Einfach Darwin! (eBook)
128 Seiten
Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
978-3-440-51048-3 (ISBN)
LEBEN UND WERK VON CHARLES DARWIN
Darwin, ein Gescheiterter?
„Außer Schießen, Hunden und Rattenfangen hast du nichts im Kopf: Du wirst noch zur Schande für deine ganze Familie!“
Worte seines Vaters, zitiert in der Autobiografie von Charles Darwin (Mein Leben1)
Charles Darwin (1809 – 1882) wurde in einer Familie von Wissenschaftlern und Ärzten geboren. Sein Großvater, Erasmus Darwin, ist der Verfasser von Zoonomie oder Gesetze des organischen Lebens, in dem bereits die Idee geäußert wird, dass Lebewesen voneinander abstammen. Sein Vater Robert, ein reicher und bekannter Arzt, schickt ihn zum Medizinstudium nach Edinburgh, aber Charles, der kein Blut sehen kann, gibt nach zwei Jahren auf. Die Familie beschließt daraufhin, einen Kleriker aus ihm zu machen, und er geht zum Studium nach Cambridge. Da er mehr Gefallen an Insekten- und Pflanzensammlungen hat als an der Verkündung des Evangeliums, schifft er sich am Ende des Studiums der anglikanischen Theologie auf Empfehlung seines Botaniklehrers und Freundes Henslow als Naturforscher zu einer Weltumsegelung auf einem Expeditionsschiff ein, der Beagle. Dort wird Darwin auch als Gesprächspartner für den Kapitän Robert FitzRoy dienen, der sich einen Begleiter seines gesellschaftlichen Ranges an seinem Tisch wünscht.
© Gunther Schulz
© Gunther Schulz
Galapagos
Die Stationen der Beagle in Südamerika
Vor seiner Abreise dachte Darwin, ein unentschlossener, gläubiger junger Mann – genau wie sein Umfeld –, dass die Arten von einer höheren Macht geschaffen wurden und unveränderlich sind. Aber seine fünf Jahre dauernde Reise, auf der er Tier- und Pflanzenexemplare für Naturkundemuseen sammelt, wird ihm Gelegenheit bieten, die Tierwelten zu vergleichen. Warum ähneln sich lebende und versteinerte Tiere so sehr? Warum beherbergt jede der Galapagosinseln Schildkröten- und Finkenarten, die sich ein wenig voneinander unterscheiden? Stammen sie nicht von einem gemeinsamen Ursprung und haben sich dann auf ihrer jeweiligen Insel voneinander isoliert und auseinanderentwickelt? Am Ende der Reise ist er davon überzeugt, dass die Arten sich in Abhängigkeit von Zeit und Ort entwickeln. Aber er fragt sich, welcher natürliche Mechanismus Lebewesen verändern kann und dafür sorgt, dass sie sich so gut an ihre Umgebung anpassen können.
© Gunther Schulz
Die „Darwinfinken“, deren Beobachtung auf den Galapagosinseln der Auslöser für die Überlegungen zu seiner künftigen Evolutionstheorie war.
Sein Vater ist nach seiner Rückkehr beeindruckt von den Lobreden der Wissenschaftler, denen sein Sohn ausgestopfte Exemplare mitgebracht hat. Er erlaubt ihm, sich vollständig der Wissenschaft zu widmen. Materiell unabhängig und noch dazu mit einer begüterten Cousine verheiratet, zieht Darwin aufs Land, um seine Forschungen fortzuführen. Diese beschäftigen sich vor allem mit dem Antrieb jener Evolution, wie er sie schon erahnt. Die Lektüre von Das Bevölkerungsgesetz (1798) des anglikanischen Priesters Thomas Robert Malthus (1766 – 1834) – der die Ansicht vertritt, Lebewesen würden sich schneller vermehren als die verfügbaren Nahrungsmittel zunehmen – regt ihn zu dem Gedanken an, dass eine „natürliche Selektion“ wirksam sein müsse. Diese bewahre nur die zum Überleben geeignetsten Individuen, die ihre vorteilhaften Eigenschaften an ihre Nachkommen weitergeben. Diese Hypothese, die wir später noch im Einzelnen ausführen, wird Darwin die Erkenntnis liefern, die es bis heute zu erklären erlaubt, dass die Arten sich immer besser anpassen und sich aus sich heraus – ohne göttliches Eingreifen – zu neuen Arten entwickeln, wenn sie voneinander isoliert sind!
© Gunther Schulz
Charles Darwin in verschiedenen Lebensphasen
Der vorsichtige, intelligente und hartnäckige Darwin bittet seine Briefpartner in aller Welt um Feldbeobachtungen; er entwickelt seine Argumente 20 Jahre lang und prüft sie aus allen Blickwinkeln. Ohne Kenntnis der Vererbungsgesetze (die der Mönch Gregor Mendel auf Grundlage gekreuzter Pflanzen formuliert und 1865 vorstellt, die aber bis zu ihrer Wiederentdeckung im Jahr 1900 unbeachtet bleiben) und ohne Hilfe der Genetik (die erst später entsteht) findet er einen Weg, seine Überlegungen an Haustieren zu erproben. Dazu beobachtet er Hunde und Tauben, um zu verstehen, wie es Tierzüchtern gelungen ist, durch eine nach strengen Kriterien erfolgte Auswahl von Zuchttieren viele unterschiedliche Rassen zu schaffen – eine Art „Minischöpfung“ von Arten. Als er erfährt, dass Alfred Russel Wallace, ein ihm bekannter Naturforscher, genau dieselbe Erklärung für die Entwicklung der Arten vorschlägt, setzt er seine Arbeiten jedoch aus. Schließlich veröffentlicht Darwin 1859 das sicher wichtigste Buch auf dem Gebiet der Naturwissenschaften: Die Entstehung der Arten im Thier- und Pflanzenreich durch natürliche Züchtung oder Erhaltung der vervollkomneten Rassen im Kampfe um’s Daseyn.
Vor ihm hatten schon andere begriffen, dass alle Lebewesen miteinander verwandt sind und die verschiedenen Arten voneinander abstammen, vor allem der Franzose Jean-Baptiste de Lamarck (1744 – 1829), Professor am Museum für Naturgeschichte in Paris. 1809 hatte Lamarck in seiner Zoologischen Philosophie die erste umfassende Theorie vorgelegt: zur Entstehung von Arten durch eine im Lauf der Zeit erfolgende Komplexitätssteigerung. Aber Darwin ist der Erste, der den Antrieb der Evolution aufdeckt und der zeigt, wie Tiere und Pflanzen sich auf natürlichem Weg herausgebildet haben. Er beschränkt sich nicht darauf, denn das Heikelste bleibt noch zu klären: der Ursprung des Menschen. Hat er es in seinem ersten Werk noch sorgfältig vermieden, diese Frage zu erörtern, so veröffentlicht er 1871, zwölf Jahre später Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl. Dessen Anliegen ist es, zu beschreiben und zu begreifen, was man „Schöpfung“ im biblischen Sinne nannte – in einer Zeit, in der man sich nicht vorstellen konnte, die Geheimnisse der belebten Welt und damit unserer Art aufzuklären, ohne auf Religion oder Mythologie zurückzugreifen. Dieses Unternehmen war völlig neu, weil der Verfasser jegliche Spekulation über ein göttliches Eingreifen oder gar über die „Urzeugung“ von Lebewesen ausschloss, die der Aufklärung so wichtig gewesen war – die aber von Louis Pasteur im selben Jahr, in dem Darwins Der Ursprung der Arten erschien, widerlegt wurde. Eine echte Revolution!
Der Darwinismus, ein Missverständnis?
„Darwin überträgt den Kapitalismus auf die Natur.“
Patrick Tort: Darwin n’est pas celui qu’on croit, 2010, S. 69.
Darwin hat die Biologie und die Philosophie revolutioniert: Er lieferte eine Erklärung dafür, woher die Lebewesen und damit unsere Art kommen, ohne dafür das Übernatürliche zu bemühen. Aber die Interpretation seiner Thesen hat zu zahlreichen Fehlern geführt, angefangen bei der berühmten Formulierung, mit der man seine Arbeiten zusammengefasst hat: „Der Mensch stammt vom Affen ab“. Der Theoretiker Darwin hatte nur die Ansicht vertreten, dass wir enge Verwandte der Schimpansen seien und nicht ihre Nachfahren – was DNA-Analysen später belegen sollten. Noch gravierender: Der Darwinismus, eine wissenschaftliche Theorie, wurde lange Zeit mit dem „Sozialdarwinismus“ gleichgesetzt, einer politischen Theorie, die in der Anwendung des Darwinismus auf menschliche Gesellschaften besteht und sich auf den Kampf aller gegen alle stützt. Diese Fehlinterpretation, die Darwin zu seiner Zeit klar angeprangert hat, hat die Verbreitung seiner – wenn auch falsch verstandenen – Theorie über Jahrzehnte hinweg stark begünstigt, durch ein erstaunliches Zusammentreffen verschiedener Umstände. Manche schlugen tatsächlich vor, die Entwicklung der Arten auf den sozialen Fortschritt zu übertragen, also den Darwinismus in einer Perspektive der Vervollkommnung der Lebewesen zu lesen, mit unserer Art an der Spitze der Hierarchie, was mitunter zu einer Verherrlichung des ungezügelten Kapitalismus führte. Zu einer späteren, sich heute fortsetzenden Zeit haben die unseligen Folgen dieser Ideologien dem Verständnis und der Wirkung der ursprünglichen Botschaft beträchtlichen Schaden zugefügt.
© Gunther Schulz
Die Evolution führt zur Vervollkommnung des Menschen: eine verfälschte Sicht von Darwins Theorie.
Diese bereits in viktorianischer Zeit in die Wege geleitete Verwechslung zwischen Tier und Mensch, Politik und Wissenschaft, Evolution und Fortschritt ist oft angeprangert worden. Zwar fühlte sich die christliche Religion direkt angegriffen, aber Darwin hat sich darum bemüht, die Gläubigen zu schonen, indem er am Ende von Der Ursprung der Arten die Schlussfolgerung zog:
© Gunther Schulz
„Es liegt etwas Großes in dieser Sicht auf das Leben mit seinen vielfältigen Kräften, das der Schöpfer ursprünglich ganz wenigen Formen oder nur einer einzigen Form eingehaucht hat – und auch darin, dass, während dieser Planet dem...
Erscheint lt. Verlag | 21.10.2024 |
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Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Naturwissenschaft |
Technik | |
Schlagworte | Astronomie • Astrophysik • Charles Darwin • Darwin • Darwin Buch • Einfach Einstein • Einfach Hawking • Entstehungsgeschichte • Evolution • Evolutionstheorie • Kosmologie • Physik • Universum • Urknall |
ISBN-10 | 3-440-51048-4 / 3440510484 |
ISBN-13 | 978-3-440-51048-3 / 9783440510483 |
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Größe: 84,4 MB
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