Handbuch Agroforstwirtschaft (eBook)
72 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-6593-1 (ISBN)
Agroforstexpertin in unterschiedlichen Ökosystemen
Bäume und Sträucher – Förderung der landwirtschaftlichen Produktion
Der Boden ist die Grundlage des Lebens. Fruchtbare, humushaltige Erde ist Voraussetzung zweier lebenswichtiger Elemente für den Menschen: Nahrung und Trinkwasser. Jedes Weizenkorn, jedes Radieschen und jeder Apfel setzen sich aus vielfältigen Substanzen zusammen, die in Kombination mit der Energie der Sonne dem Boden entnommen wurden. Diese dem Boden entzogenen Baustoffe – üblicherweise werden sie geerntet, das heißt aus der produktiven Fläche entfernt - müssen dem Erdboden wieder zurückgegeben werden. Nur so bleibt seine Befähigung, weiterhin Getreide, Gemüse und Früchte zu erschaffen, erhalten. Die Verfügbarkeit von „Nährstoffen des Erdreichs“ für die Pflanzen, sowie die Feuchtigkeit, ist abhängig vom Humusgehalt des Bodens. Deshalb ist Humus ein wichtiger Bestandteil des fruchtbaren Erdbodens. Gewisse landwirtschaftliche Praktiken führen heutzutage jedoch zu gravierenden Bodenhumusverlusten. Der Bundesverband Boden e.V. schätzt, dass 45 Prozent der Böden in Europa einen geringen bis sehr geringen Anteil von unter 1 bis maximal 2 Prozent Humusgehalt haben.
Die Anwendung von Agroforst führt zu Humusanreicherung im Boden. Dies geschieht:
- über die kontinuierlich absterbenden und sich neu bildenden Wurzelhärchen an den weitläufig verzweigten Wurzeln eines jeden Gehölzes. Wurzelmasse ist Biomasse und die Zersetzung abgestorbener Wurzelteile durch Bodenorganismen reichert den Boden beständig mit Humus an.
- über die Blätter der Gehölze. Diese enthalten Nährstoffe, die zum Teil von tiefreichenden Wurzeln aus tiefliegenden Bodenschichten gelöst worden sind. Wenn im Herbst das Laub zu Boden fällt bildet es zuerst eine Mulchschicht, um später durch Bodenorganismen zersetzt zu werden. Durch die Zersetzung der Laub-Biomasse reichert sich der Oberboden mit „neu-gewonnenen“ Nährstoffen an. Dieser Prozess nennt sich Nährstoffpumpe*. Benachbarte Nutzpflanzen profitieren von diesem Bodenaufbau.
Nährstoffpumpe: Bezeichnung für den Prozess, bei dem Pflanzen über tiefreichende Wurzeln
Nährstoffe aufnehmen, daraus Blätter, Äste und Wurzelmasse bilden und
diese Biomasse später von Bodenorganismen zersetzt wird, so dass
„neue“ Nährsubstanzen den lokalen Nährstoffkreislauf bereichern.
- über kohlenstoffhaltige, energiereiche Ausscheidungen, mit denen Pflanzen ihnen zugehörige Organismen im Boden versorgen und als Gegenleistung nährende und gesundheitsfördernde Substanzen erhalten. Gut versorgte Bodenorganismen sind sehr aktiv, vermehren sich zahlreich und werden nach ihrem Absterben selbst zu Humus.
- über Bodenbeschattung und Bodenschutz vor Überhitzung, Austrocknung und Kälte; diese gleichmäßige Temperatur und Feuchte lässt die Bodenorganismen den Humusaufbau effektiv betreiben.
Mit dem Humusgehalt erhöht sich die Fruchtbarkeit und damit die Produktivität des Bodens, da Humus:
- Nährstoffe speichert und vor Auswaschung schützt.
- Bodendurchlüftung ermöglicht, eine wichtige Voraussetzung für eine intakte und aktive Besiedlung des Bodens mit aeroben Organismen, die über Zersetzung von organischem Material und über symbiotische Aktivitäten die Bodenfruchtbarkeit fördern. Wird der Gasaustausch im Boden verhindert, fördert dies die Entstehung von Lachgas und Methan, die beide die Erderwärmung sehr viel stärker vorantreiben als Kohlendioxyd.
- Wasser in den Boden einsickern lässt und speichert. Ein hoher Bodenhumusgehalt ist deshalb eine wichtige Voraussetzung für die Anpassung an regenarme Perioden.
Doch Bäume und Sträucher können noch viel mehr:
- Wurzeln lockern Bodenverdichtungen: Der Einsatz schwerer Maschinen auf dem Acker hinterlässt im Boden Verdichtungshorizonte. Diese vermindern die Bodendurchlüftung und verursachen Staunässe, weil Regenwasser nicht mehr in die Tiefe einsickern kann. Bäume können diese Pflugsohle mit ihren Wurzeln durchbrechen und das Bodengefüge lockern. Die unterschiedlichen Baumarten haben einen mehr oder weniger tief reichenden Wurzelstock. Pfahlwurzeln sind das natürlichste „Werkzeug“, um Verdichtungshorizonte im Erdreich aufzubrechen. Dadurch wird der vertikale Austausch von Wasser und Nährstoffen innerhalb der Bodenschichten gewährleistet und die Regenwasserversickerung befüllt die Grundwasserreservoirs.
- Wurzeln mindern die Nitratauswaschung in Fließgewässer: Äcker werden in der Regel zur Absicherung des Ernteertrags überdüngt und der Stickstoff durch Niederschläge in tiefere Bodenschichten ausgewaschen, wo die Wurzeln der Kulturpflanzen nicht mehr hinreichen. Vielerorts sind deshalb Grund- und Oberflächengewässer mit Nitrat belastet. Dies kann durch Baumbestand an Bach- und Flussufern verhindert werden. Auf dem Acker werden in Reihen gepflanzte Bäume durch das Pflügen dazu angeregt tiefer zu wurzeln, wobei sie ihre Wurzeln unter die Ackerkulturen schieben und den Überschuss an Stickstoffdünger für ihr eigenes Wachstum nutzen.
- Bäume und Sträucher ermöglichen die Anpassung an den Klimawandel: Ernteverluste durch Hitzeperioden, Trockenheit, hohe Sonneneinstrahlung, Starkregenereignisse und Stürme lassen sich durch Bäume und Sträucher, die schützend rund um Gemüsefelder oder in Reihen auf dem Acker stehen, reduzieren.
Im Hochsommer bietet das Blattwerk Halbschatten.
- Das mindert die Verdunstung von Feuchtigkeit aus dem Boden und den Anbaukulturen.
- Bei starker Sonneneinstrahlung und gleichzeitig hohen Temperaturen verschließen Pflanzen die Spaltöffnungen in ihren Blättern, um die Transpiration zu drosseln. Geschlossene Spaltöffnungen beeinträchtigen die CO2-Aufnahme und somit die Entwicklung und das Fruchten der Anbaukulturen.
Laub fällt zu Boden und
- schützt als Mulchauflage vor Verlust der Bodenfeuchte und starken Temperaturschwankungen.
- Die Zersetzung der Streu erhöht den Bodenhumusgehalt und das Bodenwasserspeichervermögen.
Schwere Regentropfen werden durch das Blattwerk vernebelt, statt die Bodenkrumme zu verschlämmen, Hagelkörner abgefedert.
Große Regenmengen versickern im humusreichen, bis in die Tiefe gelockerten Boden und befüllen Grundwasserreservoirs.
Bei Trockenheit kann das tief im Boden gespeicherte Wasser über Kapillarkräfte hoch zur Wurzelebene der Anbaukulturen aufsteigen.
Die Verdunstung über das Blattwerk kühlt hohe Temperaturen hinunter.
Generell mildert ein Baumbestand Temperaturextreme und bietet Windschutz, wodurch sich die jährliche Flugzeit für bestäubende Insekten verlängert.
Bäume quer zur Hauptwindrichtung verhindern Winderosion.
Wurzeln festigen Hänge sowie Uferböschungen und schützen Äcker bei Hochwasser vor Überschwemmungen.
- Bäume und Sträucher schützen das Klima: Mit Hilfe der Sonnenenergie synthetisieren Bäume und Sträucher aus dem Kohlendioxid der Atmosphäre energiereiche Zuckerlösungen, die zum Wachsen und zur Bildung von Früchten genutzt werden und auch Bodenorganismen mit Energie versorgen.
Pflanzen tragen somit in zweifacher Hinsicht zur Kohlenstoffsenke bei:
- Kohlenstoff wird in Form zuckerhaltiger Kohlenstoffverbindungen über Wurzelausscheidungen zur Ernährung von Bodenorganismen eingesetzt („flüssiger“ Kohlenstoffweg).
- Eine verholzende Pflanze deponiert den synthetisierten Kohlenstoff überwiegend in Form von Lignin und Zellulose in Stamm- und Astholz. In der Regel besteht etwa die Hälfte des Gewichts von trockenem Holz aus Kohlenstoff.
- Bäume und Sträucher bremsen den Prozess der Versteppung, indem:
- über die Verdunstung Feuchtigkeit an die Umgebungsluft abgegeben wird, und so über Verdunstungskälte hohe Temperaturen herunterkühlen
- trocken-heiße Winde abgebremst werden
- der Boden beschattet ist
- Kühle und Windstille in den Morgenstunden Tau ermöglichen, der von der nachtkühlen Erde gut aufgenommen werden kann.
- Artendiversität unterstützt die Pflanzengesundheit: Je diverser das Konsortium* aus Nutzpflanzen, Sträuchern und Bäumen ist, desto eher greift das Gesetz vom natürlichen Gleichgewicht in der Natur. Dieses hat zur Grundlage, dass über und unter der Erde Schädlinge und Krankheiten durch Antagonisten in Schach gehalten werden. Mit ihrer Langlebigkeit tragen Sträucher und Bäume in einem Produktionssystem zusammen mit Ackerfrüchten ganz besonders zu dieser Resilienz gegenüber Schadenverursacher bei. Zudem erschwert Artenreichtum in einer Pflanzengemeinschaft einem Schädling mit Spezialisierung auf eine bestimmte Nutzpflanzenart die Möglichkeit der massiven...
Erscheint lt. Verlag | 16.3.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Technik |
Schlagworte | Agroforstwirtschaft • Zukunftsfähige Landnutzungsmethode |
ISBN-10 | 3-7578-6593-6 / 3757865936 |
ISBN-13 | 978-3-7578-6593-1 / 9783757865931 |
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Größe: 5,3 MB
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