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«Aber meiner Tante hat's geholfen» (eBook)

Spiegel-Bestseller
Wie wir Scheinargumente, unwissenschaftlichen Unsinn und Pseudoexperten entlarven
eBook Download: EPUB
2024
288 Seiten
Rowohlt E-Book (Verlag)
978-3-644-02094-8 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
14,99 inkl. MwSt
(CHF 14,65)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
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Die Wissenschaftsjournalisten und Quarks Science Cops Maximilian Doeckel und Jonathan Focke entlarven in ihrem Buch die schmutzigen Tricks und manipulativen Techniken, mit denen Wundermittelhersteller, selbst erklärte «Heiler» und andere Geschäftemacher versuchen, Profit aus der Gutgläubigkeit der Menschen zu schlagen. Deren Methoden sind nämlich ziemlich perfide und z. B. darauf ausgelegt, emotionale (Not-)Situationen auszunutzen. Die Autoren helfen uns dabei, wissenschaftliche Falschaussagen zu erkennen, zeigen, wie wir Pseudoexpertenvon echten unterscheiden können und aufgeklärter durchs Leben gehen. Nach der Lektüre des Buches wissen wir, wo und wie in Deutschland unwissenschaftlicher Unfug erzählt wird. Ob Medizin, Politik, Ernährung, Parawissenschaften - die Quarks Science Cops ermitteln in jedem Lebensbereich und vermitteln Sachinformationen und konkrete Argumentationshilfen für den nächsten WhatsApp-Familenchat mit einer guten Prise Humor.

Maximilian Doeckel ist Wissenschaftsjournalist und arbeitete als freier Journalist für verschiedene Sendungen des WDRs, vor allem für Wissenschafts- und Unterhaltungsformate. Inzwischen ist er festangesteller Redakteur in der Quarks-Redaktion. Zusammen mit Jonathan Focke ist er einer von zwei Science Cops. Jonathan Focke hat Wissenschaftsjournalismus mit dem Schwerpunkt Physik an der TU Dortmund studiert und als Redakteur für die Sendung "Quarks & Co" und die Wissenschaftsredaktion im Hörfunk gearbeitet. Seit 2016 ist er Redakteur im Digitalteam von Quarks und inzwischen Produktverantwortlicher der digitalen Marke. Zusammen mit Maximilian Doeckel ist er einer von zwei Science Cops.

Warum ihr eurem Gehirn misstrauen solltet


Wir haben euch im Vorwort schon vorgewarnt, dass wir euch in diesem Buch eventuell dazu bringen werden, eure Sichtweise auf die Welt zu hinterfragen. Und damit geht es jetzt los.

Eure Wahrnehmung, Erfahrung und Intuition sind meist eine super Sache, können euch aber auch heftig aufs Glatteis führen.

Das glaubt ihr nicht? Dann schaut mal auf die Abbildung auf der nächsten Seite: Welche der beiden dicken schwarzen Linien ist länger?

Ihr glaubt vermutlich, die linke Linie sei länger. Stimmt aber nicht. Beide Linien haben exakt dieselbe Länge.

Und wisst ihr, was das wirklich Hinterhältige ist? Selbst wenn ihr nachgemessen habt und wisst, dass die Linien gleich lang sind – eure Augen täuschen euch weiter.

Ihr könnt nichts dagegen tun. Irgendetwas läuft da bei der Informationsverarbeitung in unseren Gehirnen schief, das wir nicht willentlich beeinflussen können. Das gilt nicht nur für optische Täuschungen. Auch in anderen Situationen macht unser Gehirn Fehler – und damit sind wir bei den kognitiven Verzerrungen angelangt, von denen ihr weiter vorne schon gelesen habt.

Kognitive Verzerrungen entstehen durch die Art und Weise, wie unsere Signalverarbeitung und unser Denken funktionieren: nämlich meistens intuitiv, automatisch – und ziemlich schnell. Das ist erst mal total gut. Stellt euch vor, es wäre nicht so, und ihr müsstet über alle Dinge, die um euch herum passieren, die ganze Zeit bewusst, aufmerksam und sorgfältig nachdenken: «Ah, da draußen singt gerade ein Vogel, jetzt ein lauter werdendes Geräusch, vermutlich ein Auto. Die Uhr tickt, das heißt, eine Sekunde ist verstrichen, und jetzt noch eine und noch eine. Gleich ist die Seite zu Ende, also werde ich umblättern müssen. Der Fußboden ist weiter von mir entfernt als das Buch, das ich in den Händen halte …» und so weiter. Ihr würdet nach kürzester Zeit wahnsinnig werden und ziemlich sicher einfach umkippen. Zum Glück arbeitet unser Gehirn in Wirklichkeit anders. Ein großer Teil unseres Denkens und wie unser Gehirn unsere Sinneseindrücke verarbeitet, geschieht intuitiv und unbewusst. Wenn wir zum Beispiel einen einfachen Satz lesen, dann erkennen wir die Wörter meist intuitiv und sofort, ohne dass wir bewusst über sie nachdenken müssen. Das sihet man acuh daarn, dsas ncoh nciht mal die Butacsbhen ilrehannb eiens Wotres in der rgheictin Rfgleeinhoe setehn messün. Euer Girhen kann deiesn Staz auch so sher sehncll eeafsrsn. Das Gleiche gilt, wenn wir ein Auto eine leere Straße entlangsteuern. Auch da müssen wir nicht permanent aktiv überlegen, was als Nächstes zu tun ist.[10] Auch den Gesichtsausdruck eines anderen Menschen bewerten wir intuitiv und schlussfolgern daraus zum Beispiel, ob er gerade zornig oder amüsiert ist.

Der Psychologe Daniel Kahneman hat sich in seiner jahrzehntelangen Forschung intensiv mit Wahrnehmungsfehlern beschäftigt und unterscheidet zwei Systeme des menschlichen Denkens:

  • Ein automatisches System, das schnell, intuitiv, mühelos und ohne willentliche Steuerung arbeitet.

  • Ein willentliches System, das die Aufmerksamkeit bewusst auf anstrengende mentale Aktivitäten lenkt und langsamer agiert.

Das automatische System ist permanent aktiv, es erzeugt unsere Eindrücke und Gefühle, stellt Verknüpfungen zu vorangegangenen Erfahrungen her und ermöglicht uns so, Informationen schnell zu verarbeiten und intuitiv Entscheidungen zu treffen. Die so erzeugten Eindrücke und Gefühle sind die Hauptquellen für die bewussten Entscheidungen und Gedanken des willentlichen Systems. Letzteres kommt immer dann zum Zug, wenn die Angelegenheiten etwas komplexer werden. Zum Beispiel bei einer Rechenaufgabe, die – solange sie nicht 1 + 1, sondern 37 × 19 lautet – nur durch echtes Nachdenken gelöst werden kann. Unser bewusstes Denksystem ist auch für das schrittweise, logische und rationale Denken zuständig und erfordert bewusste Aufmerksamkeit und mentale Anstrengung. Genau da liegt schon das erste Problem, denn mit der Anstrengung ist das ja so eine Sache. Unser Gehirn versucht eher, sie zu vermeiden, denn Anstrengung bedeutet Energieverbrauch. Blöderweise besteht eine Hauptfunktion des willentlichen Systems darin, die vom intuitiven System vorgeschlagenen Wahrnehmungen, Gedanken und Handlungen zu überwachen, zu kontrollieren und gegebenenfalls auch anzuzweifeln. Dass das immer wieder notwendig ist, sehen wir am Beispiel der optischen Täuschungen. Schaut euch noch mal das Bild mit den beiden dicken Linien an. Intuitiv halten wir die linke dicke Linie für länger als die rechte, weil unser automatisches System das Bild sofort als dreidimensionalen Raum interpretiert, in welchem der linke Balken tatsächlich länger wäre als der rechte. Erst wenn wir uns das Bild ganz aufmerksam anschauen und bewusst entscheiden, die Linien mal nachzumessen, können wir unseren ursprünglichen intuitiven Eindruck, die Linien seien unterschiedlich lang, als falsch verwerfen.

Meistens liefert uns das intuitive System aber relativ präzise Urteile und Interpretationen von dem, was uns und was um uns herum passiert. Klar, permanente Fehleinschätzungen («Das von rechts heranrasende Auto wird sicher noch bremsen!») würden sich eher ungünstig auf unser Überleben auswirken. Würden wir andererseits mit unserem bewussten Denken jeden Eindruck oder Gedanken hinterfragen und kontrollieren, wären wir so gut wie nicht mehr lebensfähig, weil wir gar nicht hinterherkämen, alle Eindrücke um uns herum bewusst zu verarbeiten und außerdem alles so lange abwägen und zergrübeln würden, dass wir zu keinen Entscheidungen mehr kommen würden.

Unser intuitives Denken ist also insgesamt eine ziemlich großartige Sache, und wir können uns in der Regel auf die schnellen Urteile, die es uns liefert, verlassen. Deshalb übernehmen wir sie bei unseren bewussten Gedanken und Entscheidungen meist und hinterfragen sie nicht unbedingt. Aber genau das ist der springende Punkt: Damit das intuitive System überhaupt so schnell arbeiten kann, greift es auf vereinfachende Annahmen zurück, die jedoch zu Denkfehlern führen können und dazu, dass wir die Realität verzerrt wahrnehmen.

Was unser intuitives System zum Beispiel nicht beherrscht, ist statistisches Denken, wie der amerikanische Psychologe Paul Slovic und seine Forschungsgruppe bereits in den 1970er Jahren in Experimenten eindrucksvoll zeigen konnten: Gefragt danach, ob es wahrscheinlicher ist, durch einen Unfall zu sterben oder durch einen Schlaganfall, gaben die meisten Menschen «Unfall» an, obwohl es in Wirklichkeit andersrum ist. Die Bilder und Vorstellungen von schrecklichen Unfällen sind durch die Medienberichterstattung in unserem assoziativen Gedächtnis, auf das das intuitive Denken zurückgreift, schneller verfügbar als Vorstellungen von Schlaganfalltoten. Über die wird selten in den Medien berichtet. Wenn man also nicht gerade zufällig die Todesursachenstatistik auswendig kennt oder sehr aufmerksam über die Frage nachdenkt, ersetzt unser intuitives Denken die schwierige Frage nach der Wahrscheinlichkeit durch die einfachere Frage, wie schnell einem Beispiele zu beiden Antwortmöglichkeiten einfallen. Wahrscheinlichkeit oder Häufigkeit werden durch Verfügbarkeit ersetzt, weshalb man in der Kognitionspsychologie auch von der sogenannten Verfügbarkeitsheuristik spricht. Eine Heuristik ist dabei eine schnelle, überschlägige Denkweise unseres automatischen Systems, um auch bei wenigen Informationen zu einem Urteil zu kommen. Von solchen Heuristiken gibt es eine ganze Menge; einige sind schon recht gut erforscht, bei anderen streiten sich Kognitionspsychologen noch darüber, wie genau sie funktionieren. Wir müssen an dieser Stelle aber gar nicht tiefer in den Dschungel der kognitiven Verzerrungen vordringen. Um zu begreifen, warum uns unsere Wahrnehmung gerade dann in die Irre führen kann, wenn es um die Wirksamkeit irgendwelcher Heilmittel geht, müssen wir nur ein Merkmal unseres intuitiven Denkens genauer verstehen: seine Leidenschaft für Ursachen!

Das intuitive Denksystem ist auf der ständigen Suche nach kausalen Verknüpfungen, also nach Ursachen für Veränderungen, die wir wahrnehmen. Eine Hauptaufgabe des automatisches Denksystems besteht nämlich darin, unser Überleben zu sichern: Wie ist die Lage? Alles in Ordnung? Droht Gefahr? Sollte ich vielleicht wegrennen? Dazu überprüft das intuitive System unsere Umwelt permanent auf relevante Veränderungen und Anomalien: Der Strauch da drüben hat sich gerade bewegt. Könnte das vielleicht ein Löwe sein? Oder war es nur ein Wildschwein?[11] Was ist die Ursache?

Das Prinzip von Ursache und Wirkung ist elementar für unser intuitives Denken. Unser Gehirn verknüpft Eindrücke und Vorstellungen stets so, dass eine plausible, kohärente Geschichte entsteht (z.B. «Die Blätter rascheln, weil ein hungriger Löwe durchs Unterholz schleicht, mit der Absicht, mich zu fressen»). «Wir suchen unwillkürlich überall nach Mustern, wir glauben fest an eine kohärente Welt, in der Regelmäßigkeiten nicht zufällig auftreten, sondern die Folge mechanischer Kausalität oder der Intention eines Handelnden sind», schreibt Daniel Kahneman.

Das Problem dabei: Unser intuitives Denken konstruiert diese Geschichten aus Ursache und Wirkung unabhängig davon, wie viele Informationen wir eigentlich zur Verfügung haben und wie gut...

Erscheint lt. Verlag 10.12.2024
Zusatzinfo Mit 9 s/w-Grafiken
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Technik
Schlagworte Alltagsphänomene • alternative Fakten • Argumentationstechniken • Aufklärung • Bachblüten • Beeinflussung • Betrug • Bioresonanz • Bullshit • Chemtrails • Desinformation • Fake News • Fakten • Homöopathie • Irrglaube • Kinesiotape • Klimaleugner • Kritisches Denken • Liebscher und Bracht • Machenschaften • Manipulation • Manipulationstechniken • Medienkompetenz • Mondkalender • Mythen • Nahrungsergänzungsmittel • Osteopathie • Parawissenschaft • Populäres Sachbuch • Probiotika • Pseudowissenschaft • Pseudowissenschaften entlarven • Quarks • Quarks Science Cops • Schüßlersalze • Science Cops • Science Washing • Täuschung • Urteilsvermögen • Verschwörungstheorie • Wahrheitsfindung • wissenschaftliche Erkenntnisse • Wissenschaftlicher Humor • Wissenschaftskommunikation • Wissenschaftsskepsis • Wissenschaft und Kommunikation • Wissenschaftvermittlung
ISBN-10 3-644-02094-9 / 3644020949
ISBN-13 978-3-644-02094-8 / 9783644020948
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