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1000 Jahre jüdische Kunst in Deutschland -  Donatella Chiancone-Schneider

1000 Jahre jüdische Kunst in Deutschland (eBook)

vom Mittelalter bis zur Moderne
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
123 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7557-7888-2 (ISBN)
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Manuskript zur Vortragsreihe (Erstauflage) mit rund 180 Abbildungen Aspekte jüdischer Kunst in Deutschland im Kontext einer 3000-jährigen internationalen Tradition Inhaltsübersicht: - Am Anfang war das Bildverbot: Was ist jüdische Kunst? - Gesamtkunstwerk Synagoge: von der Antike bis zur Moderne - Bildende Kunst: Malerei und Graphik, mehr als nur Buchmalerei - Grabkunst: tausend Jahre Bildhauerei in Deutschland - Baukunst: Architektur zwischen dem "Judenviertel" und der vollsten Integration Projektseite: www.kunstco.de/juedische-kunst.html

Dr. Donatella Chiancone-Schneider ist promovierte Kunsthistorikerin, freie Kuratorin und populärwissenschaftliche Kunstvermittlerin. In multimedialen, oft interdisziplinären Kursen, Vorträgen, Publikationen, Ausstellungen und selbst organisierten Festivals erklärt sie breitgefächerte, auch anspruchsvollere kunsthistorische Themen zeitgemäß und unterhaltsam. Ihre Vortragstourneen der letzten Jahre haben sie bereits in unzählige Städte bundesweit sowie nach Italien, Österreich, Polen, Dänemark und in die Schweiz geführt. Seit 2020 ist sie zusätzlich mit ortsübergreifenden Webinaren u.a. Online-Formaten unterwegs. Website https://www.donatella.chiancone.eu Projektportal https://www.kunstco.de

Jüdische Kulträume in der Antike


Da Jerusalem seit dem ersten Jahrtausend v. Chr. bereits mit einem steinernen Heiligtum ausgestattet war, zu dem die Juden seit der Ansiedlung aus ganz Palästina (und darüber hinaus) pilgern konnten, wundert es nicht, dass weitere Gebäude mit religiösen Funktionen auf sich warten ließen und zunächst nur in der Diaspora entstanden. Sowohl der feste Tempel als auch die Synagogen vereinten in sich vom Anfang an Architektur, Bildhauerei und oft auch die Malerei, sowie kostbare Produkte aus dem Kunsthandwerk, so dass jede Ihrer Ausführungen als exemplarisches Gesamtkunstwerk der jüdischen Kultur gelten kann.

Der Tempel


Der erste schriftlich belegte Kultraum der Juden geht mindestens auf das zweite Jahrtausend v. Chr. zurück und ist der Tempel. Zur Nomadenzeit dieses Volkes war es den Umständen entsprechend ein faltbares und transportables Objekt, nämlich das sog. Stiftszelt bzw der Tabernakel, dessen Struktur in der Bibel vorgegeben wird.

• Anonym: Tabernakel und Feldlager der jüdischen Stämme in der Wildnis, kolorierte Lithographie (o.J.) WCC •

Nach der König David zugeschriebenen Landnahme sorgte laut der Heiligen Schrift dessen Sohn Salomo um 1000 v. Chr. dafür, dass passend zum neuen, sesshaften Leben seines Volks ein dauerhaftes Gotteshaus aus Stein in Jerusalem errichtet wurde: der sog. Erste Tempel, bestehend aus Hof, Vorhalle, Hauptraum und Allerheiligstem. Obwohl für die folgenden Jahrhunderte zusätzliche Heiligtümer (z.B. im sog. Nordreich mit Hauptstadt Samaria) belegt sind und weitere ausserhalb des Landes Israel vermutet werden, wird in Ermangelung weiterer Bezeichnungen traditionell nur der Tempel in Jerusalem gemeint.

• Thomas Newberry (Entwurf): Architekturmodell des Tempels von König Salomo in Jerusalem, Holz, Karton, Silber und Bronze, vergoldet, Emaille und Leinen (1883) MMA •

Dieser wurde laut Überlieferung 586 v. Chr. von den Babyloniern zerstört und nach Ende der darauffolgenden Gefangenschaft 520 v. Chr. nach derselben Vorlage von Serubbabel neu aufgebaut: Das war der Zweite Tempel. Dieser wurde mehrmals umgebaut und von Herodes dem Großen um 20 v. Chr. nach römischem Vorbild mit vielen Säulen „erneuert“; obwohl man heute bei dieser gigantischen Anlage von einem luxuriösen Neubau ausgeht, wird dieser Tempel traditionell immer noch als der Zweite bezeichnet, da mit dem Dritten der messianische Tempel verstanden wird, der vom Propheten Ezechiel beschrieben wurde und erst am Ende der Zeit kommen sollte.

• Anonym: Titusbogen, Fotografie (o.J., 19. Jh.) RMN •

Trotz Herodes’ Bemühungen um  eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Römern wurde sein religiöser Komplex 70 n. Chr. von den Truppen des Kaisers Titus zerstört und um 135 n. Chr. unter Kaiser Hadrian endgültig abgerissen: Die sog. Klagemauer ist nämlich kein Teil davon, sondern eine Wand der Aussenbefestigung des Tempelbergs, auf dem sich das Gotteshaus seit Salomos Zeit befunden hatte.

• links: Félix Bonfils: Klagemauer, Fotografie auf Albuminpapier (1867-1885) MKG • rechts: Auguste Salzmann: Jerusalem, Tempelbezirk, Gesamtansicht der Ostwand, Fotografie auf Salzpapier (1854) MMA •

An die Stelle des jüdischen Gotteshauses, die traditionell mit dem biblischen Ort identifiziert wurde, an dem Isaacs Opfer stattfinden sollte, wurden seitdem heidnische Tempel gebaut und was heute in veränderter Form noch sichtbar ist, ist der sog. Felsendom, der dort als islamisches Heiligtum im 7.  Jahrhundert gebaut wurde. Dieser wurde kurioser Weise über die Zeit von christlichen Reisenden wiederholt als der jüdische Tempel missverstanden – ja, sogar als der Erstlingsbau von Salomo, der zum Zeitpunkt entsprechender Berichte seit mindestens tausend Jahren nicht mehr existierte.

• links: Anonym: Haram al Sharif in Jerusalem [mit Felsendom], Fotografie auf Albuminpapier (ca. 1895-1915) RMA  • rechts: Jacques Callot: Salomos Tempel in Jerusalem [eigentlich Felsendom], Radierung (o.J., erstes Drittel 17. Jh.) RMN •

So wenig man über das Aussehen des Ersten Tempels trotz ausführlich klingender Beschreibungen in der Bibel sicher sein kann, so viel ist über dessen Nutzung bekannt: Das Gotteshaus wurde ausschließlich von Priestern betreten, denen allerdings der Zutritt zum hintersten Raum (dem Allerheiligsten mit der Bundeslade, in der die Gesetzestafeln aufbewahrt wurden) wiederum untersagt war; die Gläubigen konnten jedoch die Brandopfer im Freien verfolgen, da diese im Hof vollzogen wurden.

• Thomas Newberry (Entwurf): Architekturmodell des Tempels von König Salomo in Jerusalem, Technik s.o. (1883) MMA (Ausschnitte) •

Weitere wichtige Eigenschaften des Kultes waren zur Zeit des Tempels, dass es nur einen im ganzen Land Israel davon gab, und zwar in der Hauptstadt, und dass die Klasse der Priester (Cohen) erblich war. Ab dem 2. Jahrhundert n. Chr., als das Gotteshaus bis zum letzten Stein endgültig abgetragen worden war und den Juden der Zutritt in Jerusalem von den Römern verwehrt wurde, übernahm der siebenarmige Leuchter (Menorah) als typisches liturgisches Gerät die symbolische Bedeutung der Hoffnung auf die Neuerrichtung des Tempels in der heiligen Stadt und wurde damit zu einem Zeichen der (besonders religiösen) Selbstidentifizierung der Juden in der Diaspora.

• Anonym: Architektonisches Element einer Synagoge, verziert mit einem siebenarmigen Leuchter, Palme und Trompete, Basalt (o.J., ca. 1. Jh. n. Chr.) RMN •

Frühe Synagogen


Erste Synagogen sind ab dem 3. Jh. v. Chr. außerhalb des Gelobten Landes belegt und waren keine reinen Sakralbauten, sondern übernahmen wohl vom Anfang an neben den religiösen auch weltliche Funktionen, was sich bereits in ihrem Aussehen zeigte, da sie seit jeher nach dem Vorbild von Profanbauten konzipiert wurden. Dies erklärt ein Stück weiter ihre Präsenz in Palästina bereits kurz vor der Zerstörung des Tempels: Sie standen nämlich nicht in Konkurrenz mit dem Hauptheiligtum, vielmehr übernahmen sie vermutlich eine unterstützende Rolle bezüglich der Wallfahrt.

• Anonym (römisch): Mosaik einer Menorah mit Lulav und Ethrog, Stein und Mörtel (6. Jh. n. Chr.) BMNY •

Synagogen wurden von gelehrten Laien (Rabbinern) geleitet, welche schließlich die Klasse der Priester ablösten, und durften auch von den Gläubigen betreten werden. Seitdem der Tempel nicht mehr existierte, gewann die religiöse Bestimmung dieser neueren Einrichtung natürlich an Bedeutung und sie wurde als der einzig den Juden bleibende Kultraum an vielen Orten gebaut, wo sich die Gemeinden niederließen.

• Renate Friedländer: Synagoge, Kfar Nachum, Ölkreide auf Papier (1980) RBA •

Der auffälligste Unterschied zwischen den Synagogen der Antike vor allem in Palästina und jenen, die im Mittelalter besonders in Europa errichtet wurden, ist, dass Gebäude in der alten Heimat ein reich verziertes Äußeres und ein einfaches Inneres aufwiesen, während Bauten der Diaspora umgekehrt außen sehr bescheiden erscheinen und innen ihre ganze Pracht entfalten mussten – zwar nicht so ideal zur Gebetskonzentration, aber verständlich als Kompensation für das Auge einer Gemeinde, die sich nur als Teil einer Mehrheitsgesellschaft zu ihrem Glauben voll bekennen durfte und als Minderheit sich lieber zurück hielt – zumal es oft aufgrund von diskriminierenden Verordnungen nicht anders möglich war.

• Donatella Chiancone-Schneider, v.l.n.r.: Orientativer Grundriss einer antiken Synagoge bis zum 3. Jh., zwischen dem 4.-5. Jh. und zwischen dem 6.-7. Jh. (die dargestellte Orientierung nach Süden gilt z.B. für Synagogen in Nordpalästina), digitale Grafik (2022) •

Von antiken Synagogen existieren noch genug Ruinen, die eine detaillierte wenn auch nicht lückenlose Rekonstruktion früher Bauten in und um Palästina ermöglichen. Der Grundriß war rechteckig, mit umlaufenden Steinbänken und Säulen auf mindestens zwei Seiten; manchmal war eine sog. Moseskathedra (ein Sessel als Ehrensitz oder vorläufige Ablage für Schriftrollen) vorhanden, die Präsenz von Frauenemporen ist aber umstritten. Zwei Elemente bestimmten vom Anfang an die ganze Räumlichkeit, wobei sie im Laufe der Zeit andere Stellen besetzten: die Bimah (Lesepult) in der Mitte und der Torahschrein, der erst nach und nach einen festen Platz bekam, was die in den frühen Jahrhunderten n. Chr. wechselnde, nach Jerusalem orientierte Seite erklären könnte, da diese vermutlich zu allen Zeiten von der Ausgangsposition (dem Aufbewahrungsort) der Bibelrolle abhängig war.

• Unbekannte Künstler (römisch): Mosaiken aus der Synagoge von Hammam Lif, Stein und Mörtel (1.-2. und 6. Jh. n. Chr.) • links: Männliche Figur im Medaillon (1.-2. Jh.) BMNY • rechts: Ente nach links in Weinreben (6. Jh.) BMNY •

Das Innere war mit Fußbodenmosaiken, Wandgemälden und/oder Reliefs geschmückt, dabei konnten die Motive durchaus figürlich und sogar heidnischer Herkunft sein; das Äußere war durch eine prächtige Fassade mit drei Portalen im unteren und drei Fenstern im oberen Register geprägt, wobei die Mittelachse durch...

Erscheint lt. Verlag 5.4.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Technik Architektur
ISBN-10 3-7557-7888-2 / 3755778882
ISBN-13 978-3-7557-7888-2 / 9783755778882
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