Männer, die die Welt verbrennen (eBook)
955 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3164-5 (ISBN)
Warum wir den Kampf gegen gewissenlose Geldmacher, egomane Staatslenker und verlogene Propagandisten gewinnen müssen Die Welt steckt in der Endphase eines Kulturkampfs: Gier gegen Gerechtigkeit, Zerstörung gegen Nachhaltigkeit, Zynismus gegen Empathie. Nichts zeigt dies deutlicher als die Reaktionen auf die Klimakatastrophe: Hier jene, die versuchen, das Schlimmste zu verhindern, dort jene, die alles tun, um aus dem Verbrennen fossiler Stoffe Profit zu ziehen. Jahrzehntelang haben Ultrareiche sowie Unternehmen, die mit CO?-Produktion gut verdienen, mit skrupelloser Desinformation Zweifel daran gesät, dass wir Menschen mit unserer Sucht nach fossilen Brennstoffen die Erde aufheizen. Nicht zufällig sind die Hauptprofiteure der Klimazerstörung Leute, die mit demokratischen Werten und Menschenrechten wenig am Hut haben - oft geht die Begeisterung für fossile Brennstoffe und die Ablehnung von Klimaschutz einher mit reaktionären Positionen. Das Kartell der Verbrenner vereint Leute wie Mohammed bin Salman, Wladimir Putin, Rupert Murdoch, Donald Trump und Mathias Döpfner, flankiert von Akteurinnen wie Sahra Wagenknecht. In vielen politischen Diskursen und militärischen Konflikten der Gegenwart geht es letztlich um CO? - und um sehr viel Geld. Christian Stöcker zeigt: Es kommt jetzt darauf an, dass wir für unsere Kinder die Welt retten vor den Verbrennern und Verblendern, Lügnern und Kleptokraten, die von Öl und Gas profitieren. Und er liefert uns die Argumente, mit denen wir im öffentlichen und privaten Streit klar machen können, warum das fossile Zeitalter am Ende ist und die Zukunft in den erneuerbaren Energien liegt.
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Christian Stöcker, geboren 1973 in Würzburg, wurde 2003 in Würzburg im Fach Kognitive Psychologie promoviert. 2016 wurde er als Professor für Digitale Kommunikation an die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg berufen, wo er u.a. die Fragen der Wechselwirkung von digitaler Medientechnologie, Journalismus und Öffentlichkeit untersucht. Ab 2005 war er bei Spiegel Online in den Ressorts "Wissenschaft und Netzwelt" tätig, von 2011 bis 2016 leitete er dort das Ressort Netzwelt, heute hat er bei Spiegel Online weiterhin eine wöchentliche Kolumne
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Die globale Allianz der Verbrenner
Zu Beginn eine Warnung: Für Leserinnen und Leser, die sich mit der Klimakrise und ihren Ursachen noch nicht allzu intensiv befasst haben, klingen Teile dieses Buches womöglich wie frei erfundene Verschwörungstheorien. Das ist aber ein falscher Eindruck. Es handelt sich bei allem, was auf den kommenden Seiten berichtet wird, um belegbare Fakten.
Dass manche davon nach Verschwörungserzählung klingen, liegt an dem allzu großen Erfolg der Kräfte, die bislang verhinderten, dass wir der größten Krise in der Geschichte der Menschheit wirksam begegnen. So durchschlagend war ihre Einflussnahme, dass wir ihre Manipulationen oft gar nicht mehr als solche wahrnehmen, ihre Propaganda für einen ganz normalen Teil des öffentlichen Diskurses halten. Wer aber darauf hinweist, dass sich unter dem scheinbar Offensichtlichen etwas anderes, Gefährlicheres verbirgt, wirkt schnell wie ein Verschwörungsideologe.
Wir leben in einer Welt, in der eine vergleichsweise kleine Gruppe von Personen, Unternehmen, Institutionen große Macht ausübt – allen voran die Öl-, Gas- und Kohlebranche, aber auch diesen Branchen gewogene, mit ihnen finanziell verbundene, von ihnen finanzierte oder korrumpierte Medienunternehmer, Politikerinnen und Politiker, Lobbyisten, Wissenschaftler, Agenturen, Anwaltskanzleien, Thinktanks und Stiftungen, Medienschaffende, Prominente, Industrieverbände und einige wenige extrem reiche Menschen. Sehenden Auges facht diese Gruppe eine Katastrophe an, ohne dass wir, die große Mehrheit, uns dagegen wehren. Obwohl wir genau wissen, was wir tun müssten, um diese Katastrophe doch noch zu verhindern oder wenigstens abzumildern.
Es handelt sich trotzdem nicht um eine globale Verschwörung im engeren Sinne, jedenfalls nicht so, wie solche Dinge in Verschwörungstheorien meist dargestellt werden: mit konspirativen Treffen eines innersten Kreises, der hinter den Kulissen die Geschicke der Welt lenkt. Es ist eher ein Netzwerk aus real existierenden Verschwörungen, die durch gemeinsame Interessen und Ziele verbunden sind. Diese Interessen und Ziele stehen im Widerspruch zum gesicherten, gesunden Fortbestand der menschlichen Zivilisation.
Die meisten, die an diesem Netzwerk beteiligt sind, sind Männer. Daher der Titel dieses Buches, der dem einen oder der anderen polemisch vorkommen mag. Dabei ist auch der Titel keine Polemik, sondern eine nüchterne Tatsachenbeschreibung: Es gibt auf der Welt Männer, sogar ziemlich viele, die bereit sind, ihrem aktuellen Profit, ihrer persönlichen Macht die Zukunft der gesamten Menschheit unterzuordnen. Und sie sind bis heute sehr erfolgreich bei ihrem fatalen Tun.
Die Ziele dieser Männer sind erschreckend simpel: Es geht darum, für möglichst lange Zeit möglichst viel Geld damit zu verdienen, fossile Brennstoffe aus der Erde zu extrahieren und zu verkaufen, um so noch reicher und mächtiger zu werden. Es klingt trivial, und das ist es auch. Die Welt zerfällt in zwei sehr ungleich große Teile: Auf der einen Seite die wenigen, die an fossilen Brennstoffen unmittelbar oder mittelbar verdienen, auf der anderen Seite all jene, die das nicht tun, aber unter den Folgen der Klimakrise am Ende mindestens ebenso sehr wie die Erstgenannten, wenn nicht noch viel mehr leiden und leiden werden.
Den Männern, die die Welt verbrennen, ging und geht es darum, gesellschaftliche und ökonomische Rahmenbedingungen zu schaffen oder zu erhalten, die ihrem Ziel dienlich sind. Auch das sorgt für die vermeintliche Ähnlichkeit zur Verschwörungserzählung: Es gibt wirklich eine einzige, noch dazu sehr einfache Erklärung für sehr viele unterschiedliche Vorgänge, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun zu haben scheinen. Betrachtet man die Welt durch diese Brille, erscheinen viele scheinbar schwer verständliche Konflikte und Vorgänge in einem anderen, helleren Licht. Es geht dabei immer um sehr viel Geld, und damit natürlich auch um Macht. Allein die fünf größten börsennotierten Erdölproduzenten der Welt, die Unternehmen ExxonMobil (USA), Shell (früher Niederlande, seit 2022 Großbritannien), Chevron (USA), Total (Frankreich) und BP (Großbritannien), machten im Jahr 2022, trotz Coronapandemie, zusammen 200 Milliarden Dollar Gewinn – nicht Umsatz!1 Sie erreichten damit einen historischen Rekord, und das, obwohl 2022 die katastrophalen Auswirkungen der Erderhitzung bereits weltweit zu besichtigen waren. Trotz aller Reduktionsziele, aller Klimakonferenzen und -abkommen, aller Sonntagsreden. Und selbst diese 200 Milliarden Dollar Gewinn sind nur ein Bruchteil des Geldes, das 2022 mit Öl und Gas verdient wurde, denn die größten Profiteure der heraufziehenden Katastrophe sind nicht etwa börsennotierte Unternehmen, sondern Nationalstaaten. Die meisten davon sind Diktaturen oder Autokratien.
Die wahren Erlöse, die Öl und Gas seit vielen Jahrzehnten einbringen, hat der Energie- und Umweltökonom Aviel Verbruggen für eine Studie errechnet, die 2022 in der Fachzeitschrift International Journal of Sustainable Energy Planning and Management veröffentlicht wurde.2 Es handelt sich also nicht um eine Meinungsäußerung, sondern um eine wissenschaftliche Arbeit, die ein Peer-Review-Verfahren durchlaufen hat. Auch die Datenquelle sollte selbst unter den innigsten Freunden der Marktwirtschaft über jeden Verdacht erhaben sein: Verbruggen wertete Daten der Weltbank aus. Auf dieser Basis kam er zu dem Ergebnis, dass die Summe, die seit 1970 mit Öl und Gas pro Jahr im Durchschnitt verdient wurde, inflationsbereinigt etwa eine Billion US-Dollar betrug. Das entspricht etwa drei Milliarden Dollar pro Tag. Noch einmal als Merksatz: Die Öl- und Gasbranche hat seit 1970 etwa drei Milliarden Dollar pro Tag Gewinn – nicht Umsatz! – gemacht. Jeden Tag, sieben Tage die Woche, seit über 50 Jahren.
Insgesamt hätten die Staaten und Firmen, die Öl und Gas fördern, von 1970 bis 2020 über 51 Billionen Dollar Profit gemacht, so Verbruggen. Gut 86 Prozent dieser 51 Billionen Dollar »Profit ohne Anstrengung«, wie Verbruggen das formuliert, entfielen auf Gewinne aus dem Verkauf von Öl, die restlichen knapp 14 Prozent auf Gas. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands im Jahr 2022 betrug umgerechnet gut vier Billionen Dollar.
Er sei selbst überrascht gewesen, als er die Zahlen ermittelt hatte, sagte Verbruggen dem britischen Guardian: »Das ist eine riesige Menge Geld. Man kann mit diesem Geld jeden Politiker, jedes System kaufen, und ich glaube, das ist auch passiert. Es schützt die Produzenten von politischer Einflussnahme, die ihre Aktivitäten beschränken könnte.«3 Auch das klingt wieder ein bisschen nach Verschwörung. Viele belegbare Tatsachen zeigen jedoch, dass Verbruggen recht hat. Anders wäre auch kaum zu erklären, dass die Welt gerade in eine globale Katastrophe hineinmarschiert, obwohl längst bekannt ist, was zu tun wäre, um diese Katastrophe abzuwenden.
Die völlig ungenierte und unsanktionierte Rücksichtslosigkeit, mit der die Branche bis heute agieren kann, illustriert hervorragend ein aktuelles Beispiel: Die 28. Weltklimakonferenz, dem Protokoll gemäß schlicht »Conference of the Parties« (COP28) genannt, fand ab Ende November 2023 in Dubai statt, einem der Vereinigten Arabischen Emirate (UAE). Die UAE sind der siebtgrößte Ölproduzent der Welt und verfügen über die weltweit fünftgrößten Gasreserven. Praktisch der gesamte Reichtum des Landes, ja der ganzen Region basiert auf dem Verkauf von Kohlenwasserstoffen. Die Pro-Kopf-Emissionen in den UAE liegen mit fast 22 Tonnen CO₂ pro Jahr in der globalen Spitzengruppe, nur in fünf anderen, bevölkerungsmäßig wie die UAE eher kleinen Staaten sind sie noch höher.4 In Deutschland lagen die Pro-Kopf-Emissionen im selben Jahr (2021) bei gut acht Tonnen.
Doch damit nicht genug: Der Präsident der COP28, Sultan Ahmed Al Jaber, ist nicht nur der dortige Minister für technologischen Fortschritt, sondern auch der Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc. Dem Guardian sagte er im Oktober 2023: »Der Klimawandel ist unser gemeinsamer Feind, wir müssen ihn gemeinsam bekämpfen.«5 Als die Reporterin ihn auf die dazu im Widerspruch stehende Tatsache ansprach, dass Adnoc gerade seine Ölproduktion ausweitete, antwortete er, scheinbar verwirrt: »Das ist ein absolutes Missverständnis. Wir weiten nicht die Produktion aus, sondern die Produktionskapazität. Wir fügen 600 000 Barrel Kapazität hinzu, die nur dann produziert werden, wenn der Markt sie braucht.«
Später wiederholte er einen jahrzehntealten Taschenspielertrick der Fossilbranchen: »Es ist der Konsument, der zu den steigenden CO₂-Emissionen beiträgt, nicht der Produzent.« Die Verantwortung für die herannahende Klimakatastrophe von sich und dem eigenen Profitstreben auf die Kundschaft abzuwälzen ist bei Ölfirmen und Petrostaaten seit etwa zwanzig Jahren eine beliebte Methode – eine von vielen. Richtig ist: Die Tatsache, dass die Welt weiterhin von Öl und Gas abhängt, ist maßgeblich den Umtrieben von Al Jabers eigener Branche zu verdanken. Das unterschlug er in den Gesprächen mit dem Guardian selbstverständlich. Ölfunktionäre lassen...
Erscheint lt. Verlag | 14.3.2024 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Technik | |
Schlagworte | AfD • Auto • Erderwärmung • FDP • Gas • Klimawandel • Öl • Putin • Saudi-Arabien • Schröder • Tempolimit • Trump • USA • Wasserstoff • Windkraft |
ISBN-10 | 3-8437-3164-0 / 3843731640 |
ISBN-13 | 978-3-8437-3164-5 / 9783843731645 |
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Größe: 3,1 MB
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