen morphologischen astrozytären Veränderungen festgestellt werden.
Entgegen der primären Hypothese, waren die Ergebnisse der in vivo Untersuchungen an den BoDV-1-infizierten TNFR1ko- und TNFR2ko-Mäusen vergleichbar, was möglicherweise mit Wechselwirkungen zwischen den TNFR1- und TNFR2-Signalwegen zusammenhängt.

3. Zum Nachweis möglicher Zelltodformen wurden v.a. die hypertrophen Astrozyten in vivo auf das Vorkommen von aktivierter Caspase 3 zum Nachweis von Apoptose bzw. von AIF in den Zellkernen zum Nachweis des Caspase-unabhängigen PARP1- und AIF-vermittelten Zelltods untersucht. Ergänzend dazu wurden mit TNF und/oder Glutamat vorbehandelte nicht infizierte und BoDV-1-infizierte Astrozyten in vitro auch auf LC3 A/B zum Nachweis von Autophagie exemplarisch untersucht. Insgesamt war keine der untersuchten Zelltodformen in vivo oder in vitro bei den Astrozyten vermehrt nachzuweisen. Daher sind die astrozytären Veränderungen in den Gehirnen der BoDV-1-infizierten TNF-tg-, TNFR1ko- und TNFR2ko-Mäuse nicht auf einen der untersuchten Zelluntergänge zurückzuführen. Hinsichtlich des Vorkommens von Apoptose, fanden sich zwischen den TNFR1ko- und TNFR2ko-Mäuse statistisch signifikante Unterschiede bezüglich des Alters der Tiere bzw. der Dauer der Infektion. So zeigten die älteren bzw. länger infizierten Mäuse mehr apoptotische Zellen als die jüngeren bzw. kürzer infizierten Mäuse. Vor allem die gestorbenen TNFR2ko-Mäuse sowie die euthanasierte TNFR1ko-Maus wiesen vermehrt apoptotische Zellen auf. Dabei handelte es sich vor allem um Zellen mit Lymphozytenmorphologie in der Umgebung der Entzündungszellinfiltrate unter Beteiligung von Mikroglia, vereinzelten Neuronen und nur ganz vereinzelten (morphologisch unauffälligen) Astrozyten. In den Astrozytenkulturen lag der Anteil an apoptotischen Astrozyten, unabhängig von der Glutamat- oder TNF-Vorbehandlung oder dem Infektionsstatus, unter 2 %. Der nukleäre Nachweis von AIF fand sich in vivo bei allen untersuchten Tiergruppen vor allem in den caudalen Gehirnregionen Thalamus, Rhombencephalon und Cerebellum in Zellen mit Oligodendrozytenmorphologie und unabhängig von entzündlichen Veränderungen. In allen untersuchten Astrozytenkulturen lag der Anteil an Astrozyten mit AIF im Zellkern unter 1 %, lediglich bei den BoDV-1-infizierten Astrozyten aus wt-Mäusen kam es durch TNF-Behandlung zu einer Zunahme auf knapp über 2 %. Die Autophagierate der untersuchten Astrozytenkulturen lag durchweg bei unter 2 %, lediglich die mit Glutamat behandelten nicht infizierten Astrozyten aus TNF-tg/tg-Mäusen zeigten eine geringgradigen Anstieg auf knapp 3 %. Inwiefern dies und die vereinzelt erhöhte AIF-vermittelte Zelltodrate durch die entsprechenden Vorbehandlungen und/oder die BoDV-1-Infektion im Fall von AIF bedingt sind, sollte in weiteren Untersuchungen geklärt werden. Ebenso sollte in weiterführenden Untersuchungen das Vorkommen von Nekroptose in vivo und in vitro abgeklärt werden.

4. Der Einfluss des TNF- und Glutamatsystems auf die BoDV-1-infizierten und nicht infizierten Astrozytenkulturen wurde mittels MTT-Assay anhand von Glutamat- und/oder TNF-behandelten Astrozyten aus wt-, TNF-tg/tg, TNFR1ko- und TNFR2ko-Mäusen untersucht. Zusätzlich wurde in vivo und exemplarisch auch in vitro die Glutamattransporterexpression untersucht. Der Einfluss der TNF-Rezeptoren wurde durch das Verwenden der bereits genannten TNFR1ko- und TNFR2ko-Mäuse näher beleuchtet und deren Expression exemplarisch in vitro an Astrozytenkulturen untersucht.
Bei der Glutamattransporterexpression in vivo lag bei keiner Mausgruppe ein statistisch signifikanter Einfluss der BoDV-1-Infektion vor. Zwischen den verschiedenen Mausstämmen und bei der GLAST-Expression auch zwischen den Altersgruppen 21 und 42 Tage fanden sich jedoch insgesamt statistisch signifikante Unterschiede. Dies weist auf eine altersabhängige Zunahme der GLAST-Expression sowie auf einen Einfluss des TNF-Systems auf die Glutamattransporterexpression hin. Die GLT1-Expression war bei den Mäusen mit verändertem TNF-System insgesamt zu beiden Zeitpunkten erhöht, im Fall von GLAST bei den TNFR1ko- und TNFR2ko-Mäusen jedoch niedriger als bei den TNF-tg/tg- und wt-Mäusen, v.a. mit 42 Tagen/42 dpi. Daneben beeinflussen die entzündlichen Veränderungen die Glutamattransporterexpression, welche in unmittelbarer Umgebung der Entzündungszellinfiltrate häufig herabgesetzt war. Glutamat hatte insgesamt, selbst in sehr hohen Dosen, keinen Effekt auf die nicht infizierten Astrozyten im MTT-Assay, hingegen kam es mehrheitlich bei den BoDV-1-infizierten Astrozyten zu einer Aktivierung der Astrozyten. Exemplarisch Glutamat- und/oder TNF-behandelte Astrozyten aus TNF-tg/tg-Mäusen zeigten eine gering- bis mittelgradige GLT1-Aufregulation, wie auch in vivo.
Mittels MTT-Assay wurde nach TNF-Behandlung eine dosisabhängige Verringerung der optischen Dichte, sowohl bei den nicht infizierten als auch bei den BoDV-1-infizierten Astrozyten, festgestellt, mit Ausnahme der Astrozyten aus TNFR1ko-Mäusen. Bei diesem Effekt handelte es sich nicht um Zelltod, wie anhand der Ergebnisse der in vitro Untersuchungen zum Nachweis verschiedener Zelltodformen geschlussfolgert werden konnte, noch lagen Unterschiede in der Proliferationsrate mittels PCNA-Untersuchung vor. Aus diesem Grund ist von einer Veränderung der Zellaktivierung bzw. der mitochondrialen Dehydrogenase-Aktivität als Ursache für die Effekte im MTT-Assay auszugehen, was jedoch durch weiterführende Untersuchungen bestätigt werden sollte.
Es wurde auch gezeigt, dass sich das TNF- und Glutamatsystem bezüglich ihrer Effekte auf die Astrozyten gegenseitig beeinflussen, da der dosisabhängige TNF-Effekt im MTT-Assay durch kombinierte Behandlung mit Glutamat bei allen Astrozytenkulturen aufgehoben wurde. Bei den BoDV-1-infizierten Astrozyten lag sogar mehrheitlich eine Aktivierung vor. Nur bei den nicht infizierten Astrozyten aus TNF-tg/tg-Mäusen war weiterhin eine Verringerung der optischen Dichte, unabhängig von der TNF-Dosis, zu sehen. Dies kann auf eine TNF-Präkonditionierung der Astrozyten durch die TNF-Überexpression zurückzuführen sein. Im Vergleich zu den nicht infizierten Astrozyten, hatten die BoDV-1-infizierten Astrozyten mehrheitlich, unabhängig von der Behandlung, eine höhere optische Dichte, was für einen generell aktivierenden Effekt der Infektion spricht. Dies unterstreicht die Ergebnisse der in vivo Untersuchungen, welche ebenfalls darauf hindeuten, dass es sich bei den ungewöhnlichen hypertrophen Astrozyten in BoDV-1-infizierten Mäusen um eine bisher nicht beschriebene Form der Aktivierung/reaktiven Astrogliose handelt. Diese sollte in weiteren Untersuchungen näher charakterisiert werden.
Die Expression der TNF-Rezeptoren ergab in vitro an Astrozyten aus TNF-tg/tg-Mäusen, dass sowohl die Behandlung mit Glutamat als auch mit TNF zu einer Verdopplung TNFR1-positiver Astrozyten führt, wobei die TNFR2-Expression nur durch Glutamat induziert wurde. Insgesamt waren auch nur halb so viele Astrozyten TNFR2- als TNFR1-positiv, was dafür spricht, dass die gefundenen TNF-Effekte im MTT-Assay primär über den TNFR1 vermittelt werden.

5. Zusammenfassend ist es sehr wahrscheinlich, dass die vorliegenden astrozytären Dysfunktionen/Veränderungen in den untersuchten Mausmodellen eine wesentliche Rolle bei der Pathogenese epileptiformer Krämpfe spielen und es sich bei diesen nicht um die untersuchten Zelluntergangsformen, sondern um eine bisher nicht bekannte Form der Astrozytenaktivierung/reaktiven Astrogliose handelt. Diese kann mit unterschiedlichen Expressionsprofilen z.B. der Glutamattransporter und TNF-Rezeptoren einhergehen, wie in vitro Untersuchungen an primären kortikalen Astrozytenkulturen zeigten. Diese Astrozytenaktivierung ist sowohl von TNF als auch von der BoDV-1-Infektion abhängig, wobei die BoDV-1-Infektion diese sowohl in vivo als auch in vitro fördert. Hingegen fördern erhöhte TNF-Level diese nur in vivo, eine TNF-Behandlung in vitro induziert jedoch keine Astrozytenaktivierung. Die typischen morphologischen astrozytären Veränderungen, wie sie in vivo festgestellt wurden, waren in vitro, unabhängig von der BoDV-1-Infektion oder dem Mausstamm, ebenfalls nicht zu finden. Diese Unterschiede können auf die zelluläre Zusammensetzung zurückzuführen sein (gesamtes Gehirn versus reiner Astrozytenkultur), was zeigt, dass die Wechselwirkungen von Astrozyten mit anderen Gehirnzellen wie Mikroglia und Neuronen einen wesentlichen Einfluss auf die Morphologie und Funktion der Astrozyten hat. Weiterhin weist dies darauf hin, dass Ergebnisse aus zellulär einheitlichen in vitro Systemen nicht immer uneingeschränkt auf in vivo Systeme übertragbar sind.
Weiterführend wäre es sinnvoll den Metabolismus v.a. von mitochondrialen Enzymen wie die Glutamin-Synthetase-Expression sowie die genaue Art der Astrozytenaktivierung (proinflammatorische oder alternative/anti-inflammatorische Aktivierung) zu untersuchen und sich dafür verschiedener Systeme zu bedienen, wie z.B. Astrozytenkulturen, neuroglialen Mischkulturen oder organotypischen Slice-Kulturen. Astrozyten stellen eine wichtige Schnittstelle zwischen dem TNF- und Glutamatsystem und Neuronen sowie Mikroglia dar, weswegen die Modulation ihrer Aktivierung im Rahmen der Pathogenese epileptiformer Krämpfe eine zukünftige Therapiemöglichkeit für Epilepsie darstellen könnte.
Erscheinungsdatum
Reihe/Serie Edition Scientifique
Sprache deutsch
Maße 146 x 210 mm
Gewicht 368 g
Themenwelt Veterinärmedizin
Schlagworte Doktorarbeit • Uni • Wissenschaft
ISBN-10 3-8359-6630-8 / 3835966308
ISBN-13 978-3-8359-6630-7 / 9783835966307
Zustand Neuware
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Mehr entdecken
aus dem Bereich